Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 12. November 2010
Aktenzeichen: 19 U 126/10
(OLG Köln: Urteil v. 12.11.2010, Az.: 19 U 126/10)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.07.2010 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln -86 O 45/10- unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C., die Belieferung der Klägerin mit Vertragswaren, nämlich O.-Neufahrzeugen sowie Original-O.-Ersatz- und Zubehörteilen gemäß dem O.-Händlervertrag vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Ent-scheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu verweigern,
2.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C., die Erstattung von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten an Fahrzeugen der Marke O. aufgrund des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu verweigern,
3.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C.,
a)
die sich an den Betriebsanlagen der Klägerin befindliche Beschilderung und Signalisation sowie sämtliche Hinweise auf die Autorisierung der Klägerin sowie Zeichen, die auf die Marke O. hinweisen und
b)
jede weitere Verwendung der Marke O. sowie der zugunsten der Beklagten geschützten Zeichen am Standort der Klägerin, auf ihren Ge-schäftspapieren, Internetseiten oder in sonstigen Werbe- und Reklamematerialien
aufgrund des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu dulden.
Der weitergehende Verfügungsantrag der Klägerin sowie derjenige der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin ist auf Grund des Händlervertrages vom 02./16.01.2007 Vertragshändler der Beklagten, der deutschen Importeurin für Neufahrzeuge und Ersatzteile der Marke O.. Zudem ist die Klägerin Service-Partner der Marke D..
Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehen seit längerer Zeit Differenzen im Zusammenhang mit der Freigabe und der Höhe der Vergütung von Arbeiten im Rahmen von Garantieleistungen und sonstigen für den Endverbraucher kostenlosen Serviceaktionen.
Nach einem Erörterungsgespräch am 20.10.2009 zu dieser Thematik wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2009 auf die Möglichkeit der Anpassung der Stundenverrechnungssätze sowie auf weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Kostenstruktur und organisatorischer Änderungen einiger Abläufe im Betrieb der Klägerin hin. Ferner forderte sie die Klägerin in diesem Schreiben unter Hinweis auf den Ablauf von Garantiearbeiten bei dem Kunden L. und dessen Beschwerde auf, es zukünftig zu unterlassen, derartige Arbeiten deshalb nicht zu Ende zu führen, weil sie -die Klägerin- mit den Vergütungsrichtlinien nicht einverstanden sei. Zugleich drohte die Beklagte für den Fall, dass die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkommen werde, vertragsrechtliche Schritte bis hin zur außerordentlichen Kündigung des Händlervertrages an.
Mit Schreiben vom 25.05.2010 erklärte die Beklagte unter Hinweis auf Teil F Ziffer 1.4, Teil H Ziffer 2.4 und 2.12 des Händlervertrages die außerordentliche und fristlose Kündigung des Händlervertrages. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf ihre Ausführungen in ihrem Schreiben vom 31.03.2010, mit dem sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen im Fall M. gegeben hatte, sowie auf das Antwortschreiben des vorprozessual tätigen Bevollmächtigten der Klägerin und das Erörterungsgespräch vom 05.05.2010. Ferner führte die Beklagte zur Begründung ihrer fristlosen Kündigung des Händlervertrages aus, die Klägerin habe als Garantie deklarierte Tätigkeiten bei dem Kunden M. nochmals mit einem erheblichen Betrag (einmal mit 350,- € und einmal mit 7.500,- €) in Abrechnung gebracht. Zuvor habe die Klägerin dem Kunden gegenüber vorgetäuscht, die Reparatur sei als Garantieleistung mit keinen Kosten verbunden. Zudem habe die Klägerin einen Garantiefall vorgetäuscht, um von der eigenen Verantwortung für den unsachgemäßen Einbau eines Kabelbaums abzulenken und um Kosten bei der Beklagten abzurechnen, auf die kein Anspruch bestehe.
Die Klägerin hat eingeräumt, für die Arbeiten am Fahrzeug des Kunden M. bei der Abholung am 09.12.2009 von diesem 300,00 € verlangt und erhalten zu haben. Hierzu habe nach ihrer Ansicht deshalb begründeter Anlass bestanden, weil zu diesem Zeitpunkt die Freigabe der Garantie durch die Beklagte noch nicht vorgelegen habe und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Kunde die Zahlung der Arbeiten verweigern würde.
Die Klägerin hat bestritten, die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden M. am 12.03.2010 von der Zahlung eines "Sicherheitseinbehalts" von 7.000,00/7.500,00 € abhängig gemacht zu haben. Unstreitig hat der Kunde M. sein Fahrzeug mit einem Zweitschlüssel am Wochenende des 13./14.03.2010 vom Betriebsgrundstück der Klägerin entfernt und am 15.03.2010 der Beklagten gegenüber erklärt, dass die Klägerin nur gegen Zahlung eines "Sicherheitseinbehalts" von 7.000,00/7.500,00 € zur Herausgabe seines Fahrzeugs bereit gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 21.06.2010 hat die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagten beantragt, gerichtet darauf, der Beklagten zu untersagen, die Belieferung mit Vertragsware, nämlich O.-Neufahrzeugen sowie Original O. Ersatz- und Zubehörteilen zu verweigern, hilfsweise die Belieferung mit bereits zum Zeitpunkt der Kündigung verkauften O.-Fahrzeugen vorzunehmen, sowie der Beklagten zu untersagen, die Durchführung und Erstattung von Instandsetzungs-, Gewährleistungs-, Garantie- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen der Marke O. sowie den Zugang zu den im Intranet der Beklagten eingestellten technischen Informationen zu verweigern und der Beklagten aufzugeben, sämtliche Hinweise auf die Autorisierung der Klägerin als Vertragspartnerin sowie jede weitere Verwendung der Marke O. und der zugunsten der Beklagten geschützten Zeichen sowie die Verwendung der Sicherheitskarte A des Consult III Diagnosegerätes zu dulden.
Die Beklagte hat die Zurückweisung der Verfügungsanträge der Klägerin begehrt und im Wege der Gegenverfügung beantragt, der Klägerin zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "O." zu benutzen und dabei vorzuspiegeln, autorisierte/r O. Vertragshändler und/oder O. Vertragswerkstatt zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Verfügungsanträge beider Parteien zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Verfügungsanspruch der Klägerin sei nicht gegeben, da die Beklagte den Händlervertrag mit Schreiben vom 25.05.2010 wirksam fristlos gekündigt habe. Ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin sei bereits darin zu sehen, dass die Klägerin im Dezember 2009 von dem Kunden M. 300,00 € verlangt habe. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass zu diesem Zeitpunkt die Garantiezusage der Beklagten noch nicht vorgelegen habe, da sie -die Klägerin- das Risiko, ob eine Garantiezusage erfolgen werde, nicht auf den Kunden in der Weise verlagern dürfe, dass sie eine vom Kunden zu zahlende Vergütung ggf. zurück erstattet. Die Behauptung der Klägerin, die 300,00 € stellten eine Gegenleistung für die Wiederherstellung der vorläufigen Fahrbereitschaft dar, sei eine Schutzbehauptung. Ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Verstoß liege jedenfalls darin, dass die Klägerin am 12.03.2010 nach erbrachten Garantieleistungen die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden M. von einer Zahlung eines Betrages in Höhe von 7.000,00 bzw. 7.500,00 € abhängig gemacht habe. Dabei hat sich das Landgericht zur Glaubhaftmachung auf die eidesstattlichen Versicherungen des Kunden M. sowie der Mitarbeiter der Beklagten T. und N. gestützt. Bei dieser Sachlage sei der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar. Darüber hinaus fehle es auch an einem Verfügungsgrund, da die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Befriedungsverfügung in Betracht komme, nicht vorlägen, wobei auch die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrages mit zu berücksichtigen seien.
Auch der Verfügungsantrag der Beklagten habe keinen Erfolg. Insoweit fehle es jedenfalls am Verfügungsgrund. Auf § 12 Abs. 2 UWG könne sich die Beklagte nicht berufen, weil es in der Sache nicht um einen gesetzlichen Anspruch aus Wettbewerbsrecht, sondern vorrangig um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte gehe. Die Voraussetzungen einer auf Befriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung lägen auch im Falle der Beklagten nicht vor. Aus der von ihr angeführten Irritation der Kunden könne ein Ausnahmefall nicht hergeleitet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Parteien mit ihren wechselseitigen Berufungen.
Die Klägerin ist der Ansicht, es bestehe hinsichtlich ihrer Verfügungsanträge sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund.
Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.05.2010 beendet worden, da diese unwirksam sei.
Wie schon in erster Instanz meint die Klägerin, der unter Teil H Ziffer 2.12 des Händlervertrages enthaltene Kündigungsvorbehalt sei unwirksam, weil er eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu ihren Lasten bedeute. Die Regelung genüge nicht dem Transparenzgebot, da nicht klar und verständlich sei, was unter "sonstige Handlungen, die das Ansehen von der Gesellschaft in unzumutbarer Weise schädigen" zu verstehen sei. Auch Teil H Ziffer 2.4 i.V.m. Teil F Ziffer 1.4 sei gemäß § 307 Abs. 1 und 2, 310 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Regelung eine unzulässige Ausweitung von Kündigungsgründen beinhalte. Überdies diene die Regelung nicht dem Schutz der Beklagten, sondern nur dem der Kunden.
Ferner liege auch ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß §§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB, 89 a Abs. 1 HGB nicht vor. Hinsichtlich des Kunden L. fehle es schon an einer wirksamen Abmahnung im Schreiben vom 27.10.2009, da der der Abmahnung zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig sei. Denn nicht sie, sondern die Beklagte sei nicht bereit gewesen, die notwendigen Reparaturen -dazu gehöre nicht nur der Ersatz des defekten Turboladers- im Rahmen der Garantie gegenüber dem Kunden zu übernehmen.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung lasse sich auch nicht aus ihrem Verhalten gegenüber dem Kunden M. herleiten. Zwar habe sie von dem Kunden M. am 09.12.2009 einen Betrag von 300,00 € erhalten, und zwar für die Wiederherstellung der Fahrbereitschaft. Dies sei aber zu Recht erfolgt, da die Durchführung der Reparatur im Rahmen der Garantie von der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehmigt war. Hierzu gehöre auch die Erklärung über die Übernahme der für die Durchführung der Reparatur entstehenden Kosten. Die unter dem 03.12.2009 erklärte "Freigabe" sei nicht der Genehmigung der Garantie gleichzusetzen. Die Genehmigung des Garantieantrages ergebe sich erst aus der Korrespondenz vom 18.12.2009.
Das Landgericht sei hinsichtlich des Kunden M. ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Herausgabe des Fahrzeuges an den Kunden am 12.03.2010 von der Zahlung bzw. Sicherheitsleistung von 7.000,00 bzw. 7.500,00 € abhängig gemacht habe. Die eidesstattlichen Versicherungen des Kunden M., des Herrn T. und der Frau N. seien nicht glaubhafter als die ihres Geschäftsführers. Die zu den Akten gereichte eidesstattliche Versicherung der Frau P. habe das Landgericht zudem unberücksichtigt gelassen.
Der Beklagten sei auch die Fortsetzung des Händlervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar. Die Beklagte selbst habe sich im Zusammenhang mit Garantieleistungen vertragswidrig verhalten und damit der Kundenzufriedenheit geschadet. Seit März 2009 seien noch Garantieanträge zugunsten der Klägerin in Höhe von 30.000,00 € offen.
Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Es sei rechtlich verfehlt, die an die Darlegung eines Verfügungsgrundes zu stellenden Anforderungen in Abhängigkeit von den Erfolgsaussichten des Verfügungsantrages zu sehen. Die abrupte Einstellung der Belieferung führe zu einem Umsatzverlust bzw. Mindererlös, wie sie in erster Instanz dargelegt habe.
Den zunächst als Hilfsantrag gestellten Antrag auf Lieferung bereits verkaufter Fahrzeuge hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.09.2010 unbedingt gestellt. Ihr Anspruch auf Lieferung der bereits bestellten Fahrzeuge folge aus den zwischen den Parteien jeweils geschlossenen Kaufverträgen. Von der Wirksamkeit dieser Verträge gehe unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch Teil H Ziffer 3.1 des Händlervertrages aus.
Schließlich meint die Klägerin, die außerordentliche Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte am 15.03.2010 von dem Vorfall M. erfahren und erst am 25.05.2010 und damit fast zweieinhalb Monate nach Kenntniserlangung erst die fristlose Kündigung erklärt hat.
Die Klägerin meint hinsichtlich der von der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung, das Landgericht habe zu Recht einen Verfügungsgrund zugunsten der Beklagten verneint. § 12 Abs. 2 UWG sei im Streitfall nicht anwendbar, da eine Untersagung der Markennutzung implizit auch die Hauptsache im Hinblick auf die strittige Beendigung des Händlervertrages vorwegnehme. Die Voraussetzungen für eine zulässige Vorwegnahme der Hauptsache lägen nicht vor. Weder bestehe für die Beklagte eine Notlage noch drohten ihr erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Die angeblichen Kundenirritationen und Imageschäden seien nicht von ihr veranlasst. Derartige Nachteile seien darauf zurück zu führen, dass die Beklagte bestätigte Kaufverträge mit der Klägerin nicht erfülle. Die von der Beklagten vorgetragen Umstände im Zusammenhang mit dem Kunden X. träfen nicht zu, weshalb auch hieraus die Dringlichkeit nicht abgeleitet werden könne. Über Lieferschwierigkeiten habe der Geschäftsführer der Klägerin nur im Zusammenhang mit der Umstellung der Motoren auf die Abgasnorm Euro 5 gesprochen. Auch habe der Geschäftsführer dem Kunden X. keine Finanzierung über die O.-Bank angeboten. Im Übrigen sei im Rahmen der Güterabwägung zu berücksichtigen, dass die Klägerin insbesondere die für über 55.000,00 € erst Ende 2007 von der Beklagten angeschaffte Außensignalisation und den für fast 1.000,00 € Ende 2009 neu erstellten Internet-Auftritt nicht mehr nutzen könne. Zwangsläufig würde dies "über kurz oder lang" die Insolvenz der Klägerin nach sich ziehen. Andererseits könne die Beklagte aus den Absatzbemühungen der Klägerin weiterhin Nutzen ziehen.
Die Klägerin beantragt,
I.
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 22.07.2010 -86 O 45/10- der Beklagten
1.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C. zu untersagen, die Belieferung der Klägerin mit Vertragswaren, nämlich O.-Neufahrzeugen sowie Original-O.-Ersatz- und Zubehörteilen gemäß des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu verweigern,
hilfsweise
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C. aufzugeben, sie mit folgenden O.-Vertragswaren in Form von Neufahrzeugen zu beliefern:
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)
2.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C. zu untersagen, die Durchführung und Erstattung von Instandsetzungs-, Gewährleistungs-, Garantie- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen der Marke O. aufgrund des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu verweigern,
3.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C. zu untersagen, die Betreuung der Klägerin, insbesondere den Zugang zu den von der Beklagten in ihrem Intranet eingestellten technischen Informationen zur Durchführung von Instandsetzungs-, Gewährleistungs-, Garantie- und Wartungsarbeiten gemäß dem O.-Händlervertrag vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu verweigern,
4.
bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern B. H. und U. I. C. aufzugeben,
a)
die sich an den Betriebsanlagen der Klägerin befindliche Beschilderung und Signalisation sowie sämtliche Hinweise auf die Autorisierung der Klägerin sowie Zeichen, die auf die Marke O. hinweisen,
b)
jede weitere Verwendung der Marke O. sowie der zugunsten der Beklagten geschützten Zeichen am Standort der Klägerin, auf ihren Geschäftspapieren, Internetseiten oder in sonstigen Werbe- und Reklamematerialien sowie
c)
die weitere Verwendung der Sicherheitskarte A des Consult III Diagnosegerätes durch die Beklagte
aufgrund des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochenen außerordentlichen und fristlosen Kündigung des O.-Händlervertrages vom 02./16.01.2007 zu dulden.
II.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
I.
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 22.07.2010 -86 O 45/10- es der Klägerin bei Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer bzw. den jeweiligen Geschäftsführern der Klägerin zu verbieten,
a)
im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Beklagten das Zeichen "O." zu benutzen und dabei den Eindruck zu erwecken, dass die Klägerin von der Beklagten aufgrund einer vertraglichen Beziehung autorisiert sei, Kraftfahrzeuge der Marke "O." und/oder Originalersatzteile der Marke "O." und/oder Kundendienstleistungen an Fahrzeugen der Marke "O." anzubieten und/oder zu verkaufen,
-insbesondere dadurch, dass die Klägerin auf ihrem Betriebsgrundstück das Zeichen "O." verwendet, insbesondere wie das in den nachfolgenden jeweils in Kopie abgebildeten Fotografien erfolgt,
-insbesondere dadurch, dass die Klägerin auf ihrer Homepage www.1g1.de und www.O.-J..de das Zeichen "O." verwendet, insbesondere wie das in den nachfolgenden jeweils in den abgebildeten Auszügen von der Homepage der Klägerin erfolgt, sowie
-insbesondere dadurch, dass die Klägerin das Zeichen "O." als Bestandteil einer Internetdomain verwendet, insbesondere wie das unter www.O.-J..de erfolgt,
b)
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten und/oder vorzuspiegeln, autorisierter O. Vertragshändler und/oder O. Vertragswerkstatt zu sein.
II.
Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte meint hinsichtlich der von ihr gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung, das Landgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Zwar finde § 12 Abs. 2 UWG auf vertragliche Unterlassungsansprüche keine Anwendung. Sie mache jedoch auch und in erster Linie wettbewerbs- und markenrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Jedenfalls für wettbewerbliche Unterlassungsansprüche gelte § 12 Abs. 2 UWG, der eine widerlegliche Vermutung für das Bestehen der Dringlichkeit begründe.
Aber auch unabhängig von der Regelung in § 12 Abs. 2 UWG hätte das Landgericht die Dringlichkeit bejahen müssen. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund der fristlosen Kündigung tatsächlich nicht mehr Vertriebspartner der Beklagten sei, jedoch nach außen hin weiter als O. Vertragspartner auftrete, führe zu nicht hinnehmbaren Kundenirritationen und einem Imageverlust. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass nach ihrem Vortrag die Klägerin weiterhin Kundenaufträge auch in Bezug auf Garantiearbeiten annehme. Hierdurch laufe die Beklagte sogar Gefahr, nicht nur Kunden im Servicebereich, sondern auch beim Verkauf von Neufahrzeugen zu verlieren. Darüber hinaus gebe sich die Klägerin auch gegenüber anderen O. Vertragshändlern als autorisierter Händler aus mit dem Ziel, O. Neufahrzeuge unter Schleichbezug bzw. Verleiten zum Vertragsbruch zu beziehen.
Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch aus Teil H Ziffer 3.6. des Händlervertrages.
Zur Berufung der Klägerin meint die Beklagte, diese sei im Hinblick auf die Hauptanträge zu 1 unzulässig, weil nicht klar sei, ob die Klägerin die generelle Weiterbelieferung mit O. Neufahrzeugen oder nur noch die Belieferung mit den von ihr näher bezeichneten Fahrzeugen begehre.
Das Landgericht habe zu Recht einen Verfügungsanspruch der Klägerin verneint, da der Händlervertrag durch das Schreiben vom 25.05.2010 wirksam fristlos gekündigt worden sei. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung ergebe sich aus den Vorfällen M. daraus, dass die Klägerin für Garantiearbeiten von dem Kunden entgegen Teil F Ziffer 1.4 des Händlervertrages am 09.12.2009 einen Betrag von 300,00 € und am 12.03.2010 einen weiteren Betrag von 7.000,00 bzw. 7.500,00 € gefordert und bis zur Zahlung die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert habe. Hinsichtlich des Vorfalls vom 09.12.2009 sei die Freigabe zur Durchführung der Garantiearbeiten schon am 08.12.2009 erfolgt, wie die Klägerin dies auch gegenüber dem Kunden M. selbst erklärt hat. In diesem Zusammenhang komme es auch nur darauf an, ob ein Garantiefall vorliege, da die Höhe der Vergütung des Vertragshändlers für die Garantiearbeiten bereits in Teil F Ziffer 2.3 des Händlervertrages i.V.m. dem EWPPM vereinbart worden sei. Das Landgericht sei ferner zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin am 12.03.2010 von dem Kunden M. 7.000,00/7.500,00 € für die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt habe. Der Vorfall sei durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Kunden M. sowie des Mitarbeiters V., der E-Mail aus der Kunden-Hotline vom 15.03.2010 sowie der Gesamtumstände glaubhaft gemacht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin seien auch die Vertragsbestimmungen gemäß Teil H Ziffer 2.12. und 2.4 i.V.m. Teil F Ziffer 1.4. des Händlervertrages wirksam. Auf den Begriff "sonstige Handlungen" gemäß Teil H Ziffer 2.12 komme es nicht an, da der Geschäftsführer der Klägerin eine strafbare Handlung begangen habe. Auch die Regelungen in Teil H Ziffer 2.4 i.V.m. Teil F Ziffer 1.4 des Händlervertrages seien wirksam, da die Forderung nach einem Entgelt im Rahmen von Garantiearbeiten massiv die Kundenzufriedenheit erschüttere und die Aufnahme von Kündigungsgründen gerade Unsicherheiten darüber, ob der jeweilige Sachverhalt für eine fristlose Kündigung ausreiche, vermeide.
Ein Abmahnung sei im Schreiben vom 27.10.2009 zu sehen. Im Übrigen sei eine Abmahnung hier auch entbehrlich, da trotz Abmahnung eine Verhaltensänderung der Klägerin nicht zu erwarten gewesen sei und die Pflichtverletzung der Klägerin so schwer wiege, dass die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können.
Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgesprochene fristlose Kündigung des Händlervertrages sei auch nicht verfristet. Bei der hier anzunehmenden Verdachtskündigung beginne die Frist von bis zu zwei Monaten erst, sobald der Verdacht eines vertragswidrigen oder gar strafbaren Verhaltens hinreichend erhärtet sei. Am 15.03.2010, als sie von der Beschwerde des Kunden M. erfahren habe, sei erstmals lediglich ein Verdachtsmoment entstanden. In der Besprechung am 05.05.2010 habe sich der Verdacht erhärtet, dass die Klägerin von dem Kunden M. für Garantiearbeiten ein Entgelt gefordert habe. Zum Inhalt der Besprechung behauptet die Beklagte, der Geschäftsführer der Klägerin habe die Vorwürfe nicht nur bestätigt, sondern sogar zu verstehen gegeben, sich auch in Zukunft vertragswidrig verhalten zu wollen, wenn die Beklagte nicht den tatsächlichen Aufwand für die Garantiearbeiten erstatten werde.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Auslieferung der bereits vor der fristlosen Kündigung bestellten Fahrzeuge, da der Beklagten aufgrund der außerordentlichen Kündigung auch die Ausführung der Einzelbestellungen unzumutbar geworden sei. Die Vertragsbestimmung in Teil H Ziffer 3.1 des Händlervertrages gelte im Falle einer außerordentlichen Kündigung nicht. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie innerhalb von 5 Arbeitstagen eine Liste mit den verbindlichen Bestellungen vorgelegt habe. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Lieferung von Neufahrzeugen, für die kein Kaufvertrag zwischen den Parteien geschlossen wurde -mit "€" in der Liste gekennzeichnet-, ferner in Fällen, in denen der Kunde vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, sowie in Fällen, in denen die Kunden bereits beliefert worden seien. Ein Anspruch auf Lieferung bestehe ohne hin nur gegen Vorkasse.
Der frühere Hauptantrag zu Ziffer 1 gehe insoweit ins Leere, als er Zubehör betreffe, weil Zubehörteile nicht Gegenstand des Händlervertrages seien.
Die Anträge zu Ziffer 2 und 3 der geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien nicht begründet, weil die Beklagte zu keiner Zeit der Klägerin den Zugang zu technischen Informationen verwehrt und ferner auch nie verhindert habe, dass die Klägerin Gewährleistungs- und sonstige Arbeiten an O. Fahrzeugen durchführen könne.
Schließlich fehle auch ein Verfügungsgrund, da die Erfolgsaussichten einer etwaigen Hauptsacheklage zu berücksichtigen seien und hier sehr viel für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Händlervertrages spreche. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass ihr ein weiteres Zuwarten bzw. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unzumutbar sei. Zu einer existentiellen Notlage fehle es am Sachvortrag. Insoweit habe sich die Klägerin lediglich auf einen Umsatzverlust bzw. einen Mindererlös berufen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufungen der Parteien sind zulässig. In der Sache hat jedoch nur die Berufung der Klägerin teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, wohingegen der Berufung der Beklagten der Erfolg versagt bleibt.
Die Berufung der Klägerin hat in dem erkannten Umfang Erfolg, weil entgegen der Ansicht des Landgerichts die mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2010 ausgebrachte außerordentliche Kündigung des Händlervertrages nicht wirksam ist, so dass der Händlervertrag über den 25.05.2010 hinaus die Grundlage für die Rechtsbeziehungen der Parteien bildet.
Der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung des Vertragshändlervertrages mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2010 steht entgegen, dass diese nicht rechtzeitig erfolgt ist. Zwar findet die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB auf Vertragshändlerverträge ebenso wenig wie auf Handelsvertreterverträge Anwendung. Die Bestimmung des § 626 Abs. 2 BGB wird vielmehr durch die Spezialvorschrift des § 89 a HGB, die auf einen -wie hier- dem Handelsvertreterverhältnis ähnlichen Vertragshändlervertrag entsprechend Anwendung findet, verdrängt. Dies führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allgemeiner Meinung in der Literatur dazu, dass der zu § 89 a HGB entwickelte Grundsatz, wonach eine fristlose Kündigung in der Regel nicht mehr nach Ablauf von zwei Monaten seit Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund wirksam ausgesprochen werden kann, auch auf den Vertragshändlervertrag Anwendung findet. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist die Frist regelmäßig kürzer als zwei Monate, da ein zweimonatiges Zuwarten in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung der hieraus zu ziehenden Folgerungen angesehen werden kann, weil dies darauf hindeutet, dass der Kündigende das beanstandete Ereignis selbst nicht als so schwerwiegend empfunden hat, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem anderen Teil bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung unzumutbar ist. Die im Verhältnis zum Handelsvertreter größere Selbstständigkeit des Vertragshändlers und die Komplexität der von dem Unternehmer vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung anzustellenden Überlegungen rechtfertigen es nicht, ihm im Regelfall eine längere als zweimonatige Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen. Für den Beginn der für die Rechtzeitigkeit der Kündigung maßgeblichen Zeitspanne von weniger als zwei Monaten kommt es nicht auf die sichere Kenntnis von dem Vertragsverstoß an, sondern auf einen hinreichend konkret begründeten Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens (BGH NJW 1994, 722 ff.; BGH BB 1999, 1516 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2009, 5 U 52/09 zitiert nach juris; KG Berlin NJW-RR 2000, 1566; Urteil des Senat vom 02.03.2001, 19 U 170/00; van der Moolen in: Martinek/Semler/Habermeier/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 3. Aufl., § 23 Rn. 56; Spenner in: Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau, Der Vertragshändlervertrag, 4. Aufl., Rn. 656; Jaletzke in: Stumpf/Jaletzke/Schultze, Der Vertragshändlervertrag, 3. Aufl. Rn. 659; Hopt in: Baumbach/Hopt, ‚Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., § 89 a Rn. 30).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag die mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2010 erklärte fristlose Kündigung nicht zu einer sofortigen Beendigung des Vertragshändlervertrages führen. Unstreitig hat sich der Kunde M. am 15.03.2010 direkt an die Beklagte gewandt und deren Mitarbeiterin, Frau E. Y., mitgeteilt, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Herausgabe seines Fahrzeuges von der Zahlung eines Betrages in Höhe von 7.000,00/7.500,00 € anhängig gemacht habe, obwohl ein Garantiefall gegeben war. Diesen Sachverhalt räumt die Beklagte in ihrer Schutzschrift vom 11.06.2010 ein. Er wird auch bestätigt durch die eidesstattlichen Versicherungen des Kunden M. und des Mitarbeiters der Beklagten T.. Den ihr vom Kunden M. mitgeteilten Sachverhalt hat die Mitarbeiterin Y. intern mit E-Mail vom gleichen Tag weitergeleitet. Am 16.03.2010 hat sich Herr V. von der Rechtsabteilung der Beklagten fernmündlich mit dem Kunden M. in Verbindung gesetzt, der den Sachverhalt auch diesem gegenüber bestätigt hat.
Der Senat geht entgegen der Ansicht der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 21.10.2010 sowie 01.11.2010 und dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.10.2010 davon aus, dass die Beklagte damit bereits am 15.03.2010 "harte, verifizierbare Fakten" (vgl. BGH BB 1999, 1516 ff.) von einem vertragswidrigen Verhalten der Klägerin gegenüber dem Kunden M. erfahren hatte und daher die Frist von bis zu zwei Monaten bereits zu diesem Zeitpunkt in Gang gesetzt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt waren der Beklagten alle für die Entscheidung über die Ausübung ihres fristlosen Kündigungsrechts relevanten Umstände bekannt.
Die Annahme sicherer und umfassender Kenntnis von dem vertragswidrigen Verhalten der Klägerin basiert zunächst auf dem Umstand, dass der Beklagten das Verhalten der Klägerin von der Person zur Kenntnis gebracht wurde, die hiervon unmittelbar betroffen war. Bei lebensnaher Betrachtungsweise bestand bereits zu diesem Zeitpunkt kein nachvollziehbarer Grund für die Beklagte, an der Schilderung der Geschehnisse durch den Kunden M. zu zweifeln. Die Beklagte selbst wirft in ihrem Schriftsatz vom 21.10.2010 zu Recht die Frage auf, welchen Grund der Kunde M. gehabt haben sollte, sein Fahrzeug an dem Wochenende des 13./14.03.2010 mit einem Zweitschlüssel von dem Betriebsgelände der Klägerin zu entfernen, wenn nicht der, dass diese die Herausgabe des offensichtlich reparierten Fahrzeugs trotz Vorliegens eines Garantiefalls verweigert hatte. Hinzu kommt, dass es unstreitig in der Vergangenheit bereits seit längerer Zeit Differenzen unter den Parteien im Zusammenhang mit der Freigabe und der Höhe der Vergütung von Arbeiten im Rahmen von Garantieleistungen und sonstigen für den Endverbraucher kostenlosen Serviceaktionen gegeben hat, die wiederholt zu Kundenbeschwerden geführt haben. So hatte die Beklagte mit Schreiben vom 27.10.2009 beanstandet, dass die Klägerin die Reparatur des Fahrzeuges des Kunden L. erst vornehmen wollte, wenn ihr für die Diagnosezeit vier Stunden statt nur eine Stunde vergütet würde. In diesem Abmahnschreiben hat die Beklagte der Klägerin im Wiederholungsfall angedroht, "vertragsrechtliche Schritte bis hin zur außerordentlichen Kündigung des O. Händlervertrages einzuleiten". Auch im Zusammenhang mit dem Kunden M. gab es bereits im Dezember 2009 Beanstandungen seitens der Beklagten, nachdem die Klägerin von dem Kunden bei Abholung des Fahrzeugs am 09.12.2009 unstreitig einen Betrag von 300,00 € verlangt und auch erhalten hatte, obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag, der durch dem E-Mail Verkehr der Parteien bestätigt wird, bereits am 08.12. 2009 gegenüber der Klägerin erklärt hatte, "trotz wiederholten Auftreten des Schadens werden wir auch die jetzige Reparatur wieder übernehmen". Mit Rücksicht auf diese allgemeinen und an konkreten Kundenbeschwerden verifizierbaren Differenzen der Parteien im Zusammenhang mit der Abwicklung von Garantieleistungen, die der Beklagten jedenfalls bereits im März 2010 bekannt waren, ergab sich für die Beklagte am 15.03.2010 nicht nur der bloße Verdacht eines erneuten vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin. Vielmehr bot sich für die Beklagte auf Grund der Gesamtumstände die hinreichend konkrete Erkenntnis, dass die Klägerin erneut in einer den Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigenden Weise gegen den Händlervertrag verstoßen hatte. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Streitfall maßgeblich von den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 26.10.2010 angesprochenen Fällen, in denen es ohne eine Vorgeschichte zu einmaligen Kundenbeschwerden komme, die sich bei anschließender Sachverhaltsaufklärung oft als unbegründet erwiesen.
Mit Rücksicht hierauf kann von einer "Hemmung" der Frist von bis zu zwei Monaten für den Ausspruch der fristlosen Kündigung in der Folgezeit nicht ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten eine abweichend vom Regelfall längere Frist zur notwendigen, weiteren Ermittlung des Sachverhalts und zur Prüfung der Folgen des Vertragsverstoßes einzuräumen sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beklagte hat -allerdings erst- mit Schreiben vom 31.03.2010 unter Fristsetzung zum 09.04.2010 die Klägerin aufgefordert, zu dem "Vorfall M." Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung zur Stellungnahme ist die Klägerin erst mit Schreiben ihrer damaligen Rechtsanwälte vom 21.04.2010 nachgekommen, in dem sie bestritten hat, einen Betrag von 7.500,00 € als Sicherheit für die Abholung des Fahrzeugs von dem Kunden M. verlangt zu haben. Angesichts des Bestreitens der Klägerin ist es nicht nachvollziehbar, dass sich, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.11.2010 vorträgt, erst infolge dieser Stellungnahme der Klägerin der Verdacht verdichtet haben soll, dass diese für Garantiearbeiten ein Entgelt von dem Kunden M. verlangt hatte. Dass sich aus der dem Schreiben beigefügten Anlage hinsichtlich des Reparaturverlaufs entnehmen ließ, dass das Fahrzeug des Kunden M. bereits am 12.03.2010 repariert war, musste schon deshalb nicht verwundern, weil der Kunde M. das offensichtlich fahrbereite Fahrzeug mit dem Zweitschlüssel vom Betriebsgelände der Klägerin unstreitig bereits am Wochenende 13./14.03.2010 entfernt hatte. Nach dieser schriftlichen Stellungnahme der Klägerin fand unter dem 05.05.2010 ein Besprechungstermin statt, dessen Inhalt hinsichtlich der Frage, ob der Geschäftsführer der Klägerin den Vertragsverstoß vom 12.03.2010 gegenüber dem Kunden M. eingeräumt hat, zwischen den Parteien streitig ist. Aber auch nach diesem Gespräch bestand für die Beklagte noch ausreichend Zeit und angesichts der von ihr behaupteten Resistenz des Geschäftsführers der Klägerin auch Anlass, innerhalb der Frist von bis zu zwei Monaten die fristlose Kündigung gegenüber der Klägerin auszusprechen. Der Einwand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, man habe erst die Entscheidung über den Ausspruch der fristlosen Kündigung am Sitz der Beklagten in Frankreich herbeiführen müssen, verfängt nicht. Unabhängig davon, dass hiermit interne organisatorischen Fragen angesprochen werden, die dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu zurechnen sind, rechtfertigt es die Komplexität der Entscheidungsfindung in einem Unternehmen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, nicht, ihm im Regelfall eine längere als zweimonatige Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen (BGH a.a.O.).
Schließlich ergeben sich auch aus dem zugrunde liegenden, an die Beklagte herangetragenen Sachverhalt keine Umstände, die eine Abweichung von der Regelfrist rechtfertigen könnten. Denn es handelt sich vorliegend um einen in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagerten Geschehensablauf, der sich auf den Vorwurf gegenüber der Klägerin beschränkt, diese habe in einem Garantiefall, von dem auch die Beklagte ausging und noch immer ausgeht, die Herausgabe des reparierten Fahrzeugs des Kunden M. von der Zahlung einer Sicherheit von 7.000,00/7.500,00 € abhängig gemacht. Auch in rechtlicher Hinsicht erforderte dieser Sachverhalt keine besondere Überprüfungszeit mit Blick auf den Ausspruch einer fristlosen Kündigung, da die Klägerin mit diesem Verhalten zweifellos gegen ihre die Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung rechtfertigenden vertraglichen Pflichten gemäß Teil H Ziffer 2.4 i.V.m. Teil F Ziffer 1.4 des Vertragshändlervertrages verstoßen hat.
Der Einwand der Verfristung ist auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Dabei ist unerheblich, ob es sich bei der Zweimonatsfrist -ebenso wie bei der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB- um eine Ausschlussfrist handelt (Weidenkaff in: Palandt, BGB, 69. Aufl., zu § 626 Rn. 22) oder eine rechtsvernichtende Einwendung anzunehmen ist (zur Verwirkung Palandt, a.a.O. § 242 Rn. 96; zur Ausschlussfrist Palandt, a.a.O., Überbl v § 194 Rn. 13). Die zugrundeliegenden Tatsachen sind unstreitig.
Nach alledem ist im Ergebnis festzuhalten, dass die fristlose Kündigung des Vertragshändlervertrages durch die Beklagten gemäß Schreiben vom 25.05.2010 unwirksam ist.
Daraus ergeben sich für die Berufung der Klägerin folgende Rechtfolgen:
Zum Berufungsantrag zu 1) der Klägerin
Dem mit der Berufung von der Klägerin weiter verfolgte Antrag auf Weiterbelieferung mit O.-Neufahrzeugen gemäß dem O.-Händlervertrag vom 02./16.01.2007 stehen Zulässigkeitsbedenken nicht entgegen. Soweit die Beklagte eine unklare Antragstellung rügt und daraus die Unzulässigkeit der Berufung der Klägerin herleiten will, hat sie keinen Erfolg. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18.08.2010 unter Ziffer I.1. zunächst als Hauptantrag die generelle Belieferung der Klägerin mit O.-Neufahrzeugen und nur hilfsweise die Belieferung mit bereits verkauften Fahrzeugen beantragt, dann aber im Schriftsatz vom 03.09.2010 den Hilfsantrag unbedingt gestellt und gebeten, diesem Antrag vorzeitig ohne mündliche Verhandlung stattzugeben. Diese Umstellung des Hilfsantrages war ausweislich der Begründung im Schriftsatz vom 03.09.2010 dem Umstand geschuldet, dass die Verhandlungen der Parteien über die Auslieferung der bereits bestellten Fahrzeuge letztlich doch gescheitert waren und die Klägerin wegen der Auslieferungstermine an ihre Kunden eine Entscheidung über die Auslieferung der bereits bestellten Fahrzeuge ohne mündliche Verhandlung begehrt hat. Daraus kann für den maßgeblichen Zeitraum des Laufs der Berufungsbegründungsfrist bei verständiger Würdigung nicht gefolgert werden, dass hiermit das ursprüngliche Berufungsbegehren gemäß Schriftsatz vom 18.08.2010 nicht mehr im Sinne eines Haupt- und Hilfsantrages verfolgt werden sollte. Im Übrigen bestehen allenfalls Bedenken gegen die Zulässigkeit des Verfügungsantrages im Schriftsatz vom 03.09.2010 im Berufungsverfahren, die jedoch die Zulässigkeit des Hauptantrages unberührt lassen. Der Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2010 auf die Bedenken gegen die Antragstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 21.10.2010 erfolgte im Rahmen seiner Verpflichtung, auf eine sachgerichte Antragstellung hinzuwirken.
In materiellrechtlicher Hinsicht ist aufgrund des unveränderten Fortbestandes des Vertragshändlervertrages zwischen den Parteien ein Verfügungsanspruch der Klägerin auf Belieferung der Klägerin mit Vertragsware gemäß Teil A Ziffer 3.1 zu bejahen. Dies umfasst zunächst einen Lieferanspruch mit O.-Neufahrzeugen und Original O.-Ersatzteilen, wie sich aus Seite 10 des O.-Händlervertrages ergibt. Ein Verfügungsanspruch der Klägerin besteht jedoch auch hinsichtlich der Lieferung von Zubehörteilen. Diese Zubehörteile sind unwidersprochen im O. Teilekatalog aufgeführt. Zudem ergibt sich aus der Anlage 4 "Jahresverkaufsziel für zum Vertragsprogramm gehörende O. Ersatzteile", dass die Zubehörteile als Untergruppe der O.-Ersatzteile, bei denen es sich unstreitig um Vertragsware handelt, zu verstehen und damit vom Lieferumfang mit umfasst sind.
Hinsichtlich der -generellen- Belieferung der Klägerin mit Vertragsware (O. Fahrzeuge) ist auch ein Verfügungsgrund zu bejahen. In der Sache wird mit dem Ausspruch der Belieferungspflicht durch die Beklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren durch die Leistungsverfügung die Hauptsache vorweggenommen. Eine derartige Leistungsverfügung ist im summarischen Verfahren nur in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen zur Sicherung des Justizgewährungsanspruchs zulässig. Der Antragsteller muss im Einzelnen darlegen und glaubhaft machen, dass er so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist und sonst so erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden würde, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht zumutbar ist. Eine existentielle Notlage ist dabei nicht erforderlich. Der Erlass einer auf endgültige Anspruchsbefriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung kommt dann in Betracht, wenn der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der dem Antragsgegner aus der sofortigen Erfüllung droht. In die gebotene Abwägung der beiderseitigen Belange der Parteien sind darüber hinaus die Erfolgsaussichten des Verfügungsanspruchs einzubeziehen. Lässt sich die Berechtigung des verfolgten Anspruchs zweifelsfrei feststellen, so ist der Anspruchsgegner weniger schutzwürdig und es überwiegt im Zweifel das Interesse des Anspruchstellers daran, dass sein Anspruch bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfüllt wird (OLG Braunschweig Urteil vom 01.09.2009 2 U 157/09; OLG Düsseldorf Urteil vom 13.12.2006 VI U (Kart) 39/06 zitiert nach Juris; OLG Köln VersR 2001, 1284 jeweils m.w.Nachw.)
Nach diesen Maßstäben ist ein Verfügungsgrund hinsichtlich der Belieferung der Klägerin mit O.-Neufahrzeugen gegeben. Dafür streiten zunächst die nach den vorstehenden Ausführungen hohen Erfolgsaussichten des Verfügungsanspruchs in der Hauptsache. Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie bei Nichtbelieferung mit Vertragsware der Beklagten einen erheblichen Umsatzrückgang zu verzeichnen haben wird. Ohne die Umsätze mit Vertragswaren und Reparaturen an Fahrzeugen der Marke O. hätte die Klägerin nach der BWA für 2008 statt eines Betriebsergebnisses von 275.765,39 € nur ein solches von -229.427,68 € und in 2009 statt eines Betriebsergebnisses von 556.496,54 € nur ein solches von -379.739,75 € erzielt. Für den Monat Juni 2010 hat sich ein Fehlbetrag von 37.000,00 € ergeben. Diese Zahlen verdeutlichen jedenfalls die Größenordnung der Verluste der Klägerin und belegen ferner, dass der mit der Marke O. erzielte Umsatz bei Weitem den durch den Servicebetrieb mit der Marke D. erzielten Umsatz überwiegt. Es drohen der Klägerin damit erhebliche, ohne die sofortige Erfüllung ihres Leistungsanspruchs durch den zu erwartenden, zunehmenden Wechsel der (Stamm-) Kunden weiter ansteigende wirtschaftliche Nachteile. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Klägerin infolge des Auftragsrückgangs bereits Mitarbeiter entlassen musste und infolge der Verschlechterung der Auftragssituation weitere Entlassungen drohen. Die Klägerin ist danach zur Vermeidung einer existenziellen Notlage auf die Belieferung mit O.-Neufahrzeugen angewiesen, um bis zur Klärung der Wirksamkeit der streitigen Kündigung im Hauptsacheverfahren -oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist- ihren Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten zu können. Demgegenüber sind wesentliche Nachteile der Beklagten nicht zu erwarten. Sie wird an den Neuwagenlieferung und -verkäufen verdienen. Dass sich die Klägerin im Zusammenhang mit getätigten Neuwagenverkäufen vertragswidrig verhalten und "Kundenirritationen" verursacht hat, behauptet auch die Beklagte nicht. Die bisherige Abwicklung von Neuwagenverkäufen vor der Kündigung hat sie nicht beanstandet.
Auch hinsichtlich der Belieferung von Original O.-Ersatz- und Zubehörteilen liegt ein Verfügungsgrund vor. Nach der von der Klägerin zu den Akten gereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung ergeben sich für die Jahre 2008 und 2009 Umsatzerlöse von 120.413,07 € bzw. 162.683,73 € aus dem Verkauf von Original O.-Ersatz- und Zubehörteilen. Die hiervon in Abzug zu bringenden Anschaffungskosten würden sich nach den Erfahrungen des Senats zu Lasten des Rohertrages deutlich erhöhen, falls die Klägerin auf den Kauf von Original O.-Ersatz- und Zubehörteile bei Fremdfirmen verwiesen würde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Verweis der Klägerin auf die Beschaffung der Original O.-Ersatz- und Zubehörteilen bei Fremdfirmen höhere Reparaturkosten erwarten lässt, was sich wiederum negativ auf die Kundenakzeptanz im Bereich des Werkstattbetriebes und auch des Neuwagenkaufs auswirken würde. Dagegen sind -wirtschaftliche- Nachteile der Beklagten nicht zu erwarten.
Zum Berufungsantrag zu 2) der Klägerin
Die Berufung der Klägerin hat hinsichtlich des Antrages zu 2) keinen Erfolg, soweit die Klägerin untersagt wissen will, dass die Beklagte die Erstattung von Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten verweigert. Insoweit fehlt es bereits am Vorliegen eines Verfügungsanspruchs, da die Klägerin ein Entgelt für solche Arbeiten von ihren Kunden, nicht jedoch nach dem Vertragshändlervertrag von der Beklagten erhält.
Ein Verfügungsanspruch ist jedoch hinsichtlich der Erstattung von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten zu bejahen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß Teil F Ziffer 2 des Vertragshändlervertrages. Insoweit besteht auch ein Verfügungsgrund. Nach der von der Klägerin eingereichten BWA machen die Erlöse aus Garantie- und Kulanzarbeiten in 2009 einen Betrag von 121.934,32 € und in 2008 von 87.880,41 € aus. Dies macht gemessen an den Gesamtumsätzen in 2009 von 6.212.267,12 € und in 2008 von 4.044.156,60 € zwar nur einen Anteil von 1,96 % in 2009 und 2,17 % in 2008 aus. Bei dieser Betrachtungsweise bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die Klägerin ohne den Anspruch gemäß Teil F Ziffer 2 des Vertragshändlervertrages gegen die Beklagte entweder die Kosten für Garantie- und Kulanzarbeiten für ihre Kunden selbst tragen müsste oder aber Garantie- und Kulanzarbeiten ihrer Kunden aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen müsste, wodurch sie sich nicht nur vertragswidrig verhalten würde, sondern wodurch ihre Verkaufszahlen im Bereich des O.-Fahrzeugverkaufs erheblich negativ beeinflusst würden. Beides ist der Klägerin im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen -wirtschaftlich- nicht zumutbar.
Hinsichtlich der Durchführung der im Antrag zu Ziffer 2 genannten Arbeiten fehlt es bereits am Vorliegen eines Verfügungsanspruchs. Die Klägerin hat insoweit nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass sie von der Beklagten an der Durchführung von Kundendienstarbeiten jedweder Art gehindert worden ist oder dies in Zukunft zu erwarten ist. Im Übrigen könnte die Beklagte der Klägerin nach Art. 5 (1) d) der EU-Verordnung Nr. 1400/2002 die Durchführung der Arbeiten selbst nicht nach Beendigung des Vertragshändlervertrages untersagen.
Zum Berufungsantrag zu 3) der Klägerin
Dem mit Berufung geltend gemachte Antrag zu 3 muss der Erfolg versagt bleiben. Der Geschäftsführer der Klägerin hat zwar in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21.06.2010 unter Ziffer z 2) glaubhaft gemacht, dass es der Klägerin nicht mehr möglich sei, von der Beklagten für die Reparaturen in ihrem Intranet eingestellte technische Informationen abzurufen. Allerdings hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass es der Klägerin -wie jeder unabhängigen Werkstatt- möglich ist, sich über die Internetadresse https://eu.O..biz anzumelden und die gewünschten technischen Informationen, Diagnose- und Werkstattgeräte, Software und Schulungsprogramme etc. zu erhalten. Dass die Klägerin bei dem Zugang über diese Adresse Nachteile erfahren könnte -weniger Komfort o.ä.-, hat sie nicht geltend gemacht. Derartige Nachteile könnten im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens auch nicht die Annahme eines Verfügungsgrundes rechtfertigen.
Zum Berufungsantrag zu 4) der Klägerin
Der Zulässigkeit der mit der Berufung weiter verfolgten Anträge zu 4 a) und b) steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit ihrer Gegenverfügung die Beseitigung der auf die Marke O. deutenden Kennzeichen begehrt, zumal die wechselseitigen Anträge nicht deckungsgleich sind.
Die Anträge zu 4 a) und b) haben auch Erfolg. Ein Verfügungsanspruch der Klägerin besteht. Nach Teil D Ziffer 4.2 und 4.3 des Vertragshändlervertrages ist der Händler während des Bestehens des Vertragshändlervertrages berechtigt, die auf die Marke O. und/oder sonstige auf die Gesellschaft hindeutende Kennzeichen auch in elektronischen Medien zu verwenden. Dieses Recht endet gemäß Teil H Ziffer 3.6 erst mit Beendigung des Vertragshändlervertrages. Da sich die fristlose Kündigung des Vertragshändlervertrages als unwirksam erweist, stehen der Klägerin die unter Ziffer 4 a und b ihres Berufungsantrages geltend gemachten Rechte zu.
Dass die Beibehaltung dieser auf die Marke O. im Berufungsantrag bezeichneten Hinweise für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes O. der Klägerin erforderlich ist und dass ansonsten erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu erwarten wären, versteht sich von selbst. Ein Verfügungsgrund ist danach zu bejahen.
Hinsichtlich des Antrages zu 4 c) fehlt es am Vorliegen eines Verfügungsanspruchs. Dass die Beklagte die weitere Verwendung der Sicherheitskarte A des Consult III Diagnosegerätes nicht duldet, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Unbestritten ist die Klägerin in der Lage, mit der Sicherheitskarte, die ihr von der Beklagten als Ersatzkarte zur Verfügung gestellt worden ist, das Diagnosegerät zu nutzen. Welche unersetzbaren Nachteile der Klägerin durch die Verwendung dieser Karte entstehen könnten, hat sie nicht dargetan.
Zu den Berufungsanträgen der Beklagten
Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen, da ihre mit Schreiben vom 25.05.2010 ausgebrachte fristlose Kündigung -wie dargelegt- unwirksam ist und die Klägerin daher auf der Grundlage von Teil D Ziffer 4.2 und 4.3 des Vertragshändlervertrages -zunächst- berechtigt ist, die auf die Marke O. und/oder sonstige auf die Gesellschaft hindeutende Kennzeichen umfassend zu verwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 200.000,00 € (100.000,00 € je Berufung)
OLG Köln:
Urteil v. 12.11.2010
Az: 19 U 126/10
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