Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 1997
Aktenzeichen: 6 U 7/97
(OLG Köln: Urteil v. 10.12.1997, Az.: 6 U 7/97)
Vermittelt die einer Werbebroschüre (hier: eines Unternehmens der Werbebranche) als Referenz beiliegende Kundenliste aufgrund ihrer mehrdeutigen Textgestaltung den unzutreffenden Eindruck, alle in der Referenzliste aufgeführten (durchweg bedeutenden) Unternehmen seien eigene Kunden des Werbenden, liegt hierin eine relevante Irreführung im Sinne von § 3 UWG.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Novem-ber 1996 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 147/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Unterlassungsausspruch dieses Urteils folgende Neufassung erhält: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung für ihr Unternehmen, die M. Deutschlang GmbH, die nachstehend wiedergegebene Kundenliste zu verwenden, wenn und solange nicht sämtliche der darin aufgeführten Unternehmen Kunden der M. Deutschland GmbH sind: Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, und zwar bezüglich des Unterlassungsausspruchs in Höhe von DM 150.000,00 sowie bezüglich des Kostenausspruchs in Höhe von DM 15.000,00, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in jeweils der vorstehend aufgeführten Höhe leistet. Die mit diesem Urteil verbundene Beschwer der Beklagten wird auf DM 150.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt Displays für
Innen- und Außenwerbung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt
dabei auf der Entwicklung und dem Vertrieb von Trägersystemen für
Leucht- und Prospektwerbung sowie für Poster.
Bei der Beklagten handelt es sich um die im Jahr 1995 gegründete
deutsche Tochtergesellschaft des international tätigen M.-Konzerns,
der seinen Stammsitz in den USA hat, und der sich mit der
Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Werbe-Klapprahmen,
Bodendisplays, Leuchtkästen sowie anderen Werbeträgern befaßt.
Ende September 1995 verbreitete die Beklagte bundesweit den aus
Bl. 7 der beigezogenen Akte 31 O 749/95 LG Köln (= 6 W 115/95 OLG
Köln) ersichtlichen Werbefolder, in den sie eine von der Klägerin
im vorliegenden Verfahren beanstandete Kundenliste eingelegt hatte.
Die erwähnte Kundenliste war bereits Gegenstand eines von der
Klägerin gegen die Beklagte unter dem Aktenzeichen 31 O 749/95 LG
Köln betriebenen einstweiligen Verfügungsverfahrens. In jenen
Verfahren machte die Klägerin geltend, daß die mit dem Werbefolder
verbreitete Kundenliste irreführend sei. Hierzu vertrat die
Klägerin die Auffassung, daß die Liste zumindest bei einem nicht
unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs den Eindruck
erwecke, die darin aufgeführten Kunden seien solche der Beklagten.
Das Landgericht lehnte den Erlaß der beantragten einstweiligen
Verfügung mit Beschluß vom 14. November 1995 ab, weil die
Óberschrift der Kundenliste deutlich mache, daß es sich bei den
anschließend aufgezählten Kunden um solche von im Ausland
ansässigen M.-Unternehmen, nicht aber um solche der Beklagten
handele. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, daß die Kundenliste
einem Werbefolder beigelegt sei, dessen Inhalt sich eindeutig auf
den weltweit tätigen M.-Konzern beziehe. Auf die gegen diesen
Beschluß des Landgerichts eingelegte Beschwerde hat der erkennende
Senat die begehrte einstweilige Verfügung sodann mit dem aus Bl. 37
- 40 der beigezogenen Akte 31 O 749/95 ersichtlichen Beschluß
erlassen (6 W 115/95 OLG Köln).
Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich um die Hauptsache zu
dem vorbezeichneten einstweiligen Verfügungsverfahren.
Die Klägerin macht weiterhin geltend, daß die von der Beklagten
in den Prospekt eingelegte Kundenliste irreführend und damit nach
Maßgabe von § 3 UWG wettbewerbswidrig sei. Denn bei einem nicht
unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs erwecke die Liste
den Eindruck, daß es sich bei den dort aufgeführten Kunden um
solche der Beklagten handele. Dies aber sei, wie die Klägerin
behauptet hat, objektiv nicht der Fall. Denn sämtliche der in die
Liste eingestellten Kunden seien solche von ausländischen
M.-Unternehmen. Soweit die Kundenliste deutsche Unternehmen nenne,
seien darüber hinaus - wie unstreitig ist - lediglich die
selbständigen, im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften der
genannten deutschen Unternehmen, nicht aber die deutschen Mütter
Kunden der ausländischen M.-Unternehmen. Auch insoweit wohne der
streitgegenständlichen Kundenliste eine Irreführungseignung
inne.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei
Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM,
ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer
von 6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr bei der
Werbung für ihr Unternehmen, die M. Deutschland GmbH, die
nachstehend wiedergegebene Kundenliste zu verwenden, wenn und
solange nicht sämtliche darin aufgeführten Unternehmen Kunden der
M. Deutschland GmbH sind:
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte, die vorab die angebliche örtliche Unzuständigkeit
des angerufenen Landgerichts gerügt hat, hat eingewandt, daß die
Klägerin ein unzutreffendes Verständnis des Verkehrs von der in
Rede stehenden Kundenliste unterstelle. Die in der Art einer
Óberschrift der Aufzählung der Kunden vorangestellte Formulierung,
"Einige Kunden von M.-Unternehmen im Ausland" stelle
unmißverständlich klar, daß damit "Kunden von ausländischen
M.-Unternehmen" gemeint seien. Ein Hinweis auf sie, die Beklagte,
sei im übrigen überhaupt nicht vorhanden. Die Rede sei vielmehr nur
von "M.-Unternehmen" im Ausland. Der Werbefolder stelle dabei auch
klar, daß sich alle Angaben auf M.-Unternehmen weltweit bezögen.
Das Verständnis des Lesers der Kundenliste "verenge" sich daher
nicht auf sie, die Beklagte, als das in Deutschland ansässige
Unternehmen des M.-Konzerns. Vielmehr wisse der Leser zu würdigen,
daß die aus der Kundenliste ersichtlichen ausländischen
Kundenkontakte von einzelnen, im gesamten Konzernverbund tätigen
M.-Unternehmen unterhalten würden (Bl. 22 d. A.).
Mit Urteil vom 26. November 1996, auf welches zur näheren
Sachdarstellung verwiesen wird, hat das Landgericht der Klage unter
Bejahung seiner örtlichen Zuständigkeit stattgegeben. Die
streitgegenständliche Kundenliste, so hat das Landgericht zur
Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, erweise sich als
irreführend und daher wettbewerbswidrig, weil sie in der konkreten
Form geeignet sei, bei einem jedenfalls nicht unbeachtlichen Teil
des angesprochenen Verkehrs den unzutreffenden Eindruck zu
erwecken, bei den darin aufgeführten Kunden handele es sich um
solche der Beklagten. Denn die Formulierung "Einige Kunden von
M.-Unternehmen im Ausland" lasse verschiedene Interpretationen zu,
nämlich u. a. dahingehend, daß es sich bei den in die Kundenliste
eingestellten Unternehmen um inländische Kunden von ausländischen
M.-Unternehmen oder aber um ausländische Kunden der Beklagten
handele. Es bestehe daher die Gefahr, daß ein nicht unerheblicher
Teil des angesprochenen Verkehrskreises den objektiv aber
unzutreffenden Eindruck gewinnen könne, daß es um die Darstellung
gerade des deutschen Marktes gehe. Dem stehe auch der Umstand nicht
entgegen, daß der Werbeprospekt sich mit den internationalen
Aktivitäten des M.-Konzerns befasse. Dies schließe es nicht aus,
daß einem in Deutschland von der deutschen Tochtergesellschaft des
M.-Konzerns verteilten Werbeprospekt eine speziell auf den
deutschen Markt abgestimmte Kundenliste beigegeben werde.
Gegen dieses ihr am 10. Dezember 1996 zugestellte Urteil richtet
sich die am 10. Januar 1997 eingelegte Berufung der Beklagten, die
sie - nach entsprechend gewährter Fristverlängerung - mittels eines
am 10. März 1997 eingegangenen Schriftsatzes fristgerecht begründet
hat.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens erhält die Beklagten ihren Standpunkt aufrecht, daß die
angegriffene Kundenliste nicht irreführend im Sinne von § 3 UWG
sei. Die Kundenliste, so wendet die Beklagte ein, sei in einem
Werbefolder des M.-Konzerns eingelegt gewesen, womit den möglichen
Kunden habe verdeutlicht werden sollen, daß sie auf das Knowhow
und die internationalen Verbindungen eines Konzerns zurückgreifen
könnten. Ganz eindeutig heiße es deshalb in der Óberschrift über
der Kundenliste auch, daß es sich um Kunden von "M.-Unternehmen im
Ausland" handele, also gerade nicht um ihre, der Beklagten, Kunden.
Das Landgericht sei dabei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß es
sich bei den Kunden von ausländischen M.-Unternehmen sowohl um
ausländische, als auch um inländische Kunden handeln könne. Bei
letzteren sei es aber ohne Bedeutung, von welcher
Konzerngesellschaft letztlich der Auftrag erteilt worden sei. Denn
im Zweifel werde eine international operierende Unternehmensgruppe
ihre Aufträge in den jeweiligen Ländern nicht durch die
Muttergesellschaft vergeben, sondern durch die örtliche
Repräsentanz. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich
daraus keinerlei Irreführung des angesprochenen Verkehrs in Bezug
auf etwaige inländische Kunden.
Ein Verständnis der Kundenliste dahingehend, daß es sich bei den
darin aufgeführten Unternehmen um ihre, der Beklagten, ausländische
Kunden handele, sei hingegen nach dem "eindeutigen Wortlaut" der
vorbezeichneten Textzeile ausgeschlossen. Ein derartiges
Textverständnis stehe dem Wortlaut entgegen und überdehne die
Irreführungsgefahr (Bl. 66 d. A.). Der Verkehr verstehe die
Erwähnung von "M.-Unternehmen im Ausland" nur dahin, daß mehrere
Unternehmen gemeint seien. Da es aber in Deutschland nur ein
M.-Unternehmen gebe, könne es sich bei den in der Textzeile der
Kundenliste erwähnten "M.-Unternehmen" nur um M.-Gesellschaften im
Ausland handeln, deren Kunden aufgeführt wurden. Die Erwägung des
Landgerichts, daß der Verkehr die auf der Kundenliste angegebenen
Namen auch dem in Deutschland ansässigen M.-Unternehmen zuordne,
sei nur schwer nachvollziehbar. Bis auf die Firmen A. und V. habe
keine der aufgeführten Unternehmen seinen Hauptsitz in Deutschland.
Alle anderen Firmennamen bezögen sich auf weltweit operierende
Konzerne oder unzweifelhaft ausländische Unternehmen (Bl. 66 d.
A.). Im übrigen zähle mittlerweile aber auch eine erhebliche und
fortlaufend wachsende Anzahl von Unternehmen, die zu den in der
Kundenliste genannten Konzernen gehörten, tatsächlich zu ihren, der
Beklagten, Kunden (Bl. 66 d. A.). Bei der Prüfung der von der
Kundenliste angeblich ausgehenden Irreführungsgefahr habe das
Landgericht im übrigen auch einen unzutreffenden
Beurteilungsmaßstab angelegt. Denn die angegriffene Werbung richte
sich nicht an das breite Publikum, sondern an "markterfahrene
gewerbliche Großabnehmer". Dieser von der Werbung angesprochene
fachkundige Kreis betrachte die Werbeaussage aber sorgfältiger und
wisse diese besser einzuschätzen als dies bei "unkritischen Laien
oder flüchtigen Verbrauchern" anzunehmen sei. Keiner der
angesprochenen Großabnehmer werde auf den Gedanken verfallen, daß
gerade das Konzernunternehmen M. Deutschland GmbH die Werbeträger
für in Amerika vertretende Supermärkte oder japanische
Versicherungen liefere, statt der jeweils vor Ort tätigen
M.-Unternehmen. Die angesprochenen Fachkreise könnten die Aussage
nur so verstehen, wie diese tatsächlich gemeint sei: Daß nämlich
die ausländischen M.-Unternehmen im Ausland viele renommierte
Kunden zu ihren Abnehmern zählen könnten (Bl. 67/68 d. A.).
Die Beklagte beantragt,
das an 26. November 1996 verkündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 147/96 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe
zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung
eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM,
ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer
von 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der
Werbung für ihr Unternehmen, die M. Deutschland GmbH, die
nachstehend wiedergegebene Kundenliste zu verwenden, wenn und
solange nicht sämtliche der darin aufgeführten Unternehmen Kunden
der M. Deutschland GmbH sind:
Die Klägerin hält an ihrer bereits in erster Instanz vertretenen
Auffassung fest, wonach es sich bei der der Aufzählung der Kunden
vorangestellten Textzeile "Einige Kunden von M.-Unternehmen im
Ausland" keineswegs um eine eindeutige Aussage handele. Vielmehr
lasse die erwähnte Formulierung mehrere Deutungen zu, darunter
diejenigen, daß es sich zum einen um inländische Kunden von
ausländischen M.-Unternehmen oder aber zum anderen um ausländische
Kunden der Beklagten handele. Bereits die zuerst genannte
Interpretation erweise sich aber als irreführend im Sinne des § 3
UWG. Das gelte jedenfalls für diejenigen Firmen, wie beispielsweise
die in der Kundenliste erwähnten Unternehmen A., Opel und V., deren
Muttergesellschaften in Deutschland ansässig seien und bei denen es
sich um deutsche Unternehmen handele. Nur die selbständigen
ausländischen Tochtergesellschaften dieser Firmen seien aber Kunden
wiederum von im Ausland ansässigen M.-Unternehmen. Entgegen der
Auffassung der Beklagten spiele es dabei auch durchaus eine Rolle,
von welcher der Gesellschaften der in die Kundenliste eingestellten
Konzernunternehmen letztlich der Auftrag erteilt werde. Denn es
gehe vorliegend um die an deutsche Unternehmen gerichtete Werbung
einer deutschen Firma in Deutschland. Insoweit mache es daher einen
wesentlichen Unterschied, ob die deutsche Muttergesellschaft zum
Kundenkreis gezählt werden könne oder aber eine "völlig
unbedeutende Repräsentanz" dieser Gesellschaft im Ausland.
Eine Irreführung werde aber jedenfalls auch durch die
letztgenannte Interpretation der Textzeile bewirkt. Das
Verständnis, wonach es sich bei den in die Kundenliste
eingestellten Unternehmen um ausländische Kunden der Beklagten
handelt, sei dabei keineswegs aufgrund der Formulierung der
Textzeile selbst oder aufgrund der sonstigen Umstände fernliegend.
Die beanstandete Formulierung lasse es ohne weiteres zu, daß die
nachgesetzten Worte "... im Ausland" nicht etwa auf "...
M.-Unternehmen" bezogen würden, sondern auf "Einige Kunden ...".
Dieses Verständnis sei auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, daß
der Begriff "M.-Unternehmen" in den Plural gesetzt sei. Da es hier
um die Werbung einer deutschen Firma gehe und der Werbeprospekt
zudem in deutscher Sprache abgefaßt sei, liege demgegenüber
vielmehr das Verständnis um so näher, daß die in der Kundenliste
aufgeführte Unternehmen "... im Ausland" Kunden der Beklagten
seien. An dem dargestellten Verständnis der in Rede stehenden
Kundenliste ändere auch der Umstand nichts, daß ein Teil der in
dieser Liste aufgeführten Unternehmen ihren Hauptsitz nicht in
Deutschland habe. Denn selbst wenn einige dieser Firmen in
Deutschland nicht besonders bekannt seien, hätten wiederum andere,
in der Kundenliste aufgeführten Unternehmen in Deutschland einen
sehr guten Ruf und sei es im übrigen vielen der Angesprochenen
überhaupt nicht geläufig, daß es sich bei den in der Kundenliste
erwähnten Unternehmen um ausländische Konzerngeschäftspartner
handele. Das Landgericht habe bei der Würdigung des durch die
Kundenliste erweckten Verständnisses auch keineswegs einen
unzutreffenden Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt. Zum einen sei
es unrichtig, daß sich die streitbefangene Werbung nur an
"Großkunden" richte. Angesprochen sei vielmehr jeder
Gewerbetreibende, der an verkaufsfördernden Werbeträgern jedweder
Art interessiert sei. Vor allem aber gehe es zum anderen nicht um
die fachspezifische Beurteilung einer Aussage, die entsprechende
Fachkenntnisse voraussetze. Vielmehr gehe es vorliegend um das
Verständnis einer Formulierung, die einen "schlechthin jedermann
verständlichen Gegenstand zum Inhalt" habe (Bl. 78 d. A.).
Bezüglich der weiteren Einzelheiten im Vortrag der Parteien wird
auf ihre in beiden Instanzen jeweils gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte 31 O 749/95 LG Köln lag vor und war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten
ist zwar insgesamt zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen
Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht der Beklagten die Verwendung der
streitbefangenen Kundenliste in der konkret angegriffenen Fassung
verboten.
Das in der zweitinstanzlichen Antragsformulierung an die
konkrete Verletzungshandlung angepaßte Unterlassungsbegehren der
Klägerin erweist sich gemäß § 3 UWG als berechtigt. Denn die in
Rede stehende Kundenliste ist geeignet, zumindest einen nicht
unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich
relevanter Weise über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten
in die Irre zu führen.
Mit dem Landgericht und der Klägerin ist davon auszugehen, daß
die der Aufzählung der Kunden in der Art einer Titelzeile
vorangestellte Formulierung "Einige Kunden von M.-Unternehmen im
Ausland" mehrere Deutungen zuläßt, nämlich, daß es sich bei den in
der Referenzliste aufgeführten Unternehmen um inländische Kunden
von ausländischen M.-Unternehmen oder aber um ausländische Kunden
von ausländischen M.-Unternehmen, oder um inländische Kunden der
Beklagten oder aber schließlich um ausländische Kunden der
Beklagten handele. Bereits das letztgenannte Verständnis, wonach es
sich bei den als Kunden aufgeführten Unternehmen um "einige Kunden
im Ausland" der Beklagten handele, stellt sich aber als dem
Irreführungsverbot des § 3 UWG widersprechend dar.
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet das
vorbezeichnete Verständnis weder nach der Formulierung der
erwähnten Textzeile selbst, noch nach dem sonstigen Kontext, in den
sie gestellt ist, aus. Daß der Begriff "M.-Unternehmen" als Plural
verwendet ist, hindert dabei das hier in Rede stehende Verständnis
von vornherein nicht. Denn diese grammatikalische Form des
Wortgebrauchs wird von dem angesprochenen Verkehr, der
Werbebotschaften der hier in Rede stehenden Art in aller Regel nur
flüchtig zur Kenntnis nimmt, zum einen leicht überlesen werden. Zum
anderen aber wird sie von dem Umstand überlagert, daß der in Rede
stehende Prospekt sowie die darin enthaltene, hier beanstandete
Kundenliste gerade von der Beklagten für Werbezwecke in Deutschland
verteilt wird. Schon dies legt ein Verständnis nahe, daß sich,
soweit in der vorbezeichneten Textzeile von "M.-Unternehmen" die
Rede ist, gerade um die Beklagte handele. Jedenfalls aber steht
selbst die wahrgenommene Pluralform des Begriffs "M.-Unternehmen"
dem Wortverständnis nicht entgegen, daß auch die Beklagte, bei der
es sich unzweifelhaft um ein M.-Unternehmen handelt, hierin
eingeschlossen ist. Schon diese Deutung ist indessen - wie
nachführend noch näher auszuführen sein wird - im Sinne des
Unlauterkeitstatbestandes des § 3 UWG zur Irreführung geeignet. Bei
alledem spielt es auch keine Rolle, daß im übrigen Prospekt nicht
speziell von der Beklagten, sondern ausschließlich von der
amerikanischen Mutter die Rede sein soll. Daß der angesprochene
Verkehr diesen Umstand derart in Bezug zu der vorbezeichneten
Textzeile setzt, daß die aufgeführten Kunden nur solche von
ausländischen M.-Unternehmen seien, läßt sich daraus nicht
schließen. Denn der Werbefolder spricht in seinem übrigen Text u.a.
gerade davon, daß M. "heute international" u.a. in Deutschland
arbeite. Ferner wird ausgeführt, daß "viele der internationalen
Gesellschaften auf der Kundenliste" stehen. Selbst wenn daher der
angesprochene Verkehr aufgrund der sonstigen Gestaltung des
Werbefolder und des dort enthaltenen Textes erkennen sollte, daß
hiermit eine internationale Tätigkeit des M.-Konzerns beschrieben
werden soll, schließt dies nicht das Verständnis der hier in Rede
stehenden Kundenliste dahingehend aus, daß es sich hierbei um die
ausländischen bzw. internationalen Kunden (auch) des in Deutschland
arbeitenden M.-Unternehmens handele. In diesem Zusammenhang
überzeugt auch der weitere Einwand der Beklagten nicht, wonach der
angesprochene Verkehr ohne weiteres annehme, daß - soweit die
Referenzkunden im Ausland tätig sind - nicht sie, die Beklagte, die
Geschäftskontakte pflege, sondern daß es sich dabei jeweils um die
vor Ort tätigen M.-Tochtergesellschaften handeln müsse. Gerade die
von der Beklagten angeführte und im übrigen Text des Folders auch
hervorgehobene "internationale Verflechtung" der M.-Unternehmen und
ihrer Tätigkeit regt vielmehr ein Verständnis dahin an, daß
einzelne nationale M.-Unternehmen ihre Tätigkeiten nicht lediglich
auf eben dieses nationale Gebiet beschränken, sondern daß sie -
jedenfalls in den Bereichen, wo kein ortsansässiges M.-Unternehmen
angesiedelt ist - auch grenzübergreifend tätig werden.
Die der verfahrensgegenständlichen Kundenliste innewohnende
vorbezeichnete Interpretationsmöglichkeit sowie die hiermit
verbundene Irreführungseignung ist dabei auch nicht etwa deshalb
ausgeschlossen bzw. - wie die Beklagte weiter einwendet - der
Beurteilungsmöglichkeit der Mitglieder des erkennenden Senates
entzogen, weil sich die Werbung ausschließlich an "markterfahrene
gewerbliche Großabnehmer" richte. Daß das angeblich angesprochene
Fachpublikum über solche fachspezifischen Marktkenntnisse verfüge,
daß ihnen die einzelnen Kundenkontakte der Beklagten sowie ihrer
ausländischen Schwestergesellschaften bekannt seien, behauptet die
Beklagte selbst nicht und läßt sich auch dem Sachverhalt im übrigen
nicht entnehmen. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der
verfahrensgegenständlichen Kundenliste kann daher auf eine
derartige "marktspezifische Fachkunde" des angesprochenen Verkehrs
nicht abgestellt werden. Die Gestaltung der Kundenliste
einschließlich der hier interessierenden Textzeile appelliert
vielmehr an das allgemeine Wortverständnis des angesprochenen
Verkehrs, selbst wenn dieser im Bereich seiner gewerblichen
Tätigkeit für ein bestimmtes Fachprodukt umworben werden soll. Nach
allgemeinem Sprachgebrauch, der sowohl der Beurteilungskompetenz
der der deutschen Sprachgemeinschaft zugehörigen Mitglieder des
erkennenden Senats, als auch der Mitglieder der Kammer des
Landgerichts in erster Instanz unterfällt, wohnt aber aus den oben
dargestellten Gründen der streitbefangenen Kundenliste die
vorbezeichnete Aussage inne. Daß daneben andere
Deutungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die unstreitig den
tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und daher nicht im Sinne
des Unlauterkeitstatbestandes des § 3 UWG zur Irreführung geeignet
sind, ist hingegen unerheblich. Denn die Beklagte muß sich auch die
für sie "ungünstigste" Verständnismöglichkeit ihrer Werbeaussage
entgegenhalten lassen.
Daß die nach alledem durch die in Rede stehende Kundenliste
ausgelöste Erwartung eines nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs,
die im einzelnen genannten ausländischen Unternehmen seien (auch)
solche der Beklagten, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht
übereinstimmt, steht bei alledem auch fest. Daran ändert auch die
Behauptung der Beklagten nichts, daß ein Teil der in der
Kundenliste aufgeführten Unternehmen jedenfalls nunmehr zu ihren
Kunden zähle. Diese Behauptung der Beklagten ist mangels konkreter
Darlegung, um welche Unternehmen es sich dabei handeln soll,
unsubstantiiert und daher schon aus diesem Grund unbeachtlich. Im
übrigen gilt aber auch, daß selbst die Zugehörigkeit nur eines
Teils der in der Referenzliste aufgeführten Unternehmen zum
Kundenkreis der Beklagten die hinsichtlich der übrigen Unternehmen,
bei denen es sich nicht um die Kunden der Beklagten handelt,
bestehende Irreführungseignung nicht ausräumt.
Die wettbewerbliche Relevanz der sich nach alledem als
Fehlvorstellung erweisenden Erwartung des Verkehrs, die in der
Referenzliste erwähnten Unternehmen seien Kunden der Beklagten,
liegt dabei auf der Hand. Denn die Vorstellung, mit einem
Unternehmen in Geschäftskontakt zu treten, welches bereits über
Erfahrungen und geschäftliche Verbindungen mit zahlreichen und
durchaus namhaften ausländischen Unternehmen verfügt, ist ohne
weiteres geeignet, die Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs
gerade auf das Angebot eben dieses Unternehmens, konkret also auf
das der Beklagten, zu lenken.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die
Klägerin in der Berufung ihr Unterlassungsbegehren umformuliert und
den gesamten Werbefolder mit in ihren Unterlassungsantrag
aufgenommen hat, diente dies lediglich der Anpassung des von Anfang
an verfolgten Unterlassungsbegehrens an die konkret angegriffene
Verletzungshandlung. Eine - teilweise - Zurücknahme des
Klagebegehrens liegt hierin nicht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert
sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im vorliegenden
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 10.12.1997
Az: 6 U 7/97
Link zum Urteil:
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