Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 15/10
(BPatG: Beschluss v. 13.09.2011, Az.: 17 W (pat) 15/10)
Tenor
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Am 30. Mai 2005 ist eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Integrierte Schaltung mit Warping-Berechnungseinheit"
beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden, die die Nummer 10 2005 025 025.4-53 erhalten hat.
Am 3. Februar 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse G06T einen Prüfungsbescheid erlassen. Sie hält der Anmeldung vier Druckschriften entgegen und führt im Wesentlichen aus, Patentanspruch 1 fehle es an einer klaren und vollständigen Lehre; zudem sei er mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar. Entsprechendes gelte für Patentanspruch 16.
Daraufhin hat die Anmelderin mit Schreiben vom 13. Juni 2006 neue Patentansprüche eingereicht. Sie vertritt die Ansicht, dass diese gegenüber dem genannten Stand der Technik neu und erfinderisch seien. Patentanspruch 1 sei nicht unklar. Falls die Prüfungsstelle weiterhin Bedenken gegen die Gewährbarkeit der neu eingereichten Patentansprüche haben sollte, werde um eine Anhörung gebeten.
In einem weiteren (zweiten) Prüfungsbescheid vom 18. Oktober 2007 benennt die Prüfungsstelle zwei weitere Druckschriften (D5 und D6). Der Anmeldung fehle die Einheitlichkeit und sie zeige weitere Mängel und Unklarheiten. Selbst wenn Patentanspruch 1 ausreichend nacharbeitbar sein sollte, sei er nicht neu und ihm fehle die erfinderische Tätigkeit.
Am 23. Juni 2008 haben Prüfer und Anmeldervertreter nach mehreren vorbereitenden E-Mails von beiden Seiten miteinander telefoniert und dabei mehrere entscheidungserhebliche Fragen diskutiert. Es sei vereinbart worden, kein formelles Protokoll zu erstellen, statt dessen werde in der kommenden Eingabe auf das Gespräch Bezug genommen.
Die Anmelderin hat daraufhin am 27. Juni 2008 ein neuformuliertes Patentbegehren eingereicht, in dem sie auf die Vorgaben der Prüfungsstelle eingeht. Sie regt eine weitere telefonische Besprechung an, hilfsweise beantragt sie eine Anhörung.
Mit Beschluss vom 6. November 2009 hat die Prüfungsstelle für Klasse G06T die Patentanmeldung zurückgewiesen. Sie nimmt Bezug auf die im Prüfungsverfahren als D 5 bezeichnete Entgegenhaltung (nunmehr "E 1" genannt). Der geltende Patentanspruch 1 sei zulässig, jedoch mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar. Dies sei bereits in den Prüfungsbescheiden vom 3. Februar 2006 und 18. Oktober 2007 sowie dem Telefonat im Juni 2008 dargelegt worden. Eines erneuten Bescheids vor der Beschlussfassung habe es nicht bedurft. Aus den neu eingereichten Patentansprüchen habe sich keine neue Entscheidungsgrundlage ergeben und im Juni 2008 habe ein ausführliches Telefonat inklusive des Austauschs mehrerer elektronischer Dokumente stattgefunden. Der Anmelderin sei im Verfahren ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Eine darüber hinausgehende mündliche Erörterung bzw. eine Anhörung erschienen somit weder notwendig noch geboten und hätten nur zu einer weiteren Verfahrensverzögerung geführt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie sei eine Anhörung daher nicht sachdienlich gewesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Mit Schreiben vom 23. Februar 2011 hat sie die Beschwerde zurückgenommen, aber einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt.
II.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig. Auch nach Rücknahme der Beschwerde kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden (§ 80 Abs. 4 PatG).
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG entspricht der Billigkeit, denn die Durchführung der von der Anmelderin beantragten Anhörung wäre sachdienlich gewesen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 PatG). Sachdienlich ist eine Anhörung grundsätzlich in jedem Verfahren einmal. Sie ist immer sachdienlich, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt nur in Betracht, wenn triftige Gründe dafür vorliegen (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 46 Rdnr. 9 f.). Bei der Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist der Senat unter Ausschluss von Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 46 Rdnr. 8; BPatGE 26, 44).
Im vorliegenden Fall sind objektive Gründe, die die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Insbesondere gab das Verhalten der Anmelderin keinen Anlass für die Vermutung, dass die beantragte Anhörung das Verfahren lediglich verzögern würde. Die Anmelderin hat ihre Ansprüche entsprechend den Vorgaben der Prüfungsstelle angepasst und damit ihre Bereitschaft zur Mitarbeit gezeigt. Unter diesen Umständen kann das Argument der Prüfungsstelle, dass sie eine Anhörung nicht für sachdienlich halte, weil die wesentlichen Argumente bereits ausgetauscht worden seien, nur so verstanden werden, dass sie ihrerseits bereits ein abschließendes Urteil gefasst hatte, an dem auch (neue) Argumente der Anmelderin nichts mehr hätten ändern können. Zweck einer Anhörung aber ist es, Inhalt und rechtliche Probleme in einem offenen Meinungsaustausch zu erörtern und so die Sache fördern. Einer Anhörung noch vor deren Durchführung von vornherein jegliche Aussicht auf Erfolg abzusprechen konterkariert dieses gesetzlich verankerte Instrument.
Das Telefonat zwischen Prüfer und Anmeldervertreter ersetzt keine Anhörung, vgl. Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 42; 17 W (pat) 104/04 (Seite 6 Mitte). Damit ist der Prüfer nicht auf den zweimal gestellten Antrag auf Anhörung eingegangen.
Bei verständiger Würdigung war somit nicht auszuschließen, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen und die Einlegung der Beschwerde entbehrlich gewesen wäre.
Nach alledem entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Dr. Fritsch Prasch Baumgardt Eder Fa
BPatG:
Beschluss v. 13.09.2011
Az: 17 W (pat) 15/10
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