Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. August 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 194/99

(BPatG: Beschluss v. 09.08.2000, Az.: 28 W (pat) 194/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für eine Vielzahl von Waren der Klassen 29, 30 und 32 am 10.Mai1996 eingetragene Wortmarke Mamma Luciahat die Inhaberin der prioritätsälteren IR-Marke Nr. 601 651 siehe Abb. 1 am Endedie für Waren der Klasse 29 geschützt ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch mit der Begründung fehlender Markenähnlichkeit im Gesamteindruck zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die vor dem Hintergrund von Warenidentität und einer von ihr behaupteten erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Käse darauf verweist, daß beide Marken durch den identischen Bestandteil "Lucia" geprägt würden, da Zusätze wie "mama, santa, san usw." bei Lebensmitteln aus Italien üblich und deshalb zeichenrechtlich verbraucht seien. Im übrigen bestände auch im Gesamteindruck die Gefahr begrifflicher Verwechslungen.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse die Löschung der angegriffenen Marke im Umfang gleicher und ähnlicher Waren anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung sowohl die Benutzung der Widerspruchsmarke wie auch deren angeblich erhöhten Bekanntheitsgrad bestritten und verneint wie die Markenstelle eine Ähnlichkeit der Marken.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke nicht verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach dieser Vorschrift ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muß vorliegend eine Verwechslungsgefahr verneint werden.

Was die Warenlage anbetrifft, geht der Senat zugunsten der Widersprechenden von der Registerlage und normaler Kennzeichnungskraft aus. Die Behauptung der Widersprechenden, ihre Marke genieße aufgrund intensiver Benutzung erhöhten Schutz, hat die Markeninhaberin bestritten. Ein solcher ist auch nicht gerichtsbekannt. Es wäre daher Aufgabe der Widersprechenden gewesen, zu diesem Punkt substantiiert unter Angabe von Umsatzzahlen, Werbeaufwendungen und Marktposition vorzutragen, was trotz eines Hinweises des Senats nicht geschehen ist, so daß das Vorbringen der Widersprechenden insoweit keine Berücksichtigung finden kann.

Unabhängig davon ist jedoch vor dem Hintergrund teilweise identischer Waren und dem kollisionsfördernden Umstand, daß es sich bei den Waren um Massenartikel des täglichen Bedarfs handelt, die breite Käuferschichten ansprechen und häufig mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden, der von den Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltende Abstand gewahrt.

Zutreffend hat bereits die Markenstelle darauf hingewiesen, daß die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche klangliche wie bildliche Unterschiede aufweisen und eine Verwechslungsgefahr nur über die identische Wortfolge "Lucia" in Betracht zu ziehen ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist der für das Kennzeichnungsrecht maßgebliche Grundsatz, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich auf Grund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elements feststellen zu wollen. An diesem Grundsatz, der auch für den Fall gilt, daß sich das ältere Zeichen wie hier identisch in dem jüngeren zusammengesetzten Zeichen wiederfindet, hat sich durch das neue Markengesetz nichts geändert.

Allerdings kann eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise auch gegeben sein, wenn die Vergleichszeichen nur in einem Bestandteil übereinstimmen, sofern dieser den Gesamteindruck der jeweiligen Gesamtkennzeichnung prägt oder zumindest wesentlich bestimmt; das bedeutet aber umgekehrt, daß die anderen Zeichenteile für den Gesamteindruck vernachlässigbar zurücktreten müssen, was nur in Betracht kommt, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird. Eine bloße Mitprägung reicht nicht aus (vgl. BGH MarkenR 2000,20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Daß der Verkehr in Anwendung dieser Grundsätze sowohl das angegriffene Zeichen wie die Widerspruchsmarke auf das Wort "Lucia" zur Benennung als Kenn- oder Merkwort verkürzen und damit diesem Bestandteil allein prägende Wirkung zukommen lassen wird, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Beide Marken stellen sich dem Verkehr vielmehr als Einheit mit jeweils unterschiedlichem begrifflichen Aussagegehalt dar, hinter der die Gemeinsamkeiten der Marken zurücktreten. Soweit die Widersprechenden in diesem Zusammenhang behauptet, die Bestandteile "mamma" bzw. "santa" würden vom Verkehr als zeichenrechtlich verbraucht vernachlässigt, ist sie auch dafür jeden Nachweis schuldig geblieben. Nach der Registerlage ist, worauf die Markeninhaberin unter Vorlage von Belegen hingewiesen hat, sogar eher davon auszugehen, daß es sich bei dem Namen "Lucia" auf dem hier vorliegenden Warengebiet um ein beliebtes Markenelement handelt und dieses daher erst recht nicht allein die Widerspruchsmarke prägen kann. Mangels ausreichender Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck scheidet damit sowohl eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus, die von der Widersprechenden ohnehin nicht ernsthaft behauptet worden ist.

Nach Auffassung des Senats besteht auch nicht die Gefahr, daß die Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, wobei unter diese Formulierung des Gesetzes ohnehin nicht jede wie auch immer geartete gedankliche Assoziation fällt (vgl EuGH GRUR 1998, 387 Springende Raubkatze), sondern primär die zum bisherigen Warenzeichenrecht entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Verwechslungsfahr und zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne Eingang in das neue Recht finden sollen. Da es sich hierbei um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist bei seiner Anwendung Zurückhaltung geboten, insbesondere kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortbestandteils allein noch nicht die Annahme einer gedanklichen Verwechslungsgefahr rechtfertigen. Vielmehr muß dem Bestandteil auch im Rahmen des Gesamtzeichens ein Hinweischarakter auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zukommen, was vorliegend selbst von der Widersprechenden genauso wenig behauptet worden ist wie etwa die Bildung von Serienzeichen mit diesem Wort. Soweit die Widersprechende darauf hinweist, die Marken wiesen Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Herkunft aus der italienischen Sprache auf, stellt das keinen kollissionsbegründenden Umstand dar, da auf dem Lebensmittelsektor Kennzeichnungen mit italienischem Flair als Hinweis auf die geographische Herkunft von Waren üblich und dem Verkehr bekannt ist (vgl. auch BGH BlPMZ 1998,426 "Garibaldi").

Die Beschwerde konnte damit keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen, ohne daß der Senat für die Auferlegung von Kosten Veranlassung hatte (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Grabrucker Martens Ju Abb.1






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Az: 28 W (pat) 194/99


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