Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. November 1996
Aktenzeichen: 6 U 1/96

(OLG Köln: Urteil v. 13.11.1996, Az.: 6 U 1/96)

1. Eine Werbung für Gemüse aus Holland, das zum großen Teil auf Nährstoffmatten gezogen wird, ist irreführend, wenn sie - unter bildlicher Wiedergabe von Frischprodukten - mit Aussagen wie ,Ackern für Deutschland" oder ,umweltfreundlicher Anbau" einhergeht und im Werbetext weiter davon die Rede ist, daß in ,Holland der Obst- und Gemüseanbau zum größten Teil Handarbeit" sei, ,die von Gärtnerfamilien noch höchstpersönlich erledigt" werde und ,bei der Schädlingsbekämpfung zu Nützlingen" gegriffen werde. 2. Verstößt eine derartige Werbung im Inland gegen § 3 UWG, steht einem gerichtlichen Verbot nach dieser Vorschrift Art. 30 EWGV nicht entgegen.

Tenor

I.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.11.1995 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 536/94 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefaßt:Die Beklagte wird verurteilt,1.) es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie nachstehend wiedergegeben,a) Tomaten, Salatgurken und Paprika mit dem Hinweis anzukündigen: "Ackern für Deutschland"und/oderb) anzukündigen:"Die Wahrheit sagen. Und die lautet in zwei Worten: Umweltbewußter Anbau. Das heißt: In Holland ist der Obst- und Gemüseanbau zum größten Teil Handarbeit, die von Gärtnerfa-milien noch höchstpersönlich erledigt wird. Holländische Gärtner greifen bei der Schäd-lingsbekämpfung zu Nützlingen." 2.) an die Klägerin 267,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.11.1994 zu zahlen. II.) Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen. III.)Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen. IV.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. V.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 40.267,50 DM festgesetzt.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die

ebenfalls zulässige Anschlußberufung der Beklagten ist demgegenüber

unbegründet.

Die Klage ist zunächst zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist der

Óberprüfung im Berufungsverfahren gemäß § 512 a ZPO entzogen, bei

wettbewerblichen Unterlassungsansprüchen handelt es sich um

vermögensrechtliche Ansprüche (vgl. Baumbach/Hefermehl,

Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., Einl. UWG RZ 509 m.w.N.).

Auch ist die Klagebefugnis gem. § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG gegeben.

Dabei genügt es, daß mittelbare Mitglieder der Klägerin durch die

Kammern und Verbände auch Gemüsehändler sind, weil diese im

Wettbewerb mit den von der Beklagten vertretenen Versteigerern von

Tomaten, Paprika und Gurken stehen. Nicht erforderlich ist, daß

auch Versteigerer mittelbare oder unmittelbare Mitglieder der

Klägerin sind, weil es sich bei der angegriffenen Werbung um eine

Produktwerbung handelt und daher auch die Gemüsehändler von ihr

betroffen sind.

Die Klage ist auch in vollem Umfange begründet. Der Klägerin

stehen die Unterlassungsansprüche aus §§ 3, 13 Abs.2 Ziff.2 UWG und

- aus den zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung,

auf die insoweit gem. § 543 Abs.1 ZPO Bezug genommen wird - der

Zahlungs- und Zinsanspruch aus §§ 670, 677, 683, 291 BGB zu.

Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen

Verkehrskreise wird die Werbung "Ackern für Deutschland" zumindest

auch so verstehen, wie dies das Landgericht aufgezeigt hat: der

Leser wird erwarten, daß das Gemüse in einem Acker, also

traditionell, und nicht auf einer Nährstoffmatte gezogen wird. Das

ergibt sich bereits aus dem Wortlaut "Ackern für Deutschland". Ein

nicht unerheblicher Teil der Leser wird nämlich das darin liegende

Wortspiel erkennen und annehmen, daß beide Aussagen gewollt seien.

Gemüse wird herkömmlicherweise in Erde, eben auf dem Acker,

gezogen. Schon aus diesem Grunde versteht der Leser den Slogan

"Ackern für Deutschland" im Zusammenhang mit der beworbenen

Gemüseerzeugung zumindest auch im wörtlichen Sinne als "Ackerbau

betreiben". Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die

Formulierung "Umweltbewußter Anbau". Denn durch diese Formulierung

wird der Leser in der Annahme gestärkt, daß der Anbau möglichst

umweltbewußt, also artgerecht und in umweltschonender Weise

erfolge. Er wird dies mit der Vorstellung verbinden, daß die

Pflanzen jedenfalls in natürlichem Boden aufwachsen.

Diese Feststellungen kann der Senat ohne Durchführung einer

Beweisaufnahme selbst treffen. Das gilt auch für den Fall, daß die

bestrittene Behauptung der Klägerin, der beanstandete Prospekt sei

auf Anforderung auch an interesssierte Verbraucher gesandt worden,

nicht zutreffen sollte. Die Werbung ist nach der Behauptung der

Beklagten teilweise auf der Messe "Fruit-Logistica" Anfang des

Jahres 1994 in Berlin an Messebesucher und im übrigen an ein nicht

näher beschriebenes "Fachpublikum" verteilt worden. Auch diese

Verkehrskreise werden zumindest in nicht unerheblichem Umfange die

Werbeaussage in dem vorstehend geschilderten Sinne verstehen. Die

Messe wird von Wiederverkäufern besucht. Zu diesen zählen auch

kleine Händler. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde diese

und auch Großhändler und die Vertreter von Handelsketten die

Werbung ausschließlich im übertragenen Sinne, also das "Ackern" im

Sinne von "sich abmühen", verstehen sollten. Es handelt sich bei

dem angegriffenen Slogan um ein Wortspiel, das allein aus der

Umgangssprache heraus verständlich ist. Es kann unterstellt werden,

daß im Vergleich zu den Verbrauchern ein größerer Teil des

Messepublikums die Anbaumethoden in den Niederlanden kennt.

Gleichwohl werden die angesprochenen Messebesucher in nicht

unerheblichem Umfange dem Slogan den oben dargelegten Sinn

beimessen, zumal die Werbung für den Gemüseanbau gerade ein

umweltbewußtes Verfahren in Anspruch nimmt. Im übrigen behauptet

die Beklagte auch garnicht, daß die angesprochenen Fachkreise die

Werbung aus ihrem Fachwissen heraus in einer von dem Verständnis

des Verbrauchers abweichenden Weise verstünden. Vielmehr stellt sie

selbst in ihrer Rechtsverteidigung durchgängig auf das Verständnis

des Verbrauchers, also das nicht durch irgendwelche Fachkenntnisse

beinflußte Verständnis der Werbung nach dem allgemeinen

Sprachgebrauch ab.

Die mithin hervorgerufene Vorstellung, das beworbene Gemüse

werde auf natürlichem Boden in Erde gezogen, stellt eine

Irreführung des Verkehrs dar, weil das Gemüse tatsächlich

jedenfalls zu einem großen Teil auf Nährstoffmatten gezogen

wird.

Ebenso ist der mit dem Antrag zu 1 b) angegriffene Text in

seinem konkreten Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt des

Faltblattes irreführend: so wird ein nicht unerheblicher Teil der

Leser auch aus dieser Formulierung den Schluß ziehen, daß das

Gemüse jedenfalls insofern auf traditionelle Weise gezogen wird,

als es in Erde gepflanzt und gezogen wird. Darüberhinaus werden

auch nicht wenige Leser annehmen, daß die Schädlingsbekämpfung

ausschließlich durch Nützlinge erfolge. Die Formulierung

"Holländische Gärtner greifen bei der Schädlingsbekämpfung zu

Nützlingen" enthält keine Beschränkung und kann daher ohne weiteres

im Sinne einer Ausschließlichkeit verstanden werden. Hierfür

spricht auch, daß im Satz davor ausdrücklich eine Einschränkung

gemacht worden ist, indem es heißt, "zum größten Teil" sei der

Anbau in Holland Handarbeit. Außerdem dient die Aussage der

Erläuterung der Behauptung "Umweltbewußter Anbau". Auch das deutet

darauf hin, daß der Einsatz von Nützlingen eben diejenige Methode

sein soll, mit der die holländischen Gärtner Schädlinge bekämpfen.

Ein weiterer nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Leser wird

im übrigen annehmen, daß der Einsatz von Nützlingen jedenfalls im

Vordergrund der Schädlingsbekämpfung steht. Auch das trifft indes

nicht zu. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich dies nicht und

nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin ist in den

Niederlanden der Einsatz chemischer Mittel in den Jahren zwischen

1992 und 1995 sogar um 27% gesteigert worden.

Die mithin durch die beiden angegriffenen Passagen des

Faltblattes hervorgerufene Irreführung ist auch von

wettbewerblicher Relevanz. Angesichts der allgemein gestiegenen

Sensibilität für Fragen des Umweltschutzes und einer gesunden

Ernährung ist ohne weiteres davon auszugehen, daß die

angesprochenen Verkehrskreise dem beworbenen Gemüse eine höhere

Wertschätzung entgegenbringen, wenn es auf natürlichem Boden und

nicht auf Nährstoffmatten gezogen ist und der Gemüseanbauer bei der

Schädlingsbekämpfung zu Gunsten des Einsatzes von Nützlingen

chemische Mittel nicht oder nur in geringem Ausmaß einsetzt. Dies

gilt umso mehr, als die Werbung gerade das erklärte Ziel hatte, ein

schlechtes Image von holländischem Gemüse in Deutschland

aufzubessern.

Verstößt die Werbung damit durch beide angegriffenen Passagen

gegen § 3 UWG, so steht dem Verbot aus dieser Vorschrift Art.30

EWGV nicht entgegen.

Art. 30 EWG-Vertrag ist im vorliegenden Verfahren nicht

anwendbar, weil die angegriffene Werbung, die ersichtlich

ausschließlich auf den deutschen Markt zugeschnitten ist, nur hier

in Deutschland ihre Wirkung entfaltet. Es ist ausgeschlossen, daß

die Beklagte mit dem Slogan "Ackern für Deutschland. Werben für

Holland" in einem anderen Mitgliedsland der EG außer der

Bundesrepublik Deutschland Werbung betreiben könnte, weil der

Slogan und die gesamte Werbung erklärtermaßen ausschließlich dem

Ziel dienen sollten, gerade in Deutschland dem festgestellten

Imageverlust von holländischem Gemüse entgegenzuwirken. Das im

vorliegenden Verfahren auszusprechende Verbot hindert die Beklagte

daher nicht daran, eine in den Niederlanden etwa erlaubte Werbung

in Deutschland zu betreiben, weil die beanstandete Werbung in den

Niederlanden garnicht betrieben werden könnte.

Außerdem würde es sich bei dem Verbot der Werbung auf Grund von

§ 3 UWG um eine Regelung einer Verkaufsmodalität im Sinne der

Urteile "Keck und Mithouard" (EuGH GRUR 94,296) und "Hünermund"

(EuGH GRUR 94,299,300) handeln. Nach diesen Entscheidungen fallen

nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten

beschränken oder verbieten, dann nicht unter Art.30 EWGV, wenn sie

für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland

ausüben, und den Absatz inländischer Erzeugnisse in gleicher Weise

betreffen wie denjenigen von Erzeugnissen aus Mitgliedsländern.

Diese Voraussetzungen treffen - abgesehen davon, daß die Werbung

ihrer Natur nach nicht auf Erzeugnisse übertragbar ist, die nicht

aus Holland stammen, weil es gerade um deren Qualität geht - für

den vorliegenden Fall zu. Das Verfahren betrifft das Verbot einer

Werbung und damit einer "Verkaufsmodalität" und nicht einer

produktbezogenen Eigenschaft des beworbenen holländischen Gemüses.

Das aus § 3 UWG herrührende Verbot trifft auch alle Anbieter im

Inland gleichermaßen und betrifft damit den Absatz der Erzeugnisse

aus dem EG-Mitgliedsland Niederlande nicht mehr, als es - sofern

die Werbung überhaupt auf solche übertragbar wäre - Erzeugnisse aus

dem Inland betreffen würde.

Aus den vorstehenden Gründen scheidet auch die von der Beklagten

vorsorglich beantragte Anrufung des EuGH gem. Art. 177 EWGV aus.

Das Verfahren wirft keine EG-rechtlichen Fragen auf, die nicht

schon Gegenstand einer Auslegung durch den europäischen Gerichtshof

waren.

Schließlich ist der Verstoß auch geeignet, den Wettbewerb im

Sinne des § 13 Abs.2 Ziffer 2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen.

Die Werbung ist nicht vereinzelt, sondern mit entsprechender

Breitenwirkung während der "Fruit-Logistika" und an "Fachpublikum"

verteilt worden und berührt im übrigen das Interesse der

Allgemeinheit.

Für die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision

besteht kein Anlaß. Es geht im vorliegenden Verfahrten nicht um

grundsätzliche Fragen im Sinne des § 546 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 ZPO,

sondern um die rein tatsächliche Frage der Irreführung durch die

konkret angegriffenen Werbeaussagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§

708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten

entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.267,50 DM






OLG Köln:
Urteil v. 13.11.1996
Az: 6 U 1/96


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