Landgericht Nürnberg-Fürth:
Beschluss vom 27. Juni 2008
Aktenzeichen: 4 HKO 9613/07, 4 HKO 9613/07
(LG Nürnberg-Fürth: Beschluss v. 27.06.2008, Az.: 4 HKO 9613/07, 4 HKO 9613/07)
Tenor
I. Der Beklagten wird es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer am Präsidenten zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
Parfüms der Marken Davidoff, Jil Sander, Calvin Klein, Lagerfeld, J. LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood in Deutschland in den Verkehr zu bringen, anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen, wenn diese nicht von dem Markeninhaber oder einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden sind.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Name und Adresse des Vorlieferanten unter Vorlage der Lieferbelege zu den folgenden Verkäufen zu erteilen:
- D€ w... v€, t€, € ml geliefert mit Rechnung Nr. € an V€, A€, €, €, € €;
- D€ w€ €, € ml geliefert mit Rechnung Nr. € an H€, O€ €, €.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.380,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2007 zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen über 2.380,80 € hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus den Handlungen der Beklagten bezüglich der Marke D€ gem. Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird.
V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
VI. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Klägerin keine Ansprüche zustehen gegen die Beklagte aufgrund des Vertriebs von Kosmetik- und Parfümprodukten der Marken Lancaster, Joop!, Davidoff, Jil Sander, Jette Joop, Calvin Klein, Lagerfeld, J. LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood in der Europäischen Gemeinschaft, welche auf der Umverpackung und/oder dem Flakon als unverkäufliche Demonstrationsware (sogenannte Tester) gekennzeichnet sind, sofern diese Tester mit Zustimmung der Markeninhaber in der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden.
VII. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
VIII. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 215.000,00 €, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das Parfüm unter den eigenen Marken Lancaster und Joop! und unter den Fremdmarken Davidoff, Jil Sander, Calvin Klein, Lagerfeld, J.LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood herstellt und vertreibt. Diese Marken sind als Gemeinschaftsmarken oder als international registrierte Marken u. a. für Parfüm und Deutschland eingetragen.
Die handelsüblichen Ausstattungen der von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Markenparfüms einschließlich der ihren Depositären zur Verfügung gestellten Testexemplare werden von ihr auf der Unterseite der Flakons und der Verpackungen mit einem Zahlencode gekennzeichnet. Bei dieser 10-stelligen Ziffernfolge handelt es sich um die Chargennummer nach § 4 Kosmetikverordnung. Diese Nr. bezeichnet den Produktionsvorgang und ermöglicht es der Klägerin, im Fall von Produktionsfehlern die betroffenen Produkte zu identifizieren und deren Vertriebsweg zu verfolgen. Damit kann die Klägerin auch ermitteln, wohin das jeweilige Produkt erstmals ausgeliefert worden ist.
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit dem Sitz in der Schweiz, das gewerblich Parfüm vertreibt, ohne zu den Depositären der Klägerin zu gehören. Ausweislich ihrer Eigendarstellung auf ihrer Webseite handelt sie mit über 70 Marken von Parfüm- und Kosmetikprodukten und erzielt einen Jahresumsatz von mehr als 60 Mio. $.
Am 14.09.2007 übermittelte die Firma H€ ein in Deutschland ansässiger Graumarkthändler, der Klägerin eine Liste mit Herstellungskennziffern für Parfüms der Marken Davidoff Cool Water Woman EdT 100 ml und Jil Sander Pure EdT 50 ml, um sich gegen den Vorwurf des Vertriebs außereuropäischer Ware abzusichern. Bei der Überprüfung der Herstellungsziffern stellte die Klägerin fest, dass die betreffenden Parfüms der Marke Cool Water Woman nicht in der EU, sondern im November 2006 an die Tochtergesellschaft der Klägerin C. E. zum Vertrieb im Nahen Osten ausgeliefert worden waren. Auf Nachfrage der Klägerin benannte die Firma H€ unter Übermittlung der Rechnung vom 06.09.2007 die Beklagte als ihren Vorlieferanten.
Am 26.09.2007 erwarb ein Testkäufer der Klägerin in dem Ladengeschäft S€ in den C., Inhaber A€ einen Parfümtester Davidoff Cool Water Woman, zwei Tester Davidoff Cool Water Men und einen Tester Jil Sander Sport Man und übermittelte der Klägerin die Herstellungskennziffern der Tester Davidoff Cool Water Man. Deren Überprüfung ergab, dass sie erstmals im Juli 2006 an das Vertriebsunternehmen der Klägerin R€ in S... ausgeliefert worden waren. Der Inhaber des Ladengeschäfts V. teilte der Klägerin unter Übermittlung der Rechnung vom 19.04.2007 mit, dass er diese Produkte von der Beklagten für sein Hauptgeschäft in Nürnberg erhalten habe.
Die Klägerin meint, damit würden die Markenrechte an den genannten Marken verletzt. Sofern sie nicht selbst Markeninhaberin sei, verfüge sie über exklusive Lizenzen der Markeninhaber und sei zur Verteidigung der Marken und Wettbewerbsrechten im eigenen Namen berechtigt. Die fraglichen Parfümfläschchen, die von der Beklagten bezogen worden seien, seien nicht mit Zustimmung der Markeninhaberin erstmals in der Europäischen Union oder des EWR in den Verkehr gebracht worden. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht nur für die konkret nachgewiesenen Parallelimporte, sondern auch bezüglich der übrigen Marken. Bei der Fassung des Unterlassungsantrages seien im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern in ihnen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck komme.
Die Klägerin stellt deshalb folgende Anträge:
1. Der Beklagten wird es
unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu vollstrecken an dem Präsidenten,
untersagt,
Parfüms der Marken Davidoff, Jil Sander, Calvin Klein, Lagerfeld, J.LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood in Deutschland in den Verkehr zu bringen, anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen, wenn diese nicht von dem Markeninhaber oder einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden sind.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Name und Adresse des Vorlieferanten unter Vorlage der Lieferbelege zu den folgenden Verkäufen zu erteilen:
- D€ w... V., geliefert mit Rechnung Nr. € an V. A€, €, €, € €;
- D€ w€ W€, € ml geliefert mit Rechnung Nr. € an H€, O€ €, €.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.380,80 € zuzüglich Zinsen 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen über 2.380,80 € hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus den Handlungen der Beklagten gem. Ziffer 1. entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt dagegen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass die Klägerin bezüglich derjenigen Marken, deren Inhaberin sie nicht sei, über exklusive Lizenzen verfuge und zur Verteidigung der Marken- und Wettbewerbsrechte der Markeninhaber im eigenen Namen berechtigt sei. Sie selbst habe keine Benutzungshandlungen in Deutschland begangen, da sie die fraglichen Parfümprodukte in der Schweiz an die Abnehmer verkauft habe. Die Parfümtester seien mit Zustimmung der Klägerin in der EU in den Verkehr gebracht worden. Deshalb sei auch nicht die Zuständigkeit des angegangenen deutschen Gerichts gegeben. Eine rechtserhaltende Benutzung der Marken Davidoff, Lagerfeld, J.LO, Chopard, Vivienne Westwood und Calvin Klein sei ebenfalls nicht vorhanden. Die Markenrechte für die in Rede stehenden Waren seien erschöpft, da es sich um Originalware handele. Da das selektive Vertriebsbindungssystem der Klägerin praktisch nicht existiere bzw. löchrig sei, treffe die Klägerin die Beweislast für die Nichterschöpfung. Für die konkreten nicht betroffenen Markenparfüms bestehe weder Wiederholungs- noch Erstbegehungsgefahr.
Die Beklagte erhebt negative Feststellungswiderklage.
Sie trägt dazu vor, die Klägerin habe die Beklagte am 08.10.2007 abgemahnt und aufgefordert, es zu unterlassen, Kosmetik- und Parfümprodukte der Marken Lancaster, Joop!, Davidoff, Jil Sander, Jette Joop, Calvin Klein, Lagerfeld, J.LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood, welche auf der Umverpackung und/oder dem Flakon als unverkäufliche Demonstrationsware (sogenannte Tester) gekennzeichnet sind, zu vertreiben, sofern die Tester mit Zustimmung des Markeninhabers in der Europäischen Union oder des EWR in den Verkehr gebracht wurden. Die Beklagte meint, dass der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zustehe, weil sich an solchen Testexemplaren das Markenrecht erschöpft habe.
Sie beantragt daher im Wege der Widerklage, festzustellen,
dass der Klägerin keine Ansprüche zustehen gegen die Beklagte aufgrund des Vertriebs von Kosmetik- und Parfümprodukten der Marken Lancaster, Joop!, Davidoff, Jil Sander, Jette Joop, Calvin Klein, Lagerfeld, J.LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood in der Europäischen Gemeinschaft, welche auf der Umverpackung und/oder dem Flakon als unverkäufliche Demonstrationsware (sog. Tester) gekennzeichnet sind, sofern diese Tester mit Zustimmung der Markeninhaber in der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Sie meint, dass die Widerklage unzulässig sei, weil die Klägerin inzwischen beim erkennenden Gericht (Az.: 4H€) eine positive Leistungsklage auf Unterlassung eingereicht habe und nach Zustellung Verzicht auf deren Rücknahme erklärt habe. Die Klägerin vertreibe ihre Parfüms und damit auch die Testexemplare ausschließlich über ihre Depositäre. In den Verträgen mit ihnen behalte sie sich das Eigentum an den Testern vor. Es handele sich um Werbematerial, das nicht dafür bestimmt sei, an Verbraucher weitergegeben zu werden. Sie seien deshalb als unverkäufliche Exemplare gekennzeichnet. Wenn Depositäre oder ihre Angestellten diese Ware unterschlagen oder stehlen würden, würde nicht nur gegen den Depositärvertrag verstoßen, sondern auch Hehlerei begangen. Ein Inverkehrbringen i. S. d. Rechtsprechung des EuGH liege deshalb nicht vor, so dass auch keine Erschöpfung des Markenrechts eintrete.
Im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung in einzelnen Mitgliedsstaaten der EU werde hilfsweise beantragt,
dem EuGH die Frage vorzulegen, wie der Begriff des Inverkehrbringens i. S. v. Art. 13 Abs. 1 der GMV auszulegen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Partei Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
1.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich (Art. 91 GMV, §§ 125 e Abs. 1, 119, 140 Abs. 1 MarkenG), örtlich (Art. 92 GMV, § 15 MarkenG, § 32 ZPO) und international (Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen) zuständig.
Die Klägerin hat schlüssig einen Sachverhalt vorgetragen, der die Begehung einer Markenverletzung im erweiterten Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Nürnberg-Fürth begründet. Die Beklagte ist eine Handelsgesellschaft mit dem Sitz in der Schweiz, die nach ihrer Selbstdarstellung auf ihrer Webseite (Anlage K4) mit über 70 Marken von Parfüm- und Kosmetikprodukten handelt und weltweit in mehr als 25 Ländern aktiv ist. Die Sprachen, die sie verwendet, sind englisch und deutsch.
Auch wenn deutsch eine der Landessprachen der Schweiz ist, folgt daraus, dass sich ihr Angebot bestimmungsgemäß auch an Abnehmer in Deutschland richtet, das nicht nur das Nachbarland der Schweiz ist, sondern auch ein wirtschaftlich wichtiges Abnehmerland für Parfüm-und Kosmetikprodukte ist. Da die Internetseite der Klägerin bestimmungsgemäß auch im Gerichtsbezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth abrufbar ist, liegt der Begehungsort für die behauptete Markenrechtsverletzung hier. Nach den vorgelegten Rechnungen der Anlage K8 und K12 hat die Klägerin zudem Markenparfüms der strittigen Art an deutsche Abnehmer, darunter insbesondere die Drogerie V€ in Nürnberg verkauft und damit, wie weiter unter näher ausgeführt wird, eine Verletzungshandlung im Inland begangen.
2.
a)
Der Klägerin steht zunächst ein Anspruch zu, der Beklagten zu untersagen, Parfümfläschchen der Marke D€ in Deutschland anzubieten, zu bewerben, zu verbreiten, anbieten, bewerben oder verbreiten zu lassen. Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 a, Abs. 2 b, c i. V. m. Art. 98 Abs. 1 GMV.
aa)
Die Klägerin ist berechtigt, Ansprüche aus der Gemeinschaftsmarke D€ im eigenen Namen geltend zu machen. Die Markeninhaberin Z€ hat in der Vollmacht vom 26.09.2003 (Anlage K2) bestätigt, dass die Klägerin die weltweite Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von D€- €- und € berechtigt ist, im Namen der Markeninhaberin Wettbewerbsrechte und Markenrechte geltend zu machen. Der Umstand, dass auf der Vollmacht eine Postfachadresse der Markeninhaberin angegeben ist, während die Markeneintragungsurkunde die Zustellanschrift der Markeninhaberin nennt, stellt die Identität von Markeninhaberin und Vollmachtgeberin nicht in Zweifel.
Dem steht Art. 22 Abs. 3 Satz 2 GMV nicht entgegen, da diese Bestimmung ersichtlich nur dann eingreift, wenn der Lizenzgeber seinem ausschließlichen Lizenznehmer die Zustimmung zur Rechtsverfolgung nicht erteilt.
Im Übrigen kommen nach Art. 97 Abs. 3 GMV die nationalen Verfahrensvorschriften zur Anwendung, was hier bedeutet, dass die Klägerin Rechte aus der Marke D€ im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen kann (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 30 Rd. Nr. 73). Die Erklärung der Markeninhaberin vom 26.09.2003 ist ohne weiteres als Prozessstandschaftserklärung des Rechtsinhabers deutbar.
bb)
Die Marke D€ und die anderen streitgegenständlichen Marken sind rechtsbeständig. Die Einrede der Nichtbenutzung ist ersichtlich nicht begründet. Es ist gerichtsbekannt, dass sie für Duftwässer intensiv benutzt wurden und werden. Aus der Vollmacht der Markeninhaberin vom 26.09.2003 geht zweifelsfrei hervor, dass dies durch die Klägerin aufgrund eines Lizenzvertrages mit der Markeninhaberin geschieht. Diese Art der Nutzung ist dem Markeninhaber zuzurechnen (Art. 15 Abs. 3 GMV).
cc)
Die Beklagte hat die Rechte an der Marke D€ dadurch verletzt, dass sie die Firma H€ und die Firma V€ mit Parfüm der Bezeichnungen C W1 und C W2 belieferte.
An diesen Produkten hat sich das Markenrecht nicht erschöpft. Aus dem vorgelegten Briefwechsel der Anlagen K5 bis K8 ergibt sich, dass die Firma H€ der Klägerin eine Liste mit Herstellerkennzeichen versandte, die aus einem Kauf bei der Beklagten laut Rechnung vom 06.09.2007 stammten. Die Überprüfung anhand des Kontrollnummernsystems der Klägerin ergab, dass mindestens fünf dieser Parfümfläschchen der Marke D. C W2 ursprünglich in den Nahen Osten nach Dubai geliefert worden waren.
Ebenso ergibt sich aus der Korrespondenz bezüglich eines Testkaufes in Ingolstadt (Anlagen K9 - Kl2), dass zwei Testfläschchen der Marke D... CW1 erworben wurden, deren Herstellungsnummern auswiesen, dass sie im Juli 2006 an den Kunden R€ in S€ ausgeliefert worden waren. Auf die Abmahnung der Klägerin gab der Inhaber der Firma V€ an, dass er diese Fläschchen von der Beklagten laut Rechnung vom 19.04.2007 bezogen habe.
Aus diesen Urkunden ergibt sich zum einen, dass sie durch Import von der Beklagten in den inländischen Verkehr gebracht wurden und zum anderen, dass sich an ihnen das Markenrecht nicht erschöpft hat.
Die beiden Rechnungen benennen jeweils den in Deutschland ansässigen Käufer und weisen eine von seinem Geschäftssitz unterschiedliche €Lieferadresse" in Deutschland aus. Die Beklagte hat sich auf den beiden Rechnungen das Eigentum an der verkauften Ware bis zur vollständigen Bezahlung vorbehalten. Beides spricht eindeutig gegen einen reinen Inlandsverkauf in der Schweiz, sondern belegt, dass ein grenzüberschreitender Verkehr stattgefunden hat und stattfinden sollte, bei dem die tatsächliche Verfügungsmacht über die verkauften Gegenstände erst in Deutschland auf die Käufer übergehen sollte und überging. Der dadurch begründete Anschein des grenzüberschreitenden Verkaufs wird nicht durch den Vermerk € ex works" auf der Rechnung vom 06.09.2007 (Anlage K8) ausgeräumt, da er im Widerspruch zu der unübersehbar angegebenen €Lieferadresse" steht. Für ihren gegenteiligen Sachvortrag, wonach die Waren aus dem Lager der Beklagten durch einen von den Käufern beauftragten und bezahlten Spediteur abgeholt worden seien, und damit bereits die tatsächliche Verfügungsgewalt in der Schweiz auf die Käufer übergegangen sei, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Dies wäre erforderlich gewesen, um den Beweis des ersten Anscheins für eine Rechtsverletzung in Deutschland zu erschüttern (vgl. BGH GRUR 1987, 630 ff. - Raubpressungen).
Unabhängig davon haftet die Beklagte aber jedenfalls als Teilnehmer gem. § 830 Abs. 2 BGB für die von ihren deutschen Abnehmern im Inland begangenen markenverletzenden Verbreitungshandlungen. Die Beklagte hat diesen die Verletzungsgegenstände zur Verfügung gestellt und dadurch deren Import zum Weitervertrieb in Deutschland adäquat ermöglicht. Der Beklagten als größeres schweizerisches Parfümhandelsunternehmen ist die Problematik der Erschöpfung von Markenwaren innerhalb der Europäischen Union bekannt.
Ihr muss auch die Kenntnis unterstellt werden, dass Parfüms der Marke D€ und der anderen Klagemarken in Deutschland unter Markenschutz stehen. Der Beklagten sind auch ihre Vorlieferanten bekannt. Sie kann deshalb beurteilen, ob und welche der von ihr vertriebenen, markierten Parfumfläschchen erstmals mit Zustimmung der Markeninhaber innerhalb der EU oder des EWR in den Verkehr gebracht worden sind.
Zumindest kann ihr unterstellt werden, dass sie es billigend in Kauf nimmt, dass unter den Parfümfläschchen, die von deutschen Abnehmern bei ihr gekauft und abgeholt werden und die nicht zu den Vertriebsberechtigten der bekannten Markeninhaber gehören, welche sind, an denen sich das Markenrecht nicht erschöpft hat. Sie hat damit markenverletzende Verbreitungshandlungen der beiden deutschen Abnehmer überhaupt erst ermöglicht und bewusst gefördert und haftet deshalb neben diesen gem. § 830 BGB als Gehilfe, der einem Mittäter gleichsteht.
Auf ihren Tatbeitrag als Gehilfe ist deutsches Recht anzuwenden, da sich dessen rechtliche Beurteilung nach dem für die Haupttat maßgeblichen Recht richtet (BGH GRUR 1982, 495, 497 - Bohmgarten-Brand).
b)
Die aus der festgestellten Verletzung der Marke D€ resultierende Wiederholungsgefahr erstreckt sich auch auf die anderen Parfümmarken, für die die Klägerin Unterlassungsansprüche geltend gemacht.
aa)
Bei der Fassung des Unterlassungsantrages sind im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Eine festgestellte Verletzungshandlung begründet nämlich die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern auch für alle im Kern gleichartige Verletzungshandlungen (BGH GRUR 2006, 421 Rd. Nr. 39 f. - Markenparfümverkäufe). Die Klägerin stellt her und vertreibt teilweise unter eigenen Marken, teilweise in Lizenz der Markeninhaber hochwertige Parfüms. Zum Vertrieb bedient sie sich gerichtsbekanntlich eines selektiven Vertriebsbindungssystems, mit dem ihre Qualitätsanforderungen gewährleistet werden sollen. Unter diesen Umständen sind die zu ihrem Sortiment gehörenden Markenparfüms gleichartig, was die Qualität des Vertriebes und die Zugehörigkeit der Parfüms zu der Gruppe der höherwertigen Duftwässer angeht. Die festgestellte Markenverletzung begründet deshalb die Gefahr, dass auch andere gleichartige Markenparfüms aus dem Sortiment der Klägerin unter Verletzung der bestehenden Markenrechte vertrieben werden.
Zwar berechtigt die Verletzung eines bestimmten Schutzrechtes nicht ohne weiteres die Vermutung, dass die Beklagte auch andere der Klägerin zustehende oder von ihr berechtigt wahrgenommene Schutzrechte verletzen wird. Für die Annahme einer solchen Begehungsgefahr spricht hier aber die Lebenserfahrung. Die Beklagte handelt nämlich mit über 70 Marken von Parfüms und Kosmetikprodukten, ist weltweit in mehr als 25 Ländern aktiv und liefert jährlich über 5 Mio. Einzelprodukte aus. Sie wendet sich in ihrer Internetpräsenz in deutscher und englischer Sprache auch an deutsche und europäische Abnehmerkreise. Sie gehört der Vertriebsorganisation der Klägerin nicht an. Daraus ist zu schließen, dass sie auch die anderen hochpreisigen exklusiven Markenprodukte der Klägerin in ihrem Sortiment hat, zumindest aber jederzeit in der Lage und bereit ist, diese an Abnehmer im deutschen und europäischen Ausland abzugeben. Da sie diese Waren nicht innerhalb des selektiven Vertriebssystems der Klägerin beziehen kann, muss sie deshalb andere Vertriebskanäle benutzen und bestrebt sein, die attraktiven Markenparfüms nicht nur in der Schweiz, sondern auch im deutschen und europäischen Ausland abzusetzen, auch wenn im Einzelfall die betreffenden Markenrechte nicht erschöpft sind. Die Tatsache, dass sie dies hinsichtlich der Marke D€ durch Abgabe an zwei verschiedene deutsche Abnehmer, die ebenfalls nicht der Vertriebsorganisation der Klägerin angehören, getan hat, unterstreicht dies. Der Umstand, dass zwischen den Parteien bislang kein markenrechtlicher Verletzungsrechtsstreit in Deutschland geführt wurde und die Beklagte ein Schweizer Unternehmen ist, schließt dies nicht aus.
bb)
Die Klägerin ist berechtigt, Unterlassungsansprüche auch im Hinblick auf die anderen im Klageantrag aufgeführten Marken geltend zu machen. Hinsichtlich der Gemeinschaftsmarken Lancaster und Joop! ist sie unstreitig Markeninhaberin.
Durch Vorlage eines Handelsregisterauszuges (Anlage K15) hat sie nachgewiesen, dass sie mit der früher eingetragenen Firma €L€€ identisch ist und ihre jetzige Firmenbezeichnung aus einer Umfirmierung resultiert. Soweit die anderen Markeninhaber bzw. deren exklusive Lizenznehmer Ermächtigungserklärungen zugunsten der Firma L€ abgegeben haben, ist damit die Klägerin betroffen.
Aus den vorgelegten Urkunden geht zweifelsfrei hervor, dass die Klägerin Inhaberin exklusiver Lizenzen bzw. Unterlizenzen auch hinsichtlich der Marken Jil Sander, Calvin Klein, Lagerfeld, J. LO/Jennifer Lopez, Nikos, Chopard und Vivienne Westwood ist und ermächtigt wurde, Eingriffe Dritter gegen die betreffenden Marken abzuwehren und auch die dazu erforderlichen zivilrechtlichen Schritte zu unternehmen. Diese Erklärungen enthalten die erforderlichen Ermächtigungen, die die Klägerin in die Lage versetzen, zumindest im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft Markenansprüche in Deutschland im eigenen Namen zu verfolgen.
3.
Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ist zulässig, jedoch nur teilweise im Hinblick auf die Verletzung der Marke D€ begründet. Die Beklagte hat insoweit schuldhaft gehandelt. Die Problematik der Erschöpfung des Markenrechts muss ihr bekannt sein. Sie hätte daher Sorge dafür tragen müssen, dass keine Markenware an deutsche Abnehmer gelangt, an der sich das Markenrecht nicht erschöpft hat. Der Eintritt eines Schadens nach einer der zulässigen Berechnungsmethode ist wahrscheinlich.
Auch wenn der Unterlassungsantrag auf andere gleichartige, hochwertige Marken aus dem Sortiment der Klägerin erstreckt werden kann, folgt daraus noch nicht, dass ein Schadensersatzanspruch für andere Markenware, für die eine Verletzungshandlung nicht nachgewiesen ist, besteht. Die Umstände, unter denen Originalware, bei der das Markenrecht nicht erschöpft ist, erworben und weitervertrieben wird, können unterschiedlich sein, so dass es Fallgestaltungen geben kann, in denen ein schuldhaftes Verhalten nicht vorliegt (BGH GRUR 2006, 421, Rd. Nr. 47 - Markenparfümverkaufe).
4.
Der Anspruch auf Auskunft über die Vertriebswege der abgegebenen Waren der Marke D€ ergibt sich aus Art. 97 Abs. 2, 98 Abs. 2 GMV i. V. m. § 19 MarkenG.
5.
Die vorgerichtlichen Kosten der Klägerin für die Abmahnung vom 08.10.2007 sind nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zuzusprechen. Die Klägerin hat die Beklagte berechtigt wegen der festgestellten Verletzungen abgemahnt. Der Höhe nach sind die Kosten aus einem Gegenstandswert von 200.000,00 € und unter Berücksichtigung einer 1/3-Geschäftsgebühr zutreffend berechnet worden.
II.
Die Widerklage ist ebenfalls zulässig und begründet.
1.
Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Abmahnung der Klägerin vom 08.10.2007, in der sie auch die Unterlassung des Vertriebs von Originaltestern verlangte, die von der Klägerin im Bereich der Europäischen Union angeboten oder in Verkehr gebracht werden und an denen sich das Markenrecht erschöpft hat.
Das Feststellungsinteresse ist nicht durch die Zustellung der denselben Streitgegenstand betreffend positiven Leistungsklage am 25.03.2008 (Landgericht Nürnberg-Fürth, Az.: 4HK O 1630/08) entfallen. Die Erhebung der Leistungsklage hat eine solche Wirkung nach der Rechtsprechung erst, wenn sie nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, es sei denn die negative Feststellungsklage ist entscheidungsreif. Dies trifft hier im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 04.04.2008 im vorliegenden Verfahren zu. Daran ändert der im Parallelverfahren im Schriftsatz vom 09.04.2008 erklärte Verzicht der Klägerin auf die Rücknahme der Leistungsklage schon aus Zeitgründen nichts mehr, abgesehen davon, dass es im Hinblick auf § 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO fraglich ist, ob ein Verzicht auf die bedingungsfeindliche Klagerücknahme dem Gericht gegenüber überhaupt Wirksamkeit erlangen kann.
2.
Der Klägerin steht der in der Abmahnung vom 08.10.2007 zusätzlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil sich das Markenrecht auch an als unverkäuflich gekennzeichneten Testern, die mit Zustimmung des Markeninhabers erstmals in der EU oder des EWR in den Verkehr gebracht wurden, erschöpft hat.
Die Kammer folgt dabei der Entscheidung des BGH vom 15.02.2007 (GRUR International 2008, 62 - Parfümtester). Diese Parfümtester werden von der Klägerin ihren Depositären mit der Befugnis überlassen, das darin befindliche Parfüm vollständig zu verbrauchen. Dadurch wird die tatsächliche Verfügungsgewalt an ihnen dem jeweiligen Depositär überlassen, so dass ein Inverkehrbringen i. S. v. § 24 MarkenG, Art. 13 Abs. 1 GMV vorliegt. Diese Exemplare können dann frei innerhalb des Europäischen Markes zirkulieren, ohne dass der Markeninhaber deren Weiterverbreitung kontrollieren kann. Der Europäische Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 7 MRRL und Art. 13 GMV ist zwingendes Recht und kann nicht durch vertragliche Beschränkungen des Markeninhabers außer Kraft oder eingeschränkt werden. Beide Regelungswerke enthalten in ihrem Art. 8 Abs. 2 MRRL (umgesetzt in § 30 Abs. 2 MarkenG) bzw. Art. 22 Abs. 2 GMV eine abschließende Aufzählung von Vertragsbestimmungen, deren Verletzung durch markenrechtliche Ansprüche des Lizenzgebers sanktioniert ist. Daraus folgt, dass nur solche Vertragsbestimmungen in einem Lizenzvertrag den Inhalt und Umfang des Lizenzrechts betreffen und sich damit auch auf die Frage der Erschöpfung auswirken. Sonstige Vereinbarungen haben demnach rein schuldrechtlichen Charakter im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern und können folglich im weiteren Geschäftsverkehr Erwerbern der Markenware nicht mehr entgegengesetzt werden und den Eintritt der Erschöpfung verhindern. Eine ausdehnende Auslegung dieser Vorschriften ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig (Ingerl/Rohnke, § 30 Rd. Nr. 65). Zu diesen zulässigen Beschränkungen des Lizenzrechts gehören aber diejenigen Vertragsbestimmungen nicht, die die Klägerin in Ziffer 5.2 und 5.3 ihres Depositärvertrages verwendet. Ein Verstoß gegen das dort verankerte kommerzielle Verwertungsverbot durch Verkauf von Proben, Testern oder Miniaturen stellt damit lediglich eine Vertragsverletzung dar, die nur das Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren Depositären betrifft (vgl. BGH GRUR International 2008, 62 Rd. Nr. 16 - Parfumtester).
Deshalb stellt auch der in Ziffer 5.2 des Depositärvertrages erklärte Eigentumsvorbehalt den Eintritt der Erschöpfung nicht infrage, da es auf die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ankommt. Dem stehen insbesondere die Regelungen im Urheberrecht nicht entgegen, da dort der Eintritt der Erschöpfung an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft ist, dass das Inverkehrbringen durch €Veräußerung" erfolgt sein muss (siehe BGH, a. a. O., R. Nr. 19 - Parfümtester). Da es sich bei den Parfümtestern um Originalware handelt, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einer bestimmten Aufmachung in den Verkehr gebracht werden, wird die Herkunfts- und Garantiefunktion der Marke nicht beeinträchtigt. Eine Rufschädigung ist damit gleichfalls nicht verbunden (BGH, a. a. O., Rd. Nr. 25 ff. - Parfümtester).
Einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es nicht, weil keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Begriffs des Inverkehrbringens nach Europäischen Recht bestehen und der europäische Gesetzgeber abschließend geregelt hat, welche vertraglichen Bestimmungen in Lizenz- und anderen Vertriebsverträgen mit quasi dinglicher Wirkung den Inhalt und Umfang der Markenlizenz regeln.
III.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 91, 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird für Klage und Widerklage auf
(Klage Ziffer 1: 200.000,00 €;Ziffer 2: 10.000,00€;Ziffer 3: 2380,80 €;Ziffer 4: 20.000,00 €;Widerklage100.000,00 €)332.380,80 € festgesetzt.
LG Nürnberg-Fürth:
Beschluss v. 27.06.2008
Az: 4 HKO 9613/07, 4 HKO 9613/07
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