Landgericht Köln:
Urteil vom 14. Juni 2005
Aktenzeichen: 33 O 118/05

(LG Köln: Urteil v. 14.06.2005, Az.: 33 O 118/05)

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,--€ - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten z u u n t e r l a s s en,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie nachstehend wiedergegeben mit den Aussagen zu werben:

a) Die Ströer Gruppe, Deutschlands Marktführer für Stadtmöblierung ...,

b) Mit den durch die DSM erworbenen Stadtverträgen haben wir jetzt rund 500 kommunale Vertragspartner. ... Zum Vergleich, die Nummer zwei im Stadtmöbelsegment, Wall, hat 21 Städte unter Vertrag:

- Es folgt eine einseitige Webeaussage. -

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der sog. Außenwerbung.

Der Markt der Außenwerbung gliedert sich in die folgenden wesentlichen Segmente:

Die Großfläche, Plakatflächen im Format von ca. 2,60 x 3,60 m, unbeleuchtet und in der Regel an Straßen, Häusern und Mauern zu finden, Die City-Light-Boards (CLB), auch Mega-Light-Poster oder Großflächenvitrine genannt, normalerweise in der Größe 2,60 x 3,60 m und als 18/1 Format bezeichnet, mit Bodenabstand quer zur Fahrbahn an Straßen aufgestellt, verglast und hinterleuchtet, Die City-Light-Poster (CLP) im Format 1,19 x 1,75 im Hochformat, auch als 4/1 Format bezeichnet, die das "klassische" Werbemedium an sog Stadtmöbeln sind und vor allem in Wartehallen des öffentlichen Personennahverkehrs, City-Toiletten, hinterleuchteten Säulen und freistehenden Stadtinformationsvitrinen zu finden sind, Die Ganzsäule mit einer Höhe von 2,60 oder 3,60 m, teilweise mit Beleuchtung ausgestattet und nur von einem Werbetreibenden gleichzeitig zu belegen, Der allgemeine Anschlag als Säule mit einer Höhe von 2,60 oder 3,60 m oder Tafel im Format 2,60 x 3,60 m (18/1), plakatiert in den DIN-Formaten 1/1 bis 6/1-Bogen mit mehreren Anschlägen.

Bei einem Gesamtmarkt der Außenwerbung mit einem Umsatzvolumen von € 700 Mio werden bei den Großflächen mit knapp 300 Mio € und den CLP mit etwa 200 Mio € die höchsten Nettoumsätze erzielt.

Im Markt für Außenwerbung konkurrieren eine Vielzahl regionaler und einige überregionale Anbieter, zu denen neben den Parteien die B1, K1 und E2 gehören. Da Außenwerbung konzessions-/vertragsabhängig ist, ist kein Außenwerber flächendeckend in allen 2070 Städten vertreten. So bietet die Antragstellerin CLP in zur Zeit 34 Städten, K1 in 18 Städten und die Antragsgegnerin in 103 Städten an. Die Antragsgegnerin verfügt in weiteren 500 Städten über Werbeflächen anderer Art, so dass sie bundesweit in 600 Städten Werbeflächen anbieten kann. Wegen der Verteilung der Anteile an den CLP in den Städten über 500.000 Einwohner wird Bezug genommen auf die Anlage Ast 23.

Werbetreibende Unternehmen buchen Außenwerbung in der Regel medien- und zielgruppenorientiert in einzelnen Marktsegmenten. Eine Buchung in allen Segmenten des Werbemarktes ist unüblich. Dabei haben sich sog. "Spezialmittler" etabliert, die die Werbewünsche der Kunden mit dem Angebot des Marktes koordinieren.

Die Antragsgegnerin erwarb zum 01.01.2004 das Unternehmen N, was zu einer Vervielfachung ihres Geschäftsbereiches Stadtmöblierung mit beleuchteter Plakatwerbung führte.

Die Antragsgegnerin veröffentlichte am 15.03.2005 auf ihrer Internet-Homepage die im Tenor wiedergegebene Pressemitteilung.

Die Antragstellerin behauptet, sie habe im Jahr 2004 auf etwa 17.000 CLP-Werbeflächen Netto-Werbeerlöse von rund 48,8 Mio € erzielt. Die Antragsgegnerin habe 2004 auf 27.734 CLP-Werbeflächen Netto-Werbeerlöse von rund 38, 3 Mio € erzielt. Der Mitberwerber K1 habe auf 18.000 CLP-Werbeflächen Netto-Werbeerlöse von 54 Mio € erzielt.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die in der Pressemitteilung der Antragstellerin enthaltene Aussage, sie sei Deutschlands Marktführer für Stadtmöblierung stelle eine unzulässige Alleinstellungsbehauptung dar.

Der Werbevergleich mit den vertraglich an die Parteien gebundenen Städten sei schon deshalb unlauter, weil die Antragsgegnerin im Stadtmöbelsegment nur über 103 Städte verfüge, in 500 Städten allenfalls mit ihren gesamten Außenwerbeflächen vertreten sei.

Wegen der näheren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragstellerin wird ergänzend Bezug genommen auf die Seiten 17 ff. der Antragsschrift (Bl. 17 ff. d.A.) und ihren Schriftsatz vom 25.04.2005 (Bl. 159 ff. d.A.).

Die Antragstellerin beantragt,

- wie erkannt-.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie vermarkte in Deutschland rund 34.600 CLP. Dabei habe sie 2004 einen Netto-Umsatz von 48,7 Mio € (von der Antragsgegnerin "Netto 3 Umsatz" genannt) und einen "Netto 3 Umsatz" zzgl. der geleisteten Spezialmittlervergütungen von 58,8 Mio € (von der Antragsgegnerin "Nettoumsatz nach HGB" genannt) erzielt. Auch sei ihrem Umsatz der Umsatz der E1 GmbH in Höhe der Beteiligung zuzurechnen, sowie die Umsätze aus der Vermarktung von in ihrem Eigentum stehenden Werbeträgern durch die E2 zu addieren, so dass sich ein "Netto 3 Umsatz" von 55,5 Mio € ergebe.

Die Antragsgegnerin meint, die beanstandeten Werbebehauptungen seien nicht irreführend.

Sie sei aufgrund des erzielten Umsatzes und der Anzahl der Werbeflächen im Bereich Stadtmöblierung marktführend, und zwar auch dann, wenn man dieses Segment auf die CLP begrenzen würde.

Auch habe sie nicht den Eindruck erweckt, in allen 500 Städten Stadtmöblierung zu vermarkten. Vielmehr sei allein die Rede davon, dass die Geschäftsbasis von 500 Städten mit Stadtmöblierungsprodukten gesichert sei und ausgebaut werden solle.

Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Antragsgegnerin wird ergänzend Bezug genommen auf ihren Schriftsatz vom 25.04.2005 (Bl. 30 ff. d.A.).

Gründe

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 5, 8 UWG.

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung von Werbeaussagen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen, da die Antragsgegnerin mit den beanstandeten Werbeaussagen § 3 UWG zuwidergehandelt hat. Danach sind unlautere Wettbewerbshandlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gemäß § 5 UWG insbesondere, wer irreführend wirbt.

Eine Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck der Werbung maßgeblich; es sind alle Bestandteile zu berücksichtigen, § 5 Abs. 2 UWG. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der streitgegenständlichen Werbung abzustellen, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vgl. dazu BGH WRP 2005, 474, 475 – "Direkt ab Werk", BGH WRP 2005, 480, 483 – "Epson-Tinte").

Danach ist die beanstandete Aussage

"Die T1-Gruppe, Deutschlands Marktführer für Stadtmöblierung..."

als irreführend anzusehen.

Die Antragsgegnerin nimmt damit eine Spitzenstellung für sich in Anspruch, die ihr nicht zukommt.

Bei einer Spitzenstellungsbehauptung erwartet der Verkehr, dass der Werbende gegenüber seinen Mitbewerbern in der betreffenden Hinsicht einen deutlichen Vorsprung vorzuweisen hat und dieser Vorsprung Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit hat (vgl. BGH GRUR 2004, 786, 788 –"Größter Online-Dienst").

Insoweit besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass der Verkehr von dem Marktführer im Bereich der Außenwerbung eine deutliche Überlegenheit gegenüber den Mitbewerbern im Bereich der Anzahl der Werbeflächen und der Umsatzzahlen erwartet.

Bei dem Segment CLP fehlt der Antragsgegnerin diese Überlegenheit aber jedenfalls hinsichtlich der Umsatzzahlen. Legt man die eigenen Zahlen der Antragsgegnerin zugrunde, so erzielte sie hier im Jahr 2004 einen Netto-Erlös von 48,7 Mio €. Damit hatte sie aber keinen deutlichen Abstand vor den mit CLP im gleichen Zeitraum erzielten Nettoumsatz der Antragstellerin von 48,8 Mio €, sondern lag mit dieser gleichauf.

Die Versuche der Antragsgegnerin, dieses Ergebnis durch Rechenspiele zu verbessern, überzeugen nicht.

Wie die Antragsgegnerin selber ausführt, sind hohe Umsätze ein sicheres Anzeichen für den Erfolg eines Unternehmens und somit für die Zufriedenheit der Werbekunden. Dann können aber nur solche Umsatzzahlen Berücksichtigung finden, die den Erfolg des Unternehmens auch verläßlich darstellen und nicht solche, die Beträge enthalten, die letztlich anderen Unternehmen zugute kommen. Dies ist aber bei dem im Vergleich zum sog. "Netto 3 Umsatz" höheren "Netto-Umsatz nach HGB" der Fall. Die bei diesem Wert eingerechneten Vergütungen für die Spezialmittler sagen gerade nichts über den Erfolg der Antragsgegnerin am Markt aus. Im Gegenteil ließe sich so beispielsweise ein Mißerfolg, der etwa aus der Zahlung überhöhter Provisionen resultierte, ohne weiteres in einen Erfolg verwandeln.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Addition von Umsatzzahlen der E1 und der E2. Diese Zahlen von Unternehmen, die unabhängig am Markt neben den Parteien operieren, sagen nichts über den Erfolg der Antragsgegnerin aus, und sind daher nicht zu berücksichtigen.

Dass es sich bei den CLP um ein wesentliches Segment des Marktes handelt, folgt schon ohne weiteres daraus, dass es nach dem Segment "Großfläche" mit 200 Mio € Nettoumsatz der zweitwichtigste Werbeträger ist.

Dabei bedarf die Frage, ob die sog. CLB auch zur Stadtmöblierung zählen, letztlich nicht der Entscheidung. Selbst wenn man sie zu dieser Produktgruppe zählen würde, bliebe es dabei, dass damit zwei nach Art, Größe, Präsenz und vor allem auch Bedeutung für die werbetreibenden Unternehmen verschiedene Werbeträger unter einem Oberbegriff erfaßt würden. Eine lautere Werbung mit einer Spitzenstellung wäre daher nur möglich, wenn der dazu erforderliche Erfolg in beiden Gruppen bestehen würde. Dass dies jedenfalls in der Gruppe der CLP nicht der Fall ist, ist bereits ausgeführt worden.

Im übrigen belegen die in der Zeitschrift PLAKATIV Ausgabe 1/2005 abgedruckten Daten, dass auch der Markt weiterhin zwischen diesen beiden Werbeträgern unterscheidet, ohne diesen Unterschied durch den unscharfen Begriff der Stadtmöblierung, der nichts über das im Zentrum des Interesses stehenden im "Stadtmöbel" eingesetzten Werbeträger aussagt, zu verbergen.

Schließlich kann die Antragsgegnerin insoweit auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass in Publikationen der Werbebranche und der Presse ihre Marktführerschaft anerkannt sei. Zunächst ist bereits nicht erkennbar, auf der Bewertung welcher Faktoren diese Einschätzung beruht. Auch erscheint nicht ausgeschlossen, dass es letztlich Informationen der Antragsgegnerin in der hier beanstandeten Art waren, die zu dieser Einschätzung geführt haben. Schließlich kann daraus nicht geschlossen werden, dass es sich um eine generelle Einschätzung des Marktes handelt, die die hier festgestellte Irreführung ausschließen könnte. Denn die Antragsgegnerin hat in ihrer Pressemitteilung vom 25.02.2005 selber ausgeführt, dass "diese neue Größe von T1 ... bei den Mediaentscheidern in den werbungstreibenden Unternehmen und auf Agenturseite noch zu wenig bekannt" ist.

Aber auch die weitere Aussage

"Mit den durch die E1 erworbenen Stadtverträgen haben wir jetzt rund 500 kommunale Vertragspartner. ... Zum Vergleich, die Nummer zwei im Stadtmöbelsegment, Wall, hat 21 Städte unter Vertrag."

ist als irreführende Behauptung einzustufen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin zwar 500 Städte vertraglich an sich gebunden hat, jedoch lediglich in 103 Städten Stadtmöblierung vermarktet. Dass sie danach in nahezu 4/5 der genannten Städte mit dem Produkt "Stadtmöbel" noch gar nicht präsent ist, wird nicht deutlich gemacht. Die Rede ist in diesem Zusammenhang lediglich von einer "Geschäftsbasis, die wir durch innovative Stadtmöblierungs- und Designlösungen sichern und ausbauen möchten". Eine Aufklärung über den tatsächlichen Umfang der Präsenz ist damit nicht verbunden. Umgekehrt wird vielmehr sodann suggeriert, dass es sich bereits um 500 Städte mit Stadtmöblierungsprodukten der Antragsgegnerin handeln muß, wenn zum Vergleich auf die tatsächlichen Vermarktungszahlen im Bereich Stadtmöblierung der Antragstellerin Bezug genommen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung.

Streitwert: 100.000,--€






LG Köln:
Urteil v. 14.06.2005
Az: 33 O 118/05


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