Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 18. April 2012
Aktenzeichen: 8 W 147/12
(OLG Stuttgart: Beschluss v. 18.04.2012, Az.: 8 W 147/12)
Registerrecht:
Der Eintritt der Unverbindlichkeit der Zeichnung von neuen Aktien durch Fristablauf für die Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals gemäß §§ 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, 189 AktG führt zu einem endgültigen Eintragungshindernis. Das Registergericht hat die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung abzulehnen, ohne dass es einer vorherigen Zwischenverfügung mit Fristsetzung zur Behebung des Eintragungshindernisses bedarf. Beim Vorliegen einer neuen Zeichnung ist eine erneute Handelsregisteranmeldung vorzunehmen.
Tenor
1. Die befristete Beschwerde der Beteiligten Z. 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Registergericht - vom 29. Februar 2012, HRB 722331, wird
zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Z. 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 12.600 EUR
Gründe
I.
Mit der Urkunde des Beteiligten Z. 2 vom 30. Dezember 2011, UR Nr. .../2011/F, wurden unter anderem Kapitalerhöhungen vom 18. April 2011 um 7.600 EUR und vom 22. August 2011 um 5.000 EUR angemeldet.
Das Registergericht hat die Anmeldung der Kapitalerhöhungen und der damit verbundenen Satzungsänderung zurückgewiesen, weil das mit den Zwischenverfügungen vom 23. Januar und 3. Februar 2012 aufgezeigte Eintragungshindernis nicht behoben werden kann. Dieses liegt darin, dass die Zeichnung/Zeichnungsscheine für die Durchführung der Kapitalerhöhung durch Eintragung in das Handelsregister bis 1. Dezember 2011 befristet sind.
Der beurkundende Notar hat namens der Antragstellerin hiergegen Beschwerde eingelegt, weil er der Auffassung ist, dass es sich um kein endgültiges Eintragungshindernis handelt.
Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 11. April 2012 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die befristete Beschwerde ist gemäß §§ 374 Nr. 1, 378 Abs. 2, 382 Abs. 3, 58 ff. FamFG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Registergericht hat die Anmeldung mit Urkunde vom 30. Dezember 2011 zu Recht zurückgewiesen, weil es zutreffend von einem endgültigen Eintragungshindernis ausgegangen ist, wobei es der Antragstellerin freisteht, eine erneute Handelsregisteranmeldung einzureichen.
Dass die in den Vorstandsbeschlüssen vom 18. April und 22. August 2011 und in den Zeichnungsscheinen festgelegte Befristung dahin, dass die Zeichnung durch die jeweils Genannten unverbindlich wird, wenn die Kapitalerhöhung nicht bis zum 1. Dezember 2011 in das Handelsregister eingetragen ist, zu der Rechtsfolge der Unverbindlichkeit der Zeichnungen gemäß § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG führt, die ex nunc eintritt mit Fristablauf, steht außer Frage.
Durch die Angabe des Endzeitpunktes wird der Zeichner vor einer unbegrenzten Bindung an seine Erklärung bewahrt. Die Regelung über diesen Zeitpunkt muss daher ernsthaft sein (Peifer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2011, § 185 AktG Rn. 24, m.w.N.). Der in § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG festgelegte Zeitpunkt ist eine auflösende Rechtsbedingung mit einer Zeitbestimmung. § 158 Abs. 2 BGB gilt entsprechend. Die mit dem Vertrag begründeten Rechte und Pflichten gehen unter (Marsch-Barner in Bürgers/Körber, Heidelberger Kommentar, Aktiengesetz, 2. Auflage 2011, § 185 AktG Rn. 10, m.w.N.).
Ausgehend hiervon ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich darüber zu entscheiden, ob durch den Eintritt der Unverbindlichkeit der Zeichnungen ein endgültiges Eintragungshindernis vorliegt mit der Folge der Notwendigkeit einer erneuten Handelsregisteranmeldung oder ob der Antragstellerin durch eine Zwischenverfügung eine Frist zur Behebung des Eintragungshindernisses gesetzt werden kann und muss.
Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Zeichnung/Zeichnungsscheine bereits zum 1. Dezember 2011 unverbindlich geworden waren, also im Zeitpunkt der Anmeldung mit Urkunde vom 30. Dezember 2011 keine Eintragungsvoraussetzung mehr bilden konnten. Vielmehr wurden mit Beginn des Anmeldungsverfahrens Eintragungsunterlagen eingereicht, aufgrund derer die Durchführung der Kapitalerhöhung durch Handelsregistereintragung nicht erfolgen durfte.
Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Registergerichts an, dass von einem endgültigen Eintragungshindernis auszugehen ist.
Soweit ersichtlich existiert zu der sich stellenden registerrechtlichen Frage keine neuere Rechtsprechung - abgesehen von KG OLG-Rspr. 43 (1924), 316, wonach die Eintragung abzulehnen ist.
In der Literatur wird das Problem entgegen der Meinung der Beteiligten Z. 1 - wenn es überhaupt angesprochen wird - letztlich dahin beantwortet, dass die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung vom Registergericht abzulehnen ist (Klevemann AG 1993, 273 ff.; Wiedemann in Aktiengesetz, Großkommentar, 4. Auflage 2006, § 185 Rn. 50; Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 185 Rn. 42; Rebmann in Heidel, Aktienrecht, 2. Auflage 2007, § 185 Rn. 19, 20, 23; Hefermehl/Bungeroth, Aktiengesetz, § 185 Rn. 63, 65, 66; Hüffer, Aktiengesetz, 9. Auflage 2010, § 185 Rn. 16; Peifer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage 2011, § 185 Rn. 45; je m.w.N.).
Sofern teilweise, insbesondere von Peifer und Hüffer, auf die sich die Antragstellerin bezieht, vertreten wird, dass kein endgültiges Eintragungshindernis vorliege, verweist gerade Peifer auf Klevemann AG 1993, 273, der aber für den hier vorliegenden Fall der Unverbindlichkeit der Zeichnung durch Fristablauf (Seite 277) von der Möglichkeit einer erneuten Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung spricht (vergleiche auch Fußnote 128 in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 185 Rn. 45).
Dieses Recht wird der Beteiligten Z. 1 nicht abgesprochen. Ihr wird aber die Möglichkeit der Nachreichung neuer Zeichnungen im vorliegenden Verfahren mit einer neu zu bestimmenden Befristung versagt, die auch einen entsprechenden Vorstandsbeschluss erfordern würde.
Denn der Fall des Eintritts der Unverbindlichkeit nach § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG ist nicht vergleichbar mit sonstigen fehlenden Angaben im Zeichnungsschein, die gemäß § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 1-3, Abs. 2 AktG zur Nichtigkeit führen. Insoweit handelt es sich um Mängel, die von den Parteien nicht beabsichtigt waren und deren Fehlerbeseitigung ihnen deshalb im Anmeldungsverfahren durch eine Zwischenverfügung eingeräumt werden sollte.
Der in der Zeichnung vorgesehene Endzeitpunkt für das Wirksamwerden der Kapitalerhöhung (§ 189 AktG) beruht aber auf einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Der Zeichner geht durch seine Unterschriftsleistung auf dem Zeichnungsschein ganz bewusst eine Bindung nur innerhalb der dort genannten Befristung ein. Es entspricht dem Willen der Parteien, dass die Zeichnung unverbindlich wird und deshalb die mit dem Vertrag begründeten Rechte und Pflichten untergehen, wenn nicht innerhalb der getroffenen Befristung die Kapitalerhöhung durch die Eintragung in das Handelsregister wirksam geworden ist.
Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass eine "Nachbesserung" im vorliegenden Anmeldungs- und Beschwerdeverfahren nicht möglich ist. Es besteht nicht nur ein einfacher Mangel durch unvollständige Angaben, sondern ein von den Parteien entsprechend der Vorschrift des § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG gewollter und einverständlich, d.h. vertraglich festgelegter Wegfall jeglicher Rechte und Pflichten aus der Zeichnung. Beide Vertragsparteien sind entsprechend ihrer Willensbildung nicht mehr gebunden und müssen eine neue Vereinbarung unter Einhaltung sämtlicher zu beachtender Wirksamkeitsvoraussetzungen treffen, sofern sie eine neue Zeichnung beabsichtigen, deren Konditionen allein wegen des Zeitablaufs möglicherweise geändert werden müssen.
Die hierauf beruhende Zeichnung und Ausstellung der Zeichnungsscheine kann aber nicht der ursprünglichen Anmeldung "nachgeschoben" werden, sondern nur eine insgesamt neue Anmeldung begründen. Denn es ist ein "aliud", etwas vollständig anderes, ein neuer Vertrag.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass nach dem Vertragswillen der Parteien deren Bindung an die Zeichnung bereits entfallen war, bevor die Anmeldung der Kapitalerhöhung beim Registergericht beantragt wurde. Dadurch wurde die vorliegende Anmeldung vom Willen der Parteien - zumindest der Zeichner - zu keinem Zeitpunkt getragen.
Der Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ulm ist deshalb nicht zu beanstanden und die hiergegen gerichtete Beschwerde war mit der Kostenfolge von § 84 FamFG und § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO als unbegründet zurückzuweisen.
Für die Bemessung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens wurden die Kapitalerhöhungsbeträge gemäß §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO zu Grunde gelegt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
OLG Stuttgart:
Beschluss v. 18.04.2012
Az: 8 W 147/12
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