Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2004
Aktenzeichen: 21 W (pat) 17/03
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2004, Az.: 21 W (pat) 17/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung aufgrund des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die ein "Verfahren und Vorrichtung zur Darstellung eines Operationsgebietes bei Laseroperationen" betreffende Patentanmeldung ist am 26. Juni 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und am 16. Januar 2003 offengelegt worden.
Mit Beschluß vom 21. Januar 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen, weil die Gegenstände der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 6 bis 9 als nicht gewerblich anwendbar anzusehen seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Im Prüfungsverfahren wurden folgende Entgegenhaltungen genannt:
(1) US 6 099 522
(2) DE 43 04 571 A1
(3) DE 197 27 573 C1
(4) DE 198 25 950 C1 In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen neuen Patentanspruch 1 eingereicht.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Vorrichtung zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes, insbesondere eines Auges, bei Laseroperationen, umfassendein räumliches Aufnahmesystem (10), ein Bildverarbeitungssystem (15)
eine räumliche Anzeigeneinheit (20) undeine Simulationseinheit, die auf der Anzeigeeinheit (20) bei jedem Laserschuss einen Abtrag realisiert, der in Ort und Volumenabtrag den Abtrag simuliert, der bei der Ablation erfolgt."
Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt die Aufgabe zugrunde, Vorrichtungen bereitzustellen, die es dem Arzt gestatten, den Operationsfortschritt eindeutig verfolgen zu können und somit die Operation bewusst zu kontrollieren (ursprüngliche Beschreibung, Seite 2, le. Abs.).
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da in keiner der genannten Druckschriften eine Vorrichtung zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes beschrieben sei, die unter anderem eine Simulationseinheit enthalte, die auf der Anzeigeeinheit bei jedem Laserschuss einen Abtrag realisiere, der in Ort und Volumenabtrag den Abtrag simuliere, der bei der Ablation erfolge. Im nachgewiesenen Stand der Technik finde lediglich eine Istwert-Sollwert Überlagerung statt, aber keine Simulation des Abtrags.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache aufgrund des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Das im Beschwerdeverfahren eingeschränkte Patenbegehren hat eine neue Sachlage ergeben, gegenüber der einerseits die den angefochtenen Beschluß tragenden Gründe nicht mehr durchgreifen und die andererseits vom Patentamt noch nicht abschließend geprüft werden konnte (PatG § 79 Abs. 3, Satz 1 Nr. 3).
Der Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er ist in den ursprünglichen Unterlagen ausreichend offenbart. Er besteht aus einer Zusammenfassung des ursprünglichen Anspruchs 1 und des Merkmals bezüglich der Simulationseinheit, das der Seite 6, Zeilen 8 bis 11 der ursprünglichen Beschreibung entnommen ist.
Die Vorrichtung zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes nach Anspruch 1 ist neu, denn keiner der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sind alle im Anspruch 1 genannten Merkmale entnehmbar. So beschreibt keine der im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften eine Vorrichtung zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes mit einer Simulationseinheit, die auf der Anzeigeeinheit bei jedem Laserschuss einen Abtrag realisiert, der in Ort und Volumenabtrag den Abtrag simuliert, der bei der Ablation erfolgt, wie sich im einzelnen aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann, das ist hier der mit der Entwicklung von Vorrichtungen zur Darstellung von Operationsgebieten befasste Entwicklungsingenieur, nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Aus der Druckschrift (1) ist eine Vorrichtung zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebiets, insbesondere eines Auges bei Laseroperationen bekannt (vgl. Sp. 33, Z. 9 bis 21, Sp. 1, Z. 14 bis 19), die ein räumliches Aufnahmesystem (Video-Mikroskop 46 in Fig. 10 mit Beschreibung Sp. 27, Z. 55ff), ein Bildverarbeitungssystem (Bezugszeichen 100, Mikroprozessor 140 in Verbindung mit Sp. 26, Z. 52ff und Figur 10) und eine räumliche Anzeigeneinheit in Form des Video-Mikroskops 46 (vgl. Fig. 10 und Beschreibung Sp. 27, Z. 55ff) aufweist, wie auch die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung einräumte.
Diese bekannte Vorrichtung weist keine Simulationseinheit im Sinne des letzten Merkmals des Anspruchs 1 auf. Es ist dieser Druckschrift auch keine Anregung entnehmbar, eine derartige Simulationseinheit vorzusehen.
Dies gilt auch bezüglich der Entgegenhaltung (2). Bei dem in dieser Druckschrift (vgl. Zusammenfassung) beschriebenen Verfahren zur Planung und Kontrolle eines chirurgischen Eingriffs wird ein Operationsfeld festgelegt. Mindestens eine Soll-Abbildung des Operationsfeldes wird aus nichtinvasiv erfassbaren Strukturdaten erzeugt und der Planung mindestens einer Schnittfläche zu Grunde gelegt, entlang derer während des Eingriffs Gewebe getrennt werden soll. Anschließend wird eine Abbildung der geplanten Schnittfläche erzeugt, die während des Eingriffs einer Ist-Abbildung des Operationsfeldes überlagert oder auf das Operationsfeld selbst projiziert wird. Bei der Planung der Schnittfläche wird eine dreidimensionale Soll-Abbildung zu Grunde gelegt. Eine Simulationseinheit ist hier nicht angesprochen - hier wird auf der Basis von Soll- und Ist-Werten der chirurgische Eingriff kontrolliert.
Die Entgegenhaltung (4) befasst sich ausschließlich mit einer Anordnung zur dreidimensionalen Darstellung von Szenen und/oder Gegenständen auf der Grundlage von ebenen Schnittbildern (vgl. Zusammenfassung), eine solche Darstellungseinheit ist laut Anmeldungsbeschreibung (vgl. Seite 3, vorletzter Absatz) besonders geeignet als Anzeigeeinheit beim Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung eingesetzt zu werden. Weitere Merkmale, die über eine Anzeigeeinheit hinausgehen, sind dieser Druckschrift nicht entnehmbar, so dass dem Fachmann auch keine Anregungen, zum Beispiel bezüglich einer Simulationseinheit, vermittelt werden konnten.
Die Entgegenhaltung (3) (vgl. Zusammenfassung) betrifft Verfahren zur Formgebung von Oberflächen, insbesondere von Linsen. Dabei soll insbesondere eine Lösung angegeben werden, die gewährleistet, dass bei einem plötzlichen Oberflächenbearbeitungsabbruch wenigstens eine akzeptable Teilkorrektur der zu bearbeitenden Oberflächliche vorliegt. Eine Simulationseinheit wird auch durch diese Druckschrift nicht angeregt.
Damit lässt sich mit den bisher im Verfahren befindlichen Druckschriften die Zurückweisung der Anmeldung nicht mehr begründen.
Es ist noch darauf hinzuweisen, dass der Senat den ursprünglichen Anspruch 6, der auf ein Verfahren zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes bei Laseroperationen gerichtet ist, entgegen den Ausführungen der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss, für gewerblich anwendbar und damit nicht unter das Patentierungsverbot nach PatG §5 Absatz 2 fallend hält.
Der Senat versteht den Gegenstand des Anspruchs 6 als ein Verfahren zur dreidimensionalen Darstellung eines Operationsgebietes, das durch keinen der Schritte,
- Aufnahme des Operationsgebietes mittels eines räumlichen Aufnahmesystems,
- Übergabe der aus dem vorhergehenden Schritt gewonnenen Informationen an ein Bildverarbeitungssystem,
- Verarbeitung der Informationen in dem Bildverarbeitungssystem und - Darstellung dieser verarbeiteten Informationen auf einer räumlichen Anzeigeeinheiteine Verbindung zur eigentlichen Operation herstellt.
Sofern jedoch bei einer möglichen Neuformulierung von Verfahrensansprüchen seitens der Anmelderin im Verfahren vor der Prüfungsstelle ein funktioneller Zusammenhang mit dem in der Beschreibung dargestellten Operationsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, wäre nach ständiger Rechtsprechung (BPatG, 21. Senat, 21 W (pat) 34/97 vom 23. Februar 1999, EPA, T245/87 (Durchflussmessung), T329/94 (Verfahren zur Blutextraktion)) die gewerbliche Anwendbarkeit zu verneinen. Dies wird die Prüfungsstelle zu beachten haben.
Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung wurde sowohl von einer Aufstellung von weiteren Ansprüchen als auch von einer Überarbeitung der Unterlagen abgesehen.
Dr. Winterfeldt Klosterhuber Dr. Franz Dr. Maksymiw Pr
BPatG:
Beschluss v. 11.05.2004
Az: 21 W (pat) 17/03
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