Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 337/05

(BPatG: Beschluss v. 16.03.2009, Az.: 19 W (pat) 337/05)

Tenor

Das Patent 101 46 947 mit der Bezeichnung "Elektrisches Niederspannungs-Bauelement, elektrische Schaltung und Verfahren zur Herstellung eines elektrischen Niederspannungs-Bauelements" wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten: Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 bis 10 gemäß Patentschrift, Beschreibung Seite 2/7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 3/7 und 4/7 sowie 2 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 5 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Für die am 24. September 2001 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 13. Januar 2005 veröffentlicht. Die Bezeichnung lautet:

"Elektrisches Niederspannungs-Bauelement, elektrische Schaltung und Verfahren zur Herstellung eines elektrischen Niederspannungsbauelements".

Gegen das Patent hat die A... AG, B... Straße in B..., mit Schriftsatz vom 12. April 2005, eingegangen per Fax am selben Tag, Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber einem im Einzelnen genannten Stand der Technik nicht neu.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2009 einen neuen Patentanspruch 1 vorgelegt, der mit ergänzter Merkmalsgliederung wie folgt lautet:

"(a) Elektrisches Niederspannungs-Bauelement mit einer reversiblen Sicherung für Überspannungen,

(b)

bei dem ein Grundkörper vorgesehen ist, der ein Keramikmaterial umfasst,

(c)

bei dem wenigstens zwei Kontaktschichten auf der Oberfläche des Grundkörpers vorgesehen sind, zwischen denen ein erster Strompfad durch den Grundkörper definiert ist,

(d)

bei dem auf zumindest Teilen der Oberfläche des Grundkörpers ein zweites Material aufgebracht ist, dessen spezifischer elektrischer Widerstand mit steigender Temperatur abnimmt,

(e)

bei dem über das zweite Material ein zweiter Strompfad zwischen den zwei Kontaktschichten definiert ist, der bei Überschreitung der vorgesehenen Betriebsspannung des Bauelements infolge der Aufwärmung des Grundkörpers und des zweiten Materials niederohmiger wird als der erste Strompfad,

(e1) wobei das zweite Material eine Kurzschlussüberbrückung des Grundkörpers zwischen den beiden Kontaktschichten herstellt, die zum Auslösen einer Sicherung geeignet ist,

(f)

wobei das zweite Material im vorgesehenen Betriebstemperaturbereich des elektrischen Bauelements einen hohen ohmischen Widerstand aufweist."

Aufgabengemäß soll eine einfach aufgebaute thermische Sicherung für elektrokeramische Bauelemente zur Verfügung gestellt werden (Absatz [0007] der geltenden Beschreibung.

Die Einsprechende ist der Ansicht, dass der geltende Anspruch 1 durch die Einfügung "Niederspannungs-(Bauelement)" unklar beschränkt sei. Mit der Ergänzung Merkmal 1) "zum Auslösen einer Sicherung geeignet" sei eine unzulässige Erweiterung verbunden, weil ursprünglich eine Kurzschlussüberbrückung nur in Verbindung mit einer in Serie geschalteten Sicherung offenbart sei; auch diese müsse Gegenstand eines zulässig beschränkten Hauptanspruchs sein. Dann müsse aber die zweite Materialschicht aufgrund der Sicherungswirkung nur noch eine wesentlich geringere Belastung tragen.

Im Hinblick auf das im erteilten Patentanspruch 9 unter Schutz gestellte Herstellungsverfahren sei auch die in der US 4 450 426 offenbarte niedrigleitende und deutlich begrenzte Schicht als auf der Grundfläche des Varistorkörpers aufgebrachte Materialschicht im Sinne von Merkmal (d) anzusehen. Da dort auch keine Beschränkung auf Hochspannungsanwendungen offenbart sei, stehe diese Druckschrift sowohl für sich als auch in Zusammenschau mit weiterem Stand der Technik dem nunmehr Beanspruchten patenthindernd entgegen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 101 46 947 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit ergänzter Bezeichnung mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten: Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 bis 10 gemäß Patentschrift, Beschreibung Seite 2/7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 3/7 und 4/7 sowie Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Sie ist der Ansicht, dass mit der Beschränkung auf ein Niederspannungs-Bauelement ein klarer Unterschied zu den in US 4 450 426 beschriebenen Hochspannungsbauelementen bestehe; auch fände in der dortigen Randschicht nicht der anspruchsgemäße temperaturbedingte Wechsel vom hochohmigen in einen niederohmigen Zustand statt, weil dort die Randschicht bei allen Temperaturen leitfähiger sei. Mit dem Merkmal zum Auslösen einer Sicherung geeignet.. sei eine Aussage getroffen, über einen tatsächlich hergestellten Kurzschluss zwischen den Elektrodenschichten und damit über die Niederohmigkeit des zweiten Strompfades, der nunmehr ohne Freirand mit den Elektrodenschichten verbunden sein müsse. Wenn nun das zweite Material eine Kurzschlussüberbrückung herstelle, sei damit auch ein Überschlag entlang des zweiten Strompfades nicht mehr umfasst.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch ist zulässig und hat auch insoweit Erfolg, als das Patent mit den geltenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten war.

Die nach dem § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 begründete Zuständigkeit des Senats ist durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt worden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 (X ZB 6/08) -Ventilsteuerung).

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Das Wissen und Können des zuständigen Fachmanns ist hier die Summe des Fachwissens eines Diplom-Ingenieurs (Univ.) der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und dem Einsatz von keramischen Niederspannungs-Bauelementen, insbesondere Varistoren, der hinsichtlich der Auswahl geeigneter Werkstoffe und deren Fertigungstechnologie mit einem Chemiker (Univ.) und/oder Werkstoff-Ingenieur (Univ.) zusammenarbeitet.

Denn die Gestaltung und Dimensionierung von keramischen Bauelementen der in Rede stehenden Art erfordert zu allererst umfassende Kenntnisse der elektrischen Anforderungen im normalen Betrieb des Bauelements und der elektrischen Verhältnisse im Fehlerfall. Um zu einem diesen Anforderungen genügenden Bauelement zu kommen, reichen aber Grundkenntnisse der jeweiligen Werkstoffe nicht aus. Vielmehr bedarf es umfassender Kenntnisse der Eigenschaften keramischer Werkstoffe und deren Verarbeitung bei der Herstellung keramischer Bauelemente.

1. Offenbarung und Lehre des geltenden Anspruchs 1 Die Beschränkung des erteilten Anspruchs 1 im Merkmal (a) auf Niederspannungs-Bauelemente war zulässig, weil die Figuren 2 und 3 in Verbindung mit den zugehörigen Absätzen [0022] und [0023] der Patentschrift (die insoweit und auch hinsichtlich der die weiteren Einfügungen betreffenden Textstellen und Figuren mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmt ) SMD-fähige Bauelemente als Ausführungsbeispiele offenbaren, die nur für Niederspannungsanwendungen gebräuchlich sind.

Auch die in Figur 4 dargestellten Kennlinien herkömmlicher und erfindungsgemäßer Varistoren liegen bei etwa 200 Volt und damit im üblichen Niederspannungsbereich. Da Niederspannungsnetze/-anwendungen typischerweise dem Endverbraucher

(z. B. normalen Haushaltungen) zugeordnet sind, während Hochspannungsnetze/anwendungen der Energieübertragung oder industriellen Anwendungen mit großer Leistung zugehören, und sich diese beiden "Spannungswelten" auch hinsichtlich der Anforderungen an die Geräte und deren konstruktive Ausbildung wesentlich unterscheiden, konnte im vorliegenden Fall der weder in den ursprünglichen Unterlagen noch in der Patentschrift verwendete Begriff "Niederspannung" zur Beschränkung des Hauptanspruchs verwendet werden.

Mit den bei Niederspannungsanwendungen im Kurzschlussfall (Merkmale (e) und (e1)) am Bauelement auftretenden geringeren Leistungen gegenüber Hochspannungsanwendungen verbunden sind niedrigere Anforderungen an die thermische Belastbarkeit des Bauelements.

Dass die Sicherung reversibel arbeitet, ist im Zusammenhang mit den Vorteilen der Erfindung in der Patentbeschreibung (Abs. [0010]) als zur Erfindung gehörend offenbart. Mit den vorangehenden einschränkenden Worten in der Regel sind nach dem fachmännischen Verständnis Belastungen gemeint, die noch nicht zur Funktionsunfähigkeit bzw. Zerstörung des Bauelements bzw. des die Kurzschlussüberbrückung herstellenden zweiten Materials führen, und die in den Datenblättern der Bauelemente als Grenzwerte angegeben sind, oberhalb deren jederzeit eine irreversible Beschädigung möglich, aber nicht zwingend ist.






BPatG:
Beschluss v. 16.03.2009
Az: 19 W (pat) 337/05


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