Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2008
Aktenzeichen: 30 W (pat) 94/06
(BPatG: Beschluss v. 14.07.2008, Az.: 30 W (pat) 94/06)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren
"pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich gabapentinhaltige Arzneimittel, alle vorgenannten Waren nicht zur Verwendung im Bereich der Zahnpflege"
am 20. Mai 2003 eingetragene und am 20. Juni 2006 veröffentlichte Wortmarke 303 16 041 GABAPAN ist Widerspruch erhoben worden aus der am 21. Januar 2003 unter Nr. 302 55 935 für die Waren
"Gabapentin enthaltende Human-Arzneimittel im neurologischen Bereich und/oder Bereich Schmerz/ZNS, keinesfalls jedoch zur Anwendung im zahnmedizinischen Bereich bzw. auf dem Gebiet der Mund- und Zahnpflege"
geschützten Wortmarke Gaba TAD.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch durch Beschluss vom 25. April 2006 zurückgewiesen mit der Begründung, dass angesichts der gegen Epilepsie eingesetzten Inhaltsstoffe (Gabapentin) auch ohne Festschreibung der Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen von Fachkräften als angesprochenem Verkehr auszugehen sei, bei welchem eine Verwechslungsgefahr von vornherein herabgesetzt sei. Nachdem der Widerspruchsmarke allenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzusprechen sei, halte die angegriffene Marke den insofern erforderlichen Abstand ein. Wegen des produktbeschreibenden Charakters von "Gaba" könnten die Vergleichsmarken nicht hierauf markenrechtlich verkürzt werden; vielmehr werde der betroffene Fachverkehr seine Aufmerksamkeit auf die Markenteile am Ende lenken und sowohl das abweichende Schriftbild als auch die klanglichen Unterschiede der betonten Endsilben der Vergleichsmarken erkennen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 303 16 041 anzuordnen.
Sie hält insbesondere den vor dem Hintergrund identischer Waren erforderlichen Abstand der Marken für nicht ausreichend, zumal neben Fachkräften auch Vertriebspersonen und letztlich Endabnehmer zu berücksichtigen seien. Zudem dürfe der Anfangsbestandteil der Widerspruchsmarke nicht unberücksichtigt bleiben, da es sich allenfalls um eine Anlehnung an den Wirkstoff "Gabapentin" handle, die nicht lediglich als beschreibend eingestuft werden dürfe. Da der Wortanfang und die Silbengliederung übereinstimmten, seien die Vergleichsmarken angesichts weitgehend identischer Buchstabenfolgen klanglich und schriftbildlich mit der Widerspruchsmarke verwechselbar ähnlich, deren Kennzeichnungskraft keineswegs unterdurchschnittlich sei.
Die Markeninhaberin hat weder einen Antrag gestellt noch sich sonst im Verfahren geäußert. Den Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie, wie angekündigt, nicht wahrgenommen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Der Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr bestimmt sich nach allen hierfür maßgebenden Umständen, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, wobei zwischen diesen Faktoren eine Wechselbeziehung besteht (vgl. BGH MarkenR 2008, 12 - T-Interconnect; WRP 2007, 183 Rz. 17 - Goldhase; GRUR 2006, 937 (938), Rz. 17 - Ichthyol II; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9 Rdn. 26 ff. m. w. N.).
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach liegen die Waren der angegriffenen Marke im Identitätsbereich zu den Waren der Widerspruchsmarke.
Im vorliegenden Fall wird die Wahrnehmung der Arzneimittelnamen allerdings durch den in beiden Warenverzeichnissen angegebenen Wirkstoff Gabapentin stark beeinflusst, da dieser bei epileptischen Krankheitsbildern eingesetzt wird. Bei solchen ernsthaften Krankheiten ist von vornherein damit zu rechnen, dass nicht nur das eingeschaltete Fachpersonal, sondern auch sonstige Betreuungspersonen, Angehörige und der Patient selbst eine besondere Aufmerksamkeit an den Tag legen, um gegen Falschmedikation gewappnet zu sein. Damit ist bei der Frage der Verwechslungsgefahr nicht nur die bei Gesundheitsfragen allgemein erhöhte Wachsamkeit (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal) zugrunde zu legen, sondern eine darüber hinausgehende Sorgfalt beim Erwerb solcher Arzneimittel, was die Kollisionsgefahr graduell weiter vermindert. Zwar ist andererseits keine Verschreibungspflicht in den Warenverzeichnissen niedergelegt, doch ergibt sich daraus nicht zwangsläufig, dass die Medikamente ohne Verschreibung erwerblich sind.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, der jedenfalls durch den Bestandteil "TAD" hervorgerufen wird, der auch Firmenname der Widersprechenden ist. Dass die Wortmarken in ihrer Gesamtheit angesichts übereinstimmender Buchstaben sehr ähnlich sind, wird auch von der Markeninhaberin nicht in Abrede gestellt.
Allerdings kann eine Verwechslungsgefahr nicht allein schon aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die sich gegenüberstehenden Marken identische Bestandteile aufweisen; vielmehr kommt die Gefahr von Verwechslungen nur dann in Betracht, wenn der in den Vergleichsmarken identisch enthaltene Bestandteil "Gaba" zur Prüfung einer die Verwechslungsgefahr begründenden Markenähnlichkeit isoliert herangezogen werden kann. Das ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden bereits aus Rechtsgründen zu verneinen.
Grundsätzlich wird einer Marke durch ihre Eintragung Schutz nur in der eingetragenen Form gewährt, da im Eintragungsverfahren nur die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft wird. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass bei der Prüfung der Gefahr von Verwechslungen zwischen einer jüngeren Marke und einer älteren Widerspruchsmarke ausnahmslos von der jeweiligen Marke in ihrer Gesamtheit auszugehen ist. Maßgebend ist vielmehr jeweils der Gesamteindruck der betreffenden Marke, der in Ausnahmefällen vorrangig auch durch einen von mehreren Bestandteilen bestimmt sein kann. Kollisionsbegründend ist ein solcher Bestandteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn er den Gesamteindruck der Marke dergestalt prägt, dass neben ihm die übrigen Bestandteile in den Hintergrund treten (vgl. BGH MarkenR 2006, 402, 404 - Malteserkreuz). Bei Doppelkennzeichnungen in Form von Firmen- und Produktkennzeichnung kann unter bestimmten Umständen die Firmenkennzeichnung, sofern bekannt oder solche erkennbar, für den Verkehr zurücktreten und der Schwerpunkt dann auf die Produktkennzeichnung gelegt werden (vgl. Ströbele/ Hacker, a. a. O., Rdn. 420 m. w. N.), was voraussetzt, dass es sich hierbei um selbständig kennzeichnende und damit schutzfähige Begriffe handelt. So gilt gerade im Arzneimittelbereich der Erfahrungssatz, dass bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes und für den Verkehr als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen darstellt, im Allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 280 m. w. N.). Denn in derartigen Fällen erblickt der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung regelmäßig in dem oder den anderen Bestandteilen der Gesamtmarke. Hingegen wird sich der Verkehr insbesondere dann an dem Unternehmenskennzeichen bezüglich der Produktherkunft orientieren, wenn daneben lediglich beschreibende Wörter erscheinen (vgl. BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin; BGH NJW-RR 2002, 610, 611 - ASTRA/ESTRA-PUREN; Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 280 m. w. N.).
Diese höchstrichterliche Rechtsprechung ist kürzlich bestätigt worden (vgl. BGH MarkenR 2008, 12 - T-Interconnect).
Bei Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte kann dem Bestandteil "Gaba"" in der Widerspruchsmarke eine kollisionsbegründende Bedeutung im genannten Sinn nicht zugesprochen werden, denn entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist er nicht nur an den INN-Wirkstoff "Gabapentin" angelehnt, sondern bereits als beschreibende Angabe u. a. lexikalisch nachweisbar. Damit handelt es sich nicht mehr um eine Verfremdung einer Wirkstoffbezeichnung, der noch ein gewisser Schutzumfang zugesprochen werden könnte, sondern um einen schutzunfähigen Bestandteil, weil er, wie der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung anhand von Lexikonfundstellen verdeutlicht wurde, die Abkürzung für Gammaaminobuttersäure(acid) darstellt (vgl. Springer, Klinisches Wörterbuch, 2007, 635; Zetkin/Schaldach, Lexikon der Medizin, 16. Aufl. 1999, 685; Urban & Schwarzenberg, Lexikon Medizin, 1997, 621; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007, S. 647), und der INN "Gabapentin" ein mit "GABA" strukturverwandtes Antiepileptikum ist, welches u. a. als Mono- oder Zusatztherapie bei partiellem epileptischem Anfall angewendet wird (vgl. Pschyrembel, a. a. O.). Diese Fachabkürzung wird auch gegenüber dem Endabnehmer verwendet, wie aus einer im Internet auffindbaren Beschreibung für ein Johanniskraut-Präparat ersichtlich ist, die der Widersprechenden ebenfalls überlassen wurde (www.aporot.de/shop/details.html€_). Ist aber die Schutzfähigkeit eines Bestandteiles in einer älteren mehrteiligen Marke zu verneinen, kann dieser eine Verwechslungsgefahr nicht begründen. Dies gilt aus Rechtsgründen auch unabhängig von der tatsächlichen Frage, ob der Verkehr gleichwohl hinsichtlich dieses Bestandteils Verwechslungen unterliegt, etwa weil ihm dessen Eigenschaft als Fachbezeichnung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht geläufig ist (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. Rdn. 221 m. w. N.). Allerdings kann eine solcher Bestandteil nach wie vor für die Frage erheblich sein, ob die Marken insgesamt verwechselbar sind (BGH GRUR 2004, 783 ff.- NEURO-VIBOLEX). Hierbei kommt aber den anderen kennzeichnungsstärkeren Markenteilen eine stärkere und bei hinreichenden Abweichungen eine die Verwechslungsgefahr ausschließende Bedeutung zu (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 214 m. w. N.; sowie Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rdn. 2084 - 2086 m. w. N.).
Der Markenbestandteil "TAD" weist insoweit mit dem Vergleichsbestandteil in der angegriffenen Marke "PAN" einen gemeinsamen Vokal auf, der grundsätzlich für die klangliche Verwechslungsgefahr von erhöhter Bedeutung ist. Andererseits treten bei den in beiden Marken betonten Endsilben die abweichenden Konsonanten im Klangbild ohne weiteres deutlich in Erscheinung, so dass insbesondere der informierte Durchschnittsverbraucher die Unterschiede erkennt. Dasselbe gilt für das Schriftbild, in welchem die getrennte Schreibweise der Widerspruchsmarke und die Abweichung am Wortende unübersehbar ist.
Auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr ist zu verneinen, nachdem insoweit die Übereinstimmung im Bestandteil "Gaba" aus Rechtsgründen unbeachtlich ist.
Auch für eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist nichts ersichtlich und auch nichts dargetan. Jedenfalls kommt der schutzunfähige Bestandteil "Gaba" nicht als herkunftshinweisender Stammbestandteil in Betracht.
Die Verneinung der Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall steht entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht zum Widerspruch zu der Entscheidung des Senates "Risper TAD/Risperdal" (Az. 30 W (pat) 45/05). Dort war die Verwechslungsgefahr bejaht worden, weil die Wortfolge der angegriffenen Marke "Risper TAD" bereits nach dem grundsätzlich maßgeblichen, durch ihre Gesamtheit vermittelten Gesamteindruck (vgl. BGH GRUR 2005, 326 f. - il Padrone/il Portone; GRUR 2004, 783 ff. - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; BPatG GRUR 2000, 1052 - Rhoda-Hexan/Sota-Hexal; Ströbele/Hacker a. a. O. Rdn. 217) in klanglicher Hinsicht verwechselbar war. Für diesen Gesamteindruck war der Bestandteil "Risper" in beiden Marken stärker mit zu berücksichtigen, weil er an die Wirkstoffbezeichnung "Risperidol" lediglich angenähert, aber deshalb keineswegs schutzunfähig war, wie dies der Bundesgerichtshof erst kürzlich zur Marke "Panto" gegenüber der Wirkstoffbezeichnung "Pantoprazol" bestätigt hat (GRUR 2008, 905, 907 - Nrn. 15 ff. - Pantohexal).
Nach alledem war die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 2 106 025 gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu verneinen, so dass die Beschwerde ohne Erfolg bleiben musste.
Zur Auferlegung von Kosten bietet der Streitfall keine Veranlassung, § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG.
Dr. Vogel von Falckenstein Schell Paetzold Cl
BPatG:
Beschluss v. 14.07.2008
Az: 30 W (pat) 94/06
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