Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. März 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 433/03
(BPatG: Beschluss v. 08.03.2004, Az.: 5 W (pat) 433/03)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 25. März 2003 aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster 295 06 770 wird im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 und 8 gelöscht.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 21. April 1995 angemeldeten Gebrauchsmusters 295 06 770 (Streitgebrauchsmuster), das am 22. Juni 1995 mit 8 Schutzansprüchen in das Gebrauchsmuster-Register eingetragen und dessen Schutzdauer auf 10 Jahre verlängert worden ist.
Die eingetragenen Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:
1. Armatur mit einer steigenden Spindel, einer Schutzkappe für das obere Spindelende und einer Begrenzungseinrichtung für den Spindelhub, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzkappe (4, 4') innenwandig ein Gewinde aufweist, in das ein mit Außengewinde versehenes Anschlagstück (7) auf Anschlagstellung verstellbar eingeschraubt ist, wobei die Schutzkappe (4, 4') eine Zugangsöffnung (9, 9') für die Betätigung des Anschlagstückes (7) aufweist.
2. Armatur nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Außengewinde des Anschlagstückes (7) selbsthemmend ausgebildet ist.
3. Armatur nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Außengewinde des Anschlagstückes (7) eine unterschiedliche Gewindesteigung im Verhältnis zum Gewinde der Spindel (5) aufweist.
4. Armatur nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzkappe (4') selbst als Gewindehülse ausgebildet ist.
5. Armatur nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß in die Schutzkappe (4) eine Gewindehülse (6) eingesetzt ist.
6. Armatur nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Gewindehülse (4', 6) aus durchsichtigem Material besteht.
7. Armatur nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Anschlagstück (7) mit einem Schlitz (8) für die Betätigung mittels eines Werkzeuges versehen ist.
8. Armatur nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Zugangsöffnung (9, 9') durch einen Stopfen (10), eine Kappe (10') oder dergleichen verschließbar ist.
Die Antragstellerin hat am 8. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Teillöschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 und 8 beantragt, da sein Gegenstand insoweit nicht schutzfähig sei. Zur Begründung hat sie ua folgende Unterlagen genannt:
1. EP 0 473 118 B1 2. CH-PS 231 315 3. US-PS 4 714 233 4. DE 89 03 056 U1 5. Prospektblatt "Das neue ARI-System"
6. ARI-FABA, Ausgabe/Edition 8/93 7. Stahlrohr-Handbuch, 10. Auflage, 1986, S.398-419, 532-535, 660-663 8. Datenblätterkonvoluta. ARI-Datenblatt, Pneumatisches Stellventil in Durchgangsform STEVI-P 440-441 DP, Ausgabe Juni 1991 b. ARI-Datenblatt, Pneumatische Stellantriebe DP 32-33-34-34 T, Ausgabe Juni 1991 c. ARI-Datenblatt, Sicherheitsventile für die Heizungstechnik SAFE 903/904/990, Ausgabe Juli 1992 d. ARI Proportional-Sicherheitsventil, PN 16, Typenblatt 5.00001 Ausgabe April 1978 e. "Wartungsfreie und asbestfreie Spindelabdichtungssysteme...", H. Koldewey, aus "Industriearmaturen" Ausgabe 1990, Seiten 112-116, Vulkan-Verlag, Essen.
Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und am 31. März 2001 jeweils einen neuen Schutzanspruch 1 nach einem Hilfsantrag I und einem Hilfsantrag II eingereicht.
In einem Zwischenbescheid vom 16. Oktober 2002 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts mitgeteilt, daß mit der Löschung des Streitgebrauchsmusters im beantragten Umfang zu rechnen sei.
Am 13. Dezember 2002 hat die Antragsgegnerin neue Ansprüche 1 jeweils nach Hilfsanträgen I, II und III eingereicht, die die Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen vom 31. März 2001 ersetzen sollen.
Die Antragstellerin hat die Schutzfähigkeit auch der Gegenstände der neuen Schutzansprüche bezweifelt. Sie hat zudem geltend gemacht, daß der Anspruch 1 nach Hilfsantrag II unzulässig sei, weil er ein Merkmal enthalte, das nicht ursprünglich offenbart gewesen sei.
Nach mündlicher Verhandlung hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts am 25. März 2003 beschlossen, das Gebrauchsmuster im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 5 und 8 zu löschen, soweit es über den Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II (vom 13. Dezember 2002) und die auf diesen rückbezogenen eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 5 und 8 hinausgeht.
Gegen diesen Beschluß haben beide Streitparteien Beschwerde eingelegt.
Die Antragsgegnerin hat am 22. August 2003 erneut Anspruchsfassungen jeweils nach Hilfsanträgen I, II und III eingereicht, die den Anspruchsfassungen nach den bisher geltenden Hilfsanträgen I bis III entsprechen sollen. Sie verteidigt das Gebrauchsmuster weiter in der eingetragenen Fassung der Ansprüche gemäß Hauptantrag sowie in den Fassungen der Ansprüche nach den zuletzt geltenden Hilfsanträgen I, II und III und vertritt die Auffassung, daß die Gegenstände der Schutzansprüche gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik schutzfähig seien.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet:
Armatur mit einer steigenden Spindel (5) und einer drehbaren Spindelmutter zum Heben und Senken der Spindel (5) der Armatur, wobei das obere Ende der Spindel (5) in einen Innenraum einer Schutzkappe (4) für das obere Spindelende hineinwandern kann, und einer Begrenzungseinrichtung für den Spindelhub, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzkappe (4, 4') innenwandig ein Gewinde aufweist, in das ein mit Außengewinde versehenes Anschlagstück (7) auf Anschlagstellung verstellbar eingeschraubt ist, das im Inneren der Schutzkappe (4, 4') integriert ist, wobei die Schutzkappe (4, 4') eine Zugangsöffnung (9, 9') für die Betätigung des Anschlagstückes (7) aufweist.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet:
Armatur mit einer steigenden Spindel (5) und einer drehbaren Spindelmutter zum Heben und Senken der Spindel (5) der Armatur, wobei das obere Ende der Spindel (5) in einen Innenraum einer Schutzkappe (4) für das obere Spindelende hineinwandern kann, und einer Begrenzungseinrichtung für den Spindelhub, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzkappe (4, 4') innenwandig ein Gewinde aufweist, in das ein mit Außengewinde versehenes scheibenförmiges Anschlagstück (7) auf Anschlagstellung verstellbar eingeschraubt ist, das im Inneren der Schutzkappe (4, 4') integriert ist, wobei die Schutzkappe (4, 4') eine Zugangsöffnung (9, 9') für die Betätigung des Anschlagstückes (7) aufweist.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag III lautet:
Armatur mit einer steigenden Spindel (5) und einer drehbaren Spindelmutter zum Heben und Senken der Spindel (5) der Armatur, wobei das obere Ende der Spindel (5) in einen Innenraum einer Schutzkappe (4) für das obere Spindelende hineinwandern kann, und einer Begrenzungseinrichtung für den Spindelhub, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzkappe (4, 4') innenwandig ein Gewinde aufweist, in das ein mit Außengewinde versehenes Anschlagstück (7) auf Anschlagstellung verstellbar eingeschraubt ist, das im Inneren der Schutzkappe (4, 4') integriert ist, wobei die Schutzkappe (4, 4') eine Zugangsöffnung (9, 9') für die Betätigung des Anschlagstückes (7) aufweist, und die Schutzkappe (4) an mehreren Umfangsstellen Sichtöffnungen (11) zum sichtbar machen des oberen Endes der Spindel (5) aufweist.
Den Schutzansprüchen 1 nach Hilfsanträgen I, II und III sind die Schutzansprüche 2 bis 8 gemäß eingetragener Fassung des Gebrauchsmusters nachgeordnet.
Die Antragsgegnerin stellt den Antrag, unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise ihn im Umfang der Schutzansprüche gemäß den Hilfsanträgen I bis III, eingegangen am 22. August 2003, zurückzuweisen.
Die Antragstellerin stellt den Antrag, unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragsgegnerin den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster 296 23 670 im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 und 8 zu löschen.
Sie macht geltend, der nach Haupt- und Hilfsanträgen verteidigte Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sei im angegriffenen Umfang nicht schutzfähig. Er beruhe im Lichte des aufgezeigten Standes der Technik zumindest nicht auf einem erfinderischen Schritt. Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II sei im übrigen unzulässig, weil er ein im Streitgebrauchsmuster nicht offenbartes Merkmal enthalte. Auch die dem Hauptanspruch jeweils nachgeordneten Schutzansprüche enthielten keine schutzbegründenden Merkmale.
II Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Antragstellerin sind zulässig. Nur die Beschwerde der Antragstellerin hat jedoch in der Sache Erfolg. Denn der Löschungsantrag ist begründet, weil der geltend gemachte Löschungsanspruch aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gegeben ist.
1. Der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 ist nicht schutzfähig im Sinne der §§ 1 bis 3 GebrMG.
Die Armatur gemäß dem eingetragenen Anspruch 1 mag zwar neu sein. Sie beruht jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Aus der schon in der Gebrauchsmusterschrift gewürdigten europäischen Patentschrift 0 473 118 (EP 0 473 118 B1) ist unstreitig eine Armatur gemäß den Oberbegriffsmerkmalen des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters bekannt. Bei diesem bekannten Hubventil ist das Absperrglied (Ventilstück 5) mittels einer steigenden Spindel 4 vom Ventilsitz abhebbar (Fig 1 iVm S 3 Z6 bis 14). Für das obere Ende der Spindel ist auf dem Handrad zur Betätigung der Spindel eine Schutzkappe 17 angebracht, die eine Begrenzungseinrichtung (Hubbegrenzungsschraube 18) für den Spindelhub aufweist (Fig 1 iVm Z 55 bis 58). Die Begrenzungsschraube ist am vom Ventilsitz entfernter liegenden Ende der Schutzkappe von außen in eine Gewindebohrung eingeschraubt und überragt dieses Ende mehr oder weniger entsprechend der Anschlageinstellung für die Spindel. Ihre Position in der Bohrung wird durch eine Kontermutter gesichert (Fig 1).
Die Gebrauchsmusterschrift sieht es bei der bekannten Ausgestaltung als nachteilig an, dass die Hubbegrenzungseinrichtung und deren Kappe weit nach oben über das Betätigungshandrad hinausragen. Sie seien dadurch einerseits bruchgefährdet, andererseits stellten sie eine Verletzungsgefahr für Personen dar (S 1 Z 17 bis S 2 Z2). Hieraus ist die dem Streitgebrauchsmuster zugrundeliegende Aufgabe hergeleitet, eine gattungsgemäße Armatur zu schaffen, die unter Einschluß der Hubbegrenzungseinrichtung eine minimale Bauhöhe hat (S 2 Z 3 bis 5).
Zur Lösung ist gemäß den kennzeichnenden Merkmalen des Schutzanspruchs 1 im Kern vorgeschlagen, die Hubbegrenzungseinrichtung in das Innere der Schutzkappe zu verlagern. Dazu ist konkret angegeben, die Schutzkappe innen mit einem Gewinde zu versehen, in welches ein Anschlagstück für die Spindel positionsgerecht eingeschraubt ist, und in der Schutzkappe eine Öffnung zu belassen, durch die das Anschlagstück hinsichtlich seiner Lage im Gewinde bzw. der Schutzkappe verstellbar ist.
Der aufgezeigte Stand der Technik hat dem Fachmann, hier einem mit der Konstruktion von Armaturen befassten Maschinenbau-Ingenieur oder erfahrenen Maschinenbautechniker, zu diesen Maßnahmen hinreichend Anregung gegeben.
Vor der sich zB nach einem Verletzungsfall zwangsläufig stellenden Aufgabe wird der Fachmann nach konstruktiven Alternativen einer Hubbegrenzungseinrichtung Ausschau halten und hierbei auf die schweizerische Patentschrift 231 315 stoßen, in der ebenfalls ein Hubventil mit einer steigenden Spindel 6 und mit einer Hubbegrenzungseinrichtung für das Ende der Spindel in Gestalt einer Anschlagschraube 8 beschrieben ist (Fig 1 und zugehörige Beschreibungsteile). Die Anschlagschraube 8 ist mit ihrem Außengewinde in das Innengewinde eines zylindrischen Gehäuses eingeschraubt, das koaxial zwischen Spindelmutter 7 und Handrad 12 verläuft und ventilsitzseitig einstückig mit der Spindelmutter und handradseitig durch eine Verschraubung mit dem Handrad verbunden ist. Die hierzu verwendete Deckschraube 13 verschließt zugleich die am handradseitigen Ende des Gehäuses vorhandene Öffnung, durch die die Anschlagschraube betätigt bzw. verstellt werden kann (S 1 Z 41 bis S 2 Z 7). Der Fachmann erkennt sofort, dass durch die nicht über das Handrad hinausragende Anschlagschraube das Verletzungsproblem vermieden werden kann. Er wird deshalb die diesbezüglichen konstruktiven Maßnahmen auf ein Hubventil nach der EP 0 473 118 B1 übertragen. Daran sieht er sich nicht durch sonstige bauliche Unterschiede der beiden bekannten Ventile gehindert, die beispielsweise - wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat - darin bestehen, dass das Gehäuse zur inneren Aufnahme der Hubbegrenzungseinrichtung bei der europäischen Entgegenhaltung eine Schutzkappe ist, deren unteres Ende erst durch eine Gewindeverbindung fest mit der Spindelmutter und über die Spindelmutter mit dem Handrad fest verbunden ist, während bei dem Hubventil nach der schweizerischen Entgegenhaltung das Gehäuse zur inneren Aufnahme der Hubbegrenzungseinrichtung am unteren Ende einstückig mit der Spindelmutter und am oberen Ende mit dem Handrad durch eine Verschraubung befestigt ist und im übrigen dieses Gehäuse auch noch für Abdichtungszwecke verwendet wird. Denn der Fachmann betrachtet nur die problemrelevanten Mittel einer bekannten Lösung und wird diese - ggf. mit Abwandlungen, die der konstruktiven Anpassung an eine vorhandene Bauform dienen, - dort anwenden, wo er eine Verbesserung erreichen möchte. Er wird daher nur das Innengewinde mit der Anschlagschraube und die abdeckbare Zugangsöffnung auf die Schutzkappe des Ventils nach der EP 0 473 118 B1 übertragen und damit im Rahmen routinemäßigen Tuns zum Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gelangen.
2. Die Armatur gemäß Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I ist ebenfalls nicht schutzfähig, weil auch sie nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht.
Gegenüber dem erteilten Schutzanspruch 1 ist im Oberbegriff hinzugefügt, dass zum Heben und Senken der Spindel eine drehbare Spindelmutter vorgesehen ist und das obere Ende der Spindel in den Innenraum der Schutzkappe hineinwandern kann; im kennzeichnenden Teil ist dem Schutzanspruch 1 gegenüber hinzugefügt, dass das Anschlagstück im Inneren der Schutzkappe integriert ist.
Die hinzugefügten Oberbegriffsmerkmale sind unstreitig bei der Armatur der gattungsbildenden europäischen Patentschrift vorhanden. Das neue kennzeichnende Merkmal fügt dem Anspruch nichts hinzu, was nicht schon beim erteilten Anspruch 1 vom Fachmann mitzulesen ist, wie in der Streitgebrauchsmusterschrift (S 2 Abs 3) schon bei der Angabe der erfindungsgemäßem Lösung ausgeführt ist. Die Feststellungen zum Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag gelten daher in gleicher Weise für den Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I.
3. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag II ist nicht schutzfähig, weil er unzulässig erweitert ist.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag I durch die Ausbildung des Anschlagstücks als "scheibenförmig".
Die Antragsgegnerin räumt zwar ein, dass diese Eigenschaft des Anschlagstückes nicht wörtlich in der Streitgebrauchsmusterschrift erwähnt sei, meint aber, dass der Fachmann diese Eigenschaft den gezeichneten Ausführungsbeispielen ohne weiteres entnehmen könne. Nachdem auch die Zeichnung Ort der Offenbarung einer Erfindung sein könne und dieses Merkmal die Erzielung einer minimalen Bauhöhe der Armatur fördere, stelle die Aufnahme dieses Merkmals in den Schutzanspruch 1 keine unzulässige Erweiterung dar.
Der Senat vermochte dieser Ansicht nicht zu folgen. Wird ein Merkmal zur beschränkten Verteidigung des angefochtenen Gebrauchsmusters aus den Unterlagen in Anspruch genommen, muß es für den Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen als erfindungswesentlich erkennbar gewesen sein. Dies ist hier nicht der Fall. Zwar mag der Fachmann den Figuren 1 und 2 der Gebrauchsmusterschrift eine scheibenförmige Gestalt des Anschlagstückes entnehmen, in der wörtlichen Beschreibung findet sich hierfür jedoch keinerlei Stütze. Denn gemäß der Beschreibung ist der Lösungsgedanke darauf gerichtet, die minimale Bauhöhe der Armatur durch eine in das Innere einer vorhandenen (üblichen) Schutzkappe integrierte Hubbegrenzungseinrichtung zu bewirken (S 2 Abs 2 u S 3 Z 16-18). Hierdurch wird das Augenmerk des Fachmannes keinesfalls auf eine besondere Ausbildung des Anschlagstücks gerichtet. Auch die Stellen in der Beschreibung, die sich mit der näheren Ausgestaltung des Gewindes des Anschlagstückes im Hinblick auf Weiterbildungen der Erfindung befassen (S 2 Abs 4, S 3 Z 19-22 u 26-31, S 4 Z 6-7), gehen auf die Form des Anschlagstückes nicht ein. Damit ist dem Fachmann überlassen geblieben, das Anschlagstück gemäß dem verfügbaren Raum in der Schutzkappe geeignet zu gestalten.
Soweit im übrigen das Anschlagstück - im Unterschied zur Anschlagschraube nach der schweizerischen Patentschrift - keine weitere Funktionen zu erfüllen hat, liegt eine zylindrische Schraube als Anschlagstück für den Fachmann auf der Hand, wobei sich eine scheibenförmige Gestalt abhängig vom Verhältnis Durchmesser zu Länge der Anschlagschraube ergibt, etwa wenn der Durchmesser kleiner als die Länge der Schraube wird. Wegen dieser Durchmesserabhängigkeit kann die Scheibenform - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - somit kein hinreichendes Kriterium für die Erzielung einer minimalen Bauhöhe der Armatur sein. Damit käme diesem Merkmal selbst dann keine erfindungswesentliche Bedeutung zu, wenn es ursprünglich offenbart gewesen wäre.
4. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag III ist nicht schutzfähig, da er nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht.
Er unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag I durch das zusätzliche Merkmal, dass die Schutzkappe an mehreren Umfangsstellen Sichtöffnungen zum Sichtbarmachen des oberen Endes der Spindel aufweist.
Sichtöffnungen in der Schutzkappe werden schon in der EP 0 473 118 B1 als bekannt vorausgesetzt (vgl Fig 4 iVm S 4 Z 9 bis 12), so dass dieses Merkmal vorzusehen nicht über fachmännische Routine hinausgeht. Derartige Sichtöffnungen bedarfsweise durch eine durchsichtige Hülse zu verschließen, wie im bekannten Fall vorgeschlagen, steht dem ersichtlich nicht entgegen.
5. Die Gegenstände der Schutzansprüche 2 bis 5 und 8 teilen das Schicksal der Gegenstände des jeweiligen Hauptanspruchs aller Anträge, auf den sie rückbezogen sind, da ihre zusätzlichen Merkmale entweder schon Stand der Technik sind oder kein Tun des Fachmannes erfordern, das den Bereich seines routinemäßigen Handelns und Könnens überschreitet.
So ist funktionsnotwendig das Gewinde des Anschlagstückes selbsthemmend auszulegen (Schutzanspruch 2), wenn - wie in der schweizerischen Patentschrift gezeigt (Fig 1) - eine beliebige Verstellbarkeit der Anschlagschraube unter Vermeidung einer Kontermutter vorgesehen wird, andernfalls könnte die Position des Anschlags nicht eingehalten werden. Die unterschiedliche Gewindesteigung von Spindel und Anschlagschraube (Anspruch 3) ist bereits aus der schweizerischen Patentschrift (Fig 1) bekannt. Die Schutzkappe einer gattungsgemäßen Armatur mit Innengewinde für die Anschlagschraube auszurüsten (Anspruch 4), ggf. unter Verwendung einer Gewindehülse (Anspruch 5), sowie die Zugangsöffnung in der Schutzkappe für die Anschlagschraube geeignet verschließbar zu gestalten (Anspruch 8), erfordert in Kenntnis der schweizerischen Patentschrift vom Fachmann nur noch handwerkliches Können.
6.Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, §§ 91, 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
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BPatG:
Beschluss v. 08.03.2004
Az: 5 W (pat) 433/03
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