Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Juli 2002
Aktenzeichen: 1 Ni 18/01

(BPatG: Urteil v. 09.07.2002, Az.: 1 Ni 18/01)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 532 510 wird im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000 €.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 15. März 1991 angemeldeten und ua mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 532 510 (Streitpatent), für das die Prioritäten dreier US-amerikanischer Patentanmeldungen vom 6. Juni 1990, 15. August 1990 und 14. Februar 1991 beansprucht sind. Das in englischer Verfahrenssprache veröffentlichte Streitpatent, das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr 691 05 130 geführt wird, trägt die Bezeichnung "Papermakers fabric with flat machine direction yarns" (im Text der deutschen Übersetzung: "Papiermachergewebe mit flachen Maschinenrichtungsfäden"). Es umfaßt siebenunddreißig Patentansprüche. Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage werden die Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 angegriffen. Diese haben in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

1. An industrial fabric comprising a system of CMD yarns and a system of flat monofilament MD yarns interwoven with said CMD yarns in a selected repeat pattern characterised in that:

said MD yarns having paired upper and lower yarns stacked in vertical alignment; andthe actual warp fill of at least said upper MD yarns is in the range of 80% - 125%.

3. A fabric according to claim 1 wherein said upper MD yarns are interwoven with floats over a selected number of said CMD yarns such that the upper surface of the fabric is predominated by said upper MD yarn floats.

5. A fabric according to claim 3 wherein said lower MD yarns are interwoven with said CMD yarns in an inverted image of the repeat of said upper MD yarns whereby the bottom surface of the fabric is also predominated by floats of said MD yarns.

10. A fabric according to claim 1 wherein the actual warp fill of said lower MD yarns is also in the range of 80% - 125%.

12. A fabric according to claim 1 wherein said fabric consists essentially of all monofilament yarns.

23. A papermakers fabric comprising a single layer system of CMD yarns and a system of flat monofilament MD yarns interwoven with said CMD yarns in a selected repeat pattern characterized in that:

said MD yarns have paired upper and lower yarns stacked in vertical alignment; andthe actual warp fill of at least said upper MD yarns is in the range of 80% - 125%.

24. A papermakers fabric according to claim 23 wherein said upper MD yarns are interwoven with floats over a selected number of said CMD yarns such that the upper surface of the fabric is predominated by said upper MD yarn floats.

26. A papermakers fabric according to claim 24 wherein said lower MD yarns are interwoven with said CMD yarns in an inverted image of the repeat of said upper MD yarns whereby the bottom surface of the fabric is also predominated by floats of said MD yarns.

34. A papermakers fabric according to claim 23 wherein the actual warp fill of said lower MD yarns is also in the range of 80% - 125%.

36. A papermakers fabric according to claim 23 wherein said fabric consists essentially of all monofilament yarns.

Die angegriffenen Ansprüche lauten in der Übersetzung ins Deutsche:

1. Industrielles Gewebe mit einem System von CMD-(Schuß-)Fäden und einem System von flachen, einfädigen MD-(Kett-)Fäden, die mit den CMD-Fäden in einem sich in ausgewählter Weise wiederholenden Muster verwoben sind, dadurch gekennzeichnet, daß die MD-Fäden aus paarweise vertikal ausgerichteten, oberen und unteren Fäden bestehen; unddaß die tatsächliche Kettfüllung wenigstens der oberen MD-Fäden im Bereich zwischen 80 und 125% liegt.

3. Gewebe nach Anspruch 1, wobei die oberen MD-Fäden in Schleifen über eine ausgewählte Anzahl von CMD-Fäden so verwoben sind, daß die obere Fläche des Gewebes durch die Schleifen der oberen MD-Fäden beherrscht wird.

5. Gewebe nach Anspruch 3, wobei die unteren MD-Fäden mit den CMD-Fäden in einem umgekehrten Bild der Wiederholung der oberen MD-Fäden verwoben sind, wobei die Unterseite des Gewebes ebenfalls durch die Schleifen der MD-Fäden beherrscht wird.

10. Gewebe nach Anspruch 1, wobei die tatsächliche Kett-Füllung der unteren MD-Garne ebenfalls im Bereich zwischen 80 und 125% liegt.

12. Gewebe nach Anspruch 1, wobei dieses Gewebe im wesentlichen aus Monofilament-Fäden besteht.

23. Papiermaschinengewebe mit einem Einzellagen-System von CMD-Fäden und einem System von flachen Monofilament-MD-Fäden, die mit den CMD-Fäden in einem sich wiederholenden, ausgewählten Muster verwoben sind, dadurch gekennzeichnet, daß die MD-Fäden vertikal zueinander ausgerichtete, paarweise geschichtete, obere und untere Fäden haben; unddaß die tatsächliche Kettfüllung wenigstens der oberen MD-Fäden im Bereich zwischen 80 und 125% liegt.

24. Papiermaschinengewebe nach Anspruch 23, wobei die oberen MD-Fäden mit Schleifen über eine ausgewählte Anzahl der CMD-Fäden so verwoben sind, daß die obere Fläche des Gewebes durch die Schleifen der oberen MD-Fäden beherrscht wird.

26. Papiermaschinengewebe nach Anspruch 24, wobei die unteren MD-Fäden mit den CMD-Fäden in einem umgekehrten Bild der Wiederholung der oberen MD-Fäden verwoben sind, wobei an der Unterseite des Gewebes ebenfalls die Schleifen der MD-Fäden vorherrschen.

34. Papiermaschinengewebe nach Anspruch 23, wobei die tatsächliche Kettfüllung der unteren MD-Fäden ebenfalls im Bereich zwischen 80 und 125% liegt.

36. Papiermaschinengewebe nach Anspruch 23, wobei das Gewebe im wesentlichen aus Monofilament-Fäden besteht.

Die Klägerin macht geltend, die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche seien nicht patentfähig, da sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik ergäben. Sie stützt ihr Vorbringen auf die US-Patentschriften 4 290 209 (D1) und 4 621 663 (D3) sowie auf die europäische Offenlegungsschrift EP 0 211 426 A2 (D2).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 532 510 im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 3, 5, 10, 12, 23, 24, 26, 34 und 36 sind nicht patentfähig (Art 138 Abs 1 Buchst a, Art 52 EPÜ; Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG).

I.

1. Das Streitpatent betrifft ein Papiermaschinengewebe (vgl Abs 1 der Beschreibungseinleitung), dh ein Gewebe, das bei der Herstellung einer endlosen Papierbahn in einer Papiermaschine eingesetzt wird. Papiermaschinen sind grundsätzlich in drei Abschnitte unterteilt: Im ersten Abschnitt, dem Bahnbildungsbereich, wird aus einer wäßrigen Stoffsuspension mit einem Feststoffgehalt von weniger als 1 % auf einem umlaufenden Gewebe eine feuchte Papierbahn mit einem Feststoffgehalt von etwa 20 % erzeugt. Im zweiten Abschnitt, dem Pressenbereich, wird die feuchte Papierbahn durch umlaufende Gewebe durch Preßspalten zwischen rotierenden Preßwalzen geführt und dabei mechanisch bis zu einem Trokkengehalt von 40 bis 50 % entwässert. Schließlich wird im dritten Abschnitt, der Trockenpartie, die Papierbahn mittels umlaufender Gewebe über beheizte rotierende Trockenzylinder geführt, um dadurch einen Endtrockengehalt der fertigen Papierbahn von etwa 95 % zu erreichen.

Die umlaufenden Gewebe bestehen aus Kett- und Schußfäden. Sie können zwar endlos gewebt werden (vgl Streitpatentschrift Sp 2 Z 20 bis 26), überwiegend werden sie jedoch - wie auch beim Streitpatent - zunächst als endlich lange Gewebebahnen hergestellt, deren Enden während des Einbaus in die Papiermaschine durch eine Quernaht miteinander verbunden werden. Die Kettfäden erstrecken sich dabei in Laufrichtung der Papierbahn (im Streitpatent als MD = machine direction bezeichnet) und die Schußfäden quer dazu (im Streitpatent als CMD = cross machine direction abgekürzt). Die Kettfäden müssen dann vor allem die im Papiermaschinenbetrieb auf das Gewebe einwirkenden Zugkräfte aufnehmen, während die Schußfäden im wesentlichen für das Beibehalten der Form des Gewebes sorgen.

In der Streitpatentschrift werden einleitend mehrere Papiermaschinengewebe im Hinblick auf ihre Webart, die dabei verwendeten Fäden, ihre Durchlässigkeit und die Herstellung ihrer Quernaht beschrieben (vgl Streitpatentschrift Sp 1 Z 18 bis Sp 2 Z 52). Es wird erwähnt, daß bei mit hoher Geschwindigkeit in modernen Trockenpartien umlaufenden Papiermaschinengeweben eine relativ geringe Durchlässigkeit wünschenswert ist (vgl Streitpatentschrift Sp 1 Z 36 bis 42).

2. Das Streitpatent beschäftigt sich mit dem (von Lösungsansätzen befreiten) technischen Problem, ein (Papiermaschinen-)Gewebe mit geringer Durchlässigkeit sowie mit ausreichender Festigkeit und Stabilität vorzuschlagen (vgl Streitpatentschrift Sp 4 Z 14 bis 20).

3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents ein industrielles Gewebe mit folgenden Merkmalsgruppen:

1. Das Gewebe weist ein System von CMD-(Schuß-)Fäden und ein System von flachen, einfädigen MD-(Kett-)Fäden auf.

2. Die MD-Fäden sind mit den CMD-Fäden in einem sich in ausgewählter Weise wiederholenden Muster verwoben.

3. Die MD-Fäden bestehen aus paarweise vertikal ausgerichteten, oberen und unteren Fäden.

4. Die tatsächliche Kettfüllung wenigstens der oberen MD-Fäden liegt im Bereich zwischen 80 und 125 %.

II.

1. Das Gewebe gemäß dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ist unstreitig neu.

a) Von dem Gewebe für die Trockenpartie einer Papiermaschine nach der US 4 290 209 (D1) unterscheidet es sich zumindest dadurch, daß seine MD-Fäden aus paarweise vertikal ausgerichteten oberen und unteren Fäden bestehen (Merkmalsgruppe 3).

b) Bei der Papiermaschinenbespannung (= -gewebe) der EP 0 211 426 A2 (D2) ist der streitpatentgemäße Kettfüllungsgrad von 80 bis 125 % nicht verwirklicht (Merkmalsgruppe 4).

c) Das Papiermaschinengewebe nach der von der Klägerin lediglich zu Anspruch 3 des Streitpatents genannten US 4 621 663 (D3) unterscheidet sich bereits gattungsmäßig von der Lehre des Streitpatents dadurch, daß die Kettfäden (warp threads 2) nicht flach, sondern rund ausgebildet sind (Merkmalsgruppe 1).

2. Das Gewebe nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann - einen Textilingenieur mit praktischer Erfahrung in der Herstellung und dem Betrieb von Papiermaschinenbespannungen - am ersten Prioritätstag des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

a) Der Senat geht bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der EP 0 211 426 A2 (D2) als dem nächstkommenden Stand der Technik aus.

Diese Schrift zeigt und beschreibt ein industrielles Gewebe, nämlich eine Papiermaschinenbespannung (A) für die Trockenpartie (vgl D2 Sp 2 Z 43 bis 45), bei der sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 des Streitpatents verwirklicht sind, denn dieses bekannte Gewebe weist - der Merkmalsgruppe 1 entsprechend - ein System von CMD-(Schuß-)Fäden (40) und ein System von flachen, einfädigen (vgl D2 Sp 5 Z 18, 19, 24 und 25) MD-(Kett-)Fäden (32, 34, 36, 38, 42, 44, 46, 48) auf, die (entsprechend der Merkmalsgruppe 2) mit den CMD-Fäden in einem sich in ausgewählter Weise wiederholendem Muster verwoben sind.

Zur Erzielung einer hohen Längsstabilität (vgl D2 Sp 1 Z 31 bis 35) lehrt diese Schrift in Anspruch 1, die Längsfäden als Paare (52, 54, 56, 58) von zwei vertikal fluchtenden Längsfäden anzuordnen. Mit Blick auf die Figuren 5 bis 8 der Schrift D2 ist diese Lehre identisch mit der Lehre der Merkmalsgruppe 3 des Anspruchs 1 des Streitpatents. In der Schrift D2 wird somit ein industrielles Gewebe gezeigt und beschrieben, bei dem neben den Merkmalen des Oberbegriffs auch die Merkmale der ersten Gruppe des Kennzeichens von Patentanspruch 1 des Streitpatents verwirklicht sind. Die Teilaufgabe der ausreichenden Festigkeit und Stabilität wird also bei dem Gewebe nach der Schrift D2 mit denselben Mitteln gelöst wie beim Streitpatent.

Die mit der Merkmalsgruppe 4 beanspruchte Lösung der Restaufgabe (geringe Durchlässigkeit) konnte der Fachmann bereits allein aufgrund seines vorauszusetzenden Fachwissens auffinden. Ihm war nämlich bekannt, daß bei Trockensieben die Durchlässigkeit für Luft und Wasserdampf eine wesentliche Eigenschaft ist (vgl zB US 4 290 209 D1 Sp 2 Z 45 bis 49), die dem jeweiligen Einsatz entsprechen muß: Während bei geringen Maschinengeschwindigkeiten für eine hohe Trocknungsleistung eine höhere Durchlässigkeit erwünscht ist, um die verdampfende Feuchtigkeit austreten zu lassen, ist bei höheren Geschwindigkeiten eine geringere Durchlässigkeit erforderlich, um ua ein Flattern der Bahn mit Faltenbildung oder gar Abrisse zu vermeiden (vgl zB D1 Sp 3 Z 32 bis 43). Die Anpassung der Durchlässigkeit eines Trockensiebes für den jeweiligen Einsatzzweck ist für den Fachmann eine reine handwerkliche Maßnahme. Sie erfolgt in der Regel durch eine Veränderung des Abstandes der Kettfäden voneinander was zu einer Veränderung der sog Kettfüllung führt. Zur Verringerung der Durchlässigkeit des Gewebes nach der Schrift D2 konnte der Fachmann im Rahmen fachüblichen Handelns ohne weiteres die paarweise übereinanderliegenden Kettfäden gleichen Querschnitts enger zusammenlegen, was zu einer Erhöhung der Kettfüllung führt. Eine Veranlassung zur Anhebung der Kettfüllung des Gewebes nach D2 hatte der Fachmann jedenfalls dann, wenn dieses Sieb mit hoher Festigkeit und Stabilität für einen Verwendungszweck eingesetzt werden soll, bei dem eine geringere Durchlässigkeit erforderlich war. Bei einer Anhebung des Wertes der Kettfüllung auf 80 % hielt der Fachmann bereits den Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents in der Hand. Kettfüllungen mit diesem Wert waren dem Fachmann geläufig (vgl zB D1 Sp 2 Z 39 bis 42). Technische Fehlvorstellungen oder Schwierigkeiten, die bei einem entsprechenden "Zusammenschieben" bzw einer dichteren Anordnung der Kettfäden des Gewebes nach der Schrift D2 zu überwinden gewesen wären, sind für den Senat nicht erkennbar.

Die Maßnahme in der Merkmalsgruppe 4, wonach die Kettfüllung "wenigstens der oberen" MD-Fäden im Bereich zwischen 80 bis 125 % liegen soll, konnte bereits dann verwirklicht werden, wenn die übereinanderliegenden Kettfäden gleichen Querschnitts auf die entsprechende Kettfüllung "zusammengeschoben" wurden.

Der Patentanspruch 1 des Streitpatents hat aus diesen Erwägungen keinen Bestand.

b) Das Gewebe nach Patentanspruch 1 des Streitpatents hätte der Fachmann aber auch auffinden können, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, wenn er die US 4 290 209 (D1) zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hätte.

Diese Schrift zeigt und beschreibt ein Gewebe, bei dem unstreitig sämtliche Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 verwirklicht sind. In weiterer teilweiser Übereinstimmung mit der Merkmalsgruppe 4 liegt dort auch die tatsächliche Kettfüllung der MD-Fäden im Bereich zwischen 80 und 125 %, womit das Teilproblem der geringen Durchlässigkeit des Streitpatents bei dem Gewebe nach der Schrift D1 bereits gelöst war.

Bei der Suche nach Lösungen für das Restproblem betreffend die Festigkeit und Stabilität des Gewebes konnte der Fachmann die auf demselben Fachgebiet liegende EP 0 211 426 A2 (D2) nicht außer Acht lassen. Er konnte ihr ohne weiteres die Lehre entnehmen, daß es zur Herstellung eines Papiermaschinengewebes mit hoher Längsstabilität vorteilhaft ist, die Längsfäden des Gewebes als Paare von vertikal übereinanderliegenden Längsfäden auszubilden (vgl Sp 1 Z 34 iVm Anspruch 1 von D2). Die Übertragung dieser Lehre aus der Schrift D2 auf das Gewebe nach Figur 4, 4A und 4B nach der Schrift D1 hätte nach Ansicht des Senats im Bedarfsfall im Bereich fachüblichen Handelns gelegen. Die durch diese Übertragung entsprechend abgewandelten einfachsten Ausführungsformen des Gewebes nach der Schrift D1 hätten dann aus einem Gewebe bestanden, bei dem jeder bereits vorhandene Kettfaden 31' von einem weiteren vertikal darüberliegenden Kettfaden gleichen Querschnitts abgedeckt worden wäre oder bei dem jeder vorhandene Kettfaden 31' horizontal in einen oberen und in einen unteren Faden aufgeteilt worden wäre. In beiden Fällen hätte ein Gewebe mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents vorgelegen, was auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

III.

Die Gewebe nach den auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüchen 3, 5, 10 und 12 beruhen ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1. Nach dem kennzeichnenden Merkmal des Patentanspruchs 3 sollen die oberen Kettfäden so verwoben werden, daß sie an der oberen Fläche des Gewebes nacheinander über mehrere Schußfäden laufen, bevor sie wieder unter einen Schußfaden geführt werden, wie dies bspw in den Figuren 12 oder 17 des Streitpatents gezeigt ist. Diese Form der Kettfadenführung ist ebenfalls der Schrift D2, insbesondere Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung, entnehmbar und kann deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

2. Gleiches gilt für das kennzeichnende Merkmal von Anspruch 5 des Streitpatents, wonach die unteren Kettfäden in gleicher Weise in bezug auf die untere Fläche des Gewebes zu verweben sind wie die oberen Kettfäden in bezug auf die obere Fläche des Gewebes. Auch diese Maßnahme ist bereits bei dem Gewebe nach der Schrift D2 verwirklicht, was ein kurzer Blick auf deren Figur 2 zeigt.

3. Die Maßnahme des Patentanspruchs 10, wonach die tatsächliche Kettfüllung der unteren MD-Garne ebenfalls im Bereich zwischen 80 und 125 % liegt, ergibt sich ohne weiteres Zutun, wenn die übereinanderliegenden Kettfäden gleichen Querschnitts des Gewebes nach der Schrift D2 auf diese beanspruchte Kettfüllung "zusammengeschoben" worden sind, was - wie zu Anspruch 1 dargelegt - keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte.

4. Auch das kennzeichnende Merkmal des Patentanspruchs 12, wonach das Gewebe im wesentlichen aus Monofilament-Fäden besteht, ist aus der Schrift D2 bekannt, vgl Sp 5 Z 19. Im übrigen ist diese Maßnahme, jedenfalls für die Kettfäden, bereits in der Merkmalsgruppe 1 des Hauptanspruchs enthalten.

IV.

Die Papiermaschinengewebe nach den Ansprüchen 23, 24, 26, 34 und 36 sind unstreitig neu, beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1. Der Patentanspruch 23 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 des Streitpatents lediglich durch die Beschränkung des industriellen Gewebes auf ein Papiermaschinengewebe mit einem Einzellagen-System der CMD-Fäden. Da es sich bei den Geweben nach den Schriften D1 und D2 ebenfalls um Papiermaschinengewebe mit einer Einzellage von Schußfäden handelt (vgl D1 Fig 4 und D2 Fig 2), sind auch diese weiteren Merkmale in Patentanspruch 23 nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit des dort beanspruchten Gegenstandes zu begründen.

2. Gleiches gilt für die kennzeichnenden Merkmale der Ansprüche 24, 26, 34 und 36, die wörtlich denen der Ansprüche 3, 5, 10 und 12 entsprechen. Auf die Ausführungen zu diesen Ansprüchen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 09.07.2002
Az: 1 Ni 18/01


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