Landgericht Köln:
Urteil vom 31. August 2005
Aktenzeichen: 91 O 229/04

(LG Köln: Urteil v. 31.08.2005, Az.: 91 O 229/04)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 25.488.356.97.- nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.05 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreites trägt die Klägerin zu 17 Prozent, die Beklagte zu 83 Prozent.

Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Telekommunikationsmarkt.

Die Beklagte ist Deutschlands größter Telekommunikationsanbieter. Sie betreibt neben dem Angebot von Sprachtelekommunikationsdiensten gegenüber Endkunden u. a. einen Auskunftsdienst, in dessen Rahmen auf telefonische Anfrage Auskünfte über Teilnehmerdaten erteilt werden.

Das Datenbanksystem der Beklagten besteht aus der Datenbank ANDI, die der Datenbank DARED vorgeschaltet ist. ANDI ist eine vertriebsorientierte Kundendatenbank, ein reines Administrationssystem für Vertriebsaufgaben und dient der Erfassung von Kundendaten.

DARED ist ein Kommunikationsverzeichnis, welches die Aufarbeitung der Teilnehmerdaten zur Veröffentlichung in gedruckten Verzeichnissen, die Nutzung durch elektronische Auskunftsdienste und die Weitergabe an Datenbanken für telefonische Auskunftsdienste ermöglicht.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das sich vorrangig auf die Erbringung von operatorgestützten Auskunftsdiensten für Teilnehmer in öffentlichen Telefondiensten sowie auf die Erbringung sonstiger Informations- und Auskunftsdienste spezialisiert hat.

Seit dem 18.12.1997 besitzt die Klägerin eine Lizenz der Lizenzklasse 4. Diese berechtigt sie auch, Sprachtelefondienste für die Öffentlichkeit anzubieten. Ab dem 01.01.2000 machte die Klägerin unstreitig von Ihrer Berechtigung Gebrauch, indem sie mittels des sog. call by call Verfahrens Telefonverbindungen zwischen Teilnehmern über das Telefonnetz der Beklagten anbietet.

Die zum Betrieb des Auskunftsdienstes erforderlichen Teilnehmerdaten erlangt die Klägerin gegen Entgelt von der Beklagten.

In dem Vertrag über die "Überlassung von Teilnehmerdaten" (im folgenden DARED-Vertrag) vom 11.10.2000/31.10.2000 verpflichtet sich die Beklagte, der Klägerin für die Zwecke der Auskunftserteilung und der Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen ihre Teilnehmerdaten zu Verfügung zu stellen.

Die Bereitstellung der Teilnehmerdaten wurde so vereinbart, dass die Beklagte der Klägerin zum einen in Bezug auf den Gesamtbestand einen einmaligen, stichtagsbezogenen Bestandsdatenabzug und alle bis zur Auslieferung der Daten an die Klägerin vorhandenen updates des Datenbestandes mit den Datensätzen, die von den Teilnehmern für die Auskunftserteilung freigegeben sind , und zum anderen arbeitstäglich jeweils ein am vorausgegangenen Arbeitstag erstelltes update der Bestandsdaten überlässt.

Als Gegenleistung zahlt die Klägerin der Beklagten pro Nutzungsfall einen Preis von € 0,1441/ DM 0,2818. Ein Nutzungsfall ist jeder Anruf des Kunden zu der/den im Leistungsschein festgelegten Rufnummer/n des Auskunftssystem bzw. jeder Zugriff auf die im Leistungsschein festgelegte/n Zugangsseite/n des Auskunftssystems - unabhängig von der Anzahl der überlassenen Teilnehmersätze.

Die Klägerin zahlte aufgrund dieses Vertrages im streitgegenständlichen Zeitraum für die Überlassung von Teilnehmerdaten einen Betrag von € 25.488.356.97( zuzüglich Zuverfügungsstellungskosten). Diesen Betrag fordert sie mit dieser Klage zurück. Über die Rechtmäßigkeit der Zahlungen und damit auch der Rückforderungen streiten die Parteien in diesem Rechtsstreit.

Auf Beschwerden mehrerer Wettbewerber der Beklagten reagierte das Bundeskartellamt mit einem Verfahren bzgl. der Prüfung missbräuchlichen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Teilnehmerdaten. Mit Schreiben vom 02.11.1998 teilte das Bundeskartellamt der Beklagten in diesem Verfahren seine Absicht mit, eine sofort vollziehbare Verfügung gegen sie zu erlassen. Das Bundeskartellamt legte dabei eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten im Bereich der Auskunftserteilung zugrunde.

Mit Schreiben vom 13.01.1999 wurde dieses Verfahren eingestellt. In der Einstellung war u. a. eine Kostengrenze von DM 176 Millionen für die Bereitstellung von Teilnehmerdaten angegeben, ab deren Erreichen ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten vorliegt. Die Kosten sollten entsprechend des jeweiligen Nutzungsanteiles auf die Wettbewerber umgelegt werden.

In einem weiteren Verfahren, welches das Bundeskartellamt auf Beschwerde der Klägerin hin am 09.09.2002 eingeleitet hatte, wurde die Kostengrenze auf € 49 Millionen herabgesetzt. Dieses Verfahren wurde am 18.09.2003 eingestellt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Entgeltvereinbarung des DARED-Vertrages gemäß § 134 BGB i. V. m. § 12 I TKG insoweit nichtig sei, als das dort vereinbarte Entgelt über die "Kosten der effizienten Bereitstellung" der Teilnehmerdaten hinausgehe;

§ 12 I TKG und nicht der Absatz II dieser Vorschrift sei für sie anwendbar; diese Unterscheidung sei jedoch ohnehin überflüssig, da die ONP Sprachtelefondienstrichtlinie II 98/10 EG vom 26.02.1998, welche bis zum 31.06.1998 umzusetzen war, im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu beachten sei und eine Gleichbehandlung von "Lizenznehmern, die Sprachkommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit anbieten" nach § 12 I TKG und "Dritten" nach § 12 II TKG gebiete.

Sie ist ferner der Ansicht, dass die "Kosten der effizienten Bereitstellung" an die Bereitstellung der Daten anknüpfe. Daher könne weder eine Regelung wirksam sein, die an die Häufigkeit der Verwendung der Daten anknüpfe, noch dürften die Kosten einer Datenbank umgelegt werden, die der Beklagten ohnehin entstünden. Ihre Ansicht stützt die Klägerin auf Art. 6 III der o. g. Richtlinie, der "gerechte, kostenorientierte und nicht diskriminierende Bedingungen" für die Bereitstellung von Teilnehmerinformationen vorgibt. Für die Auslegung dieses Passus der Richtlinie sei das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-109/03 vom 25.11.2004 maßgeblich, welches den rechtlichen Standpunkt der Klägerin bestätige.

Auch die von der Klägerin vorgetragenen Kosten der effizienten Bereitstellung seien unter Berücksichtigung der Richtlinie und des EuGH Urteiles erfolgt; für darüber hinausgehende Zahlungsbeträge fehle der Rechtsgrund, so dass die Beklagte insoweit ungerechtfertigt bereichert sei und der Klägerin ein Anspruch aus § 812 I S.1 1. Alt. BGB zustehe.

Der Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 818 I BGB ergebe sich aufgrund ersparter Zinszahlungen der Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.488.356.97 € nebst Zinsen in Höhe

von 5.232.473.91 € und darüber hinaus Rechtshängigkeitszinsen in

Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der

Klageschrift zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt den Rechtsansichten der Klägerin entgegen.

Die vertraglich vereinbarten Entgelte entsprächen den Kosten der effizienten Bereitstellung nach § 12 I TKG.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die auf die Wettbewerber umlagefähigen Kosten der Datenbank DARED verbindlich durch das Bundeskartellamt vorgegeben worden seien.

Der Beklagten stehe außerdem ein Anspruch auf angemessene Vergütung nach §32 UrhG i. V. m. §§ 87a, b UrhG zu.

Die Entgeltvereinbarung des DARED-Vertrages sei auch mit der o. g. genannten Richtlinie konform, welche ohnehin keine "horizontale" Wirkung entfalten könne.

Das EuGH Urteil unterscheide sich in den ihm zu Grunde liegenden Tatsachen von dem vorliegenden Rechtsstreit und müsse daher unberücksichtigt bleiben. Überdies stehe es auch gar nicht zu den von der Beklagten geforderten Entgelten im Widerspruch, da der Beklagten umlagefähige Extrakosten durch die Bereitstellung der Daten für Wettbewerber entstünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in Höhe von € 25.488.356.97.- begründet, im Übrigen unbegründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 812 I S.1 1. Alt. BGB. Dieser Anspruch wird jedoch nicht um die von der Klägerin geforderten Zinsen als Nutzungsersatz gemäß § 818 I BGB erweitert.

1. Die vertragliche Entgeltabrede des DARED-Vertrages ist gemäß § 134 BGB i. V. m. § 12 TKG nichtig, soweit die "Kosten der effizienten Bereitstellung" überschritten werden.

§ 12 TKG ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Er dient der Herstellung und Wahrung chancengleichen Wettbewerbs. Dieser Gesetzeszweck würde leer laufen, wenn die Rechtsordnung die Verträge, die § 12 TKG widersprechen, dennoch anerkennen würde.

Die Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 12 TKG ist nicht die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes, wie es § 134 BGB eigentlich vorsieht. Bei Preisbestimmungen wird der Vertrag zum Schutz des benachteiligten Vertragspartners mit dem zulässigen Preis aufrechterhalten (Heinrichs in Palandt, § 134, Rdnr.27). Der DARED-Vertrag bleibt wirksam, an die Stelle der unzulässigen Entgeltabreden tritt stattdessen der nach § 12 TKG zulässige Preis.

Bei der Beurteilung ist § 12 I TKG maßgeblich, da die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig Sprachkommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit anbietet.

Kostenmaßstab sind danach die " Kosten der effizienten Bereitstellung".

Überdies würde sich kein anderes Ergebnis ergeben, wenn man die Klägerin als Dritte gemäß § 12 II TKG einordnet.

Die von § 12 TKG vorgesehene Differenzierung des Entgeltmaßstabes nach § 12 I S. 2 TKG, der die "Kosten der effizienten Bereitstellung" vorgibt und nach § 12 II TKG, der ein "angemessenes Entgelt" als Maßstab nimmt, ist europarechtswidrig und daher aufzugeben. Einheitlicher Maßstab in beiden Absätzen sind die "Kosten der effizienten Bereitstellung". Das ergibt sich aus der Richtlinie ONP II 98/10 EG, deren Umsetzungsfrist am 31.06.1998 abgelaufen ist, und die auch für die Bestimmung der "Kosten der effizienten Bereitstellung" von Bedeutung ist.

Diese bestimmt in Art. 6 III: "…,stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Organisationen, die Telefonnummern an Teilnehmer vergeben, jedem vertretbaren Antrag stattgeben, die vereinbarten Informationen zu gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung stellen."

Die Unterscheidung, die § 12 TKG hinsichtlich seiner unterschiedlichen Entgeltmaßstäbe vorsieht, ist somit hinfällig. Denn Art. 6 III der Richtlinie unterscheidet nicht nach der Person des Antragstellers, sondern normiert für jeden Antrag das Merkmal der Kostenorientierung, welches den Kosten der effizienten Bereitstellung entspricht.

Unabhängig davon, ob gerade § 12 TKG wie die Klägerin behauptet, oder §§ 21, 22 TKG, wie die Beklagte behauptet, zur Umsetzung der Richtlinie ergangen sind, muss die Richtlinie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung beachtet werden. Das gesamte nationale Recht ist nämlich richtlinienkonform auszulegen, nicht nur die zur Umsetzung ergangenen Normen (vgl. Schröder in Streintz Beck EUV/EGV Art.249 Rdnr. 126).

Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung folgt aus dem verbindlichen Charakter der Ziele einer Richtlinie , Art. 249 III EG, und der damit korrespondierenden Pflicht aller Träger öffentlicher Gewalt, innerhalb ihrer Zuständigkeiten diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die der Verwirklichung der Ziele der Richtlinie dienen. Letztlich geht es dabei um den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor einfachgesetzlichen nationalen Bestimmungen.

Die richtlinienkonforme Auslegung ist dabei nicht eine bloße Auslegungsmethode, sondern eine verbindliche Anleitung zur Erzielung eines bestimmten Ergebnisses (vgl. Schröder in Streintz EUV/EGV Art. 249 Rdnr. 126).

Die natürliche Grenze der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung stellt der Wortlaut der auszulegenden Norm dar.

Ein Gleichlauf der beiden Absätze aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung verstößt aufgrund der begrifflichen Offenheit der Angemessenheit einer Vergütung in § 12 II TKG nicht gegen den Wortlaut der auszulegenden Norm.

Im Ergebnis sind zwar zwei unterschiedliche Kostenmaßstäbe gleich zu verstehen. Wann eine Vergütung angemessen ist, kann sich aber immer nur aus dem Zusammenhang ergeben. Aus den europarechtlichen Vorgaben ergibt sich, dass die Angemessenheit einer Vergütung der Kostenorientierung bedarf und damit den "Kosten der effizienten Bereitstellung" entspricht.

Nationale Motive, die die Differenzierung begründet haben, ändern an diesem Ergebnis nichts, auch wenn die gefundenen Ergebnisse dadurch in Widerspruch zueinander stehen. Motive des nationalen Gesetzgebers stellen keine Grenze des Umfanges der richtlinienkonformen Auslegung dar.

Anders als über die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie kann über die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch eine horizontale Wirkung der Richtlinie herbeigeführt werden. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen eine richtlinienkonforme Auslegung sich zum Nachteil eines Einzelnen durch eine Rechtsfolge des konform interpretierten nationalen Rechts auswirkt. Dies ist auch gemeinschaftsrechtlich zumutbar, da anders als bei der Folge unmittelbar wirkender Richtlinienbestimmungen die richtlinienkonforme Auslegung keine Sanktion für die fehlende Umsetzung eines Mitgliedstaates darstellt (so Schröder in Streintz Art. 249 III Rdnr. 129).

Die Entgeltvereinbarungen des DARED-Vertrages verstoßen gegen den Maßstab der "Kosten der effizienten Bereitstellung". Sowohl die Umlage von Kosten der Erstellung und der Verwaltung einer Datenbank als auch eine Abrechnung nach der Anzahl der Nutzungsfälle/ Transaktionen ist mit diesem Kostenmaßstab unvereinbar.

Die Richtlinie ONP II 98/10 EG enthält in Art. 6 III, wie oben ausgeführt das Merkmal der Kostenorientierung. Eine variable Entgeltberechnung, abhängig von der Anzahl getätigter Nutzungsfälle/Transaktionen, widerspricht dem Kriterium der Kostenorientierung und stellt eine unzulässige Lizenzgebühr dar.

Dieser Auffassung ist auch der Generalanwalt Maduro. In Nummer 50 seiner Schlussanträge vom 14. Juli 2004 in der Rechtssache C - 109/03 führt er aus: "Die mit der Erhebung und Führung der Informationen verbundenen Kosten hängen von der Zahl der Sprachtelefondienstteilnehmer ab, nicht von der Zahl der Universaltelefonverzeichnisse oder der Nutzer solcher Verzeichnisse." Daher sei es nicht kostenorientiert im Sinne von Artikel 6 III der Richtlinie, "die Gebühr für die entsprechenden Informationen zur Zahl der Endnutzer von Telefonverzeichnissen in Beziehung zu setzen". Diese Einschätzung ist in gleicher Weise auf die Erbringung von Auskunftsdiensten zu übertragen.

Für die Auslegung der Richtlinie ist entgegen der Ansicht der Beklagten das EuGH Urteil in der Rechtssache C - 109/03 vom 25.11.2004 von Bedeutung.

Urteile des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren nach § 234 EGV über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht wirken erga omnes (Ehricke in Streintz EUV/EGV Art.234, Rdnr. 64). Auch, wenn man insoweit anderer Ansicht ist und von einer inter - partes - Wirkung dieser Urteile ausgeht, was der dynamischen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts eher entspricht, entsteht bei vergleichbaren Sachverhalten eine faktische Bindung. So insbesondere, wenn der EuGH - wie vorliegend geschehen - allgemeine Ausführungen zur Auslegung macht.

Der der Vorabentscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem des hier zu beurteilenden Rechtsstreites vergleichbar. Dort wie hier geht es um Wettbewerber einer Universaldiensteanbieterin von Sprachtelefondiensten, und die Fragen, die sich bezüglich der Rahmenbedingungen dieses Wettbewerbes stellen. Kurz darum, welche Daten die Universalanbieterin ihren Wettbewerbern zu welchen Konditionen zur Verfügung zu stellen hat. In beiden Fällen sind die gleichen Teile der ONP II 98/10 EG Richtlinie von Bedeutung.

Die Urteile des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren haben ex tunc Wirkung (Ehricke in Streintz Art. 234, Rdnr. 69).

Dem EuGH sind zwei Fragen zur Auslegung des Art. 6 III der ONP II Richtlinie 98/10 EG vorgelegt worden.

Zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage hat der EuGH untersucht, welche Daten von dem Begriff "entsprechende Informationen" in Art. 6 III der ONP II Richtlinie 98/10 EG umfasst sind. Der EuGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Teilnehmerdaten wie Name, Anschrift, Telefonnummern sog. Standarddaten im Sinne der "entsprechenden Informationen" in Art. 6 III der Richtlinie sind, die gemäß Art. 6 III zu "gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen" den Wettbewerbern zur Verfügung zu stellen sind ( vgl. Nummer 34 C - 109/03).

Mit der zweiten Vorlagefrage wollte das vorlegende Gericht im Wesentlichen Antwort auf die Frage, welche mit der Erhebung, der Verwaltung und dem Zurverfügungstellen der Teilnehmerdaten verbundenen Kosten in den Preis für das ‚Zurverfügungstellen der Daten im Sinne des Art. 6 III der Richtlinie einbezogen werden können.

In seiner Antwort auf die zweite Vorlagefrage hat der EuGH zwischen Standarddaten im oben verstandenen Sinne und darüber hinaus gehenden Zusatzdaten unterschieden.

Bei den Kosten, die für die Weitergabe der Standarddaten an Wettbewerber verlangt werden können, schließt sich der EuGH den Ausführungen des Generalanwaltes Maduro an: " Wie der Generalanwalt in Nummer 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind nämlich die mit dem Erhalt oder der Zuordnung dieser Daten, anders als die Kosten, die berechnet werden, um diese Daten Dritten zur Verfügung zu stellen, jedenfalls vom Anbieter eines Sprachtelefondienstes zu tragen und bereits in den Kosten und Einnahmen eines solchen Dienstes enthalten …" ( Nummer 39 C - 109/03).

Wenn die Beklagte ausführt, dass die ONP II Richtlinie 98/10 EG keine Verpflichtung enthält, dass die Sprachtelefondienstkunden das Recht haben, sich unentgeltlich in allgemein zugängliche Verzeichnisse eintragen zu lassen, so ist diese Einschätzung zutreffend. Die Beklagte zieht daraus jedoch die falschen Schlussfolgerungen, wenn sie annimmt, dadurch seien eben auch nach Deutscher Rechtslage die mit dem Erhalt und der Zuordnung der Daten verbundenen Kosten nicht in den Kosten und Einnahmen eines Sprachtelefondienstes enthalten.

Der EuGH geht stattdessen von einer allgemeinen Kalkulation aus, nach welcher ein Sprachtelefondienst die durch den Erhalt entstandenen Kosten alleine durch den Betrieb des Sprachtelefondienstes selber abdeckt. Aus diesem Grund sei eine Weitergabe der Kosten an Wettbewerber unzulässig.

Der EuGH erteilt solchen Kostenregelungen eine Absage, die die Umlegung der Kosten der Erstellung und/oder Verwaltung einer Datenbank auf Wettbewerber beinhalten. Die Kosten einer Datenbank können nur dann umgelegt werden, wenn die Datenbank extra zur Verfügungstellung für Wettbewerber eingerichtet worden ist und diese Einrichtung zudem auch erforderlich gewesen ist.

Dies trifft auf die Datenbank DARED jedoch nicht zu. Diese wäre nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ohnehin notwendig, damit die Beklagte ihrerseits Auskunftsleistungen erbringen und gedruckte Teilnehmerverzeichnisse herausgeben kann. Es ist unschädlich, dass die Auskunftsleistungen dann von der DETEMEDIEN erbracht werden. Diese werden der Beklagten als 100 % Mutter der DETEMEDIEN als eigene Auskunftsdienste zugerechnet.

Damit sind entgegen der Ansicht der Beklagten neben den Kosten für die Datenbank ANDI auch die der Datenbank DARED grundsätzlich nicht umlagefähig. Denn das würde zu einem ungerechtfertigten Mehrfachausgleich dieser Kosten führen (vgl. Nummer 39 C - 109/03).

Was die über die Standarddaten hinausgehende Zusatzdaten betrifft, so hat der EuGH die mit dem Erhalt dieser Daten verbundenen Extrakosten als auf die Wettbewerber umlagefähig erachtet (vgl. Nummer 41 C - 109/03).

Es kann dahinstehen, ob und inwieweit in Deutschland der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit der Erweiterung der Standarddaten Gebrauch gemacht hat, die ihm in dem EuGH Urteil zugestanden wird (vgl. Nummer 35 C - 109/03). Denn nach eigenem Vortrag der Beklagten verlangt sie laut Ziffer 3.2.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kommunikationsverzeichnis für den sog. erweiterten Kundendatensatz und für spezielle Sortierungen Entgelte von ihren Sprachtelefondienstkunden. Damit ist der Erhalt dieser Daten gerade nicht mit zusätzlichen Kosten für die Beklagte verbunden; und nur die Kosten für den Erhalt sind wiederum nach dem Urteil des EuGH umlagefähig.

Die Nichtigkeit der Entgeltvereinbarung des DARED-Vertrages wird nicht etwa durch die Vorgaben des Bundeskartellamtes aufgehoben.

Erstens enthielt das Schreiben vom 13.01.1999 nur eine Preisobergrenze, ab deren Erreichen ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten vorliegt und nicht etwa eine Entgeltvorgabe.

Zweitens enthalten weder das Schreiben vom 28.11.1998 noch das vom 13.01.1999 eine rechtlich verbindliche Verfügung. Mit dem Schreiben vom 28.11.1998 wird durch die Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes lediglich eine beabsichtigte Verfügung mitgeteilt. Auf das damit verbundene Verfahren wird in dem Schreiben vom 13.01.1999 Bezug genommen und das laufende Verfahren wieder eingestellt. Diese - verwirrender Weise - genannte Einstellungsverfügung stellt gerade keine rechtlich verbindliche Verfügung, sondern einen bloßen Informationsakt dar (vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker GWB § 61, Rdnr.23).

Genau so verhält es sich mit dem am 09.09.2002 eingeleiteten und am 18.09.2003 wieder eingestellten Verfahren.

Des Weiteren können die Vorgaben des Bundeskartellamtes - auch wenn sie in den vertraglichen Beziehungen der Parteien berücksichtigt worden sind - nicht die Nichtigkeit der Entgeltvereinbarungen aufheben. Selbst, wenn sich die Parteien den Preisvorgaben des Bundeskartellamtes unterwerfen wollten, sind die Entgeltvereinbarungen dennoch nichtig. Denn das Vorliegen eines Verbotsgesetzes und die davon ausgelöste Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 134 BGB stehen nicht zur Disposition der Parteien (vgl. Heinrichs in Palandt § 134, Rdnr.1). Der objektiv gegebene Verstoß gegen ein Verbotsgesetz ist ausreichend.

Die Voraussetzungen, die gemäß der ONP II Richtlinie 98/10 EG und dem Urteil des EuGH das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 12 TKG bedeuten, sind auch für das Bundeskartellamt bindend (vgl. Ehricke in Streintz EUV/EGV Art.234, Rdnr. 68). Dessen Darstellung ersatzfähiger Kosten muss so weit unberücksichtigt bleiben, wie sie den europarechtlichen Vorgaben widerspricht.

Die Entgeltvereinbarung des DARED-Vertrages ist auch nicht wirksam, weil sie eine angemessene Vergütung gemäß urheberrechtlicher Bestimmungen darstellt. Diese sind durch den für diesen Bereich spezialgesetzlichen und zwingenden Entgeltmaßstab des § 12 TKG gesperrt.

2. Der Anspruch der Klägerin aus § 812 I S.1, 1. Alt. BGB besteht in dem geltend gemachten Umfang.

Die Beklagte hat keine über die Zahlungsbeträge der Klägerin hinaus umlagefähige Kostenpositionen substantiiert dargelegt.

Solche Kostenpositionen sind zum einen die Kosten, die durch den Transfer der Daten entstehen, die eigentlichen Bereitstellungskosten.

Diese umlagefähigen Kostenpositionen ergeben sich weder aus dem WIBERA-Gutachten der Beklagtenseite, noch wurden sie in den Verfahren des Bundeskartellamt untersucht. Sie sind nach dem substantiierten Vortrag der Klägerin durch deren Zahlungen abgegolten.

Zum anderen sind solche Kostenpositionen ersatzfähig, die bei der Beklagten gerade als Extrakosten für die Bereitstellung der Teilnehmerdaten für ihre Wettbewerber angefallen sind.

Die Kosten einer Datenbank können nur dann auf Wettbewerber umgelegt werden, wenn durch die Bereitstellung der Teilnehmerdaten für Wettbewerber Extrakosten gegenüber dem eigenen Betrieb entstehen.

Für die Bereitstellung von Zusatzdaten können nur Zusatzkosten umgelegt werden, wenn der Erhalt der Zusatzdaten mit Zusatzkosten verbunden ist.

Entsprechende Positionen hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen.

Eines richterlichen Hinweises bedurfte es diesbezüglich nicht. Die Klägerin hat wiederholt vorgetragen, dass sie entsprechende Kostenpositionen anerkenne und von einer Rückforderung absehe. Für die anwaltlich vertretene Beklagte war es also offensichtlich, dass ein prozessualer Erfolg mit der Darlegung entsprechender Kostenpositionen verbunden ist.

3. Es besteht hingegen kein Anspruch der Klägerin aus § 818 I BGB i. V. m. § 812 I S.1 1. Alt BGB.

Nach § 818 I BGB i. V. m. § 812 I S.1 1. Alt. BGB erstreckt sich die Verpflichtung zur Rückzahlung auf die gezogenen Nutzungen, d. h. auf die Sach- oder Rechtsfrüchte und auf die sonstigen Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Zu den Nutzungen zählen Zinserträge und sonstige Erträge, die dem Bereicherungsschuldner aus einer kapitalvermehrenden Anlage des erlangten Geldbetrages zugeflossen sind.

Nach der hier vertretenen Auffassung sind ersparte Zinsaufwendungen den Zinserträgen gleichzusetzen und ebenfalls über § 818 I BGB zu ersetzen (so auch BGHZ 138, 165; Lorenz in Staudinger § 818, Rdnr. 14). Diese Gleichsetzung gilt aber nur, wenn durch den in ungerechtfertigter Weise erhaltenen Geldbetrag Sollzinsen einer bestehenden Schuld erspart werden.

Die Klägerin geht mit ihrer Forderung aber einen Schritt weiter. Sie möchte ersparte Zinszahlungen der Beklagten ersetzt, da diese ohne die Zahlbeträge der Klägerin hätte Kredite in Höhe der Zahlbeträge aufnehmen müssen. Es ist aber keineswegs sicher, dass die Beklagte in eben dieser Höhe Kredite hätte aufnehmen müssen. Außerdem sind die Zahlbeträge der Klägerin der Beklagten monatlich gestückelt zugekommen und nicht als einmaliger Zahlungsbetrag.

Die Klägerin trägt die Beweislast für eine Nutzungsziehung der Beklagten. Für Zinserträge kommt ihr dabei eine Vermutung zustatten, dass der Bereicherungsschuldner das rechtsgrundlos empfangene Kapital zinsbringend genutzt hat. Diese Vermutung kann auch für den umgekehrten Fall greifen, dass der Bereicherungsschuldner sich durch das rechtsgrundlos empfangene Kapital Zinszahlungen erspart hat. Dafür bedarf es jedoch gewisser Anhaltspunkte. Der von der Klägerin vorgelegte Geschäftsbericht der Beklagten, der Kreditaufnahmen der Beklagten in den Jahren 1994 - 2003 ausweist, reicht nicht aus. Es wird nicht ersichtlich, warum die Beklagte das monatlich empfangene Geld nicht auf irgendeine andere Weise genutzt haben könnte.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

II. Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 I S. 1, S.2 BGB i. V. m. § 288 II BGB, § 247 BGB.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 I S.1, 2.Alt., 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf € 30.720.830.88.- festgesetzt.






LG Köln:
Urteil v. 31.08.2005
Az: 91 O 229/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/42bbd79b8bb3/LG-Koeln_Urteil_vom_31-August-2005_Az_91-O-229-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share