Bundesgerichtshof:
Urteil vom 16. März 2000
Aktenzeichen: I ZR 214/97
(BGH: Urteil v. 16.03.2000, Az.: I ZR 214/97)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. Juli 1997 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der beklagte saarländische Landkreis und seine kreisangehörigen Gemeinden unterhalten eine Einrichtung, die im Bedarfsfall zur Besorgung gemeindlicher Rechtsangelegenheiten tätig werden soll und von den Gemeinden über die Kreisumlage mitfinanziert wird. In Ausübung dieser Funktion nahm der Leiter des Rechtsamtes des Beklagten, Verwaltungsoberrat Dr. Z., in verschiedenen zivilrechtlichen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich die Interessen der kreisangehörigen Gemeinden N. und T. wahr. Die Rechtsangelegenheiten betrafen Werklohnansprüche für Arbeiten an einer gemeindeeigenen Sporthalle sowie an einem Haus, das von einer Gemeinde zur Unterbringung von Asylanten angemietet worden war. In einem anderen Fall war die Gemeinde T. von einem Bürger darauf verklagt worden, in der gemeindeeigenen Kulturhalle zu bestimmten Zeiten Diskoabende zu unterlassen. In einer weiteren Zivilrechtssache vertrat der Beklagte durch Verwaltungsoberrat Dr. Z. die Interessen der S.bad T. GmbH, deren Geschäftsanteile von der Gemeinde T. gehalten werden.
Der Kläger, ein Verein saarländischer Rechtsanwälte, hat in den genannten Tätigkeiten des Beklagten einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gesehen und nach § 1 UWG und § 823 Abs. 2 BGB Unterlassung begehrt. Er hat dazu vorgetragen, der Beklagte besorge fremde Rechtsangelegenheiten, da die zivilrechtliche Rechtsberatung nicht gemäß Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG im Rahmen der Zuständigkeit des Beklagten ausgeübt werde. Auch sei der Beklagte von dem jeweiligen Prozeßausgang in wirtschaftlicher Hinsicht weder unmittelbar noch mittelbar betroffen.
Der Kläger hat im Berufungsrechtszug beantragt, dem Beklagten zu untersagen, ihm zugehörigen Gemeinden sowie auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsanteile von diesen Gemeinden gehalten werden, dadurch Rechtsbetreuung zu leisten, daß er durch sein Rechtsamt, insbesondere durch seinen Leiter, derzeit Verwaltungsoberrat Dr. Z., in zivilrechtlichen Angelegenheiten außergerichtliche Korrespondenz führt und in Amtsgerichtsstreitigkeiten deren Prozeßvertretung übernimmt.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen, er sei aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Ausgleichsfunktion berechtigt, die Interessen finanzschwacher Gemeinden auf allen Rechtsgebieten wahrzunehmen und zu vertreten. Die Gemeinden N. und T. seien aufgrund ihrer Finanzschwäche nicht in der Lage, sich selbst um ihre Rechtsangelegenheiten zu kümmern. Eine besondere Zuständigkeit zur rechtlichen Beratung und Vertretung kreisangehöriger Gemeinden ergebe sich ferner aus der sozialhilferechtlichen Delegation von Kreisaufgaben an die Gemeinden. Deshalb falle ins Gewicht, daß es sich in dem Rechtsstreit Elektro-P. gegen die Gemeinde N. um Ansprüche im Zusammenhang mit der Wahrnehmung sozialhilferechtlicher Aufgaben gehandelt habe.
Das Landgericht hat den Beklagten unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen, jedoch nach Maßgabe seines Berufungsantrags dem Beklagten "Rechtsbetreuung" statt der erstinstanzlich genannten "Rechtsberatung" zu untersagen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.
1. Die Revision bemängelt ohne Erfolg, daß der erkennende Senat des Berufungsgerichts nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständig gewesen sei (§ 551 Nr. 1 ZPO). Gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG) wird durch Irrtümer über die gesetzliche oder geschäftsplanmäßige Zuständigkeit des Gerichts im allgemeinen nicht verstoßen; anders läge es nur bei willkürlicher Zuständigkeitsleugnung oder Zuständigkeitsanmaßung (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; 95, 322, 333; BGHZ 6, 178, 182; BGHSt 11, 106, 110; BGH, Beschl. v. 9.3.1976 -X ZB 17/74, NJW 1976, 1688; BGHZ 85, 116, 118 f.). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben; denn eine vorrangige Sonderzuständigkeit des 1. Zivilsenats des Berufungsgerichts drängte sich trotz der Zuständigkeitsrüge der Berufungserwiderung nicht auf. Der Kläger verfolgte zwar auch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch und entsprechende Streitigkeiten waren nach den Bestimmungen des Geschäftsverteilungsplans dem 1. Zivilsenat zugewiesen. Sein Begehren hat der Kläger daneben jedoch auf allgemeine Vorschriften (§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit dem Rechtsberatungsgesetz) gestützt und das Landgericht hatte den Klageanspruch unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten zuerkannt. Es war schon deshalb zumindest nicht willkürlich, wenn der zunächst befaßte 4. Zivilsenat von einer Übernahmeanfrage bei dem 1. Zivilsenat abgesehen hat. Bei dieser Sachlage wurde der 4. Zivilsenat jedenfalls gemäß Nr. D IV 1 a des Geschäftsverteilungsplanes für 1997 zuständig, auf die er -nach Verstreichen der Abgabefrist und erneuter Zuständigkeitsrüge -den Klägervertreter auch hingewiesen hat. Diese Bestimmung lautete:
Hält ein Senat, an den eine Sache innerhalb oder außerhalb des laufenden Turnus oder außerhalb des Turnussystems ... gelangt ist, die Sonderzuständigkeit eines anderen Senats ... für gegeben, so gibt er die Sache durch Beschluß unverzüglich, spätestens drei Monate nach Eingang der ersten Rechtsmittelbegründung, an den anderen Senat ab. Die Übernahmeanfrage wahrt die Frist. Wird die Sache nicht innerhalb dieser Frist abgegeben, gilt der Senat als zuständig.
Ein Fehler des Berufungsgerichts bei Anwendung der Nr. D IV 1 a des Geschäftsverteilungsplans von 1997 ist nicht gegeben.
Eine Bestimmung des Geschäftsverteilungsplans, die den anfänglich in Frage kommenden Kompetenzmangel beseitigt, wenn ein Spruchkörper seine geschäftsplanmäßige Zuständigkeit zu Unrecht bejaht und deshalb von einer Übernahmeanfrage abgesehen hat, ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Nur wenn sich der Richter -anders als hier -mit der Nichtabgabe einer Sache eine eigene Zuständigkeit willkürlich anmaßt, kann der Geschäftsverteilungsplan den Zuständigkeitsmangel nicht heilen (vgl. BVerfGE 95, 322, 333).
2.
Vergebens rügt die Revision im gleichen Zusammenhang, die Entscheidung sei deshalb nicht mit Gründen versehen, weil das Berufungsurteil keinerlei Ausführungen zur geschäftsplanmäßigen Zuständigkeit des angerufenen Senats enthalte (§ 551 Nr. 7 ZPO). Es ist schon fraglich, ob der Kläger seine Zuständigkeitsrüge aus der Berufungserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten hat. Jedenfalls bleibt der Rüge, es liege ein Begründungsmangel vor, dann der Erfolg versagt, wenn sich die Entscheidung im Ergebnis -wie hier - als zutreffend erweist (BGHZ 39, 333, 339; BGH, Urt. v. 26.1.1983 -IVb ZR 351/81, NJW 1983, 2318, 2320; Urt. v. 18.1.1990 -III ZR 269/88, WM 1990, 1126, 1129).
3.
Die Rüge der Revision, die Berufung des Beklagten sei teilweise nicht ordnungsgemäß begründet, weil sie nicht auch auf den Verbotsausspruch des Landgerichts eingegangen sei, zugunsten von gemeindeeigenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung Rechtsberatung zu betreiben (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), greift nicht durch. Nach der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung beruhte dieses Verbot wie die anderen Verbotsaussprüche auf der Erwägung, daß sich eine Gemeinde in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten allgemein anwaltschaftlicher Hilfe bedienen müsse. Eine gesonderte Begründung dafür, daß die Rechtsberatung für gemeindeeigene Gesellschaften zulässig sei, enthielt das landgerichtliche Urteil nicht. Durch seine Berufungsangriffe gegen die alle Verbotsaussprüche gemeinsam tragenden Erwägungen des landgerichtlichen Urteils hat der Beklagte deshalb die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil insgesamt ausreichend begründet.
4.
Im Hinblick darauf, daß die Berufung des Beklagten -wie vorstehend dargelegt - in vollem Umfang ordnungsgemäß begründet war, kann die Revision auch mit ihrer weiteren Rüge nicht durchdringen, daß das Berufungsurteil zu dieser Frage keine Ausführungen enthält, weil dieses Urteil auf dem gerügten Begründungsmangel jedenfalls nicht beruht.
II. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG mit der Begründung verneint, die Tätigkeit des Beklagten unterfalle nicht dem Rechtsberatungsgesetz, da sie gemäß Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG im Rahmen der Zuständigkeit des Beklagten ausgeübt werde. Es hat hierzu ausgeführt:
Die Schaffung einer beim Beklagten angesiedelten zentralen Verwaltungseinrichtung zur kompetenten Erledigung kommunaler Rechtsangelegenheiten entspreche dem Gebot optimaler Verwaltungseffizienz, dessen zweckmäßige Umsetzung dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden unterliege. Auch sei der Beklagte in Ausübung seines eigenen Selbstverwaltungsrechts berechtigt gewesen, die kreisangehörigen Gemeinden durch administrative Hilfen zu unterstützen. Insbesondere sei der beklagte Landkreis im Rahmen seiner sogenannten Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben zu derartigen administrativen oder finanziellen Hilfen befugt. Ebenso wie jede einzelne Gemeinde eine Stelle zur kompetenten Erledigung ihrer eigenen Rechtsangelegenheiten schaffen könne, dürfe es ihr nicht verwehrt werden, sich zu diesem Zweck mit anderen Gemeinden zusammenzuschließen und eine gemeinsam nutzbare Einrichtung zu schaffen. Diese eigenverantwortliche kommunale Selbstbestimmung umfasse auch die Sicherstellung der kompetenten Rechtsbetreuung ihrer im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen Eigengesellschaften wie der S.bad T. GmbH.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß Ansprüche des Klägers aus § 1 UWG und § 823 Abs. 2 BGB hier nicht bestehen, weil die beanstandete Rechtsbetreuung des beklagten Landkreises nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstößt. Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG bedarf die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten - von Ausnahmen abgesehen - der behördlichen Erlaubnis. Eine solche Erlaubnis besitzt der beklagte Landkreis zwar nicht. Er war hierauf für die Fälle der Rechtsbetreuung, die ihm der Kläger vorwirft, jedoch auch nicht angewiesen.
Der sehr allgemein gehaltene Klageantrag, der insbesondere auch die außergerichtliche Korrespondenz in sämtlichen zivilrechtlichen Angelegenheiten umfaßt, wäre im übrigen schon dann nicht begründet, wenn nur in einer oder mehreren der vom Antrag erfaßten Fallgestaltungen die erlaubnisfreie Rechtsbetreuung des Beklagten gegenüber ihm zugehörigen Gemeinden und ihren Gesellschaften zulässig ist. Da das klageabweisende Berufungsurteil indes der rechtlichen Nachprüfung insgesamt standhält, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob dem Kläger andernfalls hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Antrag neu zu fassen oder sein Vorbringen zu ergänzen.
a) Das Berufungsgericht hat die Erlaubnisfreiheit der beanstandeten Rechtsbetreuung nach Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG bejaht, ohne zu prüfen, inwieweit der Beklagte überhaupt fremde Rechtsangelegenheiten betreut hat. Teilweise fehlt es schon hieran, so daß das gesetzliche Rechtsbesorgungsverbot unbeschadet seiner besonderen Einschränkungen nicht eingreift. Der Beklagte hat nämlich bei der Rechtsbetreuung zugehöriger Gemeinden, die sich auf fiskalische Hilfsgeschäfte in Angelegenheiten der Sozialhilfe bezog, vorwiegend eigene Rechtsangelegenheiten besorgt.
Um derartige Fälle handelte es sich auch bei den Vertragsstreitigkeiten der Gemeinde N. aus der Anmietung und Herrichtung eines Asylantenwohnheims. Die Gemeinde war insoweit nach § 4 des saarländischen Gesetzes Nr. 776 zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (BS 2170-1) als weisungsabhängige Beauftragte des Beklagten tätig; der Beklagte hatte nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 776 der Gemeinde die aufgewendeten Kosten (außer Verwaltungskosten) zu erstatten. Die Auslegung dieser Vorschriften ist nach § 549 Abs. 1, § 562 ZPO revisionsrechtlich nicht nachprüfbar, da sich ihr Geltungsbereich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Da das Berufungsgericht das Gesetz Nr. 776 insoweit jedoch nicht erwähnt hat, ohne damit ersichtlich von seiner Nichtanwendbarkeit ausgegangen zu sein, sind auch jene Vorschriften der revisionsgerichtlichen Würdigung des Streitgegenstands zugrunde zu legen (BGH, Urt. v. 11.7.1996 -III ZR 133/95, NJW 1996, 3151). Führte die Gemeinde somit bei Hilfsgeschäften in Angelegenheiten der Sozialhilfe überwiegend ein Geschäft des Landkreises, so muß umgekehrt dem Landkreis die Rechtsbetreuung der Gemeinde auf diesem Feld als Besorgung eigener Rechtsangelegenheiten zugerechnet werden (vgl. auch BGHZ 38, 71, 80 f., 84 f. zur Rechtsbesorgung des Haftpflichtversicherers für den Versicherten).
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die streitbefangene Betreuung fremder Rechtsangelegenheiten durch den Beklagten zugunsten kreisangehöriger Gemeinden und eines kommunalen Unternehmens nach Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG erlaubnisfrei gewesen ist.
aa) Die Vorschrift des Art. 1 § 3 RBerG fordert -entgegen der Ansicht der Revision - nicht, daß die Zuständigkeit zur Rechtsbetreuung in bestimmter Weise, etwa durch formelles Gesetz, begründet worden ist. Nach Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG werden die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt werden, durch das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt. Gesetzestechnisch handelt es sich bei der oft als Ausnahmetatbestand bezeichneten Vorschrift (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1990 -I ZR 62/89, GRUR 1991, 53, 54 = WRP 1991, 102 -Kreishandwerkerschaft I; vgl. auch BGH, Urt. v. 7.5.1974 -VI ZR 7/73, NJW 1974, 1374, 1375 zu Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG; Beschl. v. 6.5.1993 -V ZB 9/92, AnwBl 1994, 254 m. Anm. Chemnitz zu Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG) um die Klarstellung von Gesetzeskonkurrenzen, hier auch zugunsten des Landesrechts. In Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG ist nur insofern ein Ausnahmetatbestand geregelt, als Zuständigkeiten von Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Rechtsberatung und Rechtsbetreuung Dritter nicht die Regel sind.
Schon nach seinem Wortlaut, aber auch nach seinem Sinn und Zweck geht Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG von der Zuständigkeitsordnung aus, wie sie das öffentliche Recht begründet; er setzt keine eigenen Zuständigkeitsmaßstäbe.
Dementsprechend kann sich die Zuständigkeit zur Rechtsbetreuung, wenn nichts anderes bestimmt ist, auch aus Verwaltungsvorschriften, Vereinbarungen oder allgemeinen Grundsätzen ergeben (wie hier: Erbs/Kohlhaas/Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 1. März 1999, § 3 RBerG Rdn. 4; wohl auch Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Art. 1 § 3 Rdn. 359; ebenso für den Fall der Annexkompetenz Rennen/Caliebe, RBerG, 2. Aufl., § 2 Rdn. 7; ähnlich Henssler/Prütting/Weth, BRAO, Art. 1 § 3 RBerG, Rdn. 10).
Unter Zuständigkeitsgesichtspunkten bleibt es danach dem Kommunalrecht überlassen, inwieweit und auf welchem rechtlichen Wege die Gemeinden die Besorgung ihrer eigenen Rechtsangelegenheiten durch die Landkreisverwaltung, durch eine Samtgemeinde, ein Amt oder eine kommunale Arbeitsgemeinschaft wahrnehmen lassen können und in welchen Grenzen und unter welchen Voraussetzungen hiernach eine Zuständigkeit jener Körperschaften zur Rechtsbetreuung von Mitgliedsgemeinden, hier des Landkreises für seine kreisangehörigen Gemeinden, begründet werden kann.
bb) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß die Rechtsbesorgung des Beklagten für kreisangehörige Gemeinden in den streitgegenständlichen Fällen mit dem saarländischen Landesrecht im Einklang stand, weil sich die Gemeinden im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts zur Besorgung ihrer Rechtsangelegenheiten der Hilfe des beklagten Landkreises bedienen durften und jener für die geleistete Rechtsbetreuung auf Anfordern zuständig war. Diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist auf die Revision nach § 549 Abs. 1, § 562 ZPO nur eingeschränkt nachprüfbar.
(1)
Das von Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden umfaßt auch ihre privatrechtliche Vermögenssorge. Dementsprechend erlaubt es, im Rahmen der Gesetze die bedarfsweise Mitwirkung des Landkreises bei der Wahrnehmung solcher Rechtsangelegenheiten zu organisieren. Nach dem Grundsatz der kommunalen Allzuständigkeit im eigenen Wirkungskreis können die Gemeinden die Rechtsbetreuung des Landkreises dabei ohne eine besondere gesetzliche Ermächtigung in Anspruch nehmen.
(2)
Der beklagte Landkreis war seinerseits dafür zuständig, in den vorgetragenen Einzelfällen den Gemeinden Rechtsbetreuung zu gewähren. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, entspricht die Schaffung einer Gemeinderechtsstelle innerhalb des Kreisrechtsamts und ihre fallweise Einschaltung hier dem Zweck, die Verwaltungseffizienz in Erfüllung des Gebots einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung zu verbessern. Der beklagte Landkreis hat sich damit im Rahmen seiner global zuständigkeitsbegründenden kommunalen Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion bewegt, wenn er leistungsschwächeren Gemeinden Verwaltungshilfe geleistet hat (vgl. BVerfGE 23, 353, 368; 58, 177, 196; BVerwG DVBl 1996, 1062, 1063 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., § 85 Rdn. 25). Das gilt auch, soweit er fehlende Verwaltungskraft von Kommunen zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten eigener Vermögensverwaltung, fiskalischer Hilfsgeschäfte und privatrechtlich betriebener Daseinsvorsorge durch subsidiäre Rechtsbetreuung ausgeglichen hat (Wohlfarth, Kommunalrecht -Auf der Grundlage des Saarländischen KSVG, 2. Aufl., Rdn. 309 a.E.). Die Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion der Landkreise findet gerade auch bei der rechtsbetreuenden Verwaltungshilfe auf dem Gebiet des Privatrechts ihren Platz, welches den nicht volljuristisch vorgebildeten Mitarbeitern kleiner Gemeindeverwaltungen nur schwer zugänglich ist. Rechtsbetreuende Verwaltungshilfe des Landkreises für kreisangehörige Gemeinden wahrt jedenfalls in diesen Grenzen den aus dem Subsidiaritätsgedanken entwickelten, in Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Zuständigkeitsvorrang der Gemeinden.
(3)
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als sich die Rechtsbetreuung des Beklagten für die Gemeinde T. auf Rechtsangelegenheiten ihrer im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen Eigengesellschaft "S.bad T. GmbH" erstreckte. Denn diese Rechtsangelegenheiten galten nach den Umständen als solche der Gemeinde selbst.
Die nach Art. 1 § 3 RBerG vom Rechtsbesorgungsverbot nicht berührten Bereiche müssen in der Frage, welchen Beteiligten die geleistete Rechtsberatung, Rechtsbetreuung und Rechtsbesorgung zuzurechnen ist, funktional abgegrenzt werden, weil eine rein organisationsbezogene Betrachtungsweise dem Verbotszweck nicht gerecht würde (vgl. auch BGHZ 125, 1, 4 -Genossenschaftsprivileg -zur genossenschaftlichen Rechtsberatung nach Art. 1 § 3 Nr. 7 RBerG). Deshalb ist es einer Gemeinde bei reinen Organisationsprivatisierungen nicht verwehrt, die funktional überwiegend gemeindeeigenen Rechtsangelegenheiten einer von ihr voll beherrschten juristischen Person privaten Rechts auch im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG als eigene Rechtsangelegenheiten zu besorgen (im Ergebnis wie hier: Hermanns, Grenzen zulässiger Rechtsberatung durch die öffentliche Hand und den privaten Unternehmer, 2000, S. 156 f., 166 f.; a.A. AG Hagen AnwBl 1962, 154 f. mit zust. Anm. Schueler; Schorn, Die Rechtsberatung, 2. Aufl., S. 143; Erbs/Kohlhaas/Senge aaO, § 3 RBerG Rdn. 4). Damit rechtfertigt die vom Berufungsgericht auch hier zutreffend herangezogene Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion für leistungsschwächere Gemeindeverwaltungen die rechtsbetreuende Verwaltungshilfe des Landkreises für die hinter dem privatrechtlichen Unternehmen stehende Kommune und diese selbst.
(4) Das Berufungsgericht ist bei der Prüfung der Frage, ob der beklagte Landkreis aufgrund der Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion zuständig war, seinen zugehörigen Gemeinden rechtsbetreuende Verwaltungshilfe zu gewähren, ersichtlich davon ausgegangen, daß § 143 KSVG nicht entgegensteht. Die Frage, ob § 143 Abs. 3 und 4 KSVG die Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion der saarländischen Landkreise gegenüber den Gemeinden abschließend konkretisiert, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Prüfung durch den Senat, weil sie die Auslegung des Landesrechts betrifft. Das Berufungsgericht hat § 143 KSVG mehr beiläufig als Beleg dafür erwähnt, daß die Landkreise nach saarländischem Kommunalrecht in Ausübung ihres eigenen Selbstverwaltungsrechts gemeindliche Selbstverwaltungsangelegenheiten übernehmen können, ohne im weiteren den in § 143 Abs. 3 und 4 KSVG genannten Verfahrensanforderungen nachzugehen. Das Berufungsgericht hat demnach die Vorschriften des § 143 Abs. 3 und 4 KSVG so ausgelegt, daß sie nur die befreiende Übernahme gemeindlicher Selbstverwaltungsangelegenheiten durch die Landkreise im Auge haben und damit kooperative Tätigkeiten des Landkreises im Rahmen der Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion nicht ausschließen.
cc) Der beklagte Landkreis überschreitet den Bereich der nach Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG zulässigen Rechtsbetreuung auch insoweit nicht, als er für die rechtsuchenden Gemeinden nach außen tätig wird und sich nicht darauf beschränkt, die Gemeinden lediglich verwaltungsintern zu unterstützen (so aber VGH Kassel AnwBl 1969, 408, 409). Sowohl der Wortsinn der Vorschrift als auch die Gesetzessystematik des Rechtsberatungsgesetzes stehen einem so engen Verständnis des Begriffs der Rechtsbetreuung entgegen. Insbesondere der Vergleich mit den Beratungsbefugnissen, die den berufsständischen Vereinigungen in § 7 RBerG eingeräumt sind, zeigt, daß zur erlaubnisfreien Betreuung eines Ratsuchenden durch eine hierfür zuständige Körperschaft des öffentlichen Rechts auch das Tätigwerden nach außen gehören kann (BGH GRUR 1991, 53, 55 -Kreishandwerkerschaft I). Dies schließt eine etwaige Prozeßvertretung ein (a.A. BayObLG AnwBl 1985, 277, 278). Der Entscheidung des Gerichts, dem Vertreter der prozeßführenden Kreisdienststelle den mündlichen Vortrag für die vertretene Gemeinde nach § 157 ZPO zu gestatten oder zu versagen, wird dadurch nicht vorgegriffen.
c) Da das Rechtsbesorgungsverbot des Art. 1 § 1 RBerG den Beklagten im Streitfall schon deshalb nicht trifft, weil er teils eigene Rechtsangelegenheiten besorgt, teils innerhalb seiner Zuständigkeit rechtsbetreuende Verwaltungshilfe geleistet hat, ist der Unterlassungsantrag zu Recht abgewiesen worden. Es bedarf deshalb -trotz der weiten Fassung des Klageantrags -keiner gesonderten Prüfung mehr, inwieweit Art. 1 § 1 RBerG für die Rechtsbesorgung zugunsten einer Gemeinde bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben überhaupt gilt (vgl. dazu bei Einschaltung eines privaten Dritten in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben einer Gemeinde BGH, Urt. v. 18.5.1995 -III ZR 109/94, NJW 1995, 3122, 3123 im Anschluß an OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 678; offengelassen in BGH, Urt. v. 14.5.1998 -I ZR 116/96, GRUR 1999, 259, 260 = WRP 1999, 98 -Klärung vermögensrechtlicher Ansprüche).
III.
Die Revision des Klägers war danach auf seine Kosten zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
v.
BGH:
Urteil v. 16.03.2000
Az: I ZR 214/97
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