Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 119/99

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2004, Az.: 24 W (pat) 119/99)

Tenor

Die Beschwerde der aus der IR-Marke 641 818 Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke

"XL one"

ist für die Waren

"Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel."

unter der Registernummer 395 44 911 eingetragen und veröffentlicht worden.

Dagegen haben die Inhaberin der für die Waren

"Cl 3 Parfums, eaux de toilette; gels et sels pour le bain et la douche; savons de toilette; deodorants corporels ; cosmetiques notamment crèmes ; laits, lotions, gels et poudres pour le visage, le corps et les mains ; laits, gels et huiles de bronzage et aprèssoleil ; produits de maquillage ; shampooings ; gels, produits sous forme d'aerosols pour le coiffage et le soin des cheveux , mousses et baumes pour le coiffage et le soin des cheveux ; laques pour les cheveux ; colorants et produits pour la decoloration des cheveux ; produits pour l'ondulation et la mise en plis des cheveux ; huiles essentielles ; dentifrices."

mit Schutzerstreckung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland international registrierten Wortmarke 641 818 XXL sowie die Inhaberin der ua für verschiedene Waren der Klasse 3 eingetragenen Wortmarke 394 01 849 ONE Widerspruch erhoben.

Mit Beschluß vom 30. Dezember 1998 hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts die Widersprüche aus den beiden Marken wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen (§§ 43 Abs 2 Satz 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG). Die Zurückweisung des Widerspruchs aus der IR-Marke 641 818 begründet die Markenstelle im wesentlichen damit, daß sich die beiden Vergleichsmarken zwar auf identischen Waren begegnen könnten, der Schutzumfang der Widerspruchsmarke allerdings deutlich eingeschränkt sei. Wenngleich die Markenstelle an die Eintragung der Widerspruchsmarke gebunden sei, bestünden erhebliche Anhaltspunkte, daß deren Schutzerteilung nicht mit § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG vereinbar sei. Die Buchstabenfolge "XXL" habe sich zu einer auf unterschiedlichen Warenbereichen verwendeten Größenangabe entwickelt. Auch würde die Angabe "XXL" im übertragenen Sinn eines besonders qualifizierten Angebots verstanden (unter Hinweis auf BPatG PAVIS-PROMA 30 W (pat) 18/97 "XXL"). Unter diesen Voraussetzungen halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand von der Widerspruchsmarke ein. Insbesondere bestehe kein Anlaß zu der Annahme einer selbständig kollisionsbegründenden Bedeutung eines der beiden gleichermaßen kennzeichnungsschwachen Bestandteile der jüngeren Marke, von denen keiner den Gesamteindruck präge. Es bestehe auch keine assoziative Verwechslungsgefahr, zumal die Widersprechende keine im Verkehr benutzte Zeichenserie dargelegt habe und außerdem der Bestandteil "XL" in der angegriffenen Marke wegen seiner Kennzeichnungsschwäche nicht als Stammbestandteil mit selbständiger Hinweisfunktion verstanden werde.

Gegen den Beschluß haben beide Widersprechende Beschwerde eingelegt, wobei die aus der Marke 394 01 849 Widersprechende ihren Widerspruch im Laufe des Beschwerdeverfahrens zurückgenommen hat.

Die aus der IR-Marke 641 818 Widersprechende trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, die Markenstelle sei unzutreffend von einem geringen Schutzumfang oder gar nur Formalschutz der Widerspruchsmarke "XXL" ausgegangen. Zu Parfümerien und Kosmetika habe die lediglich auf dem Bekleidungssektor übliche Größenangabe "XXL" keinen beschreibenden Bezug. Die Widerspruchsmarke sei daher, wie zahlreiche weitere "XXL"-Marken auf unterschiedlichen Warengebieten, zu Recht eingetragen worden. Gehe man richtigerweise von normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke aus, seien Verwechslungen mit der angegriffenen Marke unvermeidlich, da die Verdoppelung des Buchstabens "X" meist überhört oder übersehen werde. "XL" sei auch der charakteristische Bestandteil der jüngeren Marke, da "one" einen banalen Zahlenzusatz darstelle und meist als Hinweis auf ein herausragendes Produkt oder als Bezeichnung von Produktvarianten aufgefaßt werde (vgl BPatG PAVIS PROMA 32 W (pat) 183/95 "CONCEPT ONE"). Zudem würden die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, weil "XL" und "XXL" auf dem Bekleidungssektor verwandte Größenangaben seien und daher auf dem Kosmetiksektor als Serienzeichen wirkten.

Die Widersprechende aus der IR-Marke 641 818 beantragt, den angegriffenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zu den Beschwerden nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der aus der Marke 394 01 849 Widersprechenden hat sich durch die Rücknahme ihres Widerspruchs erledigt.

Die zulässige Beschwerde der aus der IR-Marke 641 818 Widersprechenden führt in der Sache nicht zum Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der widersprechenden IR-Marke und der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr iSd des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der Widerspruch in dem angefochtenen Beschluß zu Recht zurückgewiesen worden ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int 2000, 899, 901 (Nr 40) "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2002, 626, 627 "IMS"; WRP 2004, 763, 764 "dcfix/CD-FIX"; GRUR 2004, 598, 599 "Kleiner Feigling").

Nach der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Registerlage besteht zwischen den von der jüngeren Marke beanspruchten Waren und den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren weitgehend Identität, im übrigen engste Ähnlichkeit.

Zutreffend ist die Markenstelle jedoch davon ausgegangen, daß diesem kollisionsfördernden Umstand im vorliegenden Fall eine ausgeprägte Kennzeichnungsschwäche und ein dementsprechend deutlich verminderter Schutzumfang der Widerspruchsmarke gegenüberstehen. Wie das Bundespatentgericht bereits in mehreren Beschlüssen festgestellt hat, wird die Buchstabenkombination "XXL", eine ursprünglich auf dem Bekleidungssektor übliche Größenangabe ("XL" und "XXL" = Abk für "extra (extra) large", vgl Bertelsmann, Wörterbuch der deutschen Sprache, 2004, S 1564), heute produktübergreifend ganz allgemein als Hinweis auf eine besondere Größe verwendet (vgl außer dem bereits im angefochtenen Beschluß zitierten Beschluß BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 18/97 "XXL" nicht schutzfähig ua für "münz- und jetonbetriebene Unterhaltungsautomaten", auch BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 159/99 "XXL" nicht schutzfähig ua für "Zigaretten"; 32 W (pat) 79/98 "XXL" nicht schutzfähig ua für "Zuckerwaren"; 28 W (pat) 192/98 "XXL" nicht schutzfähig ua für "Fahrzeuge"). Das Argument der Widersprechenden, auf dem Gebiet der Parfümerien und Kosmetika sage "XXL" nichts aus, ist wenig überzeugend, da auch für diese Produkte große Größen eine Rolle spielen können, beispielsweise deren Verkauf in großen Packungen mit überdurchschnittlicher Füllmenge, wofür sich die Bezeichnung "XXL" als naheliegende beschreibende Größenangabe anbietet. Wenngleich die Frage der Schutzfähigkeit der zur Eintragung gelangten Widerspruchsmarke hier nicht zur Disposition steht, da das Deutsche Patent- und Markenamt ebenso wie die nachfolgenden Rechtsmittelgerichte im Widerspruchsverfahren an die Eintragung gebunden sind (vgl BGH GRUR 2000, 608, 610 "ARD-1"; GRUR 2001, 1158, 1160 "Dorf MÜNSTERLAND"; GRUR 2002, 626, 628 "IMS"), kann der Widerspruchsmarke im Hinblick auf ihre erkennbar warenbeschreibende Bedeutung von Haus aus nur eine deutlich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. Nachdem eine Stärkung ihrer Kennzeichnungskraft durch - intensive - Benutzung weder von der Widersprechenden vorgetragen und belegt wurde, noch gerichtsbekannt ist, genügen demzufolge, trotz Identität oder Nähe der beiderseitigen Waren, grundsätzlich schon relativ geringfügige Abweichungen in den Marken, um eine im Rechtssinn relevante Verwechslungsgefahr auszuschließen (vgl BPatG BlPMZ 2001, 292, 293 f "COMFORT HOTEL"). Ausgehend hiervon hält die jüngere Marke in jeder Hinsicht einen ausreichenden Abstand von der Widerspruchsmarke ein.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen (vgl ua BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"). Insgesamt betrachtet unterscheidet sich die jüngere Marke durch das zusätzliche Wort "one" ohne Zweifel hinreichend deutlich von der nur aus der Buchstabenfolge "XXL" bestehenden Widerspruchsmarke.

Zwar schließt der genannte Grundsatz nicht aus, daß unter Umständen auch einem einzelnen Bestandteil einer mehrgliedrigen Marke eine besondere, die Gesamtmarke prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und deshalb bei Übereinstimmung oder ausreichender Ähnlichkeit eines solchen Bestandteils mit der Gegenmarke eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die anderen Bestandteile so weit zurücktreten, daß sie vom Verkehr bei der Wahrnehmung der Marke vernachlässigt werden. Nicht ausreichend ist es danach, daß der übereinstimmende oder ähnliche Bestandteil für den Gesamteindruck der Marke lediglich mitbestimmend ist (vgl ua BGH GRUR 2002, 542, 543 "BIG"; GRUR 2003, 1040, 1044 "Kinder"; GRUR 2004, 865, 866 "Mustang"). Ob dem mit der Widerspruchsmarke ähnlichen Bestandteil "XL" eine derart - allein - prägende Bedeutung für die angegriffene Marke zukommt, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn man dies zugunsten der Widersprechenden unterstellt, unterscheidet sich der Markenbestandteil "XL" im Hinblick auf den, wie dargelegt, eng zu bemessenden Schutzumfang der Widerspruchsmarke noch genügend deutlich von der Buchstabenfolge "XXL", um eine im Rechtssinn relevante Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Bei dem insofern vorzunehmenden Ähnlichkeitsvergleich ist zudem dem Umstand Rechnung zu tragen, daß sich ausgesprochen kurze, aus zwei bzw drei Buchstaben bestehende Zeichen gegenüberstehen, die durch einen zusätzlichen respektive einen fehlenden Buchstaben in ihrem akustischen wie optischen Eindruck wesentlich nachhaltiger beeinflußt werden, als dies bei längeren Buchstaben- oder Wort-Zeichen der Fall ist. So ist bei der optischen Wahrnehmung der Unterschied in dem um ein Drittel kürzeren bzw längeren Schriftbild der Buchstabenkombinationen "XL" und "XXL" nicht zu übersehen. Nachdem bei der mündlichen Wiedergabe die Aufeinanderfolge der Konsonanten "XL" bzw "XXL" nach den deutschen wie auch den englischen Ausspracheregeln nicht wortmäßig "iksl", sondern als einzelne getrennte Buchstaben "iksiksel" ausgesprochen werden, tritt die vorhandene Abweichung im Klangeindruck ebenfalls stets gut vernehmbar hervor. Auch ist eine begriffliche Gleichstellung der Buchstabenfolgen "XL" und "XXL" im Verkehr nicht zu besorgen, da die aus dem Bekleidungssektor bekannten Abkürzungen jeweils unterschiedliche Größen bezeichnen.

Eine auf die Ähnlichkeit der Widerspruchsmarke mit dem Bestandteil "XL" der jüngeren Marke gestützte unmittelbare Verwechslungsgefahr scheidet demnach aus.

Auszuschließen ist schließlich auch die Gefahr, daß die jüngere Marke wegen der insoweit bestehenden Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke als ein davon abgewandeltes Serienzeichen gedanklich in Verbindung gebracht wird. Angesichts der Bedeutung der Buchstaben "XXL" als werbeübliche Größenangabe und des hieraus resultierenden Mangels an Kennzeichnungskraft eignet sich die Widerspruchsmarke von Haus aus nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie mit besonderem Hinweischarakter gerade auf das Unternehmen der Widersprechenden. Auch hat die Widersprechende nicht vorgetragen und belegt, daß sie den Verkehr bereits an eine "XXL"-Zeichenserie gewöhnt hat, abgesehen davon, daß die mit der Widerspruchsmarke "XXL" unter markenrechtlichen Gesichtspunkten nicht verwechselbar ähnlichen Buchstaben "XL" in der angegriffenen Marke keinesfalls einen mit der Widerspruchsmarke wesensgleichen Serienzeichenstamm darstellen. Allein der Umstand, daß der Verkehr die in der angegriffenen Marke enthaltene Buchstaben "XL" gedanklich als eine mit der Widerspruchsmarke "XXL" verwandte Größenangabe in Verbindung bringt, begründet keine markenrechtliche beachtliche Verwechslungsgefahr, da derartige Fälle, in denen der Verkehr lediglich eine rein assoziative gedankliche Verbindung zwischen den Marken herstellt, nicht von der Bestimmung des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erfaßt werden (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr 18) "Sabèl/Puma"; GRUR Int 2000, 899, 901 (Nr 34) "Marca Adidas").

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2004
Az: 24 W (pat) 119/99


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