Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 227/00
(BPatG: Beschluss v. 30.01.2002, Az.: 28 W (pat) 227/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. Juni 1998 und vom 24. Mai 2000 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch über die im Erstbeschluss versagten Waren hinaus zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 073 721 wird die Löschung der angegriffenen Marke 395 00 086 auch für die Waren "konserviertes und gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen, Zucker, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Melassesirup, Salz, Saucen (Würzmittel), Gewürze" angeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die u.a. für die Waren
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Eier; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze, Kühleis "
eingetragene Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der älteren Wortmarke 2 073 721 EARTHRISE die seit dem 2. August 1994 u.a. für die Waren
"Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Nahrungszusätze für medizinische Zwecke, insbesondere Kräuter, Vitamine und Mineralien; Tiernahrungszusätze für medizinische Zwecke, insbesondere in Pulver- und Tablettenform; pharmazeutische, veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Futtermittel, insbesondere Futter für Katzen, Hunde, Fische und Vögel"
geschützt ist.
Die Markenstelle hat im Erstbeschluß dem Widerspruch teilweise stattgegeben und im Umfang der Waren
"Fleischextrakte, Milch und Milchprodukte, Speiseöle und -fette, Mehle und Getreidepräparate, Brot, Hefe"
die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da vor dem Hintergrund sehr ähnlicher Marken und soweit Warenähnlichkeit anzunehmen sei, Verwechslungsgefahr bestehe. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden ist erfolglos geblieben.
Mit der gegen diese Beschlüsse gerichteten Beschwerde der Widersprechenden verfolgt diese weiter ihren Antrag, über den bereits angeordneten Umfang hinaus die angegriffene Marke vollständig zu löschen.
Zur Begründung trägt sie vor, diätetische Nahrungsmittel und diätetische Nahrungszusätze würden von denselben Unternehmen angeboten wie "normale" Lebensmittel. Erstere besagten nur, daß sie im Unterschied zu allgemeinen Lebensmitteln zur Vermeidung von Krankheiten nützlich seien; hinsichtlich der Zutaten und Komponenten beider Warengruppen bestünden jedoch weitgehende Übereinstimmungen. Selbst bei einem deutlichen Warenabstand müßte aber wegen der Fast-Identität der Marken Verwechslungsgefahr angenommen werden und die jüngere Marke insgesamt gelöscht werden.
Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist im Termin nicht erschienen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nur hinsichtlich der im Tenor genannten Waren begründet.
Nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist eine eingetragene Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierzu gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen.
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen wurden, ist von der Registerlage auszugehen und unter Beachtung des Systems der Wechselwirkung soweit sich (noch) ähnliche Waren gegenüberstehen, vorliegend die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen.
Über den von der Markenstelle im Erstbeschluß festgestellten Umfang hinaus ist das der Fall, soweit den "diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke" der Widersprechenden solche Lebensmittel der Klassen 29 und 30 auf Seiten des Markeninhabers gegenüberstehen, die als Diätprodukte oder diätetische Zusatzstoffe bzw Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt sind, ohne speziell für medizinische Zwecke bestimmt zu sein.
Insoweit können im Einzelfall zu den noch im Streit befindlichen Waren der angegriffenen Marke mehr oder weniger deutliche graduelle Unterschiede in der Ähnlichkeit bestehen. "Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" können im wesentlichen nur dadurch von den vom Anmelder beanspruchten Waren abgegrenzt werden, daß sie sich nach § 1 Abs 2 Diätverordnung aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Herstellungsverfahrens deutlich von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden müssen. Allerdings sind solche Unterschiede für das angesprochene allgemeine Publikum nicht durchweg zuverlässig zu erkennen. Eine diätetische Ernährung im allgemeinen (nicht medizinischen) Sinn unterscheidet sich von einer speziellen Diätkost für medizinische Zwecke unter Umständen nur unwesentlich. So kann etwa eine leichte Diätkost bei leichten Magenverstimmungen ausreichend sein, wobei jedoch eine strengere, medizinischen Zwecken dienende Diät auch in diesem Fall ohne weiteres möglich und hilfreich sein kann, wie umgekehrt auch bei schwereren Störungen, die eine medizinische diätetische Behandlung erforderlich erscheinen lassen, möglicherweise ergänzend zur Diät zu medizinischen Zwecken auch leichte nichtmedizinische Diät eingenommen werden kann, um den Gesamtnahrungsbedarf sicher zu stellen. Insoweit besteht zwischen den im Tenor genannten Lebensmitteln und den "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" eine je nach den Berührungspunkten mit den Waren der Widersprechenden unterschiedlich ausgeprägte Warenähnlichkeit (vgl BPatGE 42, 34 ff "Netto 62", PAVIS CD-ROM 30 W (pat) 233/98 sowie Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl. S. 114 ff ), für die übrigen noch im Streit befindlichen Waren ist diese jedoch zu verneinen.
Was die Waren im einzelnen angeht, für die der Senat vorliegend über den im Erstbeschluß angeordneten Umfang hinaus die jüngere Marke für löschungsreif ansieht, handelt es sich im wesentlichen um verarbeitete Lebensmittel, die etwa unter Verwendung von diätetischen Zusätzen hergestellt (zB konserviertes, gekochtes Obst und Gemüse, Gallerten, Konfitüren, Fruchtsaucen etc) oder die zur Ernährung von bestimmten Personengruppen mit Störungen des Verdauungs- oder Stoffwechselprozesses (zB Zucker, Salz, Speiseeis, feine Back- und Konditorwaren) geeignet sein können.
Für diese Waren hält die jüngere Marke vor diesem tatsächlichen Hintergrund und angesichts einer offensichtlich klanglich wie schriftbildlich hochgradigen Markenähnlichkeit den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht mehr ein, so dass im Umfang des Ausspruchs im Tenor Verwechslungsgefahr besteht und auch insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.
Hinsichtlich der übrigen Waren des Anmelders fehlt es unter Beachtung der oben genannten Grundsätze und Verkehrsgepflogenheiten ersichtlich an jeglichen Berührungspunkten zu "diätetischen Erzeugnissen für medizinischen Zwecke" und damit an der Warenähnlichkeit. Hinsichtlich der Waren der Klasse 31, für die die Widerspruchsmarke ebenfalls geschützt ist, entspricht die Verneinung von Warenähnlichkeit zu Lebensmitteln gefestigter Rechtsprechung (BGH GRUR 1999, 161 MacDog).
Im Ergebnis konnte die Beschwerde daher nur im Umfang des Ausspruches im Tenor Erfolg haben und war im übrigen zurückzuweisen.
Der Senat sieht jedoch keinen Grund, einem der Beteiligten gemäß § 71 Abs 1 MarkenG Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten aufzuerlegen.
Stoppel Martens Voit Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)227-00.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 30.01.2002
Az: 28 W (pat) 227/00
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