Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 301/02

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2003, Az.: 11 W (pat) 301/02)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent 199 56 368 widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 199 56 368 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von schmelzgeblasenen Vliesstoffen, daraus hergestellte schmelzgeblasene Vliesstoffe und Verwendung der schmelzgeblasenen Vliesstoffe" (Veröffentlichungstag der Patenterteilung: 3. Januar 2002) ist am 2. April 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei, zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Zum Stand der Technik sind zu den bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten DE 27 35 063 B2 DE 41 23 122 A1 US 58 76 388 US 47 14 647 US 38 25 379 WO 97/05306 A1 (D1)

im Einspruchsverfahren noch die US 54 05 559 (D2)

EP 0 825 287 A1(D3)

JP 022 89162 (D4)

DE 21 37 366 A1 (D5)

genannt worden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den am 1. Dezember 2003 überreichten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

In der mündlichen Verhandlung legt die Patentinhaberin eine überarbeitete Streitpatentschrift mit einem neuen, aus den erteilten Ansprüchen 1 und 2 zusammengefassten Anspruch 1, mit daran angepassten Ansprüchen 2-10 und einer geänderten Beschreibung vor. Sie begründet ihren Antrag damit, dass das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik sowohl neu als auch erfinderisch sei.

Außerdem erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Nr. 2 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3. Der Einspruch ist begründet.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung eines schmelzgeblasenen Faservlieses aus thermoplastischem Kunststoff, bei dem ein Strom aus flüssigem Kunststoff durch Polymerkanäle in eine, entlang einer Geraden angeordneten Reihe von Düsen gefördert wird und dieser nach dem Verlassen der Düse durch, von beiden Seiten einwirkende Ströme aus Blasluft, welche über Luftkanäle, die in einem Luftspalt münden, dem Strom aus flüssigem Kunststoff zugeführt werden, zerfasert und/ oder verstreckt wird, wobei von der ersten Seite her ein erster Luftstrom, mit einem ersten Volumenstrom durch einen ersten Luftkanal mit einem ersten Luftspalt, und von der zweiten Seite her ein zweiter Luftstrom mit einem zweiten Volumenstrom durch einen zweiten Luftkanal mit einem zweiten Luftspalt auf den Strom aus flüssigem Kunststoff auftrifft, wobei ein Faserstrom gebildet wird, welcher auf einem umlaufenden Ablagemedium zum Faservlies abgelegt und abgezogen wird dadurch gekennzeichnet, dass der Quotient aus dem ersten Volumenstrom V1 und zweiten Volumenstrom V2 kleiner als 1 ist und der Faserstrom (9) in die Richtung des Luftkanales (L1) mit dem ersten Volumenstrom V1 abgelenkt wird, so dass der Faserstrom (9) die Düse (3) in einem Austrittswinkel von 5¡ bis 70¡ verlässt, dessen Schenkel (51, 61) einerseits von der durch die Düsenöffnung (3.1) verlaufenden Mittellängsachse (5) des Polymerkanals (2) und andererseits von der Mittellängsachse (6) des aus der Düsenöffnung (3.1) abgelenkten Faserstromes (9) gebildet werden, sodaß die Faserstärke über den Querschnitt des Faservlieses (11) einen Gradienten bildet und mindestens 50% der Fasern eine Kräuselung erhalten."

Die Ansprüche 2 bis 6 haben weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 zum Inhalt.

Der nebengeordnete Anspruch 7 betrifft ein nach dem Verfahren des Anspruchs 1 hergestelltes Faservlies, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es Fasern in einem Einzel-Faserstärkenbereich von 3 µm und 50 µm enthält. Der nebengeordnete Anspruch 8 betrifft ein solches Faservlies, bei dem der Bereich der Einzelfaserstärken bei 1 µm und 100 µm liegt.

Die ebenfalls nebengeordneten Ansprüche 9 und 10 betreffen die Verwendung des Faservlies nach den Ansprüchen 7 und 8.

Der Erfindung liegt gemäß Patentschrift (S 2, Z 54-58) die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, durch welches mit einem einzigen Schmelzblaskopf ein schmelzgeblasener Vliesstoff hergestellt werden kann, der einen Gradienten im mittleren Faserdurchmesser über seinen Querschnitt besitzt, welcher des weiteren einen sehr weiten Bereich an Einzel-Faserdurchmessern besitzt, und mit dem Vliesstoffe von niederer Dichte mit hohem Bausch, bis zu dünnen Vliesstoffen mit hoher Dichte herstellbar sind.

Fachmann ist ein Diplomingenieur mit mindestens Fachhochschulabschluss im allgemeinen Textilmaschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung in der Herstellung von Faservlies und Kenntnissen in der Kunststofftechnik.

Der geltende Anspruch 1 ist zulässig.

Er basiert auf den erteilten Ansprüchen 1 und 2. Der Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 sowie der erteilte Anspruch 2 stimmen mit ihren jeweiligen ursprünglichen Fassungen überein. Das Kennzeichenteil des erteilten Anspruchs 1 ist im Prüfungsverfahren in zulässiger Weise gegenüber seiner ursprünglichen Fassung durch die Aufnahme der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 10 und 11 sowie durch Präzisierung der Beschreibung der Faserstromgeometrie geändert worden.

Das Verfahren des geltenden Anspruchs 1 ist nicht neu.

Aus der EP 0 825 287 A1(D3), Sp 3, Z 3-10, und Sp 7, Z 6-8, ist ein Verfahren zur Herstellung eines schmelzgeblasenen Faservlieses aus thermoplastischem Kunststoff gemäß Anspruch 1 bekannt, bei dem ein Strom aus flüssigem Kunststoff durch Polymerkanäle in eine, entlang einer Geraden angeordneten Reihe von Düsen gefördert wird. Dass der Polymerstrom nach Verlassen der Düse durch von beiden Seiten einwirkende Ströme aus heißer Blasluft gemäß Anspruch 1 beaufschlagt und dabei zerfasert bzw. verstreckt wird, ergibt sich für den Fachmann ohne weiteres aus D3, Sp 6, Z 49-55, iVm Fig 2 ebenso wie die weiteren Merkmale des Anspruchs 1, dass die beiden Ströme aus heißer Luft als erste und zweite Volumenströme durch Luftspalte (nozzle slit) aufweisende Luftkanäle hindurch auf den Polymerstrom auftreffen. Schließlich ist auch das letzte Merkmal des Oberbegriffs des Anspruchs 1, wonach der so gebildete Faserstrom auf einem umlaufenden Ablagemedium zum Faservlies abgelegt und abgezogen wird, aus D3, Sp 3, Z 8-10, und Sp 6, Z 56 bis Sp 7, Z 1 iVm Fig 2, bekannt.

Somit sind aus D3 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bereits bekannt, was auch auf die Merkmale des Kennzeichenteils des Anspruchs 1 zutrifft. Denn dessen erstes - in den geltenden Anspruch 1 zusätzlich aufgenommenes - Merkmal des unter 1 liegenden Quotienten aus dem ersten und zweiten Volumenstrom aus heißer Luft, geht ebenfalls aus D3, Sp 7, Z 11-13 iVm Fig 2 hervor. Demnach herrscht am rechten Luftspalt (right nozzle slit) ein höherer Druck (higher pressure) als am linken Luftspalt (left nozzle slit). Daraus liest der Fachmann ohne weiteres mit, dass bei ansonsten unveränderten übrigen Bedingungen, insbesondere gleich großen Luftspalten für die beiden Luftströme, am linken Luftspalt ein geringerer Volumenstrom als am rechten Luftspalt austritt. Dieser Volumenstromunterschied bewirkt, dass der größere rechte Volumenstrom den Faserstrom nach links in Richtung des schwächeren linken Volumenstrom ablenkt. In die Terminologie des Streitpatents übertragen bedeutet dieser aus D3 bekannte Sachverhalt nichts anderes, als dass der Quotient aus dem ersten (in D3: linken) und zweiten (in D3: rechten) Volumenstrom gemäß Anspruch 1 kleiner als 1 ist. Dass außerdem nach diesem Merkmal des Anspruchs 1 "der Faserstrom (9) in die Richtung des Luftkanals (L1) mit dem ersten (schwächeren) Luftstrom abgelenkt wird", ist nur die selbstverständliche Wirkungsangabe, die - wie dargelegt - für den Fachmann aus von 1 abweichenden Quotienten der beiden Volumenströme folgt. Abgesehen davon ist eine derartige Ablenkung des Faserstroms ebenfalls aus D3 bekannt, wie Fig 2 zeigt, worin in Übereinstimmung mit der Beschreibung wegen des am rechten Luftspalt größeren Volumenstroms die Ablenkung des Faserstroms konsequenterweise nach links dargestellt ist.

Das weitere Merkmal des Kennzeichenteils betrifft den Austrittswinkel von 5¡ bis 70¡ des Faserstroms (9), gemessen zwischen den Mittellängsachsen (5) des Polymerkanals (2) und des Faserstroms (9). In D3, Sp 3, Z 12-16, und Sp 7, Z 36-39 iVm Fig 2, ist ein Bereich des entsprechenden Austrittswinkels des Faserstroms aus der Düse von 10¡ bis 30¡ genannt, der damit unter den beanspruchten Bereich des Austrittswinkels von 5¡ bis 70¡ fällt. Somit ist auch dieses Merkmal des Anspruchs 1 aus D3 bekannt. Im Übrigen stellt auch das den Austrittswinkel betreffende Merkmal nur eine vom Fachmann erwartete Wirkungsangabe dar, da der sich einstellende Austrittswinkel eine Folge eines von 1 abweichenden Quotienten der beiden Volumenströme ist. Je mehr der Quotient von 1 abweicht, je größer also der Unterschied zwischen den beiden Volumenströmen ist, desto größer wird - bei unveränderten übrigen Randbedingungen - der Austrittswinkel des Faserstroms aus der Düse.

Auch die im letzten Merkmal des Anspruchs 1 angegebenen beiden Eigenschaften des mit dem beanspruchten Verfahren entstehenden Faservlieses, Bildung eines Gradienten der Faserstärke über den Querschnitt des Faservlieses und mindestens 50% gekräuselte Fasern, stellen nur eine Folge derjenigen Verfahrensschritte dar, die bereits aus D3 bekannt sind. Es liegt für den Fachmann auf der Hand, dass bei vergleichbaren Voraussetzungen mit dem in allen Merkmalen bekannten Verfahren nach D3 - wegen der an der Ober- bzw. Unterseite unterschiedlichen Luftstrombeaufschlagung sowie wegen der beim schrägen Auftreffen der noch weichen Fasern auf das Ablagemedium unterschiedlich langen Wege im Heißluftstrom - auch die beiden nach dem letzten Merkmal des Anspruches 1 gewünschten Eigenschaften erreicht werden.

Somit weist das Kennzeichenteil des Anspruchs 1 als gegenständliches Merkmal nur den Quotienten der beiden Volumenströme auf. Alle übrigen Merkmale seines Kennzeichenteils sind bei einem Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sich von selbst einstellende Folgen bei unterschiedlichen Volumenströmen.

Damit ist die Lehre des Anspruchs 1 vorbekannt, den aus der Düse austretenden Faserstrom durch Beaufschlagung mit zwei unterschiedlichen Luftströmen in einem bestimmten Winkel abzulenken, um ein Faservlies mit über den Querschnitt sich ändernder Faserstärke und überwiegend gekräuselten Fasern zu erhalten.

Daher hat der geltende Anspruch 1 keinen Bestand. Die Ansprüche 2 - 10 fallen mit Anspruch 1.

Aus diesen Gründen ist das Patent zu widerrufen.

Dellingerv. Zglinitzki Harrer Schmitz Ko






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2003
Az: 11 W (pat) 301/02


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