Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 74/03
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2005, Az.: 29 W (pat) 74/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 02.08.2001 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 300 55 556 Mega Mäusefür die Waren Klasse 16: Druckereierzeugnisse;
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Kleinspielzeug, Kleinspielzeugfiguren;
Klasse 30: Schokolade, Schokoladewaren, gefüllte Schokolade, insbesondere Schokoladenhohlkörper mit innenliegendem Spielzeug, Kleinspielzeug; Fein- und Dauerbackwaren; Zuckerwarenist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 399 02 375 NASCH-MÄUSE eingetragen am 17.05.2002 für die Waren Klasse 30: Schokolade, Schokoladewaren, auch mit Füllungen aus Weinen, Spirituosen, alkoholfreien Getränken oder Milchprodukten; Zuckerwaren; feine Back- und Konditorwaren.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Beschluss vom 20.01.2003 zurückgewiesen. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zwar liege für die jeweiligen Waren der Klasse 30 teilweise Warenidentität vor, jedoch werde diese kollisionsfördernde Tatsache durch eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der älteren Marke kompensiert. Der Begriffsinhalt "Mäuse zum Naschen" der älteren Marke sei beschreibend, da es nicht ungewöhnlich ist, dass Süßwaren in unterschiedlichen Formen, u. a. auch als Mäuse, erhältlich sind. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken könne weder bei der Widerspruchsmarke "Nasch-Mäuse" noch bei der jüngeren Marke "Mega-Mäuse" der Markenbestandteil "Mäuse" als kollisionsbegründend herausgegriffen und der anderen Marke gegenübergestellt werden. Vielmehr stellten beide Marken einen Gesamtbegriff dar. Der Verkehr erkenne die Zusammengehörigkeit der Markenbestandteile auch an dem jeweiligen Sinngehalt, der für "Nasch-Mäuse" "Mäuse zum Naschen" und für "Mega Mäuse" "Große Mäuse" bedeute.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 12.02.2003.
Auf Grund der teilweisen Identität der Waren seien hohe Anforderungen an den einzuhaltenden Zeichenabstand zu stellen, die nicht durch eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke herabgesetzt würden. "Mäuse" besitze für das einschlägige Warensegment keinen beschreibenden Charakter. Die beiden Vergleichsmarken würden gerade durch den Bestandteil "Mäuse" geprägt. Bei beiden Marken trete das erste, nicht das zweite, Markenwort aufgrund eines beschreibenden Charakters in den Hintergrund, da "Mega" im Sinne von "Groß" und "Nasch-" im Sinne von "zum Naschen" zu verstehen sei. Die beiden Markenteile "Mäuse" stünden sich somit in selbständig kollisionsbegründender Weise gegenüber. Selbst wenn man nicht von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr ausgehe, könnten die beiden Marken jedoch gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, so dass von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr auszugehen sei. Der gemeinsame Bestandteil "Mäuse" würde vom Verkehr als Stammbestandteil der älteren Marke erfasst werden, so dass der Verkehr Waren, welche mit der jüngeren Marke gekennzeichnet sind, für eine Produktvariante aus dem Geschäftsbetrieb der Widersprechenden halten könnte.
Die Widersprechende beantragt (Bl. 6 d. A.), den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Januar 2003 aufzuheben, und die Löschung der Marke 300 55 556 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert. Im Widerspruchsverfahren hat sie darauf hingewiesen, dass keine Zeichenähnlichkeit bestehe, da es sich bei der älteren Marke um ein "sprechendes" Zeichen handle, das von den beteiligten Verkehrskreisen schon deshalb nicht auf einen seiner Bestandteile verkürzt werde.
II.
Die gem. § 165 Abs. 4 i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Zeichenähnlichkeit ist zu gering, um für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen begründen zu können (§ 9 Abs. 1 S. 2 MarkenG).
Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den einzelnen Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder - ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rsp.; vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (st. Rsp; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH WRP 2004, 357, 359 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion).
Vorliegend ist für die Ähnlichkeit der Waren von der Registerlage auszugehen. Die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klasse 30 und die Widerspruchswaren sind im Wesentlichen identisch. Ebenso gibt es eine Ähnlichkeit zu "Spiele, Spielzeug, Kleinspielzeug, Kleinspielzeugfiguren" der jüngeren Marke in Klasse 28, da die Kombination "Spielzeug mit Schokolade" bzw. "Schokoladenhohlkörper mit Kleinspielzeug" zwischenzeitlich marktüblich ist, und der Verkehr insbesondere wegen der Verbindung von beidem von der einheitlichen Herstellung oder zumindest von der einheitlichen Qualitätskontrolle ausgehen wird. Insoweit müssen die Vergleichszeichen einen großen Abstand einhalten.
Aufgrund der Warenferne zwischen den "Druckereierzeugnissen" der jüngeren Marke und den Waren "Schokolade, Schokoladewaren, auch mit Füllungen aus Weinen, Spirituosen, alkoholfreien Getränken oder Milchprodukten; Zuckerwaren; feine Back- und Konditorwaren" der älteren Marke scheidet allerdings insoweit die Gefahr von Verwechslungen aus.
Die Widerspruchsmarke verfügt über eine normale Kennzeichnungskraft, allerdings an der unteren Grenze. Der Verkehr ist daran gewöhnt, mit einer Vielzahl von neuen Begriffen konfrontiert zu werden, die ihm beschreibende Sachangaben in lediglich einprägsamer Form mitteilen sollen. Das Verb "Naschen" ist ein gewöhnliches Wort der deutschen Sprache, welches im Zusammenhang mit Süßigkeiten im Sprachgebrauch häufig verwendet und als Synonym für das Essen von Zuckerwaren benutzt wird. Bei einer Kennzeichnung der beanspruchten Waren in Mausform mit dem Zeichen "Nasch-Mäuse" wird ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs das Zeichen daher im Wesentlichen als Sachangabe im Sinne von "Mäuse zum Naschen" verstehen, da zum einen die Assoziation zur "Naschkatze" als gängigem Begriff bei Süßwaren nahe liegt und zum anderen senatsbekannt eine Übung in dem entsprechenden Warensegment besteht Tiere als Gestaltungsformen zu verwenden, und zwar vom Osterhasen aus Kuchenteig oder Schokolade, das Glücksschwein aus Marzipan über die Gummibären, die "sauren Heringe" bis hin zu Wappentieren aus Schokolade oder Zucker (Berliner Bär, Bayrischer Löwe, Niedersächsisches Pferd; vgl. BPatG 32 W (pat) 197/98 - SCHOKO-BÄRCHEN).
Dem Sachvortrag der Widersprechenden sind sonst keine Hinweise auf eine Stärkung der Kennzeichnungskraft durch Benutzung o. ä. zu entnehmen, so dass auf Grund des beschreibenden Anklangs der Widerspruchsmarke von einer normalen, an der Grenze zur unterdurchschnittlichen liegenden, Kennzeichnungskraft auszugehen ist. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke wird dadurch leicht reduziert. Die Frage einer Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke für "NASCH-MÄUSE" muß allerdings nicht abschließend entschieden werden, denn auch unter Zugrundelegung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht zwischen den Zeichen keine Verwechslungsgefahr.
Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Das angesprochene Publikum nimmt Marken regelmäßig in der Form auf, in der sie ihm entgegentreten ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, mit der Folge, dass auch beschreibenden Angaben entnommene Bestandteile den Gesamteindruck mitprägen (vgl. BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Bei einem direkten Vergleich der Marken ergibt sich aufgrund der deutlich unterschiedlichen Anfänge der Wortkombinationen nicht die Gefahr von klanglichen, schriftbildlichen oder begrifflichen Verwechslungen. Auch unter Anwendung der Prägetheorie des Bundesgerichtshofs (st. Rsp; BGH GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH; MarkenR 2005, 232, 234 - Ella May/MEY) ist dies nicht der Fall. Einem Markenbestandteil kommt nämlich nur dann eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zu, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke derart prägt, dass er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Auflage, § 9 Rn. 369ff.) Im Hinblick darauf, dass jeweils beide Wortbestandteile in den Kombinationsmarken beschreibend sind, liegt es nicht nahe, einen der beiden Begriffe isoliert vom anderen zu betrachten und ihm eine besonders kollisionsbegründende Bedeutung zuzumessen. Bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um Süßigkeiten in Mausform, die zum Naschen gedacht sind. "Mäuse" kann den Gesamteindruck nicht prägen, da dem Wort für die Gestaltungsform eine beschreibende Funktion und keine eigene schutzfähige Bedeutung zukommt. Auch in der jüngeren Marke tritt "Mäuse" nicht in selbständig kennzeichnender Weise hervor. Hier geht es um Süßigkeiten in Form von Mäusen, die besonders groß sind.
Schließlich besteht auch nicht die Gefahr, dass die angegriffene Marke im Verkehr gedanklich unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werden könnte. Für eine solche Art der Verwechslungsgefahr, bei deren Annahme grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist, gibt es keine Anhaltspunkte. Nicht jede gedankliche Assoziation kann nämlich zur mittelbaren Verwechslung führen. Eine solche wird in ständiger Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens kennt, d. h. wenn ein Unternehmen mit demselben Wortstamm innerhalb mehrerer Zeichen bereits im Verkehr aufgetreten ist, oder sich der Bestandteil jedenfalls zu einer Serienbildung eignet (BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK24; BPatG GRUR 2002, 438 - WISCHMAX/Max). Grundvoraussetzung für die Annahme eines Serienzeichens am Stammbestandteil ist ein Kennzeichenrecht, und zwar entweder in der Form selbständigen kennzeichenrechtlichen Schutzes des Stammbestandteils als Marke in Alleinstellung oder aber aufgrund eines oder mehrerer Kombinationszeichen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 14 Rn. 731). Hier handelt es sich bei "Mäusen" weder um einen Unternehmensbestandteil, noch ist der Begriff aufgrund seiner beschreibenden Verwendung zur Serienbildung geeignet.
Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese trotz der teilweise bestehenden Warenidentität und der an der unteren Grenze liegenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Gefahr von Verwechslungen aufgrund des deutlichen Zeichenabstands zu verneinen war.
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BPatG:
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