Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. März 2006
Aktenzeichen: 6 U 158/05
(OLG Köln: Urteil v. 17.03.2006, Az.: 6 U 158/05)
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.07.2005 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 875/04 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin stellt her und vertreibt medizinische Instrumente, darunter chirurgische Instrumente für die endoskopische Urologie. Hierzu gehört als Teilbereich die Resektoskopie, für welche die Klägerin seit 1994 ein sogenanntes Arbeitselement anbietet. Hinsichtlich der äußeren Aufmachung eines derartigen Arbeitselements wird auf das als Anlage AST 2 in dem beigezogenen Verfügungsverfahren 31 O 788/04 LG Köln vorgelegte Originalprodukt Bezug genommen.
Die Beklagte vertreibt gleichfalls ein Resektoskopie-Arbeitselement, hinsichtlich dessen Gestaltung auf die Anlage AST 3 des beigezogenen Verfügungsverfahrens verwiesen wird. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb unter dem Aspekt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung und der unangemessenen Ausbeutung bzw. Beeinträchtigung der Wertschätzung ihrer Produkte auf Unterlassung von Angebot und Vertrieb dieses Produkts, auf Auskunftserteilung bzw. Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei den von ihr angebotenen Arbeitselementen um wettbewerblich eigenartige Erzeugnisse handele, welche durch die angegriffenen Instrumente der Beklagten in wettbewerblich unlauterer Weise nachgeahmt würden.
Die Klägerin hat beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen,
es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
ein Arbeitselement für die Resektoskopie wie nachstehend eingeblendet, im geschäftlichen Verkehr anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
2. der Klägerin
Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu erteilen durch schriftliche Angaben über
aa. Namen und Anschriften sämtlicher Lieferanten und die Stückzahl der bei jedem Lieferanten bestellten Erzeugnisse,
bb. die Stückzahl der von jedem Lieferanten erhaltenen Erzeugnisse,
cc. Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und die Stückzahl der an jeden dieser Abnehmer ausgelieferten Erzeugnisse,
dd. Namen und Anschriften sämtlicher Auftraggeber, Hersteller und Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen) sowie die Stückzahlen der von diesen hergestellten und/oder bestellten und/oder ausgelieferten Erzeugnisse,
und unter Vorlage der entsprechenden Belege (Lieferscheine oder Rechnungen) in Kopie;
b. Rechnung zu legen über
aa. die mit den in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach einzelnen Lieferungen und jeweils mit Angabe
des Zeitpunkts der Lieferung
der Namen und Anschriften der Abnehmer
der gelieferten Stückzahlen
des Stückpreises
ob die in Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse Teil einer größeren Einheit waren und ggfs. die mit dieser größeren Einheit erzielten Umsätze
ob die in Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse in unterschiedlichen Modifikationen geliefert wurden
die zur Identifizierung der gelieferten Erzeugnisse notwendigen technischen Beschreibungen und Typenbezeichnungen,
die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der in Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse unter Angabe der Tatsachen, die die Beurteilung ermöglichen, ob der jeweilige Kostenfaktor ausschließlich durch Gestehung und/oder Vertrieb der in Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse verursacht wurde,
den mit den in Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Gewinn,
jeweils unter Vorlage entsprechender Belege.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 28.07.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte in wettbewerblich unlauterer Weise - nur - den guten Ruf der klägerischen Produkte ausnutze. Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Behauptungen insbesondere zur Frage eines unlauteren Imagetransfers. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, wobei sie an ihrer Auffassung festhält, dass die Klage - auch - unter dem Aspekt einer unlauteren Herkunftstäuschung begründet sei.
Die Akten des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens der Parteien 31 O 788/04 LG Köln (6 U 59/05 OLG Köln) sowie des Parallelverfahrens 31 O 12/05 LG Köln (6 U 159/05 OLG Köln), in welchem die Klägerin das Unternehmen Q. Medizintechnik GmbH als Herstellerin und Vertreiberin eines mit dem vorliegend angegriffenen baugleichen Arbeitselements in Anspruch nimmt, waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Ansprüche der Klägerin aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz unter dem Aspekt des unlauteren Imagetransfers, § 4 Nr. 9 b UWG, bejaht. Die klägerischen Arbeitselemente sind von wettbewerblicher Eigenart (1), wobei sich die angegriffenen Instrumente als fast identische Nachahmungen darstellen (2), und die Beklagte handelt unlauter, weil sie den guten Ruf der klägerischen Waren in unangemessener Weise ausnutzt.
1.
Nach den zu § 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätzen, die nunmehr in §§ 3, 4 Nr. 9 UWG verankert sind, können Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz gegen die Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses begründet sein, wenn das nachgeahmte Erzeugnis über wettbewerbliche Eigenart verfügt und bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erlangt hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vgl. zuletzt etwa BGH GRUR 2005, 600 - Handtuchklemmen; BGH WRP 2005, 88 - Puppenausstattungen). Die erforderliche wettbewerbliche Eigenart ist gegeben, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen hat die Kammer zu Recht bejaht.
a)
Die Klägerin verkennt nicht, dass nur willkürlich wählbare und frei austauschbare Gestaltungsmerkmale eine wettbewerbliche Eigenart ausmachen können, wohingegen technisch bedingte Elemente hiervon auszunehmen sind (vgl. zu diesen Kriterien BGH a.a.O. - Handtuchklemmen). Sie nimmt deshalb von vorneherein keinen Schutz in Anspruch für die durch die Funktion als chirurgische Instrumente bedingten technischen Merkmale ihrer Resektoskopie-Arbeitselemente, nämlich zylindrisches Rohr, Führung und Verriegelung der Elektrode, Verriegelungsmechanismus für Resektoskopschaft und Endoskop, Bewegungsmechanismus zur axialen Bewegung der Elektrode, Handgriff für mehrere Finger und Anschluss für Hochfrequenzstrom.
Indes handelt es sich nach ihrer unwidersprochen gebliebenen Darstellung bei den nachfolgend aufgelisteten Merkmalen um frei wählbare Elemente i.S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung:
Wie die Kammer zutreffend festgestellt hat, ist die Kombination aus einer Reihe dieser Merkmale, nämlich diejenige aus Form und Farbe von Ring- und Daumengriff, aus dem weißen Schlitten mit dem schwarzen, runden Rastknopf und der Fingerablage nebst dem Lockhebel mit seinem kugelförmigen Kopf geeignet, auf die betriebliche Herkunft der solcherart gestalteten Produkte hinzuweisen.
b)
Die Beklagte wendet sich ohne Erfolg gegen die weiteren Feststellungen der Kammer zu einer auch in Ansehung des wettbewerblichen Umfelds fortbestehenden wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Arbeitselemente.
Der Senat macht sich zunächst die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen, dass ungeachtet bestimmter Übereinstimmungen des Klageprodukts mit Konkurrenzprodukten - unstreitig - marktpräsenter Wettbewerber der Klägerin, nämlich der Unternehmen S. X. und P., Unterschiede in den die wettbewerbliche Eigenart prägenden Elementen der jeweiligen Produkte bestehen, welche angesichts des engen Gestaltungsspielraum der rein technischen Zwecken dienenden Geräte einerseits und des insgesamt kleinen Marktsegments der diese Instrumente nachfragenden Verkehrskreise andererseits nicht geeignet sind, die von Hause aus bestehende wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Instrumente zu schwächen.
Hinsichtlich sonstiger kleinerer Anbieter, die den klägerischen zum Teil durchaus nahe kommende Arbeitselemente vertreiben wie etwa die Unternehmen M. T. Labor- und Umwelttechnik GmbH (Anlage B 18) , S. (Anlagen B 20 und 21) oder H. (Anlagen B 19 und 30), hat die Klägerin schon erstinstanzlich substantiiert dazu vorgetragen und dies im Berufungsverfahren durch Zahlenangaben betreffend den relevanten Vertrieb in Deutschland noch präzisiert, dass die fraglichen kleinen Anbieter insgesamt nur ca. 5 % Marktanteil besitzen, mithin über eine insoweit zu vernachlässigende Marktpräsenz im fraglichen Bereich der Resektomie-Arbeitselemente verfügen. Angesichts dieses detaillierten und durch Vorlage unter anderem der schriftlichen Auskünfte einzelner Vertreiber über ihre Verkaufszahlen in Deutschland belegten Sachvortrags stellt sich das weitere Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen als unerheblich dar.
Dass die Resektoskopie-Arbeitselemente der Klägerin, die unstreitig zu den drei marktführenden deutschen Unternehmen für derartige Instrumente gehört, über eine hinreichende Verkehrsbekanntheit verfügen, zieht die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel.
2.
Die angegriffenen Produkte stellen sich als fast identische Nachahmung der wettbewerblich eigenartigen Arbeitselemente der Klägerin dar, wie ein Vergleich der als Originalware vorgelegten Anlagen AST 2 und AST 3 augenfällig belegt.
Die äußerst geringen, in dem angegriffenen Urteil herausgearbeiteten Unterschiede sind nicht geeignet, die Gesamtanmutung der angegriffenen Waren in anderer Weise als einer den klägerischen Produkten identischen auszumachen.
3.
Die Einwendungen der Beklagten gegen eine Beurteilung ihres Verhaltens als wettbewerblich unlauter i.S. des § 4 Nr. 9 b UWG vermögen nicht zu überzeugen.
a)
Der Senat neigt der von dem Landgericht vertretenen Auffassung zu, dass die angesprochenen Fachkreise sich angesichts der spezifischen Werbe- und Kaufsituation nicht über die betriebliche Herkunft der angegriffenen Produkte i.S. des § 4 Nr. 9 a UWG irren werden, sei es unmittelbar oder mittelbar. Einer Vertiefung bedarf dies allerdings nicht. Der Senat teilt nämlich anders als die Beklagte die von dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Klemmbausteine III" (GRUR 2005, 349) geäußerte Ansicht, dass eine Ausnutzung der Wertschätzung fremder Leistungsergebnisse i.S. des § 4 Nr. 9 b UWG nicht notwendig eine Täuschung des Erwerbers über die betriebliche Herkunft der Ware voraussetzt, sondern auch ohne Herkunftsverwechslungen allein dann zu bejahen ist, wenn es zu einer Übertragung von Güte- und Wertevorstellungen kommt (BGH a.a.O. - Klemmbausteine III). Für eine grundsätzliche, wenn auch nicht stets notwendige Trennung zwischen Herkunftstäuschungen einerseits und von dieser unabhängige Rufausbeutungen andererseits sprechen Wortlaut und Systematik des novellierten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, dessen § 4 Nr. 9 zwischen dem Unlauterkeitstatbestand eben der Herkunftstäuschung - lit. a der Vorschrift - und dem der Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung der Wertschätzung - lit. b - unterscheidet: wäre ein Irrtum des Verkehrs über die betriebliche Herkunft einer Ware stets auch Voraussetzung einer Rufausbeutung/-beeinträchtigung, käme der Regelung in § 4 Nr. 9 b UWG keinerlei eigenständiger Regelungsgehalt zu, sie wäre vielmehr überflüssig, wofür allerdings nichts spricht.
b)
Die folglich auch ohne Bejahung einer Herkunftstäuschung eröffnete Frage eines unlauteren Imagetransfers ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung zu beantworten, in die alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind, so insbesondere der Grad der Anlehnung und die Stärke des Rufs des angreifenden Produkts (BGH a.a.O. - Klemmbausteine III). Zu bedenken ist allerdings, dass grundsätzlich allein schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer i.S. des § 4 Nr. 9 b UWG relevanten Übertragung von Gütevorstellungen führen kann (BGH a.a.O. S. 353). So liegt die Sache im Streitfall.
Der Grad der Anlehnung an die klägerischen Modelle ist, wie ausgeführt, äußerst hoch, ohne dass ersichtlich oder vorgetragen wäre, dass hierfür durch den Gebrauchszweck der Waren bedingte technische Notwendigkeiten bestünden.
Auch im Berufungsverfahren ist zudem davon auszugehen, dass die Klägerin neben den bereits erwähnten Mitbewerbern S. X. und P. zu den drei Marktführern in Deutschland gehört, welche den Absatzmarkt für chirurgische Instrumente der fraglichen Art praktisch unter sich aufteilen. Soweit die Klägerin auf der Grundlage des als Anlage K 9 vorgelegten Gutachtens der J. GmbH vom 27.06.2005 einen Marktanteil von 34,8 % für sich in Anspruch nimmt (Wolf 32,3 %, P. 32,9 %), waren diese Zahlen erstinstanzlich ausdrücklich zugestanden. In ihrer schriftsätzlichen Stellungnahme vom 05.07.2005 zu dem fraglichen Gutachten, dort auf Seite 4 unten (Bl. 179), hat die Beklagte nämlich noch eingeräumt: "Das Ergebnis des Verkehrsgutachtens bestätigt somit lediglich die Marktposition der Klägerin". Im Hinblick hierauf ist sie gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO damit ausgeschlossen, die sich aus dem Gutachten ergebenden Marktanteile nunmehr erstmals in der Berufungsbegründung zu bestreiten.
Dem demoskopischen Gutachten lässt sich überdies entnehmen, dass die fraglichen Instrumente der Klägerin in den maßgeblichen Verkehrskreisen eine ganz erhebliche Bekanntheit genießen; auf die zutreffenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zu dem sehr hohen Bekanntheits- bzw. Zuordnungsgrad der seit 1994 vertriebenen Produkte wird verwiesen.
Die Aussagekraft des Gutachtens wird auch nicht etwa deshalb in Frage gestellt, weil den befragten Mitgliedern der einschlägigen Fachkreise zwei der zu dem Resektoskopie-System der Klägerin gehörende Instrumente gezeigt worden sind, nämlich neben dem streitbefangenen Arbeitselement auch ein sogenannter (Resektoskop-) Schaft. Beide Teile werden nämlich funktionsbedingt stets zusammen verwendet, und zudem ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass gerade der Schaft die erhebliche Bekanntheit ausmachen würde, die den Geräten attestiert worden ist.
Die hohe Bekanntheit der klägerischen Arbeitselemente, von der der Senat auszugehen hat, und der weitere Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eines der drei etwa gleich starken Unternehmen handelt, die den fraglichen Markt praktisch vollständig beherrschen, erlauben den Schluss, dass der angesprochene Verkehr mit ihren Resektoskopie-Arbeitselementen die - hohen - Gütevorstellungen verbindet, die einem bekannten, marktführenden Markenartikler gemeinhin entgegen gebracht werden.
Es entspricht insoweit Grundsätzen der allgemeinen Lebenserfahrung, von der Bekanntheit bzw. dem Absatzerfolg einer Ware auf die Gütevorstellungen zu schließen, die der Verkehr mit diesen Produkten verbindet. Wenn dies bei Gebrauchsgütern des täglichen Lebens und ihrer Wertvorstellung in den Augen des allgemeinen Verkehrs auch ausgeprägter sein mag als bei nur einem spezifischen Fachpublikum wie dem hier angesprochenen der (operierenden) Urologen zugänglichen Produkten, so ist dennoch nichts dafür dargetan, was die Gültigkeit dieser grundsätzlichen Gleichstellung von hoher Bekanntheit bzw. erheblichem Absatzerfolg mit einer besonderen Gütevorstellung auch in der Anschauung eines ärztlichen Fachpublikums in Zweifel ziehen könnte. Im Gegenteil wird der Gleichstellungsgedanke eher gestärkt durch den von der Beklagten selbst hervorgehobenen Umstand, dass sie auf die Kompatibilität ihres angegriffenen Arbeitselements mit dem Resektoskop-System der Klägerin ausdrücklich werbend hinweist. Erhebliche Teile der solcherart angesprochenen Verkehrskreise werden sodann nämlich annehmen, dass diese Modelle denen der Klägerin nicht nur im Aussehen, sondern auch in der Qualität unmittelbar vergleichbar sind, mithin ihre positiven Gütevorstellungen auf das Produkt der Beklagten übertragen.
c)
Die Beklagte hat auch nicht mit ihrem Argument Erfolg, die von ihr vorgenommene Nachahmung des von der Klägerin hergestellten Arbeitselements sei durch ihr Kompatibilitätsinteresse gerechtfertigt. Der Senat geht allerdings davon aus, dass ein derartiges Interesse nicht nur zur Unvermeidbarkeit einer Herkunftstäuschung i.S. des § 4 Nr. 9 a VWG führen kann (vgl. BGH GRUR 2000, 521, 525 - Modulgerüst; Hefermehl, Köhler, Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. A., § 4 VWG Rn. 9.50), sondern gegebenenfalls auch verhindert, eine Beeinträchtigung nach § 4 Nr. 9 b VWG als "unangemessen" zu bezeichnen. Das hätte aber zur Voraussetzung, dass die Produktnachahmung durch technische Gestaltungsmerkmale bedingt ist, die zur Herstellung der Kompatibilität verwendet werden müssen. Daran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, welche (fast) identisch übernommenen Gestaltungsmerkmale zum Erreichen einer Kompatibilität mit dem Resektoskopiesystem der Klägerin unverzichtbar, weil notwendig technisch bedingt, wären.
Angesichts dessen, dass das in Rede stehende Arbeitselement zahlreiche Produktmerkmale enthält, die frei wählbar sind und ihre wettbewerbliche Eigenart begründen (vgl. oben unter Ziff. 1a), oblag der Beklagten insoweit die Darlegungslast.
4.
Da die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht durchzudringen vermag, besteht auch ihre weitere Verurteilung zu Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung aus den von dem Landgericht dargestellten Gründen zu Recht, wobei anzumerken ist, dass diese Annexansprüche (erst) mit Wirkung ab November 2003 bestehen, nämlich dem nach eigenem Vorbringen der Beklagten im Verfügungsverfahren erstmaligen Angebot der angegriffenen Instrumente auf der Fachmesse MEDICA 2003. Da die Parteien darüber nicht streiten, hat der Senat von einer Aufnahme dieses Zeitpunktes in den Urteilstenor abgesehen.
5.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem der Entscheidungsschwerpunkt im tatrichterlichen Bereich liegt und die berührten grundsätzlichen Rechtsfragen bereits eine Klärung durch die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gefunden haben.
OLG Köln:
Urteil v. 17.03.2006
Az: 6 U 158/05
Link zum Urteil:
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