Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Juli 2011
Aktenzeichen: I ZR 30/11
(BGH: Beschluss v. 21.07.2011, Az.: I ZR 30/11)
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Fragen vorgelegt:
1. Ist die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen, die sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 22. Juni 2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22. Dezember 2002 ereignet haben€
2. Handelt es sich bei Vervielfältigungen mittels PCs um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie€
3. Für den Fall, dass die zweite Frage bejaht wird: Können die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler von PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der angemessenen Vergütung sind€
4. Lässt bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen€
5. Entfällt die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben€
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob PCs zu den nach § 54a Abs. 1 UrhG aF vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören.
Die Klägerin nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger wahr. Sie ist im vorliegenden Rechtsstreit auch im Auftrag der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst tätig, deren Aufgabe in der Wahrnehmung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Fotografien, Bildwerken und Grafiken aller Art besteht. Die Beklagte vertreibt in Deutschland PCs, die sie selbst herstellt oder importiert oder von Dritten bezieht.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Auskunft über die Anzahl der von dieser seit 1. Januar 2001 in Deutschland in Verkehr gebrachten PCs und über deren Bezugsquellen, soweit sie diese nicht selbst hergestellt oder importiert hat. Sie begehrt zudem die Feststellung, dass die Beklagte ihr für jedes dieser Geräte einen Betrag von 30 € zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen zu bezahlen hat.
Das Landgericht hat dem Auskunftsantrag vollständig und dem Feststellungsantrag in Höhe eines Betrages von 12 € zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen stattgegeben (LG München I, ZUM 2005, 241). Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Feststellungsausspruch dahin abgeändert, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen entfällt. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat es ebenso zurückgewiesen wie die Berufung der Klägerin (OLG München, GRUR-RR 2006, 121 = ZUM 2006, 239). 1 Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Berufungsurteil unter Zurückweisung der Revision der Klägerin aufgehoben, das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen (Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 18/06, GRUR 2009, 53 = WRP 2009, 80 - PC I).
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2010 - 1 BvR 506/09, GRUR 2011, 225).
Im erneuten Revisionsverfahren erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage; die Klägerin vefolgt ihren Feststellungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22.6.2001, S. 10; im Folgenden: Richtlinie) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
1. Die Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte ist zwar durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (BGBl. I, S. 2513) neu geregelt worden (§§ 54 ff. UrhG). Für den Streitfall ist jedoch die alte Rechtslage maßgeblich. 5 2. Gemäß § 54a Abs. 1 UrhG aF hat der Urheber eines Werkes, wenn nach der Art des Werkes zu erwarten ist, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird, gegen den Hersteller (§ 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF) sowie gegen den Importeur und den Händler (§ 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF) von Geräten, die zur Vornahme solcher Vervielfältigungen bestimmt sind, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für die durch die Veräußerung oder ein sonstiges Inverkehrbringen der Geräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen. Gemäß § 54g Abs. 1 UrhG aF kann der Urheber von den nach § 54a Abs. 1 UrhG aF zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten Auskunft verlangen. Der Zahlungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG aF und der Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG aF können gemäß § 54h Abs. 1 UrhG nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
3. Die Klägerin und die VG Bild-Kunst, in deren Auftrag die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls tätig wird, sind als Verwertungsgesellschaften nach § 54h Abs. 1 UrhG aF befugt, den Zahlungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG aF und den Auskunftsanspruch nach § 54g Abs. 1 UrhG aF geltend zu machen. Die Klägerin kann von der Beklagten, die PCs herstellt oder importiert und vertreibt, hinsichtlich der seit dem 1. Januar 2001 in Verkehr gebrachten Geräte dem Grunde nach Zahlung einer angemessenen Vergütung und Auskunftserteilung beanspruchen, wenn PCs zu den nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören. Das setzt voraus, dass PCs zur Vornahme von Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass die Vergütungspflicht nur solche Vervielfältigungshandlungen erfasst, die nach der - Art. 5 10 Abs. 2 und 3 der Richtlinie umsetzenden - Schrankenregelung des § 53 UrhG aF vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers ausgenommen sind. Vervielfältigungshandlungen, die nicht unter die Schrankenregelung fallen und daher eine Urheberrechtsverletzung darstellen, sind nicht Gegenstand des Vergütungsanspruchs nach § 54a Abs. 1 UrhG aF.
4. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf das Inverkehrbringen von Druckern durch die Beklagte seit dem 1. April 2001. Deshalb stellt sich vorab die Frage, ob die Richtlinie bei der Auslegung des nationalen Rechts bereits für Vorfälle zu berücksichtigen ist, die sich nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 22. Juni 2001, aber vor dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit am 22. Dezember 2002 ereignet haben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen es die Gerichte der Mitgliedstaaten bereits ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Zieles nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NJW 2006, 2465 Rn. 123 - Adeneler/ELOG). Die Richtlinie 2001/29/EG ist nach ihrem Art. 14 am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, also am 22. Juni 2001, in Kraft getreten. Danach wäre die Richtlinie bereits ab diesem Zeitpunkt bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen.
Die Richtlinie berührt jedoch nach ihrem Art. 10 Abs. 2 Handlungen und Rechte nicht, die vor dem 22. Dezember 2002 abgeschlossen bzw. erworben wurden. Das könnte dafür sprechen, dass die Richtlinie bei der Beurteilung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche wegen eines Inverkehrbringens von Druckern vor dem 22. Dezember 2002 begründet sind, für die Auslegung 12 des nationalen Rechts nicht von Bedeutung ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 131/05, GRUR 2008, 786 Rn. 40 = WRP 2008, 1229 - Multifunktionsgeräte; vgl. aber BVerfG [Kammer], GRUR 2010, 999 Rn. 54; ZUM 2011, 313 Rn. 26).
5. Zum Grund eines Vergütungsanspruchs stellen sich zwei Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie.
a) Zunächst stellt sich die Frage ob es sich bei Vervielfältigungen mittels PCs um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt.
Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung im Sinne von § 54a Abs. 1 UrhG aF stellen Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UrhG aF und § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UrhG aF dar. Bei einer Ablichtung handelt es sich um ein fotomechanisches Verfahren. Der Begriff der Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung in § 53 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UrhG aF und § 53 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UrhG aF stammt aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie. Er ist deshalb in Übereinstimmung mit dieser Bestimmung auszulegen.
Nach Ansicht des Senats kommt es bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei Vervielfältigungen mittels PCs um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt, darauf an, innerhalb welcher Geräteketten PCs zur Vornahme von Vervielfältigungen verwendet 15 werden. Allein mit einem PC können keine Vervielfältigungen angefertigt werden. Dazu sind PCs nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten in der Lage, wie etwa in Geräteketten mit einem Eingabegerät (Internetzugangsgerät, CD-ROM-Laufwerk, DVD-Laufwerk, USB-Stick, Scanner) und einem PC oder in Gerätekombinationen mit einem PC und einem Ausgabegerät (CD-Brenner, DVD-Brenner, USB-Stick, Drucker) oder in der Funktionseinheit Eingabegerät/PC/Ausgabegerät.
aa) Mit einer aus einem PC als Endgerät bestehenden Gerätekette (wie etwa der Gerätekombination Scanner/PC) können ausschließlich Vervielfältigungen auf einem digitalen Träger - nämlich auf der Festplatte oder im Arbeitsspeicher des PCs - vorgenommen werden.
(1) Dabei handelt es sich jedenfalls nicht um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren. Unter fotomechanischen Verfahren sind Verfahren der Fotokopie zu verstehen. Mit einem PC als Endgerät können keine Fotokopien wie mit einem herkömmlichen Fotokopiergerät angefertigt werden.
(2) Es erscheint auch fraglich, ob es sich bei solchen Vervielfältigungen um Vervielfältigungen mittels anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren handelt. Fotomechanische Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger entstehen. Voraussetzung eines anderen Verfahrens mit ähnlicher Wirkung könnte daher sein, dass gleichfalls körperliche Vervielfältigungen auf einem analogen Träger entstehen, die der menschlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglich sind. Dann reichte es nicht aus, dass eine dauerhafte körperliche Festlegung auf einem digitalen Speichermedium erfolgt (vgl. österr. OGH, Urteil vom 24. Februar 2009 - 4 Ob 225/08d, GRUR Int. 2009, 754, 758). 19 bb) Mit einer aus einem PC als Eingangsgerät bestehenden Gerätekette (wie etwa der Gerätekombination PC/Drucker) können ausschließlich Vervielfältigungen digitaler Vorlagen - nämlich von Vorlagen, die auf der Festplatte oder im Arbeitsspeicher des PCs gespeichert sind - vorgenommen werden.
Es erscheint zweifelhaft, ob solche Vervielfältigungen digitaler Vorlagen, bei denen es sich zweifellos nicht um Vervielfältigungen mittels eines fotomechanischen Verfahrens handelt, als Vervielfältigungen mittels anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren anzusehen sind.
(1) Die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfasst allerdings nach Auffassung des Senats nicht nur fotomechanische, sondern auch andere - insbesondere digitale - Vervielfältigungsverfahren. Sie setzt eine dem fotomechanischen Verfahren ähnliche Wirkung und nicht ein dem fotomechanischen Verfahren ähnliches Verfahren voraus.
(2) Es erscheint jedoch fraglich, ob zur Bestimmung der Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren allein darauf abgestellt werden kann, ob bei diesen Verfahren - wie bei fotomechanischen Verfahren - im Ergebnis Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger entstehen. Dagegen spricht, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ohnehin nur Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger erfasst. Die weitere Voraussetzung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, dass es sich dabei um Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt, wäre sinnlos und überflüssig, wenn sie stets schon erfüllt wäre, falls Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger hergestellt werden. 22
(3) Die Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie könnte daher dahin auszulegen sein, dass es sich bei den anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren um Verfahren zur Vervielfältigung von analogen Vorlagen auf analogen Trägern handelt. Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie würde dann nur Verfahren zur Vervielfältigung von Druckwerken betreffen, also Verfahren, die - wie das Verfahren der Reprographie - bewirken, dass von einem analogen Werkstück (etwa einem Buch) analoge Vervielfältigungsstücke (vor allem auf Papier) entstehen.
Dafür könnte auch folgende Überlegung sprechen: Nach Erwägungsgrund 37 der Richtlinie, der sich auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bezieht, sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, eine Ausnahme oder Beschränkung für die Reprographie vorzusehen. Gemäß Erwägungsgrund 38 der Richtlinie, der die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie geregelte Privatkopie betrifft, sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken vorzusehen; dabei soll zwischen digitalen und analogen (privaten) Vervielfältigungen unterschieden werden, weil sich analoge (private) Vervielfältigungen auf die Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht nennenswert auswirken, digitale (private) Vervielfältigungen hingegen eine weitere Verbreitung finden und größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen dürften. Diese Erwägungen könnten darauf hindeuten, dass mit der Reprographie, die nach Erwägungsgrund 37 der Richtlinie keine größeren Hindernisse für den Binnenmarkt schafft und für die daher nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorgesehen werden können, die Vervielfältigung von analogen Vorlagen auf analogen Trägern gemeint ist. 26 cc) Jedenfalls mit Gerätekombinationen, die aus einem zur Vervielfältigung analoger Vervielfältigungsvorlagen geeigneten Eingabegerät (wie einem Scanner) sowie einem PC und einem zur Erstellung analoger Vervielfältigungsstücke geeigneten Ausgabegerät (wie einem Drucker) bestehen, können nach Ansicht des Senats Vervielfältigungen mittels anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie fotomechanische Verfahren vorgenommen werden.
Die aus Scanner, PC und Drucker gebildete Funktionseinheit kann wie ein herkömmliches Fotokopiergerät dazu eingesetzt werden, von analogen Werkstücken analoge Vervielfältigungsstücke herzustellen, sei es dass die Vorlage originalgetreu auf Papier oder einem ähnlichen Träger wiedergegeben wird oder dass sie vor dem Ausdrucken im PC formatiert oder sonst bearbeitet wird. Dabei ist es unerheblich, dass die einzelnen Geräte ihre dem fotomechanischen Verfahren entsprechende Vervielfältigungsfunktion nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten erfüllen können. Entscheidend ist, dass der Vorgang funktional einer Vervielfältigung im fotomechanischen Verfahren entspricht.
Der Senat hat deshalb in der Vergangenheit auch Vervielfältigungen mittels Readerprintern, mit deren Hilfe auf Mikrofilm oder Mikrofiche verkleinertes Schriftgut lesbar gemacht und ausgedruckt werden kann (BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 - I ZR 34/91, BGHZ 121, 215 - Readerprinter), Telefaxgeräten - sei es mit festem Vorlagenglas, sei es mit Einzugsschlitz oder Stapeleinzug (BGH, Urteil vom 28. Januar 1999 - I ZR 208/96, BGHZ 140, 326 - Telefaxgeräte) -, Scannern (BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 335/98, GRUR 2002, 246 = WRP 2002, 219 - Scanner) und Multifunktionsgeräten (BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 131/05, GRUR 2008, 786 = WRP 2008, 1229 - Multifunktionsgeräte) als Vervielfältigungen angesehen, die in einem Verfahren mit vergleichbarer Wirkung wie dem Verfahren der Ablichtung erfolgen. 28 b) Für den Fall, dass die vorige Frage bejaht wird, stellt sich die weitere Frage, ob die Anforderungen der Richtlinie an einen gerechten Ausgleich für Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 20 der EU-Grundrechtecharta auch dann erfüllt sein können, wenn nicht die Hersteller, Importeure und Händler der PCs, sondern die Hersteller, Importeure und Händler eines anderen Geräts oder mehrerer anderer Geräte einer zur Vornahme entsprechender Vervielfältigungen geeigneten Gerätekette Schuldner der angemessenen Vergütung sind.
Sollten Vervielfältigungen, die durch Geräteketten mittels PCs vorgenommen werden, als Vervielfältigungen mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie anzusehen sein, wären diese Vervielfältigungen nach § 54a Abs. 1 UrhG aF vergütungspflichtig. Der Senat hat bislang die Auffassung vertreten, es sei grundsätzlich nur das Gerät einer solchen Funktionseinheit nach § 54a Abs. 1 UrhG aF zur Vornahme von Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung bestimmt und damit vergütungspflichtig, das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden. In der aus einem Scanner, einem PC und einem Drucker bestehenden Funktionseinheit sei dies der Scanner. Während fast jeder Scanner im Rahmen einer solchen Funktionseinheit benutzt werde, kämen PC und Drucker häufig auch ohne Scanner zum Einsatz (BGH, GRUR 2002, 246, 247 - Scanner; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007, BGHZ 174, 359 Rn. 12 - Drucker und Plotter I). Nach Ansicht des Senats ist diese Auffassung mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie und Art. 20 der EU-Grundrechtecharta vereinbar. 31 aa) Nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht vorsehen. Die Richtlinie unterscheidet dabei Fälle, in denen die Einschränkung des Vervielfältigungsrechts nur zulässig ist, wenn die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, b und e der Richtlinie), von den übrigen Fällen, in denen es den Mitgliedstaaten freisteht, einen gerechten Ausgleich vorzusehen (Art. 5 Abs. 2 Buchst. c und d, Abs. 3 Buchst. a bis o der Richtlinie; vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist grundsätzlich der Endnutzer als Schuldner des angemessenen Ausgleichs zu betrachten. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch frei, eine Vergütung zu Lasten derjenigen Personen einzuführen, die dem Endnutzer Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellen, da diese Personen den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer entrichteten Preis einfließen lassen können (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, GRUR 2011, 50 Rn. 43-50 - Padawan/SGAE; Urteil vom 16. Juni 2011 - C-462/09, juris Rn. 18-29 - Stichting/Opus). Da die Bestimmungen der Richtlinie nicht ausdrücklich die Frage regeln, wer den gerechten Ausgleich zu zahlen hat, steht den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der vergütungspflichtigen Person ein weites Ermessen zu (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-462/09, juris Rn. 23 - Stichting/Opus).
Daraus folgt nach Ansicht des Senats, dass die Richtlinie diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in zulässiger Weise dafür entschieden haben, den gerechten Ausgleich über ein System der Gerätevergütung zu finanzieren, grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, sämtliche Hersteller, Importeure und Händler der Geräte einer Gerätekette, die zur Vornahme von auszugleichenden Vervielfälti-33 gungen benutzt wird, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs in Anspruch zu nehmen. Vielmehr steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, nur die Hersteller, Importeure und Händler desjenigen Geräts zur Finanzierung heranzuziehen, das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden.
bb) Bei der Auslegung der Richtlinie und des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts sind allerdings nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die dort aufgeführten Grundrechte zu beachten (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - C-465/00, Slg. 2003, I-4989 = EuGRZ 2003, 232 Rn. 68, 80 - Rechnungshof/Österreichischer Rundfunk u.a.; BVerfG [Kammer], GRUR 2007, 1064 Rn. 20; BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - I ZR 191/08, GRUR 2011, 513 Rn. 20 = WRP 2011, 762 - AnyDVD; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 51 Rn. 16). Zu diesen Grundrechten zählt das Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 20 der EU-Grundrechtecharta.
Auch das Grundrecht auf Gleichbehandlung gebietet es nach Auffassung des Senats jedoch nicht, sämtliche Hersteller, Importeure und Händler der Geräte einer Gerätekette, die zur Vornahme von auszugleichenden Vervielfältigungen benutzt wird, in dem Maße zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs zu verpflichten, in dem das jeweilige Gerät für solche Vervielfältigungen genutzt wird. Die praktischen Schwierigkeiten, das Maß der Nutzung des jeweiligen Geräts für solche Vervielfältigungen zu bestimmen und mehrere Schuldner zur Finanzierung des Ausgleichs in Anspruch zu nehmen, können es rechtfertigen, allein den Hersteller, Importeur und Händler desjenigen Geräts zur Finanzierung des gesamten Ausgleichs heranzuziehen, das am deutlichsten dazu bestimmt ist, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden. Der Schuldner des Ausgleichs wird dadurch nicht unzu-36 mutbar belastet, da er den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer zu entrichtenden Preis einfließen lassen kann. Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann geboten, wenn der Schuldner die Last der Vergütung nicht auf die Nutzer der Geräte abwälzen könnte und dadurch in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit - anders als die Hersteller, Importeure und Händler der anderen Geräte - unzumutbar beeinträchtigt wäre (vgl. BGH, GRUR 2008, 786 Rn. 35 - Multifunktionsgeräte, mwN).
6. Soweit PCs bei einer mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie übereinstimmenden Auslegung des § 54a Abs. 1 UrhG aF dem Grunde nach zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten gehören, stellen sich im Zusammenhang mit der Bemessung der Höhe der Vergütung weitere Fragen zur Auslegung der Richtlinie.
Der Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 54a Abs. 1 UrhG aF besteht für die durch das Inverkehrbringen des Geräts geschaffene Möglichkeit, Vervielfältigungen durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF vorzunehmen. Der Vergütungsanspruch des § 54a Abs. 1 UrhG aF soll dem Urheber einen Ausgleich für die ihm aufgrund der Einschränkungen seines Vervielfältigungsrechts durch die gesetzliche Lizenz des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF entgehenden individualvertraglichen Lizenzeinnahmen verschaffen (vgl. BGHZ 174, 359 Rn. 23 - Drucker und Plotter I).
Für die Bemessung der Vergütung nach § 54a Abs. 1 UrhG aF ist es daher entscheidend, in welchem Maß die Vervielfältigungsgeräte bestimmungsgemäß für nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF zulässige Vervielfältigungen genutzt werden können. Wie bereits oben (Rn. 10 a.E.) ausgeführt, ist nur insoweit, als § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF Vervielfältigungen eines Werkes zulässt, für die 38 durch das Inverkehrbringen der Vervielfältigungsgeräte geschaffene Möglichkeit, solche Vervielfältigungen vorzunehmen, eine angemessene Vergütung geschuldet. Urheberrechtlich unzulässige Vervielfältigungen begründen keinen Vergütungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG aF, sondern unter den Voraussetzungen des § 97 UrhG Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz. Urheberrechtlich ohnehin zulässige Vervielfältigungen - wie Vervielfältigungen urheberrechtlich nicht geschützter Inhalte oder eigener Werke - lösen gleichfalls keinen Vergütungsanspruch nach § 54a Abs. 1 UrhG aF aus.
a) Die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF vorgesehenen Schranken des Vervielfältigungsrechts beruhen auf Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie und sind daher im Lichte dieser Bestimmungen auszulegen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie, soweit sie durch die Regelungen des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF umgesetzt worden sind, Vervielfältigungen erfassen, die mittels PCs angefertigt werden.
aa) Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF "sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern (zulässig), sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird". Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG aF darf "der zur Vervielfältigung Befugte ... die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt".
Diese Regelung beruht auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/38, S. 20 f.). Nach dieser Be-41 stimmung können die Mitgliedstaaten Schranken des Vervielfältigungsrechts "in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung (vorsehen), dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden".
(1) Nach Ansicht des Senats kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie grundsätzlich auch Vervielfältigungen erfasst, die mithilfe von PCs angefertigt werden, und dass es dabei keine Rolle spielt, in welcher Gerätekette und an welcher Stelle der Gerätekette der PC sich dabei befindet. Die Vorschrift betrifft ausdrücklich Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern und enthält keine Einschränkungen hinsichtlich des Vervielfältigungsverfahrens oder der Vervielfältigungsvorlagen. Sie erfasst daher insbesondere auch Vervielfältigungsverfahren, bei denen digitale Vorlagen verwendet oder digitale Kopien hergestellt werden und damit beispielsweise das Ausdrucken von Texten oder Bildern, die aus dem Internet heruntergeladen werden oder auf der Festplatte des PCs abgespeichert sind, oder das Abspeichern von mit einem Scanner eingelesenen Texten oder Bildern auf der Festplatte eines PCs.
(2) Jedoch stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit es sich bei Vervielfältigungen mittels PCs um Vervielfältigungen in einem fotomechanischen Verfahren oder anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt (vgl. oben Rn. 16 ff.). Gemäß § 54a Abs. 1 UrhG aF ist eine angemessene Vergütung nicht etwa für sämtliche Vervielfältigungen geschuldet, sondern nur für solche Vervielfältigun-44 gen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG aF, die durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung erfolgen. Soweit der Rechtsinhaber für Vervielfältigungen mittels eines PCs innerhalb einer Gerätekette nach § 54a Abs. 1 UrhG aF keine angemessene Vergütung erhält, weil es sich dabei nicht um eine Vervielfältigung in einem anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung wie ein fotomechanisches Verfahren handelt (was insbesondere auf Funktionseinheiten mit einem PC als Eingangsgerät oder als Endgerät zutreffen könnte, vgl. oben Rn. 19 ff.), ist die Bedingung des gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nicht erfüllt und sind derartige Vervielfältigungen nicht nach § 53 Abs. 1 UrhG aF zulässig. Solche Vervielfältigungen könnten dann keinen Vergütungsanspruch gegen den Hersteller, Importeur oder Händler des Druckers begründen, sondern lediglich einen Unterlassungsanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Nutzer.
(3) Zudem stellt sich die Frage, ob bereits die Möglichkeit einer Anwendung von technischen Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie die Bedingung eines gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie entfallen lässt. Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu verneinen. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie und unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 35 der Richtlinie muss bei der Bemessung des gerechten Ausgleichs eine Anwendung technischer Schutzmaßnahmen in vollem Umfang berücksichtigt werden. Daraus ist nach Ansicht des Senats zu schließen, dass die Bedingung eines gerechten Ausgleichs im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nur dann entfällt, wenn technische Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie ein Anfertigen von Vervielfältigungen tatsächlich verhindern. 46 bb) Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4, Satz 2 Nr. 1, Satz 3 UrhG aF ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen,
- zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird (Satz 1 Nr. 2),
- zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt (Satz 1 Nr. 3),
- zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind (Satz 1 Nr. 4 Buchst. a) oder wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt (Satz 1 Nr. 4 Buchst. b), wenn die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird (Satz 2 Nr. 1, Satz 3).
Diese Regelung beruht auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/38, S. 21). Danach können die Mitgliedstaaten Schranken des Vervielfältigungsrechts "in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung, mit Ausnahme von Notenblättern und unter der Bedingung (vorsehen), dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten".
In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage, inwieweit es sich bei Vervielfältigungen mittels PCs um Vervielfältigungen in einem fotomechanischen Verfahren oder anderen Verfahren mit ähnlicher Wirkung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie handelt (vgl. oben Rn. 16 ff.). Diese Frage hat erhebliche praktische Bedeutung. Ist sie zu bejahen, handelt es sich beispielsweise dann um nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a, Satz 2 Nr. 1, Satz 3 UrhG aF zulässige und demzufolge nach § 54a Abs. 1 UrhG aF vergü-47 tungspflichtige Vervielfältigungen zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn sich Rechtsanwälte einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften, die etwa auf einem Server oder auf einer CD-ROM gespeichert sind, zum eigenen beruflichen Gebrauch ausdrucken oder ausdrucken lassen. Sollte die Festplatte eines PCs zudem als ähnlicher Träger anzusehen sein, wäre beispielsweise auch das Abspeichern solcher Beiträge auf der Festplatte des PCs gestattet.
b) Hinsichtlich sämtlicher in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts stellt sich weiter die Frage, ob die Bedingung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) und die Möglichkeit (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) eines gerechten Ausgleichs entfällt, soweit die Rechtsinhaber einer Vervielfältigung ihrer Werke ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Entscheidung "Padawan" ausgeführt, aus den Erwägungsgründen 35 und 38 der Richtlinie ergebe sich, dass der gerechte Ausgleich den Urhebern die "ohne ihre Genehmigung" erfolgte Nutzung ihrer geschützten Werke angemessen vergüten solle (EuGH, GRUR 2011, 50 Rn. 39, 40 und 45).
Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass die Bedingung eines gerechten Ausgleichs (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie) oder die Möglichkeit eines gerechten Ausgleichs (vgl. Erwägungsgrund 36 der Richtlinie) nicht besteht, soweit der Rechtsinhaber eine Nutzung seines Werkes genehmigt hat. Dem könnte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Vervielfältigung eines geschützten Werkes in einem solchen Fall bereits aufgrund der Genehmigung des Rechtsinhabers und nicht erst aufgrund einer von den Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht zulässig ist und dem Rechtsinhaber da-50 her kein Schaden durch die in der nationalen Regelung vorgesehene Einschränkung seines Vervielfältigungsrechts entsteht.
Nach Ansicht des Senats sind jedoch von den Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehene Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht gegenüber einer ausdrücklichen oder konkludenten Genehmigung einer solchen Vervielfältigung durch den Rechtsinhaber vorrangig. Soweit solche Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts reichen, nehmen sie dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, Vervielfältigungen zu verbieten oder zu gestatten. Eine Genehmigung der bereits aufgrund der Einschränkungen des Vervielfältigungsrechts zulässigen Vervielfältigungen durch den Rechtsinhaber geht ins Leere und lässt die Bedingung oder die Möglichkeit eines gerechten Ausgleichs unberührt. Soweit der Senat in den Entscheidungen "Drucker und Plotter I" und "PC I" bei seinen Überlegungen zu einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 54a Abs. 1 UrhG aF einen anderen Standpunkt vertreten hat (BGHZ 174, 359 Rn. 23 - Drucker und Plotter I; BGH, GRUR 2009, 53 Rn. 19 - PC I), hält er daran nicht mehr fest.
Selbst wenn Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht gegenüber einer Genehmigung des Rechtsinhabers nicht als vorrangig anzusehen wären, ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Padawan" nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht dahin zu verstehen, dass eine Genehmigung der Vervielfältigung durch den Rechtsinhaber - ohne gleichzeitige Vergütungsabrede - einen gerechten Ausgleich nach der Richtlinie ausschlösse (vgl. BVerfG, GRUR 2011, 223 Rn. 24). Erwägungsgrund 35 der Richtlinie besagt lediglich, dass in Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z.B. als Teil 53 einer Lizenzgebühr, gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein kann.
Bornkamm Pokrant Schaffert Kirchhoff Koch Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.12.2004 - 7 O 18484/03 -
OLG München, Entscheidung vom 15.12.2005 - 29 U 1913/05 -
BGH:
Beschluss v. 21.07.2011
Az: I ZR 30/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/437499701412/BGH_Beschluss_vom_21-Juli-2011_Az_I-ZR-30-11