Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 13. März 2003
Aktenzeichen: 4 U 167/02
(OLG Hamm: Urteil v. 13.03.2003, Az.: 4 U 167/02)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. September 2002 verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist die bekannte Zentrale in G, die als Vereinigung von Gewerbetreibenden und Verbänden Wettbewerbsverstöße bekämpft. Die Beklagte zu 1) ist eine Handelsgesellschaft mit Sitz in I in Westfalen, der Beklagte zu 2) ist ihr Geschäftsführer.
Am 1. Februar 2001 eröffnete die Firma S + N GmbH (in der Folge S + S) in N2 in der L-Straße einen Einzelhandel. In erster Instanz ist unstreitig gewesen, dass entsprechend der Handelsregistereintragung Gegenstand des Unternehmens der Einzelhandel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Accessoires war. Alleinige Gesellschafterin der S + S war die Ehefrau des Beklagten zu 2). Dieser war der einzige Geschäftsführer und allein vertretungsberechtigt. Am 16. November 2001 meldete die S + S einen Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe an, der in der Zeit vom 30. November bis 29. Dezember 2001 durchgeführt wurde. Zum 31. Dezember 2001 wurde die S + S abgemeldet.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 14. Januar 2002 gründete der Sohn des Beklagten zu 2) die Beklagte zu 1). Der Sohn des Beklagten zu 2) meldete für die Beklagte zu 1) in I ein Gewerbe an. Die Beklagte zu 1) wurde am 19. März 2002 in das Handelsregister eingetragen. Geschäftsgegenstand ist nach der Eintragung der Handel mit Waren aller Art und die Vermittlung von Werbekonzepten. Der Sohn des Beklagten zu 2) ist alleiniger Gesellschafter der Beklagten zu 1). An seinem Wohnsitz befindet sich der Geschäftssitz der Beklagten zu 1).
Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und allein zu deren Vertretung berechtigt ist der Beklagte zu 2). Am 17. Januar 2002 eröffnete die Beklagte zu 1) in N2 an der Ecke L / H2 ein Geschäftslokal. Darüber wurde in der Zeitung berichtet. Eine Kopie des Artikels (Bl.5 d.A.) liegt vor.
Die Klägerin hat in der Gründung der Beklagten zu 1) und der Geschäftseröffnung am H2 in N2 eine Neuaufnahme des Handels unter Umgehung der Sperrfrist nach § 8 Abs. 6 Nr. 2, 2. Alt. UWG gesehen. Sie hat ihren Unterlassungsanspruch vorsorglich aber auch auf das Fortsetzungsverbot des § 8 Abs. 6 Nr. 2, 1. Alt. UWG gestützt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
es unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, vor dem 29. Dezember 2003 in N2 einen Handel mit Möbeln,
Einrichtungsgegenständen und Accessoires aufzunehmen und / oder
zu betreiben ,
an die Klägerin 175,06 &...8364; nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben gemeint, der Beklagte zu 2) sei nicht als Veranstalter des Räumungsverkaufes anzusehen, da ihm der wirtschaftliche Nutzen des eingestellten Betriebes weder ganz noch überwiegend zugefallen sei. Als lediglich angestellter Geschäftsführer habe er auch nicht selbst einen Handel neu aufgenommen. Sein Sohn habe in das neu gegründete Geschäft Geld investiert. Es käme einem Berufsverbot gleich, wenn er, der Beklagte zu 2) nicht mehr als angestellter Geschäftsführer in der Möbelbranche tätig sein dürfe. Die Beklagten haben zudem vorgetragen, der Betrieb in N2 sei nur eine unselbständige Niederlassung des in I ansässigen Franchiseunternehmens. Der Beklagte zu 2) habe mit der Niederlassung nur insoweit zu tun, als er dort versuche, die Filiale mit einem möglichst geringen finanziellen und personellen Aufwand zu unterstützen, so wie es in Zukunft auch an anderen Standorten geplant sei.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und den Unterlassungsanspruch auf § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG gestützt. Es hat gemeint, die Beklagte zu 1) sei zur Unterlassung verpflichtet, weil sie durch Aufnahme der Geschäftstätigkeit in N2 den Geschäftsbetrieb der S + S jedenfalls mittelbar fortgesetzt habe. Anhaltspunkte dafür seien insbesondere der enge zeitliche Zusammenhang von weniger als einem Monat zwischen der Einstellung des alten Geschäftes und der Aufnahme der Tätigkeit durch das neue Geschäft und die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) jedenfalls im Geschäftslokal in N2 auch mit identischen Waren handele. Ferner trete derselbe alleinige Geschäftsführer erkennbar auch in der Presse als Repräsentant und Informant für die Beklagte zu 1) in Erscheinung. Die alleinigen Gesellschafter seien in beiden Fällen nahe Angehörige des Beklagten zu 2), so dass davon auszugehen sei, dass der wirtschaftliche Erfolg des aufgegebenen Betriebes ebenso wie der des unmittelbar darauf eröffneten Geschäftes jedenfalls Personen zugute komme, die als nahe Angehörige untereinander und mit dem Beklagten zu 2) eng verbunden seien.
Der Beklagte zu 2) sei ebenfalls zur Unterlassung verpflichtet, weil er als Veranstalter des Räumungsverkaufs anzusehen sei.
Die Beklagten greifen das Urteil mit der Berufung an. Sie sind der Ansicht, den abgemeldeten Geschäftsbetrieb nicht fortgesetzt zu haben. Gegen eine Fortsetzung spreche die fehlende Identität der Gesellschafter, der Firmen und des Geschäftslokals. Ferner behaupten sie erstmals mit näheren Ausführungen, es fehle auch an einem im Wesentlichen gleichen Sortiment. Die S + S habe ausschließlich mit Sonderposten und Holzaccessoires aus Überbeständen und Rückläufen des Möbelgroßhandels ihrer Gesellschafterin gehandelt. Bei der Beklagten zu 1) dominiere der Bestellhandel. Sonderposten seien in nennenswertem Umfang nicht vorhanden. Ausgestellt würden überwiegend Einzelexemplare von Bestellwaren, zu denen Küchen, Ledermöbel, hochwertige Schlafzimmer, Lampen und Spiegel gehörten, die von der S + S niemals geführt worden seien. Aufgrund erheblicher Unterschiede im Preissegment und in der Betriebsart sei bei den Verbrauchern nicht der Eindruck entstanden, dass die Beklagte zu 1) den Betrieb von S + S fortsetze. Jedenfalls bestehe ein solcher Eindruck heute nicht mehr. Die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte zu 1) auch ihren Firmennamen geändert habe und sich jetzt "Macke Möbel und mehr G2 GmbH" nenne.
Der Beklagte zu 2), so meinen die Beklagten weiter, könne nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, weil er weder den Betrieb der S + S fortgesetzt, noch einen neuen Betrieb ähnlicher Art begründet habe. Er trage im Betrieb der Beklagten zu 1) auch keine wirtschaftliche Verantwortung. Seine bloße Mitwirkung als angestellter Geschäftsführer beim Räumungsverkauf rechtfertige nicht die Ausweitung des Fortsetzungsverbotes, so wie sie der Klägerin vorschwebe. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht als Veranstalter im Sinne der 2. Alternative des § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG anzusehen. Er habe nämlich im aufgegebenen Unternehmen keine bestimmende Stellung gehabt. Seine Ehefrau habe als Gesellschafterin im Büro und Verkauf mitgearbeitet. Weil sie eine Stellung als Vorstandssekretärin im Möbelgroßhandel habe annehmen müssen, habe sie das Geschäft aufgeben müssen. Es sei ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, in N2 ein neues Geschäft auf zu machen. Durch Zufall habe sich eine Woche vor Weihnachten 2001 die Gelegenheit zur Anmietung des Geschäftslokals am H2 ergeben, Das habe seinen Sohn bewogen, im Januar 2002 die Beklagte zu 1) mit eigenem Kapital zu gründen.
Die Beklagten halten den Unterlassungsantrag für zu weitgehend, da er nicht auf spezielle Warengattungen beschränkt sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich ein eventueller Verstoß gegen das Fortsetzungsverbot angesichts der erheblichen Sortimentsabweichung als nur geringfügig darstelle. Die Fortsetzung sei hinzunehmen, weil sie dem Beklagten zu 2) den Arbeitsplatz sichere und dem bislang arbeitslosen Mitarbeiter Y2 einen solchen verschaffe.
Die Beklagten beantragen,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend unwidersprochen vor, die S + S habe die angemieteten Lagerräume noch bis Mitte Januar 2002 nutzen dürfen. Der Lagerbestand sei somit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang auf die Beklagte zu 1) übergegangen. Die Klägerin bestreitet das Vorbringen der Beklagten zum Sortimentswechsel und meint, die Beklagten seien mit diesem Vorbringen ohnehin aus prozessualen Gründen ausgeschlossen. Die Beklagte zu 1) könne dem Fortsetzungsverbot auch nicht durch die mittlerweile vorgenommene Firmenänderung entgehen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Unterlassungsanspruch aufgrund des Verstoßes gegen das Fortsetzungsverbot richte sich sowohl gegen die Beklagte zu 1), als auch gegen den Beklagten zu 2). Der Anspruch sei auch wegen Verstoßes gegen das Wiederaufnahmeverbot gerechtfertigt. Der Beklagte zu 2) sei als Veranstalter des Räumungsverkaufs anzusehen, der die Beklagte zu 1) benutzt habe, um den Handel mit den früheren Waren neu aufzunehmen. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei der Beklagte zu 2) als Inhaber der S + S und der Beklagten zu 1) anzusehen. Als Geschäftsführer habe er nämlich bestimmenden Einfluss auf beide Betriebe gehabt oder habe ihn noch. Die Beklagten hätten nicht aufzuzeigen vermocht, wer außer dem Beklagten zu 2) in den Betrieben Leitungsfunktionen ausgeübt hätte. Zudem bestreitet die Klägerin, dass der Sohn des Beklagten zu 2) Kapitalgeber der Beklagten zu 1) sei. Die Geschäftstätigkeit der beiden Gesellschaften sei dem Beklagten zu 2) schon deshalb zugute gekommen, weil aus deren Ergebnis sein Geschäftsführergehalt gezahlt worden sei. Vom Gewinn profitiere auch nur die engste Familie des Beklagten zu 2). Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, das Verbot in vorliegenden Fall eines Umgehungsversuches auszusprechen. Besondere Umstände, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu, weil diese gegen das Fortsetzungsverbot nach einem veranstalteten und hier auch durchgeführten Räumungsverkauf der S + S verstoßen haben.
1) Der Klageantrag ist bestimmt genug. Soweit es um einen Verstoß gegen das Fortsetzungsverbot geht, den die Klägerin auch geltend machen will, ist der Antrag dahin auszulegen, dass mit dem beanstandeten Handel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Accessoires die Fortsetzung des eingestellten Betriebs bis zum 29.12.2003 zu unterlassen ist. Dass die Klägerin in den Antrag diese Sperrfrist aufgenommen hat, steht dieser Auslegung nicht entgegen, da die Klägerin dann eben weniger begehrt, als ihr die Rechtsfolge der Anspruchsgrundlage geben könnte. Ob der Antrag wegen der im Verbot aufgeführten Warengruppen zu weit geht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
2) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG gegen die Beklagten wegen eines Verstoßes gegen das Fortsetzungsverbot zu. Die Beklagten haben nämlich mittelbar den Geschäftsbetrieb der S + S, dessen Aufgabe angekündigt worden ist, dadurch fortgesetzt, dass sie in N2 am H-Weg zeitnah einen Handel mit einem im wesentlich gleichen Sortiment aufgenommen und betrieben haben.
a) Unmittelbar ist der Geschäftsbetrieb, dessen Aufgabe angekündigt worden war, damit zwar nicht fortgeführt worden. Die Beklagte zu 1) ist nicht die S + S. Sie ist neu gegründet worden, hat eine andere Firma, einen anderen Sitz und einen anderen Gesellschafter. Auch das Geschäftslokal in N2 befindet sich nicht an der L-Straße, sondern im H2. Lediglich der Geschäftsführer der Gesellschaften ist jeweils der Beklagte zu 2).
Damit gewinnt der Verkehr nicht den Eindruck, dass der alte Geschäftsbetrieb als solcher fortgeführt werde.
b) Es liegt aber eine mittelbare Fortsetzung des ausverkauften Geschäftsbetriebes vor, die die Vorschrift auch erfasst, um möglichen Formen einer Umgehung des Fortsetzungsverbots zu begegnen (BGH WRP 1994, 34, 36 -Geschäftsfortführung nach Ausverkauf II).
aa) Grundsätzlich ist von einer solchen mittelbaren Fortsetzung auszugehen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens trotz geänderter rechtlicher oder örtlicher Umstände gegenüber denjenigen während des Räumungsverkaufes im Wesentlichen unverändert bleiben (vgl. Großkomm.UWG/Jestaedt, § 8 Rdn.76). Dies ist anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Es reicht nicht aus, dass die Verkehrskreise -fälschlich- annehmen, der Geschäftsbetrieb werde fortgeführt. Es müssen vielmehr objektive Umstände für eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs sprechen. Diese müssen zugleich geeignet sein, von den angesprochenen Verkehrskreisen so gewertet zu werden (BGH WRP 2002, 1064, 1065 -Domicil).
bb) Hier liegen objektive Umstände vor, die für eine solche Fortsetzung des Geschäftsbetriebs der S + S sprechen. So ist der Beklagte zu 2) sowohl der Geschäftsführer der S + S als auch der Beklagten zu 1). Er war jeweils der einzige Geschäftsführer und trat als solcher nach außen besonders in Erscheinung. Er hatte auch die alleinige Leitungsfunktion in beiden Gesellschaften inne. Bei der S + S war die Gesellschafterin lediglich für Bürotätigkeiten verantwortlich und beim Verkauf helfend tätig. Dass der Gesellschafter der Beklagten zu 1) überhaupt in der GmbH eine Tätigkeit ausübt, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich. Wie sehr der Beklagte zu 2) bei der Beklagten zu 1) im Vordergrund steht, wird durch den Zeitungsartikel unterstrichen. Er ist nicht nur bildlich im Vordergrund. Er wird auch zweimal zitiert und als Geschäftsführer herausgestellt. Wegen der nahen Beziehungen zu den beiden Alleingesellschaftern als Ehemann und Vater hat der Beklagte zu 2) auch als alleiniger Geschäftsführer einen starken persönlichen Einfluss. Er profiert selbst wirtschaftlich sowohl von dem Ergebnis des Räumungsverkaufs als auch von den Gewinnen der neuen Firma zumindest mittelbar. Die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) als Folge des Betriebs das Geschäftsführergehalt beziehen kann, ist dabei -wenn überhaupt- nur von untergeordneter Bedeutung, denn andernfalls wäre jeder Geschäftsführer als wirtschaftlich Beteiligter anzusehen. Für eine Fortsetzung spricht auch die Übernahme der Angestellten Y. Dass man sich personell vergrößert und auch den Angestellten Y2 eingestellt hat, spricht nicht gegen eine Fortsetzung. Der zeitlich enge Zusammenhang zwischen dem Ende des Räumungsverkaufes am 29. Dezember 2001 und der Eröffnung des Geschäftslokals in N2 am 17. Februar 2002 spricht objektiv für eine Fortsetzung. Die Beklagten haben auch nicht bestritten, dass die alten Lagerräume verabredungsgemäß noch bis zum 15. Januar 2002 genutzt werden konnten und genutzt wurden, so dass der Lagerbestand der S + S in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang auf die Beklagte zu 1) übergegangen ist. Nach dem Zeitungsartikel, der in Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) zustande gekommen ist, wandte sich die Beklagte zu 1) auch an die Käuferschichten und Abnehmerkreise der S + S. Es ging laut dem Artikel um hochwertige Möbel aus Sonderposten, die günstig erworben werden konnten. Dort heißt es wörtlich: "Denn die Möbel, die hier verkauft werden, sind beispielsweise Retouren der Versandhäuser, Musterstücke oder Auslaufserien. Der Vorteil für die Kunden macht sich direkt im Portemonnaie bemerkbar." Dass die Beklagte zu 1) den Kunden auch die Bestellung nach Katalog anbietet, besagt nicht, dass dadurch andere Kundenkreise erschlossen werden sollten. Die Abholware ist in dem Artikel auch als das deutlich günstigere Angebot dargestellt worden. Während nach den eigenen Worten des Beklagten zu 2) bei der Bestellware das Angebot immer "um etwa 20 % unter dem Katalogpreis liegen soll, werden die Ausstellungsstücke zu nur noch 50 bis 60 % des regulären Preises angeboten. Selbst nach dem Vortrag der Beklagten hat die Beklagte zu 1) die Lieferanten nicht gewechselt. Auch die Hauptlieferantin, nämlich der nach wie vor bestehende Möbelgroßhandel der Gesellschafterin der S + S , die eigene Überstücke oder Restposten anbot oder solche Posten auf Grund ihrer Geschäftsbeziehungen vermittelte, blieb gleich. Es spricht nichts dafür, dass die Beklagte zu 1) Lieferanten kannte oder solche schnell gewinnen konnte, zu der die S + S keinen Kontakt hatte. Der Beklagte zu 2), der nach seiner eigenen Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst über jahrzehntelange gute Kontakte zur Möbelbranche verfügt, konnte diese für die Beklagte zu 1) genauso fruchtbar machen wie schon früher für die S + S. Nach dem weiteren Vortrag der Beklagten hatte sich auch nicht die Geschäftsidee als solche als nicht tragfähig erwiesen, sondern das Geschäft der S + S hatte entscheidend unter dem untragbaren Zustand des Mietobjekts gelitten. Die Beklagten haben auch nicht etwa Franchiseverträge mit neuen Abnehmern geschlossen, wie die Firma der Beklagten zu 1) nahe legen könnte. Die Beklagte zu 1) ist über die vorgetragene Absicht bislang nicht hinausgekommen. Das hat der Beklagte zu 2) bei seiner Anhörung vor dem Landgericht selbst eingeräumt.
cc) Neben den bisher angeführten und deutlich für eine Fortsetzung sprechenden Umständen spricht stark dafür auch die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) nach dem Zeitungsartikel und dem maßgeblichen erstinstanzlich unstreitigen Vortrag die gleichen Warengruppen und das gleiche Sortiment geführt hat wie die S + S. Dass der Vortrag unstreitig war, zeigt der Schriftsatz der Beklagten vom 28. Mai 2002 (Bl.16). Darin haben die Beklagten in Bezug auf die vorher erwähnte S + S ausdrücklich ausgeführt: "Es ist auch richtig, dass Gegenstand des Unternehmens der Einzelhandel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Accessoires war". Die Beklagten behaupten erstmals in zweiter Instanz, dass dies nicht stimme und tragen dazu neue Tatsachen vor. Mit diesem Vortrag sind die Beklagten nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Beklagten hätten diese ihr bekannten Tatsachen schon in erster Instanz vorbringen können und müssen, da die Frage der Identität des Sortiments erkennbar für den Ausgang des Rechtsstreits Bedeutung haben konnte. Die Beklagten sind auch nicht vom Landgericht durch einen fehlerhaften Hinweis gehindert worden, diese Tatsachen vorzubringen. Selbst wenn das Landgericht bei seinem Hinweis die beiden unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen des § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG nicht genau genug auseinandergehalten haben sollte, gilt doch, dass die Frage der Sortimentsidentität für beide Alternativen Bedeutung hat. Im Rahmen der Hinweise in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2002 (Bl.25R) und im Beschluss vom 23. Juli 2002 (Bl.34) hat das Landgericht nichts zu den Sortimenten gesagt. Das brauchte es auch nicht, weil der Vortrag insoweit unstreitig war und auch die Eintragung der S + S im Handelsregister (Bl.54) nichts anderes besagte. Da der neue Tatsachenvortrag zum Sortiment nicht zuzulassen ist, ist für die Verkehrsauffassung von der Identität der Sortimente auszugehen. Nur rein vorsorglich merkt der Senat insoweit an, dass es für die Fortsetzung auch entscheidend spricht, wenn die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen dieselbe ist. Das wäre auch dann der Fall, wenn das Sortiment wegen zwischenzeitlicher Erfahrungen und Erkenntnisse ohnehin den geänderten Verbraucherwünschen oder Marktgegebenheiten angepasst worden wäre.
dd) Neben diesen stark für eine Fortsetzung sprechenden Umständen liegen allerdings auch Umstände vor, die gegen eine solche Annahme sprechen können. Diese erscheinen aber weder einzeln für sich noch in der Gesamtheit gewichtig genug, um eine Fortsetzung ernsthaft in Frage zu stellen.
(1) Zu solchen Umständen zählt jedoch nicht, dass die Beklagten nach ihrer Behauptung zunächst nicht die dauerhafte Aufgabe des Geschäftsbetriebs der S + S beabsichtigten und sich nur durch Zufall die Möglichkeit einer Eröffnung eines neuen Geschäfts ergeben habe. Es kann dahin stehen, ob dieses Vorbringen neu ist und ob es überhaupt zuzulassen wäre, weil es an dem engen zeitlichen Zusammenhang nichts ändert, der auch dann objektiv für eine Geschäftsfortführung spricht.
(2) Bedenkenswert erscheint in diesem Zusammenhang hingegen der Umstand, dass die alleinigen Gesellschafter der S + S GmbH und der Beklagten zu 1) nicht identisch sind. Gerade den Gesellschaftern kommt als Kapitalgebern eine hohe wirtschaftliche Verantwortung für die Gesellschaften zu, so dass im allgemeinen auf sie abzustellen ist. Hier kommt der Personenverschiedenheit aber nicht das Gewicht zu, das die Beklagten diesem Umstand beimessen wollen. Die Gesellschaften werden gleichsam im Familienverband betrieben. Da die Ehefrau des Beklagten zu 2) eine Stelle als Vorstandssekretärin übernommen hatte, konnte sie für eine Neugründung als Gesellschafterin nicht mehr zur Verfügung stehen. Wollte man also den Betrieb durch die Familie weiter führen, musste ein anderes Familienmitglied die Rolle des Gesellschafters übernehmen. Das hat der Sohn des Beklagten zu 2) getan, während der Beklagte zu 2) auch bei der Beklagten zu 1) die maßgebliche Leitungsfunktion übernahm. Insgesamt erscheint somit auch der Gesellschafterwechsel als kein gewichtiges Argument gegen eine Fortsetzung.
(3) Gleiches gilt im Hinblick auf die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) die Firma S + S nicht übernommen hat. Zwischen den Firmen bestand vielmehr ein Unterschied. Es finden sich allerdings ähnliche Bestandteile, nämlich "Sonderposten für Möbel" bei der Beklagten zu 1) und "der Möbel Sonderposten Markt" bei der S + S. Da es Sonderposten für Möbel nicht so zahlreich gibt, kann der Verkehr trotz des Unterschieds an eine Fortsetzung denken, insbesondere wenn er die anderen Umstände mit berücksichtigt.
(4) Dass das Geschäftslokal der Beklagten zu 1) in N2 an einer anderen Straße liegt als das frühere der S + S spricht nicht für eine Fortsetzung, schließt sie aber auch nicht aus. Das Fortsetzungsverbot der ersten Alternative des § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG will nämlich ohne räumliche Begrenzung sicherstellen, dass derjenige, der einen Räumungsverkauf wegen Aufgabe des gesamten Geschäftsbetriebs veranstaltet hat, wirklich einhält, was er ankündigt, nämlich die Aufgabe des gesamten Geschäftsbetriebs nicht nur an bestimmten Orten (BGH -Geschäftsfortführung durch Ausverkauf II, a.a.O. S.35). Dass eine Fortsetzung wegen des Ortswechsels hier nicht fern liegt, gilt besonders deshalb, weil die Mängel am Geschäftslokal den Niedergang der Geschäftstätigkeit der S + S herbeigeführt haben sollen. Für eine Fortsetzung des ursprünglichen Geschäfts in neuem Gewande wäre dann das alte Mietobjekt ohnehin nicht in Betracht gekommen.
ee) Die gegeneinander abgewogenen objektiven Umstände sind auch geeignet, von den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Senatsmitglieder gehören, als Fortsetzung des Geschäftsbetriebs der S + S gewertet zu werden. Unter den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten sprechen insbesondere die Identität des die Betriebe jeweils nach außen repräsentierenden Geschäftsführers und die Identität der Sortimente, von der weiter auszugehen ist, auch aus Sicht dieser Kreise entscheidend für eine Fortsetzung. Gerade weil von einem im Wesentlichen gleichen Sortiment und damit auch von einer gleichen Geschäftstätigkeit auszugehen ist, stellt sich auch nicht die Frage, ob ein solcher Eindruck der Verbraucher, hier werde die S + S fortgesetzt, bei einem von Anfang an unterschiedlichen Sortiment nicht entstanden wäre. Denn es geht den Beklagten nicht um eine im Laufe der Zeit nach und nach erfolgte Sortimentsänderung, sondern darum, dass die Beklagte zu 1) von vorneherein mit einem wesentlich anderen Sortiment gehandelt haben soll, womit sie aber aus prozessualen Gründen auch in diesem Zusammenhang nicht mehr gehört werden kann. An diesem auf Grund der damaligen objektiven Umstände gewonnenen Eindruck kann es auch nichts mehr ändern, dass die Beklagte zu 1) zwischenzeitlich ihre Firma geändert hat und sich dabei erheblich weiter von der Firma der S + S entfernt hat.
c) Ein Verbot dieser mittelbaren Fortsetzung des Betriebes scheidet auch nicht deshalb aus, weil besondere Umstände gegeben sind, die die Fortsetzung rechtfertigen könnten. Solche Umstände gibt es hier nicht. Die Erhaltung oder Beschaffung von Arbeitsplätzen rechtfertigen für sich die Fortsetzung nicht. Denn andernfalls könnte nahezu jede Fortsetzung gerechtfertigt sein. An das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles sind aber auch im Interesse der Mitbewerber strenge Anforderungen zu stellen (Köhler / Piper, UWG, 3. Auflage, § 8 Rdn. 53). Denn durch das Verbot sollen die Mitbewerber davor geschützt werden, dass ein Unternehmen sich durch Täuschung des Publikums über die Durchführung eines Räumungsverkaufs ungerechtfertigte Vorteile verschafft.
d) Passivlegimiert ist neben der Beklagten zu1) auch der Beklagte zu 2). Er hat verantwortlich für die Beklagte zu 1) gehandelt und ist für deren Handeln als Mitstörer verantwortlich.
e) Der Verbotsantrag und ihm folgend der Tenor des angefochtenen Urteils sind auch nicht zu weit gefasst, weil Verbotsgegenstand die Fortführung des geräumten Betriebes ist und nicht etwa schlechthin jeder Möbelhandel im weiteren Sinne durch die Beklagten. Im Übrigen würde sich auch insoweit zu Lasten der Beklagten auswirken, dass diese mit der von ihnen behaupteten Änderung des Sortiments nicht mehr gehört werden könnten.
f) Die Vorschrift des § 8 Abs. 6 Nr. 2 , 1.Alt. UWG greift auch nicht in verfassungswidriger Weise in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein. Die Regelung des Fortsetzungsverbotes ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Das Verbot will nur erreichen, dass die angekündigte Absicht der endgültigen Geschäftsaufgabe eingehalten wird. Der Veranstalter oder ein Dritter ist nicht gehindert, sogleich einen Handel mit anderen Warengattungen oder mit denselben Warengattungen an anderen Orten zu beginnen, wenn dabei der objektive Eindruck der Fortsetzung vermieden wird (BGH -Geschäftsfortführung nach Ausverkauf II, a.a.O. S.36, 37).
3) Da der Senat eine mittelbare Fortsetzung und damit einen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Fortsetzungsverbot des § 8 Abs. 6 Nr. 2, 1.Alt. bejaht, kann nicht zugleich auch ein Anspruch wegen Verstoßes gegen das Aufnahmeverbot des § 8 Abs. 6 Nr. 2, 2.Alt. UWG vorliegen. Die beiden Alternativen schließen sich gegenseitig aus.
4) Der Zahlungsanspruch ist zwischen den Parteien nach Grund und Höhe nicht im Streit.
Die in § 543 Abs.2 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind sämtlich nicht gegeben. Der Senat konnte deshalb auch der darauf gerichteten Anregung der Beklagten nicht entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO. Eine Einstellung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers nach § 712 ZPO kam nicht in Betracht, weil die Beklagten die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht dargelegt haben.
OLG Hamm:
Urteil v. 13.03.2003
Az: 4 U 167/02
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