Amtsgericht Lübben:
Urteil vom 16. Juni 2011
Aktenzeichen: 20 C 226/10
(AG Lübben: Urteil v. 16.06.2011, Az.: 20 C 226/10)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.050,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.01.2010 und weitere 12,00 Euro zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 20 Prozent vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Lebensversicherer mit Sitz in Liechtenstein. Für diese vermittelte die ... AG u. a. Rentenversicherungsverträge, mit der der Beklagte in mehreren Gesprächen in Kontakt war.
Am 29.08.2008 unterschrieb der Beklagte unter Vermittlung des für die €. AG tätigen Versicherungsvertreters € unter der Überschrift €€-Top-Sachwert€ zwei Anträge auf fondsgebundene Rentenversicherung und Anträge auf Kostenaus-gleichsvereinbarung, zudem je ein ausgefülltes Formular €Risikoprofil€. Als Versicherungsträger war €...€ angegeben, auf den beiliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) war vermerkt, daß die Klägerin Versicherer und Vertragspartner sei. In einem Antrag war der Beklagte, in dem anderen Antrag seine Tochter als versicherte Person eingetragen. Als Abschlußkosten waren 724,50 Euro bzw. 1.076,40 Euro und als Einrichtungskosten 966,00 Euro bzw. 1.435,20 Euro eingetragen, so daß die separat und zwar in 48 Monatsraten je zum Monatsersten zu zahlenden Vertragskosten den Anträgen zufolge 1.690,50 Euro bzw. 2.511,60 Euro betrugen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anträge, die AGB und die Risikoprofile vom 29.08.2008, Anlagen K 1 und K 2, Bl. 9 bis 13 und Bl. 14 bis 18 d.A., Anlage K 5, Bl. 21 d.A. und Anlage B 4, Bl. 43 ff. d.A., Bezug genommen. In § 2 Abs. 2 der AGB zur Kostenausgleichsvereinbarung ist eine Gesamtfälligkeits-regelung bei Verzug mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Raten geregelt. Die Ratenhöhe bzgl. der zu zahlenden Vertragskosten war noch nicht in die Formulare eingetragen war, als der Beklagte sie unterschrieb.
Im September 2008 sandte die Klägerin dem Beklagten je eine Versicherungspolice und Kostenausgleichsvereinbarung zu. Der Beklagte kündigte zum 01.10.2008 einen seit 2004 bestehenden Vertrag über eine sog. Riester-Rente bei der ... Versicherung. Hierauf hatte der Beklagte bisher 58 Monatsbeiträge à 5,00 Euro (290,00 Euro) gezahlt.
Bei den vorausgehenden Verhandlungen sprach der Beklagte mit dem Vertreter €. bzw. mit Mitarbeitern der € AG u.a. über die Möglichkeit, Nachzahlungen oder erhöhte Beiträge auf die Versicherungen zu leisten oder ob man im Fall der Arbeitslosigkeit die Verträge beitragsfrei setzen könne.
Der Beklagte zahlte auf die Vertragskosten sieben Monate lang Raten, nämlich 246,54 Euro bzw. 366,31 Euro, bevor er ab dem 01.05.2009 keine Zahlungen mehr an die Klägerin leistete. Mit Schreiben vom 23.03.2009 kündigte der Beklagte die beiden Rentenversicherungen und Kostenausgleichsvereinbarungen. Mit zwei Schreiben vom 04.12.2009 mahnte die Klägerin die je rückständigen Raten bei dem Beklagten an. Mit zwei Schreiben vom 21.12.2009 stellte die Klägerin die ausstehenden Gesamtbeträge der Vertragskosten unter Verweis auf die Allgemeinen Bedingungen zur Kostenausgleichsvereinbarung fällig und forderte den Beklagten zur Zahlung bis zum 20.01.2010 auf.
Die Klägerin begehrt Zahlung des abgezinsten Barwertes der noch offenen Abschluß- und Einrichtungskosten in Höhe von 1.290,87 Euro bzw. 1.760,11 Euro. Wegen der Berechnung wird auf Seite 5 und 6 der Klageschrift, Bl. 5 f. d.A., Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Kostenausgleichsvereinbarung sei wirksam, insbesondere liege kein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 169 Abs. 5 VVG vor. Der Vermittler € habe vollumfänglich über alle Vertragsmodalitäten aufgeklärt. Die Abschluß- und Einrichtungskosten in Höhe von 6 Prozent bzw. 9 Prozent seien üblich und nicht sittenwidrig.
Die Klägerin beantragt unter Zurücknahme einer Mehrforderung zu Zinsfuß (ursprünglich 13 Prozent p.a.) und Mahnkosten (Ermäßigung um 8,00 Euro auf 12,00 Euro),
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.050,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.01.2010 und weitere 12,00 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die Höhe der Abschluß- und Einrichtungskosten. Er behauptet, der Vermittler €. habe auf Nachfrage erklärt, daß die €. AG autark und nicht mit der Klägerin verflochten sei und er hätte im Fall der Kenntnis dieser Verflechtungen die Verträge so nicht abgeschlossen. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte darauf hin, daß die €. AG und die Klägerin zu einer Holding gehören und €in einen Topf wirtschaften€. Der Beklagte behauptet weiter, Herr €. habe dem Beklagten zugesichert, daß die über ihn abgeschlossenen Verträge außerordentlich hohe Erträge erzielen und keine Verluste produzieren würden. Herr €. habe sich am 29.08.2008 noch selbst in der Ausbildung befunden und habe noch nicht über einen zur Vermittlung berechtigenden IHK-Abschluß und den entspre-chenden Nachweis verfügt, weshalb die vermittelten Verträge nichtig seien.
Der Beklagte erklärt mit Schriftsatz vom 07.07.2010 die Anfechtung mit der Begründung, der Vermittler €. habe ihn deshalb getäuscht, weil die monatlichen Raten in Höhe von 52,33 Euro und 35,22 Euro in den Antragsformularen nicht eingetragen waren, sondern nachgetragen worden sind, wovon der Beklagte erst im vorliegenden Rechtsstreit Kenntnis erhalten habe.
Der Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 290,00 Euro wegen der bisher gezahlten Beiträge für den gekündigten Vertrag über eine sog. Riester-Rente. Hierzu behauptet er, der Vermittler €. habe ihm bei den Vertragsgesprächen gesagt, daß seine bestehende sog. Riester-Rente wirtschaftlicher Unsinn sei und gekündigt werden müsse, was verlustfrei möglich sei. Nur daraufhin habe er auf Drängen von Herrn €. den Vertrag über Riester-Rente gekündigt. Tatsächlich sei aber kein Abschluß neuer Rentenversicherungsverträge nötig gewesen, sondern allein eine Beitragsanpassung der bestehenden €Riester-Versicherung€.
Der Beklagte meint, die Klägerin könne nicht Anspruchsinhaberin sein, weil aus den Formularen hervorgehe, daß die €. AG Vertragspartnerin des Beklagten sein sollte. Die separate Kostenausgleichsvereinbarung sei darüber hinaus unwirksam, da ein Umgehungsgeschäft im Sinne von § 169 Abs. 5 VVG vorliege. Auch habe die Kündigungserklärung vom 23.03.2009 die Kostenausgleichsvereinbarungen erfaßt. Die Kostenausgleichsvereinbarung sei darüber hinaus sittenwidrig, da in den ersten Jahren 68 bzw. 75 Prozent des Beitrages allein auf den Kostenanteil entfalle.
Darüber hinaus habe der Vermittler €. fehlerhaft beraten und getäuscht und intransparente Antragsformulare verwendet. So habe er sie nicht darüber aufgeklärt, daß es sich um eine separate Kostenausgleichsvereinbarung handele. Auch liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 VersVermV vor, weil Herr €. nicht hinreichend über eine direkte oder indirekte Beteiligung der €. an der Klägerin aufgeklärt habe. Schließlich habe er mit diesen Versicherungen zwei für ihre Bedürfnisse völlig ungeeignete Verträge angeboten, da diese 20 Prozent ihres Nettoeinkommens beziehungsweise 15 Prozent des Familieneinkommens (unter Berücksichtigung der Parallelsache 20 C 225/10) banden.
Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, der vermittelnde Vertreter €. habe den in § 11 Abs. 1 VersVermV geregelten Informationspflichten bei einem Erstkontakt insbesondere nicht durch die Vorlage der €Erstkontakt-Information€, Anlage B 6, Bl. 116 d.A., genügt.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 3.050,98 Euro Abschluß- und Einrichtungskosten aus den Kostenausgleichsvereinbarungen.
1. Die Versicherungsverträge und mit ihnen die Kostenausgleichsvereinbarungen sind zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Klägerin € und nicht etwa die €. AG € ist Partnerin der abgeschlossenen Verträge und damit Inhaberin von Vergütungsansprüchen gegen den Beklagten geworden. Dies ergibt sich aus den Antragsunterlagen, die die Klägerin als Vertragspartnerin des Versicherungsnehmers und Vertragskostenschuldners nennen. Die Unterlagen führen im Kopf "€.." als Versicherungsträger auf, der Klägerin wird eine Einzugsermächtigung für die Beitragszahlungen erteilt, nach den Klauseln zum Widerrufsrecht ist der Widerruf an die Klägerin zu richten und die AGB nennen die Klägerin, ebenfalls mit Adresse, als Versicherer und Vertragspartner. Auch war es die Klägerin, die dem Beklagten nach Annahme seiner Anträge € zu unterstellen: auf sie lautende € Versicherungspolicen und Kostenausgleichsvereinbarungen zusandte. Daß in der Bezeichnung des Versicherungsprodukts der Name des Vermittlers €. AG verwendet wird und prominent auf Vertragsunterlagen und Prospekthülle wiederkehrt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die erwähnten die Klägerin eindeutig benennenden Aufschriften auf den Antragsformularen und den AGB sind auch für den juristischen Laien als Versicherungsinteressenten nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) in der Gesamtschau der Unterlagen dahin zu verstehen, daß Vertragspartnerin die Klägerin, nicht aber die €. AG sein soll.
2. Die Kostenausgleichsvereinbarungen sind wirksam.
a) Die Kostenausgleichsvereinbarungen sind nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Denn die vom Beklagten im Prozeß erklärte Anfechtung geht mangels eines Anfechtungsgrundes ins Leere. Es war im Hinblick auf die Willenserklärungen des Beklagten keine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) gegeben. Es fehlt an der Erregung eines Irrtums ebenso wie an der nötigen Ursächlichkeit für die vom Beklagten abgegebenen Willenserklärungen. Das vom Beklagten beanstandete Verhalten besteht lediglich im Nachtragen der Höhe der einzelnen Raten, die sich rechnerisch bereits aus den Vorgaben ergibt, die in dem vom Beklagten unterzeichneten Anträgen enthalten sind (Gesamtbeträge der Vertragskosten, dividiert durch die Anzahl der Monate). Für die hier zu verneinenden Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung kommt es dabei nicht darauf an, ob die Klägerin, die €. AG oder der Vermittler €. die Ratenhöhe noch nach Unterzeichnung durch den Beklagten in den Antragsformularen nachtragen durfte. Dies kann offenbleiben.
b) Die vereinbarte Höhe der Abschluß- und Einrichtungskosten führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarungen wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB. Die Höhe der Vertragskosten steht zu dem Volumen der langfristigen Rentenversicherungsverträge nicht in einem auffällig groben Mißverhältnis, um die Annahme eines wucherähnlichen Geschäfts zu rechtfertigen. Dabei ist nicht lediglich auf die ersten vier Jahre der vereinbarten Laufzeit, sondern auf den gesamten geplanten Vertragszeitraum (23 bzw. 49 Jahre) abzustellen. Das sich ergebende Verhältnis von 6 Prozent bzw. 9 Prozent Vertragskosten in Bezug zur Beitragssumme ist nicht grob überhöht. Umstände, die ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung auf seiten der Klägerin oder ihrer Vermittler begründen und so für die Annahme eines wucherähnlichen Geschäfts herangezogen werden könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenausgleichsvereinbarung ist auch nicht wegen fehlender Vermittler-qualifikation des Herrn €. nichtig. Dieser ist als Handelsvertreter für die €. AG aufgetreten, diese als Versicherungsvertreterin. Soweit bei Herrn €. eine fehlende Vermittlerqualifikation wegen Nichtbestehens eines IHK-Abschlusses usw. tatsächlich vorgelegen haben sollte, führt dies jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Vertrages. In der Zusendung der Vertragsunterlagen durch die Klägerin liegt jedenfalls eine Genehmigung etwaigen vollmachtlosen Verhaltens nach § 184 BGB. Soweit in der fehlenden Vermittlerqualifikation eine mangelnde Beratungskompetenz behauptet werden soll, mithin ein Beratungsverschulden, ist weder dies noch die Kausalität für den Vertragsschluß schlüssig vorgetragen.
c) Die separate Kostenausgleichsvereinbarungen sind auch im übrigen wirksam, insbesondere ist kein Umgehungsgeschäft im Sinne von § 169 Abs. 5 VVG n.F. gegeben.
Es liegt ein Fall der Kostenauslagerung, eine sog. Nettopolice vor (vgl. BGH NJW 2005, 1357; VersR 2005; 404, NJW-RR 2005; 1425). Die neben den Kostenaus-gleichsvereinbarungen abgeschlossenen fondsgebundenen Rentenversicherungen stellen eine solche Nettopolice dar, weil die Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vermittlung des Vertrages enthält. Stattdessen unterzeichnete der Beklagte eine vorformulierte Kostenausgleichsvereinbarung, in der er sich zur Zahlung von Abschlußkosten und Einrichtungskosten in bestimmter Höhe verpflichtete, zahlbar in 48 Monatsraten. Daß die € im übrigen produkt- und nicht vermittlungsbezogene € Verwaltungsgebühr und Risikoprämie nicht ausge-lagert wurden, ändert an der Qualifikation als sogenannte Nettopolice im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nichts.
Allerdings betrifft die zitierte Rechtsprechung auch die Konstellation im Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und Versicherungs-makler. Aber auch soweit vorliegend die Konstellation gewählt wurde, daß die Klägerin zugleich Versichererin als auch Kostengläubigerin ist, ändert dies nichts daran, daß die Verpflichtung zur Zahlung der Abschlußkosten nicht dadurch entfällt, daß der Versicherungsvertrag vorzeitig gekündigt wurde. Es liegt kein Umgehungsgeschäft im Sinne von § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG n. F. vor, wonach der Versicherungsnehmer im Falle der vorzeitigen Kündigung auch mit den Kosten für den Abschluß der Versicherung nur anteilig belastet werden dürfe. Das Gericht folgt den dazu ergangenen Entscheidungen verschiedener Instanzgerichte (AG Köln, Beschl. v. 15.09.2010, Urt. v. 03.11.2010, - 118 C 186/10, AG Braunschweig Urt. v. 23.03.2010 - 116 C 4493/09, LG Frankfurt (Oder), Urt. v. 11.05.2011 - 14 O 44/11).
d) Mit der Kündigungserklärung vom 23.03.2009 sind die Kostenausgleichsver-einbarungen, aus denen die Klägerin die Klageforderung herleitet, nicht wirksam widerrufen worden. Denn die in den von den Parteien abgeschlossenen Verträgen dem Beklagten eingeräumte Widerrufsfrist von 30 Tagen, die mit der Übersendung der Versicherungspolicen und Kostenausgleichsvereinbarungen im September 2008 zu laufen begann, war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Die von dem Beklagten unterzeichneten Belehrungen über den Widerruf der Kostenausgleichs-vereinbarungen sind nicht fehlerhaft, wobei die Anforderungen, die § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG stellt, für die Belehrung über den Widerruf der Kostenausgleichs-vereinbarungen nicht gelten. §§ 1 ff. VVG betreffen Versicherungsverträge und nicht davon unabhängige Vereinbarungen über Abschluß- und Einrichtungskosten.
2. Die Höhe des Anspruchs auf Zahlung von Abschluß- und Vermittlungskosten beträgt 1.290,87 Euro bzw. 1.760,12 Euro und damit insgesamt 3.050,98 Euro. Das Gericht folgt der Berechnung der Klägerin zur Abzinsung der nach Abzug der vom Beklagten geleisteten Raten, wie sie in der Klageschrift für die beiden Kostenausgleichsvereinbarungen dargestellt wurde. Das Bestreiten der Höhe der Vertragskosten durch den Beklagten ist, worauf das Gericht hingewiesen hat, unbeachtlich. Denn es handelt sich um ein vertraglich vereinbartes Entgelt, nicht um eine Tatsache oder einen Rechtsbegriff, der in Tatsachen auflösbar wäre.
Trotz der Ratenzahlungsabrede ist der gesamte noch offenstehende (abgezinste) Restbetrag der Abschluß- und Einrichtungskosten für die beiden gekündigten Versicherungsverträge zur Zahlung fällig. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der AGB zu den Kostenausgleichsvereinbarungen. Der Beklagte ist mit mehr als zwei Raten der Vertragskosten in Verzug. Im übrigen ist der Anspruch auf den gesamten Restbetrag auch deshalb fällig, weil der Beklagte die Erfüllung der Ratenzahlungsverpflichtung, wie sich aus seinem Vortrag im vorliegenden Prozeß ergibt, ernsthaft und endgültig verweigert.
3. Der Anspruch der Klägerin ist nicht gem. § 389 BGB in Höhe von 290,00 Euro durch die vom Beklagten im Prozeß erklärte Aufrechnung erloschen. Denn dem Beklagten steht kein Gegenanspruch auf Schadensersatz wegen des gekündigten €Riester-Vertrages€ gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu.
Zum einen liegt bereits nach dem Vortrag des Beklagten eine Verletzung von Aufklärungspflichten bei der Vertragsanbahnung durch den Vermittler €., dessen Verhalten sich die Klägerin gem. § 278 BGB zurechnen lassen muß, im Hinblick auf den gekündigten €Riester-Vertrag€ nicht vor. Denn entgegen der Ansicht des Beklagten ist von einem Versicherungsvermittler nicht zu erwarten, daß er die Erhöhung von Beiträgen für eine beim Kunden bereits bestehende Fremdver-sicherung empfiehlt und gleichzeitig davon abrät, neue Versicherungsverträge abzuschließen. Diese Beurteilung obliegt dem Kunden; dieser wird in seine Entscheidung einbeziehen, daß Versicherungsvermittler ein existenzielles Interesse am Abschluß von neuen, von ihnen vermittelten Verträgen haben, weil sie auf diese Weise Geld (Provision) verdienen. Ein Versicherungsvermittler schuldet nicht die Auswahl des für den Interessenten passendsten Produkts im Hinblick auf Anbieter, die nicht zu seinem Portfolio gehören. Eine Falschberatung läge nur dann vor, wenn bei gleichen Interessen ein gleiches Produkt mit dem gleichen Versicherungsumfang zu einem günstigeren Preis durch den Vermittler hätte vermittelt werden können. Um eine solche Fallgestaltung geht es hier jedoch nicht.
Zum anderen fehlt es an einem zurechenbaren Schaden des Beklagten. Die sog. haftungsausfüllende Kausalität liegt nicht vor, weil ein Versicherungskunde selbst wissen muß, welchen Versicherungsvertrag er kündigen und welchen er abschließen will. Auch ist nicht dargelegt, warum die bisher gezahlten Raten von zusammen 290,00 Euro für die sog. Riester-Rente verloren sind.
4. Dem Beklagten steht gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin auch keine dauernde Einrede wegen eines Anspruchs auf Rückgängigmachung der Kostenaus-gleichsvereinbarungen als Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu. Der Vermittler €. hat keine Aufklärungspflicht verletzt, die zu einer zurechenbaren Belastung des Beklagten mit einem nachteiligen Vertrag geführt hat.
a) Es liegt kein Aufklärungsfehler dahingehend vor, daß es sich bei der Kostenaus-gleichsvereinbarung um eine von der jeweiligen Rentenversicherung getrennte Zahlungsvereinbarung handelt und sich lediglich in der Summe des Ratenanteiles auf die Versicherungsprämie einerseits sowie auf die Kostenrate andererseits ein Gesamtbetrag von 100,00 Euro ergibt. Soweit der Beklagte behauptet, es sei nicht ausdrücklich über eine separate Kostenausgleichsvereinbarung gesprochen worden, ist dies nicht notwendig gewesen. Die Vertragsunterlagen differenzieren deutlich und fettgedruckt, daß es sich bei dem Versicherungsvertrag und bei der Kostenaus-gleichsvereinbarung um verschiedene Angelegenheiten handelt. Darauf wird auf Seite 2 der jeweiligen Antragsunterlagen ausdrücklich hingewiesen. Auch das Einziehungsverfahren unterscheidet nach Versicherungsverhältnis und Kostenausgleichsvereinbarung. Der Beklagte hat je Vertragskomplex vier Unterschriften geleistet, wie auf Seite 3 der Antragsunterlagen, wobei die dritte und die vierte Unterschrift den Abschluß der Kostenausgleichsvereinbarung selbst betreffen sowie die dahingehende Widerrufserklärung. Wer Willenserklärungen, zumal schriftliche, abgibt, muß sich vorher darüber im Klaren sein, worauf sich diese Willenserklärungen beziehen und unter welchen Text Unterschriften gesetzt werden. Wer etwas unterschreibt, ohne es vorher durchzulesen, muß sich grundsätzlich an seiner Erklärung festhalten lassen. Des weiteren hat der Beklagte ausdrücklich unterschrieben, rechtzeitig vor Antragstellung alle maßgeblichen Dokumente erhalten zu haben, ihm mithin Gelegenheit gegeben wurde, die maßgeblichen Texte vorher zu lesen. Wenn ein Erklärender dies unterläßt, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung in eigenen Angelegenheiten, was eine Informations- und Aufklärungspflichtverletzung in derartigen Fällen ausschließt. Da dem Beklagten die AGB vor Unterschriftsleistung vorgelegen haben, hätte ihm insbesondere aus § 1 und § 6 AGB zu den Kostenausgleichsvereinbarungen die Abspaltung der Kostentilgung vom betreffenden Versicherungsvertrag bekannt sein müssen.
Dies ergibt sich auch deutlich aus den Zahlen, wonach zunächst von einer Gesamt-rate von 100 € (bzw. 50 €) nur 47,67 € (bzw. 14,78 €) auf die Versicherungsprämie und [ausgerechnete] 52,33 € (bzw. 35,22 €) auf die Kostenrate entfallen. Die erheblichen Abschluß- und Einrichtungskosten sind deutlich aufgeführt, womit im Wege der Nettopolice gerade transparent gemacht wird, daß und welche Abschlußkosten überhaupt anfallen.
b) Dahinstehen kann, ob der Vermittler €. im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV i.V. m. § 60 Abs. 2 VVG seine Stellung in bezug auf den Versicherer in gehöriger Weise offengelegt hat. Denn es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, daß aus einem derartigen Fehlverhalten die Belastung des Beklagten mit einem nachteiligen Vertrag folgte. Der Abschluß der Rentenversicherungsverträge und Kostenausgleichsvereinbarungen stellt insoweit keinen zurechenbaren Schaden dar. Im übrigen wäre der Vortrag des Beklagten, der nach Schluß der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz erfolgte, im Fall der Entscheidungserheblichkeit gem. § 296a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
c) Es liegt auch kein Aufklärungsfehler über etwaige direkte oder indirekte Beteiligungsverhältnisse im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 5 VersVermV vor. Der mit nachgelassenem Schriftsatz nachgeschobene Vortrag dazu ist unerheblich, weil er eine direkte oder indirekte Beteiligung der €. AG an der Klägerin nicht darstellt. Der Beklagte führt lediglich zu den Vertretungsverhältnissen im Sinne von §§ 76 ff., 95 ff. AktG aus und stellt insbesondere nicht substantiiert dar, mit welchem Stimmrechtsanteil im Sinne von §§ 12 ff. AktG die €.. AG an der Klägerin beteiligt ist. Es ist daher unerheblich, ob der Vorstandsvorsitzende der €. AG zu 100 Prozent Aktionär der ... AG ist.
Diese Konstellation führt auch nicht zusammengenommen mit dem € üblichen € Provisionsanspruch der Versicherungsvertreterin dazu, den Versicherungsnehmer über die dargestellten Vertretungs- und Beteiligungsrechte aufklären zu müssen. Denn Sinn der normierten Aufklärungspflichten in § 11 VersVermV und § 60 Abs. 2 VVG ist es gerade, dem potentiellen Versicherungsnehmer deutlich zu machen, daß die Beratungsgrundlage des Versicherungsvertreters eben nicht so breit ist, wie die eines unabhängigen Maklers im Sinne von § 60 Abs. 1, 59 Abs. 3 VVG.
Soweit der Beklagte weiterhin pauschal einwendet, der Vermittler €. habe ihm zugesichert, daß die Versicherungen außerordentlich hohe Erträge und keine Verluste erwirtschafteten, ist nicht vorgetragen, inwieweit dies tatsächlich der Fall sowie auch ursächlich für die Vertragsbeendigung geworden ist.
Soweit der Beklagte schließlich einwendet, es liege eine Falschberatung vor, weil die Verträge einen erheblichen Anteil des Familien-Nettoeinkommens gebunden hätten, ist dies schon deshalb keine Falschberatung, weil dieser Umstand für den Beklagten ein offensichtliches, weil rechnerisch einfach nachvollziehbares Faktum ist. Alle maßgeblichen Zahlen waren dem Beklagten bekannt, die Ermittlung des prozentualen Anteils mithin möglich, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen war allein Sache des Beklagten. Im übrigen hat der Beklagte in den von ihm unterzeichneten €Risikoprofilen€ bestätigt, daß ihm selbst für die in Aussicht genommene Geldanlage monatlich 2.000,00 Euro frei zur Verfügung stehen. Daß eine Belastung von 100,00 und 50,00 Euro durch die mit der Klägerin abgeschlossenen Verträge eine Aufklärungspflicht mit sich bringen soll, ist nicht ersichtlich.
Der Anspruch auf Ersatz von Kosten für den Versand von vier schriftlichen Mahnungen folgt aus § 280 Abs. 2, 286 BGB, da sich der Beklagte jedenfalls auch mit den zugrundeliegenden Teilraten in Verzug befindet. Der Höhe nach schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO die infolge Mahnung entstandenen Kosten allerdings lediglich auf 3,00 EUR pro Mahnung.
Der Zinsanspruch folgt ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ,2 ZPO.
AG Lübben:
Urteil v. 16.06.2011
Az: 20 C 226/10
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