Bundespatentgericht:
Urteil vom 13. Januar 2004
Aktenzeichen: 3 Ni 17/02
(BPatG: Urteil v. 13.01.2004, Az.: 3 Ni 17/02)
Tenor
Das europäische Patent 0 621 002 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 22. Dezember 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldungen DE 3843510 und DE 3843512 jeweils vom 23. Dezember 1988 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 621 002 (Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 589 09 863 geführt wird. Das Streitpatent betrifft eine Bade- und Duscheinrichtung mit einer Badewanne und einer zugeordneten Duschabtrennung und umfasst in der erteilten Fassung 7 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet:
"1. Duschabtrennung, mit zwei Baueinheiten (11) mit je zwei über senkrechte Achsen gelenkig miteinander verbundenen ersten und zweiten festen Segmenten (12, 13), von denen die ersten Segmente (12) mittels je einer schwenkbaren Wandaufhängung wandseits befestigbar sind, während die zweiten Segmente (13) im geschlossenen Zustand der Duschabtrennung (4) aneinander stoßen und somit eine geschlossene Duschkabine oberhalb einer Badewanne (1) bilden, dadurch gekennzeichnet, dass die ersten Segmente (12) der Baueinheiten (11) gerade ausgebildet, mit ihren Wandaufhängungen im Abstand voneinander an ein und derselben, der Badewanne (1) benachbarten Wand (2) befestigbar sind, im geschlossenen Zustand der Duschabtrennung gegenüber der Wand (2) einen Winkel von etwa 90¡ bilden und etwa parallel zueinander verlaufen, dass die mit ihren Seitenkanten (14) aneinanderstoßenden zweiten Segmente (13) gekrümmt sind und im geschlossenen Zustand der Duschabtrennung zusammen mit der Wand (2) und den beiden ersten Segmenten (12) die geschlossene Duschkabine (4) bilden, und dass im geöffneten Zustand der Duschabtrennung die ersten und zweiten Segmente (12, 13) die senkrechten Achsen zusammengefaltet vor die Wand (2) klappbar sind."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, die Priorität der deutschen Patentanmeldungen DE 3843510 und DE 3843512 jeweils vom 23. Dezember 1988 sei zu Unrecht in Anspruch genommen, so dass dem Streitpatent der Zeitrang des Anmeldetags, des 22. Dezember 1989 zukomme. Der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 7 sei gegenüber dem danach zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht patentfähig. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin ua auf folgende Dokumente:
K3 DE 39 30 546 C2, K4 FR-PS 923 768, K5 DE-AS 1 283 768, K6 DE-GM 1 997 830, K11 FR-OS 2 454 791.
Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber der nachveröffentlichten Druckschrift K3 nicht neu und beruhe gegenüber den Druckschriften K4, K5, K6 und K11 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 621 002 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Zur Stützung ihrer Auffassung bezieht sie sich ua auf folgende Dokumente:
B3 US-PS 1,990,871, B9 Schriftsatz der Beklagten vom 19. Mai 2003 an das Landgericht Hamburg.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigkeit des Streitpatents in vollem Umfang, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a, Art 52, 54, 56 EPÜ.
I.
1. Das Streitpatent betrifft eine Duschabtrennung mit zwei Baueinheiten mit je zwei über senkrechte Achsen gelenkig miteinander verbundenen ersten und zweiten Segmenten, von denen die ersten Segmente mittels je einer schwenkbaren Wandaufhängung wandseits befestigbar sind, während die zweiten Segmente im geschlossenen Zustand der Duschabtrennung aneinander stoßen und somit eine geschlossene Duschkabine oberhalb einer Badewanne bilden.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift sind aus DE-U 7 838 258 und DE-U 1 997 830 (=FR-A 1 563 193) Bade- und Duscheinrichtungen bekannt, bei denen die Standfläche für den Benutzer am Boden einer Badewanne an einem Ende der Badewanne vorgesehen sei und bei denen die Duschabtrennung ein Duschvorhang oder eine feste Abtrennung aus gelenkig miteinander verbundenen Segmenten sein könne. Ähnliche, oberhalb von im Eckbereich von Badezimmern angeordneten Badewannen vorgesehene Duschabtrennungen würden einseitig an einer Wand im Bereich der Schmalseite der Badewanne befestigt (DE-PS 23 14 446 und DE-PS 29 02 550). Nachteilig bei solchen Duschabtrennungen sei, dass sie zum einen nur in Eckbereichen von Badezimmern anwendbar seien und zum anderen die Duschkabinen nur im Endbereich der langgestreckten Badewanne darstellbar seien, wo normalerweise keine ebene, und damit sichere Standfläche für den Benutzer zur Verfügung stehe (StrPS Sp 1 Z 12 bis 48). Weiterhin sei bekannt (EP-B1-0 161 313), im Bereich des freien Längsrandes einer vor einer Raumwand aufgestellten Badewanne eine Tragsäule anzuordnen, an dieser eine Duschabtrennung aus mehreren gelenkig miteinander verbundenen Trennelementen aufzuhängen und die beiden freien Enden gegen die Raumwand zu schwenken, um eine geschlossene Duschkabine zu erzielen. Mit dieser Duschabtrennung könne die Duschkabine zwar auch im mittleren, vorwiegend ebenen Bereich einer Badewanne hergestellt werden, jedoch müsse zur Halterung der Duschabtrennung am Längsrand der Badewanne eine entsprechende Befestigungsmöglichkeit gefunden werden (StrPS Sp 1 Z 49 bis Sp 2 Z 4). Aus der DE-AS 1 283 469 sei bereits ein Vorhanggestell für Duschanlagen bekannt, das aus zwei an einer Wand befestigten Einheiten mit je einem ersten Teil und einem zweiten Teil bestehe. Die jeweiligen zweiten Teile könnten um waagerechte Achsen auf das erste Teil geklappt werden. Seien die beiden ersten Einheiten ausgeklappt, würden sie durch eine verschiebbare Muffe an den Enden miteinander verbunden (StrPS Sp 2 Z 5 - 18). Ferner sei es bekannt (US-PS 1990871), eine Duschabtrennung aus mehreren gelenkig miteinander verbundenen Trennelementen frei aufzustellen. Auch in diesem Fall sei eine stabile Befestigung des Haupttrennelements schwierig, und außerdem seien zur Bildung der geschlossenen Duschkabine neben dem Haupttrennelement eine große Zahl von schwenkbaren Trennelementen erforderlich (StrPS Sp 2 Z 19 - 34). Schließlich sei es bekannt (FR-A-15 63 193), zwei separate Baueinheiten mit je zwei über senkrechte Achsen schwenkbar miteinander verbundenen festen, d. h. formsteifen Trennelementen in einer Linie zum Abschluss einer Nische zur Bildung einer geschlossenen Duschkabine anzuordnen, wobei die beiden Baueinheiten zusammengeklappt vor eine Raumwand schwenkbar seien. Eine solche Anordnung sei nur bei einer Nischenlösung zu benutzen, nicht jedoch in Verbindung mit einer frei vor einer Raumwand oder dergleichen aufgestellten Badewanne zur Bildung eines Duschplatzes im Mittenbereich der Wanne (StrPS Sp 2 Z 35 - 46).
2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, eine Duschabtrennung aus mehreren gelenkig über senkrechte Achsen verbundenen Segmenten derart auszubilden, dass bei einer sicheren Wandbefestigungsmöglichkeit sich eine Duschkabine an beliebiger Stelle einer Badewanne, insbesondere im mittleren Bereich einer langgestreckten Badewanne unterbringen lässt, ohne dass an der Badewanne besondere Befestigungsmöglichkeiten für eine Duschabtrennung vorgesehen sein müssen (StrPS Sp 2 Z 47 - 56).
3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 eine Duschabtrennung mit folgenden Merkmalen:
1. Die Duschabtrennung (4) besteht aus zwei Baueinheiten (11);
2. die Baueinheiten bestehen jeweils aus einem ersten und einem zweiten festen Segment (12, 13);
3. die beiden Segmente (12, 13) einer jeden Baueinheit (11) sind über eine senkrechte Achse gelenkig miteinander verbunden;
4.1 die ersten Segmente (12) sind gerade ausgebildet, 4.2 jeweils mittels einer schwenkbaren Wandaufhängung 4.3 im Abstand voneinander an ein und derselben, der Badewanne benachbarten Wand (2) befestigbar und 4.4 bilden bei geschlossener Duschabdeckung mit der Wand (2) etwa einen Winkel von 90¡ und verlaufen (somit) parallel zueinander;
5.1 die zweiten Segmente (13) sind gekrümmt und 5.2 stoßen bei geschlossener Duschabdeckung aneinander;
6. die zweiten Segmente (13) bilden mit den ersten Segmenten (12) und der Wand (2) im geschlossenen Zustand die geschlossene Duschkabine oberhalb der Badewanne;
7. im geöffneten Zustand der Duschabtrennung sind die ersten und zweiten Segmente um die senkrechten Achsen zusammengefaltet vor die Wand (2) geklappt.
II.
1. Der Gegenstand des Streitpatents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne des § 1 bis § 5 Patentgesetz dar, denn er beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Fachmann ist hier ein Fachhochschul-Ingenieur oder ein qualifizierter Techniker mit Erfahrungen in der Konstruktion von Badezimmereinrichtungen, insbesondere Duschkabinen, anzusehen.
2. Die im Streitpatent gestellte Aufgabe wird durch Ausbildungen von Duschkabinen gelöst, wie sie aus der französischen Patentschrift 923 768 (Anl K4) und der US-Patentschrift 1 990 871 (Anl B3) bekannt sind. Beide Druckschriften betreffen Duschabtrennungen aus mehreren gelenkig über senkrechte Achsen miteinander verbundenen Segmenten, die über dem mittleren Bereich einer langgestreckten Badewanne an einer Wand befestigt werden.
Die in der US-Patentschrift 1 990 871 (B3) beschriebene Duschabtrennung besteht aus einem Hauptsegment, das über einer Badewanne an einer Wand fixiert ist und an dem an jeder Seite vier gegeneinander verschwenkbare feste Segmente schwenkbar angelenkt sind. Alle Segmente sind gerade. Die beweglichen Segmente sind im geöffneten Zustand der Duschabtrennung beidseits des Hauptsegments zusammengefaltet vor die Wand geklappt. Bei geschlossener Duschabtrennung bilden das Hauptsegment und die beweglichen Segmente eine achteckige Duschabtrennung oberhalb der Badewanne, wobei die äußersten beweglichen Segmente aneinander stoßen. Dabei stehen die randnächsten beweglichen Segmente nicht senkrecht zur Wand bzw zum Hauptsegment, während die zweiten beweglichen Segmente zueinander parallel stehen.
Die in der französischen Patentschrift 923 768 (K4) beschriebene Duschabtrennung besteht vorzugsweise aus vier festen Segmenten, von denen eines über den mittleren Bereich einer langgestreckten Badewanne an einer Wand befestigt ist. An jeder Seite des fixierten Elements ist ein verschwenkbares bewegliches Segment angelenkt, dessen Breite der Breite der Badewanne entspricht. An einem dieser beweglichen Seitensegmente ist ein weiteres Segment schwenkbar angelenkt, das bei geschlossener Duschabtrennung die vordere Wand der Duschkabine bildet. Die seitlichen Segmente bilden dann mit dem an der Wand fixierten Segment bzw mit der Wand hinter der Badewanne etwa rechte Winkel und verlaufen somit etwa parallel zueinander. Bei geöffneter Duschabtrennung sind die beweglichen Segmente vor das an der Wand befestigte Segment geklappt. Alle Segmente sind gerade.
Die Duschabtrennung nach Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich zunächst einmal dadurch von jeder der beiden bekannten Duschabtrennungen, dass sie aus zwei Baueinheiten besteht, die jeweils für sich an der Wand hinter einer Badewanne befestigbar sind. Hierzu bedarf es aber keiner erfinderischen Tätigkeit. Für den Fachmann liegt es nämlich auf der Hand, dass das hintere, an der Wand befestigte Segment der bekannten Duschkabinen nicht erforderlich ist, wenn diese Wand keines Schutzes gegen Spritzwasser bedarf, zB weil sie gekachelt ist. Der Fachmann sieht auch ohne weiteres, dass die Duschabtrennung kostengünstiger hergestellt werden kann, wenn das an der Wand befestigte Segment entfällt. Es versteht sich von selbst, dass dann die wandnächsten seitlichen Segmente verschwenkbar an der Wand befestigt werden müssen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich weiter dadurch von jeder der beiden vorgenannten Entgegenhaltungen, dass an jeder Seite ein gerades wandnahes und ein gekrümmtes wandfernes Segment vorgesehen sind, wodurch sich ein von der rechteckigen Form abweichender Querschnitt der Duschkabine ergibt. Duschabtrennungen zur Bildung nicht rechteckiger Duschkabinen waren am Prioritätstag des Streitpatents an sich bereits bekannt, zB durch die oben schon genannte US-Patentschrift 1 990 871. Auch Duschabtrennungen mit gewölbten, dh in zwei Achsrichtungen gekrümmten Segmenten waren am Prioritätstag des Streitpatents bekannt. So ist in der französischen Offenlegungsschrift 2 454 791 (K11, Fig 7) eine aus einem geraden und einem gewölbten Element bestehende Duschabtrennung für eine in einer Raumecke stehende Badewanne beschrieben. Das gerade Segment ist um eine senkrechte Achse verschwenkbar an einer Wand befestigt, während das gewölbte Element um eine senkrechte Achse schwenkbar an dem geraden Element angelenkt ist. Bei geöffneter Duschabtrennung ist das gerade Element vor die Wand und das gewölbte Element vor das gerade Element geklappt. Danach bedurfte es keiner erfinderischen Tätigkeit, eine Duschabtrennung vorzusehen, die gemäß der Lehre des Streitpatents wandferne gekrümmte Segmente aufweist. Es handelt sich hierbei im übrigen nach Auffassung des Senats um eine Maßnahme, die in erster Linie gestalterischen Zwecken dient, die technische Funktion der Duschabtrennung aber im Kern nicht verändert.
Auch ausgehend von der in der Figur 7 der französischen Offenlegungsschrift 2 454 791 dargestellten Lösung ist die Ausbildung einer Duschabtrennung mit den Merkmalen nach Anspruch 1 des Streitpatents für den Fachmann naheliegend, wenn die Duschabtrennung nicht an einem Ende einer Badewanne angeordnet werden kann, weil diese zB nicht in einer Raumecke steht oder weil deren Boden am Ende nicht eben verläuft. Der Fachmann sieht nämlich ohne weiteres, dass er die in der Figur 7 der französischen Offenlegungsschrift 2 454 791 durch die Mauerecke gebildeten Wände durch eine zweite Baueinheit von schwenkbaren Segmenten ersetzt werden kann.
Anhaltspunkte dafür, dass die Gegenstände der Unteransprüche in ihrer jeweiligen Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 rechtsbeständig sind, sind weder vorgetragen noch für den Senat erkennbar.
Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die beanspruchte Priorität dem Streitpatent tatsächlich zusteht, wovon der Senat allerdings ausgeht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 13.01.2004
Az: 3 Ni 17/02
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