Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Februar 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 43/06
(BPatG: Beschluss v. 03.02.2009, Az.: 24 W (pat) 43/06)
Tenor
Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. Januar 2005 aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke 2 911 019 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke BIO SUN ist am 28. Oktober 2002 für die Waren und Dienstleistungen
"Kosmetika, Haarwasser; Bestrahlungsgeräte für medizinische Zwecke; Bestrahlungsgeräte für kosmetische Zwecke, insbesondere Bräunungsgeräte; Dienstleistungen eines Sonnenstudios und eines Schönheitssalons"
unter der Nummer 399 72 337 für Frau P... R... in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen und am 29. November 2002 veröffentlicht worden. Mit Verfügung vom 23. Juni 2008 ist die Marke auf den Beschwerdeführer umgeschrieben worden.
Gegen die genannte Marke ist aus der am 18. August 1995 für die Waren
"Cremes und Öle für kosmetische und therapeutische Zwecke, auch zur Anwendung in medizinischen und homöopathischen Heilverfahren; Ohrkerzen zur homöopathischen Körpertherapie; Instrumente für medizinische und homöopathische Therapieund Heilverfahren, insbesondere Laser, piezoelektrische Akupunkturgeräte und Medikamenten-Testvorrichtungen"
eingetragenen, prioritätsälteren Wort-/Bildmarke Nummer 2 911 019 beschränkt, nämlich gerichtet nur gegen die Waren "Kosmetika", "Haarwasser" und "Bestrahlungsgeräte für medizinische Zwecke" der angegriffenen Marke, Widerspruch erhoben worden.
Aufgrund des Widerspruchs hat die mit einer Beamtin im höheren Dienst besetzte Markenstelle für Klasse 11 des DPMA mit Beschluss vom 26. Januar 2005 antragsgemäß die Teillöschung der angegriffenen Marke im Umfang der Waren "Kosmetika", "Haarwasser" und "Bestrahlungsgeräte für medizinische Zwecke" ausgesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwischen den beiderseitigen Waren bestehe im streitgegenständlichen Umfang Identität oder hochgradige Ähnlichkeit und die Marken seien jedenfalls in klanglicher Hinsicht identisch. Infolgedessen sei im geltend gemachten Umfang mit Verwechslungen im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu rechnen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, der mit Eingabe vom 3. November 2008 gemäß § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben hat.
Die Widersprechende hat hierauf Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung vorgelegt. Diese umfassen eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen der Widersprechenden, Herrn V... T..., vom 26. Januar 2009, in der Umsatzzahlen für die Jahre 2004 bis 2008 genannt sind und mit der vorgetragen wird, dass "seit vielen Jahren in Deutschland" Cremes, Öle und Ohrkerzen unter der Widerspruchsmarke vertrieben würden. Außerdem befinden sich unter den Unterlagen eine Packung "ORIGINAL BIOSUN OHR-KERZEN" mit Therapieanleitung "E501TDE1-02/2007-A", eine Schachtel "wellactive Ohrkerzen" mit Therapieanleitung "E501WDE1-02/2008-B" sowie ein Tiegel (50ml) "wellacitve Gesichtscreme" nebst Faltschachtel mit Aufdruck "Mindestens haltbar bis 08.2010". Ferner umfassen die Unterlagen den Faltprospekt "ORIGINAL BIOSUN OHRKERZEN THERAPIE" ("E501TDE4-06/2007-A"), die Broschüre "Wohlfühlen in einer neuen Dimension" ("E501W4DE2-05/2008-A") sowie fünf Rechnungskopien über den Verkauf von Ohrkerzen, Cremes u. a., die den Zeitraum von Juni 2007 bis Oktober 2008 betreffen. Nach Kenntnisnahme des Benutzungsmaterials hat der Markeninhaber die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten.
Der Markeninhaber beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 26. Januar 2005 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende hat (schriftsätzlich) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechende ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke zu Recht wegen einer bestehenden Verwechslungsgefahr aus dem Register teilweise gelöscht worden sei, was sie in ihrem Schriftsatz vom 28. Januar 2009 ausführlich erläutert hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ist die Beschwerde erst am 9. Februar 2006 eingelegt und die Beschwerdegebühr erst am 3. August 2006 entrichtet worden. Gleichwohl waren diese Handlungen nicht verfristet, da der Beschluss der Markenstelle vom 26. Januar 2005 weder dem Markeninhaber noch seiner Rechtsvorgängerin (Frau P... R...) wirksam zugestellt worden ist und deshalb die Beschwerdeund Gebührenzahlungsfrist von einem Monat (§ 66 Abs. 2 MarkenG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG) nicht in Lauf gesetzt wurde.
Ein erster Zustellungsversuch mittels eingeschriebenen Briefes an die damals bekannte Adresse der Rechtsvorgängerin des Markeninhabers in W..., O... weg ..., war fehlgeschlagen. Daraufhin veranlasste das DPMA eine erneute Zustellung an dieselbe Adresse mittels Postzustellungsurkunde. Auf dieser wurde von einem Bediensteten der Deutschen Post AG unter dem 5. April 2005 vermerkt, dass er die Sendung mit dem angefochtenen Beschluss in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt habe. Nach dem -vermeintlichen -Ablauf der Rechtsmittelfrist versuchte das DPMA, Frau R... über die erfolgte Teillöschung ihrer Marke zu unterrichten. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass Frau R... von W... nach H... und von dort nach S..., W...straße ..., verzogen war, wo sie die Mitteilung über die erfolgte Teillöschung schließlich erreichte. An die genannte Adresse wurde mit Bescheid vom 4. April 2006 auch der angefochtene Beschluss übersandt.
Entgegen der Annahme des DPMA ist der angefochtene Beschluss vom 26. Januar 2005 nicht wirksam zugestellt worden. Die Zustellungsurkunde der Deutschen Post AG vom 5. April 2005 stellt zwar eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 ZPO dar, sie erbringt aber nur darüber Beweis, dass die beurkundende Amtsperson den angegriffenen Beschluss am 5. April 2005 in einen Briefkasten im O... W...weg ... in ... W... eingelegt hat (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 418 Rdn. 4). Dagegen erstreckt sich die Beweiskraft der besagten Zustellungsurkunde nicht auf die für eine wirksame Zustellung erforderliche Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin des Markeninhabers zum Zustellungszeitpunkt tatsächlich unter der genannten Adresse gewohnt hat (vgl. § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 3 VwZG in der hier noch anzuwendenden alten Fassung i. V. m. § 180 ZPO). Die Urkunde stellt insoweit lediglich ein beweiskräftiges Indiz für das Vorhandensein einer Wohnung des Zustellungsempfängers dar, das jedoch durch eine plausible und schlüssige Darstellung entkräftet werden kann (BGH NJW 1992, 1963). Letzteres ist vorliegend der Fall.
Die Rechtsvorgängerin des Markeninhabers hat mit ihrer Beschwerde vorgetragen, dass sie am 5. April 2005 nicht mehr unter der Adresse ... W..., O... W...weg ..., gemeldet war. Diese Einlassung wird zunächst durch den Umstand gestützt, dass der erwähnte, vom DPMA unternommene Versuch, den angegriffenen Beschluss mittels eingeschriebener Sendung zuzustellen, mangels zutreffender Adressierung fehlgeschlagen war. Darüber hinaus hat eine telefonische Nachfrage des Senats beim Gemeindedirektor der Gemeinde W... ergeben, dass die Rechtsvorgängerin des Markeninhabers bereits seit dem 15. Juni 2004 nicht mehr in W..., sondern im C...weg ...,
... H..., gemeldet war. Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass Frau P... R... am 5. April 2005 nicht mehr unter der Zustell adresse wohnhaft war, die Zustellung somit ins Leere ging. Tatsächliche Kenntnis von dem angefochtenen Beschluss hat sie erst nach Einlegung der Beschwerde durch den Bescheid vom 4. April 2006 erlangt, so dass diese nicht als verfristet angesehen werden kann.
Im Ergebnis Gleiches gilt für die am 3. August 2006 erfolgte Gebührenzahlung. Zwar hat die Rechtsvorgängerin des Markeninhabers mit dem Bescheid vom 4. April 2006 tatsächliche Kenntnis von dem angefochtenen Beschluss erlangt. Eine Heilung der fehlerhaften Zustellung konnte dadurch jedoch nach dem vorliegend wohl noch anzuwendenden § 9 Abs. 2 VwZG a. F. nicht eintreten, da nach dieser Vorschrift eine Heilung ausgeschlossen war, wenn mit der Zustellung eine Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt werden sollte. Aber auch dann, wenn man bezüglich einer möglichen Heilung einer nach altem Zustellungsrecht erfolgten Zustellung die seit dem 1. Februar 2006 geltende Vorschrift des § 8 VwZG n. F. anwenden würde, die eine Heilung durch tatsächlichen Zugang auch dann erlaubt, wenn durch die Zustellung eine Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wird, könnte vorliegend nicht von einer Heilung ausgegangen werden. Der Akte lässt sich nämlich nicht entnehmen, wann der Beschluss an Frau R... zugegangen ist (vgl. Strö bele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 94 Rdn. 27). Im Übrigen hat das DPMA in dem Bescheid vom 4. April 2006 ausdrücklich ausgeführt, dass in der Übersendung des angefochtenen Beschlusses keine -nach Meinung des Amtes erneute -Zustellung liege. Auch dadurch sind somit keine Fristen in Lauf gesetzt worden.
2. Die Beschwerde des Markeninhabers hat auch in der Sache Erfolg. Die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke greift durch (§ 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 43 Abs. 1 Satz 3, 26 MarkenG). Die von der Markenstelle aufgrund des Widerspruchs angeordnete teilweise Löschung der angegriffenen Marke war daher aufzuheben und der Widerspruch insgesamt zurückzuweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 29. November 2002 war die Widerspruchsmarke bereits länger als fünf Jahre, nämlich seit dem 18. August 1995, eingetragen; ein Widerspruch gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke war nicht eingelegt worden. Der Markeninhaber hat die Benutzung der Widerspruchsmarke daher in zulässiger Weise nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG bestritten. Der Widersprechenden oblag es daher, die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke gemäß § 26 MarkenG für beide in § 43 Abs. 1 MarkenG bestimmten Fünfjahreszeiträume glaubhaft zu machen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 43 Rdn. 14), vorliegend also für den Zeitraum von November 1997 bis November 2002 und für den Zeitraum Janar 2004 bis Januar 2009. Diesen Verpflichtungen ist die Widersprechende nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Die Widersprechende hat eine eidesstattliche Versicherung ihres Prokuristen vorgelegt, in der Umsatzzahlen nur für die Jahre 2004 bis 2008 genannt sind, wobei auch die überreichten Waren, Verpackungen, Therapieanleitungen, Prospekte und Rechnungskopien nur eine Benutzung für die Jahre 2007 und 2008 belegen. Bezogen auf den Benutzungszeitraum November 1997 bis November 2002 finden sich dagegen in der eidesstattlichen Versicherung keine konkreten Aussagen, sondern nur der vage Hinweis, dass "seit vielen Jahren in Deutschland" Cremes, Öle und Ohrkerzen unter der Widerspruchsmarke vertrieben worden seien. Für diesen ersten maßgeblichen Benutzungszeitraum fehlt es somit an jeglicher Glaubhaftmachung.
Insoweit durfte die Widersprechende auch nicht mit einem den Mangel der Glaubhaftmachung aufklärenden Hinweis des Senats (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 139 Abs. 1 ZPO) rechnen. Da die Ausgestaltung des Benutzungszwangs im Widerspruchsverfahren dem Beibringungsund Verhandlungsgrundsatz unterstellt ist (vgl. BGH GRUR 1998, 938, 939 "DRAGON"; GRUR 2006, 152, 154 "GALLUP"), ist es grundsätzlich Sache eines Widersprechenden, von sich aus alle für eine rechtserhaltende Benutzung erforderlichen Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BPatGE 42, 195, 198 ff. "Neuro-Vibolex").
Nachdem der Widerspruch bereits wegen unzureichender Glaubhaftmachung der Benutzung gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 26, 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG keinen Erfolg haben kann, kommt es auf die Frage einer zwischen den Vergleichsmarken bestehenden Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht mehr an.
3.
Die Markenstelle, die von einer rechtskräftig geworden Teillöschung der angegriffenen Marke ausgegangen ist und zwischenzeitlich die Registereintragung entsprechend geändert hat, wird somit im Wege einer Berichtigung den ursprünglichen Zustand der Eintragung wiederherzustellen haben.
4.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen der Beteiligten aus Gründen der Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Prof. Dr. Hacker Richterin Dr. Kober-Dehm Eisenrauchist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.
Prof. Dr. Hacker Bb
BPatG:
Beschluss v. 03.02.2009
Az: 24 W (pat) 43/06
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