Bundesgerichtshof:
Urteil vom 13. Februar 2007
Aktenzeichen: X ZR 73/05
(BGH: Urteil v. 13.02.2007, Az.: X ZR 73/05)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 12. Mai 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 313 345 (Klagepatents). Anspruch 1 des Klagepatents, das am 20. Oktober 1988 unter Inanspruchnahme japanischer Prioritäten vom 21. Oktober 1987 und 4. Juni 1988 angemeldet wurde, lautet:
"A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt:
"Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenränder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position, die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist."
Die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel.
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
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Die unter der Geschäftsführung der Beklagten zu 2 bis 4 stehende Beklagte zu 1 vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "P. " Kettenradanordnungen für Fahrräder, deren Ausgestaltung in dem für den Rechtsstreit interessierenden Bereich aus den nachstehend wiedergegebenen, von der Klägerin als Anlagen K 14, K 23-12 und K 23-13 vorgelegten Photographien ersichtlich ist.
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Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunft sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antragsgemäß erkannt. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlichen Durchmessers, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird.
Die Klagepatentschrift erläutert, dass herkömmlicherweise bei einer solchen mehrstufigen Kettenradanordnung - wie im japanischen Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und entsprechend in der US-Patentschrift 4 268 259 beschrieben - ein Kettenrad mit kleinerem und ein Kettenrad mit (nächst)größerem Durchmesser so angeordnet sind, dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf der Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette ist. Hierdurch kann bei der Versetzung der Kette auf das nächstgrößere Kettenrad ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden, wozu die Kette durch eine Schaltung in Richtung zum größeren Kettenrad schräggestellt ("biased") wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist.
Selbst wenn jedoch ein solches Kettenglied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert, greifen die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte nach den Darlegungen der Klagepatentschrift störend an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads an, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf das größere Kettenrad transportiert werden kann und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreift. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert.
Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten weiter zu verbessern.
Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederunga) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser, b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser undc) eine Antriebskette umfasst;
d) jedes Kettenrad weist an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen auf, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht;
e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser ist geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser;
f) die Kettenräder sind so angeordnet, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, f1) die sich von der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt ("extending from the centre ...");
f2) die sich entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort zum Eingriff in das größere Kettenrad umgeschaltet wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially") ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist;
g) das größere Kettenrad ist mit einer Kettenführungsfläche versehen, dieg1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist undg2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt;
h) die Kettenführungsfläche weist eine derartige Gestalt und Größe auf, dass sieh1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link ...") undh2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
Die Klagepatentschrift erläutert das Merkmal h dahin, dass der Kettenführungsabschnitt groß genug ausgeführt ist, um die ihm zugewandten Gliedplatten der Kette aufzunehmen, so dass die Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung auf die äußere Oberfläche des größeren Kettenrads abgelenkt werden kann ("can deviate at a predetermined amount towards ...") und so zuverlässig den ersten Zahn ergreift (Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]).
II. Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung des Klagepatents, weil die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale f bis f2 sowie h1 nicht verwirklichten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
Der im Berufungsrechtszug bestellte Sachverständige habe dargelegt, dass der Begriff "Tangente an eine Kurve in einem bestimmten Punkt P" mathematisch eindeutig definiert sei und der Fachmann ihn in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen werde, ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass eine Kette die Verzahnung eines Kettenrades auf einer Tangente im exakten mathematischen Sinn verlassen könne, wenn die Symmetrielinie der Kette im Punkt P senkrecht zur Winkelhalbierenden bzw. zum Radiusvektor des Teilkreises stehe. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlasse die Kette das kleinere Kettenrad in dem maßgeblichen Punkt O1 nicht auf einer solchen Tangente. Zutreffend weise der Sachverständige darauf hin, dass das Klagepatent lediglich einen einzigen Hinweis für die Kurve enthalte, an der O1 liegen solle, nämlich die Zeichnung nach Figur 1. Von diesem Punkt müsse sich die Tangente erstrecken. Das hierzu in Widerspruch stehende Vorbringen der Klägerin führe zu keiner anderen tatsächlichen oder rechtlichen Betrachtungsweise. Die Klägerin setze im Ergebnis ihr Verständnis des Klagepatents an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen.
Zum Merkmal h1 komme der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Begriff "ganze Gliedplatte" sich eindeutig auf Umriss und Tiefe der Kettenführungsfläche beziehe, die so dimensioniert werden solle, dass eine ganze Gliedplatte aufgenommen werden könne. Merkmal h1 löse "nach den Feststellungen des Sachverständigen" die Aufgabe, die Behinderung der Querbewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen und eine definierte Führung der Kette in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene zu ermöglichen. Nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen variiere bei den angegriffenen Ausführungsformen die Tiefe zwischen 0,6 mm und 0 mm und liege damit mindestens um 40 % unter der Dicke einer ganzen Gliedplatte; im Umriss sei die Kettenführungsfläche kürzer und im Bereich unterhalb des Zahnes 10 schmaler als eine ganze Gliedplatte. Auch äquivalent werde Merkmal h1 nicht verwirklicht. Beim Gangwechsel könne die Gliedplatte in den hinteren Teil der Führungsfläche nicht eintauchen und stoße seitlich am Kettenrad an. Das vom Klagepatent angestrebte Ziel, die Behinderung der Bewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen, werde damit nicht erreicht; es werde lediglich eine Verringerung erzielt. Die Funktion der Führung der Kette durch Formschluss in der Kettenradebene auf das benachbarte größere Kettenrad werde nicht oder nur noch in praktisch bedeutungslosem Umfang erreicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei von der Beklagten offenbar eine Lösung entwickelt worden, die sich aus dem Klagepatent nicht eher ableiten lasse als aus bereits bekannten Patenten. Auch in Bezug auf Merkmal h1 gelte, dass die Klägerin im Ergebnis ihr Verständnis an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen setze.
III. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Verneinung der Verletzungsfrage beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Patentanspruchs.
1. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ergibt (vgl. BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung, m.w.N.). Der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, ist unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; § 14 Satz 2 PatG) durch Auslegung zu ermitteln. Was sich hieraus als geschützter Gegenstand ergibt, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung des Patentanspruchs vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf somit nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, sondern obliegt dem Gericht. Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung, weil sich der Patentanspruch an die Fachleute eines bestimmten Gebiets der Technik richtet. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Das auf dieser Grundlage zu klärende richtige Verständnis des Patentanspruchs selbst ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Das Gericht ist deswegen gehindert, die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens einfach zu übernehmen; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II). Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei.
Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat nicht den Sinngehalt des Patentanspruchs unter Heranziehung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen ermittelt, sondern sich letztlich darauf beschränkt, die Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben und auf sie zu verweisen, ohne sie daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit dem im Lichte der Beschreibung interpretierten Patentanspruch in Einklang stehen. Vielmehr hat es die von ihm zitierten Ausführungen des Sachverständigen - ersichtlich nicht nur im Sinne eines Vergreifens im Ausdruck - als "Feststellungen" zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt. Unter Missachtung der vorstehenden Grundsätze ist das Berufungsgericht vom Verständnis des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen, das es als aufgrund seiner fachlichen Autorität maßgeblich bewertet, anstatt eigenverantwortlich den technischen Sinngehalt des Patentanspruchs zu ergründen. Deutlich wird dies insbesondere bei der Auslegung des in Merkmal f verwendeten Begriffs der Tangente, bei der sich das Berufungsgericht die Auffassung des Sachverständigen zu eigen gemacht hat, der Fachmann werde den mathematisch eindeutig definierten Begriff in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen, ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen, und bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Lage des Punktes O1 auf einer Kurve, zu der das Klagepatent in der Figur 1 lediglich "einen einzigen Hinweis" enthalte. In beiden Fällen wird der Grundsatz missachtet, dass die Merkmale eines Patentanspruchs nicht für sich stehen, sondern im Zusammenhang des gesamten Anspruchs zu verstehen sind und die Beschreibung zur Ermittlung dieses Sinnzusammenhangs heranzuziehen ist (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Ist die technische Lehre des Patentanspruchs aber nicht ermittelt, fehlt es bereits an der erforderlichen Grundlage, um sachgerecht prüfen können, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich eines Klagepatents fällt.
2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht bei den angegriffenen Ausführungsformen verneinten Merkmale f bis f2 und h1 führt die Auslegung des Patentanspruchs 1 zu folgendem Ergebnis:
a) Die Merkmalsgruppe f hat die Anordnung der Kettenräder zueinander zum Gegenstand. Wie bereits ausgeführt, ist Ziel dieser schon aus den in der Klagepatentschrift angeführten Druckschriften (japanisches Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und US-Patentschrift 4 268 259) vorbekannten Zuordnung, eine Verbesserung des Schaltvermögens der Gangschaltung dadurch zu erreichen, dass beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser ein als erster Zahn (11) bezeichneter Schaltzahn des größeren Kettenrades leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden kann (vgl. Sp. 1 Z. 11-30 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]).
Die Zuordnung der Kettenräder wird durch die Erstreckung einer als Tangente bezeichneten Geraden und den Abstand zwischen der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads und der Mitte O2 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads bestimmt. Der Abstand beträgt gemäß Merkmal f3 - jedenfalls im Wesentlichen - ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung. Damit wird erreicht, dass beim Gangwechsel der in Antriebsrichtung vor der Mitte O2 liegende (erste) Schaltzahn des größeren Kettenrads aufgrund des vorbestimmten Verhältnisses problemlos in den zwischen einem Paar äußerer Gliedplatten gebildeten Zahnaufnahmeraum eingreifen kann (vgl. Sp. 1 Z. 42-52, Sp. 3 Z. 49-54 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs., S. 5 dritter Abs.]). Da es um die Festlegung der für den Zahneingriff vorbestimmten Kettenteilung geht, muss sich die maßgebliche Tangente mit den Punkten O1 und O2 gemäß Merkmal f2 entlang des Laufwegs der Antriebskette erstrecken.
Eine derart definierte Tangente hat ihren für die relevante Länge maßgeblichen Ausgangspunkt dort (und erstreckt sich dementsprechend von dort), wo die Kette vom kleineren Kettenrad abläuft, um den Gangwechsel zum größeren Kettenrad zu ermöglichen. Merkmal f1 konkretisiert insoweit mit der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads den Punkt, von dem sich die Tangente erstreckt und von dem ausgehend bestimmt wird, ob der Abstand zur Mitte O2, welche sich in Antriebsrichtung hinter dem (ersten) Schaltzahn des größeren Kettenrads befindet, im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung im Sinne von Merkmal f3 beträgt. Die den tangentialen Kettenablauf im Punkt O1 schneidende Mittellinie zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erlaubt dabei eine eindeutige Festlegung des (längenbestimmenden) Ausgangspunktes der erfindungsgemäßen Tangente. Vor diesem Hintergrund bedarf es aus technischer Sicht und in Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut keiner weiteren Konkretisierung der Lage der Punkte O1 und O2. Da sich die erfindungsgemäße Tangente entlang des (geradlinigen) Laufwegs der Antriebskette erstreckt, ergeben sich diese von selbst aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den benachbarten Zähnen mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden. Eine entlang des Laufwegs der Antriebskette angelegte Gerade stellt auch eine Tangente dar, da die Antriebskette beim Gangwechsel stets tangential vom kleineren Kettenrad, über welches sie sich auf dem Wälzkreis bewegt, abläuft.
Dass eine erfindungsgemäße Tangente darüber hinaus nur vorliegt, wenn sie - entsprechend den Ausführungen des vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen - im Punkt O1 dieselbe Steigung aufweist wie ein die Mitte O1 schneidender Teilkreis des Kettenrads, so dass die Tangente dort ihren Berührpunkt mit dem Teilkreis hat und senkrecht zur Winkelhalbierenden steht, lässt sich der technischen Lehre des Klagepatents nicht entnehmen. Wie der vorstehend ermittelte Sinngehalt der Merkmale zeigt, führen weder die Verwendung des Begriffs Tangente noch die Anweisung in Merkmal f1, die Tangente müsse sich von der Mitte O1 erstrecken, zu einem solchen Verständnis. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat sich das Berufungsgericht wie der gerichtliche Sachverständige allein von der mathematischen Definition einer Tangente leiten lassen und den technischen Zusammenhang aus dem Auge verloren, in dem der Begriff im Klagepatent verwendet wird. Auch der Einwand der Revisionserwiderung, der Berührpunkt der Tangente mit dem Wälzkreis verändere sich im Falle einer Änderung des Kettenabzugswinkels, wäre nur dann maßgeblich, wenn der Berührpunkt und seine Lage fest vorgegeben wären. Patentanspruch 1 und die zu seiner Auslegung heranzuziehende Patentbeschreibung befassen sich jedoch nicht mit dem Berührpunkt. Dies ist auch ohne weiteres einleuchtend, da sich dieser Punkt beim tangentialen Ablauf der Antriebskette vom Kettenrad von selbst einstellt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in Merkmal f1 angesprochenen Erstreckung der Tangente von der Mitte O1 nicht nur ausgesagt ist, dass die Tangente im oben genannten Sinne ihren für die Abstandsbestimmung zur Mitte O1 maßgeblichen Anfangspunkt hat, sondern gefordert wird, dass sie außerdem gerade dort ihren Berührpunkt an einem Teilkreis haben muss, sind der Patentschrift nicht zu entnehmen. Der vom Berufungsgericht in Bezug genommene Sachverständige sieht eine technische Funktion einer solchen Anordnung zwar darin, dass bei kleinen Zähnezahldifferenzen ein den Kettenradwechsel störender Kontakt zwischen der Antriebskette und dem entgegen der Antriebsrichtung übernächsten auf den Punkt O1 folgenden Zahn des kleineren Kettenrads vermieden werden kann. Diese Funktion weist die Klagepatentschrift der Tangente und der Lage ihres Berührpunktes jedoch nicht zu. Vielmehr würde das von dem gerichtlichen Sachverständigen für richtig gehaltene Verständnis eine völlig unübliche Durchmesserdifferenz zwischen aufeinanderfolgenden Kettenrädern bedingen, die weder in der Beschreibung noch in den Zeichnungen des Klagepatents irgendeine Stütze findet. In keiner Figur ist die Lage der erfindungsgemäßen Tangente eingezeichnet. Lediglich die Darstellung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 erlaubt es überhaupt, entsprechend den Vorgaben der Merkmalsgruppe f eine Tangente nachträglich anzulegen. Die vom Berufungsgericht geforderte Tangente ergibt sich hieraus jedoch nicht, da eine Tangente, die im Ausführungsbeispiel am Punkt O1 ihren Berührpunkt mit einem (fiktiven) Teilkreis hat, sich nicht - auch nur annähernd - entlang des Laufwegs der Antriebskette erstreckt.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtfertigt schließlich auch der in der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 12-15 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]) gegebene Hinweis auf das US-Patent 4 268 259 (Anlage K 6) kein anderes Auslegungsergebnis. Zur Patentbeschreibung, die nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche und zur Klärung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe heranzuziehen ist, gehören zwar auch die in der Beschreibung genannten Druckschriften des Standes der Technik, soweit auf sie zur Ergänzung der Patentbeschreibung Bezug genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365, 367 - Sammelförderer). Die US-Patentschrift gibt für ein im oben genannten Sinne eingeschränktes Verständnis des Begriffs Tangente jedoch nichts her. Die von der Revisionserwiderung angeführte Beschreibungsstelle der US-Patentschrift (Sp. 2 Z. 37-50) umschreibt die Tangente als Tangentenlinie X-X oder eine von der Mitte O2 - in der Klagepatentschrift mit O1 bezeichnet - auf einer Tangentialebene in Bezug auf das kleinere Zahnrad und entlang des Laufwegs der Kette gezeichnete Linie ("... tangent line X-X or a line drawn from the center O2 on the tangent plane with respect to the smaller diameter sprocket 2 and along the travel of the chain 4 ..."). Da die Antriebskette beim Gangwechsel tangential vom kleineren Kettenrad abläuft, befindet sich eine sich entlang des Laufs der Antriebskette erstreckende Gerade stets in einer tangentialen Ebene in Bezug auf das kleinere Kettenrad. Die Mitte zwischen zwei benachbarten Zähnen des kleineren Kettenrads muss dazu nicht den Berührpunkt einer Tangente darstellen, die als solche auch unabhängig von der tangentialen Erstreckung der Antriebskette verlaufen kann. Die Tangentenlinie X-X bezieht sich lediglich auf die zeichnerische Darstellung der sich entlang des Kettenverlaufs erstreckenden Gerade in Figur 1 der US-Patentschrift und definiert keine weitere geometrische Anforderung. Die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung, Kettenverlauf und die Tangentenlinie X-X könnten voneinander abweichen, findet keinen Anhalt in der US-Patentschrift.
Nach allem durfte das Berufungsgericht das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Tangente im Sinne der Merkmale f bis f2 nicht allein deshalb verneinen, weil die Antriebskette das kleinere Kettenrad nicht auf einer Tangente verlässt, die an einem Teilkreis des Kettenrades im Punkt O1 anliegt, also dort senkrecht zur Winkelhalbierenden steht. Ob die angegriffenen Ausführungsformen in tatsächlicher Hinsicht so ausgestaltet sind, dass sie von den Merkmalen f bis f2 Gebrauch machen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug unter Beachtung des vorstehend ermittelten Sinngehalts des Patentanspruchs 1 festzustellen haben.
b) Während Merkmalsgruppe g die Lage der erfindungsgemäßen Kettenführungsfläche auf dem größeren Kettenrad vorgibt, befasst sich Merkmalsgruppe h mit Größe und Gestalt der Kettenführungsfläche. Sie werden in funktionaler Hinsicht durch Merkmal h2 bestimmt, wonach Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche bewirken, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt werden kann. Diese Wirkungsangabe versteht sich vor der vom Klagepatent am Stand der Technik geübten Kritik, dass die dem kleineren Kettenrad zugewandte (innere) Oberfläche des größeren Kettenrads einer ausreichenden Schrägstellung der Antriebskette für den Gangwechsel entgegenwirken kann, weil die äußere Gliedplatte und gegebenenfalls die Endfläche eines Kettenzapfens an die innere Oberfläche des größeren Kettenrades stoßen mit der Folge, dass die Kette möglicherweise nicht hinreichend zum größeren Kettenrad hin abgelenkt werden kann, um ein zuverlässiges Eingreifen mit einem (ersten) Schaltzahn zu gewährleisten (vgl. Sp. 1 Z. 42 bis Sp. 2 Z. 42 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs. bis S. 3 zweiter Abs.]). Die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Kettenführungsfläche soll es demgegenüber ermöglichen, die Kette beim Versetzen vom kleineren zum größeren Kettenrad zuverlässig - d.h. insbesondere ohne das vorgenannte schädliche Anstoßen - um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads schrägstellen zu können (vgl. Sp. 3 Z. 42-48 [Übersetzung S. 5 dritter Abs.]).
Mit welcher räumlichkörperlichen Ausgestaltung diese Wirkung erzielt werden soll, gibt Merkmal h1 an. Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche werden hierzu in Beziehung zur Gliedplatte gesetzt und dadurch charakterisiert, dass sie diese ganz aufnehmen. Mit der Aufnahme ist ein Raum vorhanden, der groß genug ausgeführt ist, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]). Merkmal h1 lehrt insoweit, dass der Aufnahmeraum dann hinreichend groß dimensioniert ist, wenn die Gliedplatte nicht nur teilweise, sondern ganz aufgenommen wird. Vollständige Aufnahme bedeutet, dass die Begrenzung des Aufnahmeraums in ihrem radialen Umriss nicht kleiner gestaltet sein soll als der Längsumriss der Gliedplatte. Anderenfalls käme die Gliedplatte zwangsläufig nicht nur mit dem Aufnahmeraum, sondern auch mit der ihn begrenzenden, nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt. Ein solcher Kontakt kann zu der unerwünschten Ablenkung der Kette weg vom größeren Kettenrad führen und damit verhindern, dass die Kette in erfindungsgemäßer Weise zuverlässig um den vorbestimmten Betrag zum größeren Kettenrad schräggestellt wird. Der vom Klagepatent vorausgesetzte Raum zur Aufnahme einer ganzen Gliedpatte kann, wie dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift zu entnehmen ist, auch dann noch vorhanden sein, wenn die Gliedplatte über den Boden der Führungsfläche hinausragt. Entscheidend ist, dass es nicht zu dem vorerwähnten schädlichen Kontakt mit der unvertieften Kettenradoberfläche kommt und die Fläche ihre Führungsfunktion erfüllt, die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads zu bewegen.
Die nicht unmittelbar durch den Anspruchswortlaut geklärte Frage, ob sich das Kriterium der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte daneben auch auf die Tiefe der Kettenführungsfläche in der Weise bezieht, dass die axiale Tiefe des Aufnahmeraums zumindest der Dicke einer Gliedplatte entsprechen muss, so dass eine Gliedplatte axial betrachtet vollständig in den Aufnahmeraum eintauchen kann, ist zu verneinen. Die Tiefe des von der Kettenführungsfläche gebildeten Aufnahmeraums bestimmt, um welchen Betrag die Kette zum größeren Kettenrad schräggestellt werden kann. Dieser vorbestimmte Betrag gewährleistet, dass die Kette zuverlässig in Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads gebracht und der Gangwechsel vom kleineren zum größeren Kettenrad problemlos vollzogen werden kann. Entspricht ein Paar der äußeren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn (11), gelangt der Zahn zwischen diesen in Eingriff. Entspricht ein Paar der inneren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn, kommt nicht der - weniger große - Zwischenraum zwischen diesem Paar mit dem ersten Schaltzahn, sondern erst der Zwischenraum der dem Paar nachfolgenden Paar äußerer Gliedplatten mit dem zweiten Schaltzahn (12) in Eingriff (vgl. Sp. 3 Z. 49 bis Sp. 4 Z. 2, Sp. 10 Z. 33-40 [Übersetzung S. 5 dritter Abs., S. 15 zweiter Abs.]). Dabei gilt es zu verhindern, dass die dem größeren Kettenrad zugewandte innere Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn aufreitet ("riding on the first tooth") (Sp. 5 Z. 43-50, Sp. 6 Z. 8-16 [Übersetzung S. 8 dritter Abs., S. 9 erster Abs.]). Die Kettenführungsfläche muss dementsprechend einerseits tief genug für den Eingriff des ersten Schaltzahns zwischen einem Paar der äußeren Gliedplatten sein, darf aber andererseits nicht so tief sein, dass es zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem Zahn kommt. Dieses Anforderungsprofil schließt solche Ausführungsformen ein, bei denen die Kettenführungsfläche eine geringere Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte aufweist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine solche Tiefe Voraussetzung dafür wäre, überhaupt zu den vorgenannten Steuerungsverhältnissen zu gelangen. Derartiges ist der Patentbeschreibung jedoch nicht zu entnehmen und erscheint auch in technischer Hinsicht nicht plausibel, da die Dicke der Kettenglieder allenfalls einer von mehreren Faktoren - etwa neben der Materialdicke der Kettenräder und der Gestaltung der Schaltzähne - sein kann, die Einfluss darauf haben, welche Tiefe die Kettenführungsfläche im Einzelfall zum Erzielen der erwünschten Steuerungsverhältnisse aufweisen muss.
Kettenführungsflächen mit geringerer Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen - wie es das Berufungsgericht unter Verweis auf den Sachverständigen unternommen hat -, lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, mit der in Merkmal h1 vorgesehenen Aufnahme einer ganzen Gliedplatte solle eine definierte (Radial-) Führung in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene ermöglicht werden. Weder das der Erfindung zugrunde liegende Problem noch die sonstige Patentbeschreibung rechtfertigen eine solche einschränkende Betrachtung. Dem Klagepatent geht es in erster Linie um die Beseitigung der Nachteile, die sich im Stand der Technik daraus ergeben, dass die Kette bei der für den Gangwechsel zum größeren Kettenrad erforderlichen Querbewegung senkrecht zur Kettenradebene - also axial und nicht radial - durch dessen innere Oberfläche störend abgelenkt wird. Lediglich im Rahmen der Beschreibung der Ausführungsalternative, die Kettenführungsfläche durch einen Ausschnitt ("cutout") zu bilden, wird dargelegt, die Bewegung der Kette könne geführt sein und ein abgestufter Bereich 4a ("stepped portion 4a") die Gliedplatte beim Versetzen aufnehmen (Sp. 6 Z. 19-23 [Übersetzung S. 9 zweiter Abs.]). Der Abstufung mag hierbei der technische Sinn zukommen, in radialer Hinsicht eine gewisse Abstützung der Gliedplatte herbeizuführen und so einem Herausrutschen der Gliedplatte aus der Kettenführungsfläche entgegenzuwirken. Zum einen handelt es sich bei der Abstufung und den mit ihr eröffneten radialen Führungsmöglichkeiten der Kette jedoch nicht um einen notwendigen Bestandteil des patentgemäßen Gegenstandes. Zum anderen hat sich die Tiefe der Abstufung an der oben beschriebenen - allein im Mittelpunkt der patentgemäßen Lehre stehenden - Führung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu orientieren, was bedeutet, dass als Folge der Abstufung keine Tiefe der Kettenführungsfläche erreicht werden darf, die zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn führen kann. Dies kann je nach den gegebenen Verhältnissen erfordern, die Abstufung geringer ausfallen zu lassen als die Dicke einer Gliedplatte. Dafür, dass umgekehrt wegen der Abstufung und der mit ihr verbundenen Wirkungen die Möglichkeiten der axialen Führung der Kette auf Kettenführungsflächen mit einer bestimmten Mindesttiefe - etwa entsprechend der Dicke einer Gliedplatte - beschränkt sein sollen, fehlt es hingegen an jedem Anhaltspunkt.
Merkmal h1 ist schließlich auch nicht in der Weise zu verstehen, dass mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte eine radiale Abstützung entlang der ganzen Führungsfläche erreicht werden soll. Die Antriebskette wird beim Gangwechsel schräg zum größeren Kettenrad gestellt. Die Gliedplatten bewegen sich demgemäß nicht mehr parallel zum größeren Kettenrad, sondern in einem bestimmten Winkel (axial) auf das Kettenrad zu. Patentgemäß ist deshalb vorgesehen, die Tiefe der Kettenführungsfläche stufenweise zu verändern oder sie über ihre gesamte Länge hinweg schräg verlaufen zu lassen (Sp. 7 Z. 11-16 [Übersetzung S. 10 vierter Abs.]), was einschließt, die Schräge auf der Höhe der nicht vertieften inneren Kettenradoberfläche beginnen zu lassen. Danach unterfallen aber auch solche Ausführungsformen der technischen Lehre des Klagepatents, bei denen eine radiale Abstützung nur partiell stattfindet, sei es, weil die Gliedplatte aufgrund ihrer vorgegebenen Schräglage nur in ihrem vorderen Bereich hinreichend tief in die Kettenführungsfläche eintauchen kann, sei es, weil die sich gestuft oder durchgehend schräg vertiefende Führungsfläche nur bereichsweise eine Tiefe erreicht, die eine technisch nennenswerte radiale Abstützung erlaubt.
Zieht man diese Auslegung für die Verletzungsprüfung heran, bedarf es für die Verneinung einer identischen (wortsinngemäßen) Benutzung des Merkmals h1 tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob die radiale Begrenzung der Kettenführungsfläche derart gestaltet ist, dass der für die Aufnahme einer ganzen Gliedplatte erforderliche Raum nicht vorhanden ist. Tragfähige Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Seine Annahme, die Kettenführungsfläche sei kürzer als eine ganze Gliedplatte, beruht ersichtlich auf dem Fehlverständnis, die Gliedplatte müsse nicht nur über ihre gesamte Länge, sondern auch in ihrer Tiefe vollständig aufgenommen werden. Soweit es ausführt, die Kettenführungsfläche sei unterhalb des Zahnes (10) schmaler als eine ganze Gliedplatte, ergibt sich nicht, welche einer Verwirklichung des Merkmals h1 entgegenstehende Konsequenzen dies haben soll. Insbesondere erscheint nicht ausgeschlossen, dass als schmaler lediglich ein Bereich bezeichnet wird, in dem die Gliedplatte (partiell) über den Boden der Führungsfläche hinausragt, ohne dass die erfindungsgemäße Führungsfunktion aufgehoben wird. Unter Beachtung der obigen Auslegung des Klagepatents wird das Berufungsgericht deshalb die für die Beantwortung der Frage einer identischen Benutzung des Merkmals h1 erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu Gestaltung und Funktion der angegriffenen Ausführungsformen neu zu treffen haben.
3. Rechtsfehlerhaft sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirklichung des Merkmals h1 mit abgewandelten (äquivalenten) Mitteln verneint hat.
a) Die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich erfordert zunächst, dass sie das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
Wie die Auslegung von Patentanspruch 1 ergeben hat, wird mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte in der Führungsfläche erreicht, dass die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten (axialen) Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegt werden kann. Die Kette wird nicht durch ein Anstoßen an der nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads störend abgelenkt. Ist bei den angegriffenen Ausführungsformen die Begrenzung der Kettenführungsfläche kleiner gestaltet als der Gliedplattenumriss, kann dies zur Folge haben, dass die Gliedplatte mit der nicht vertieften Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt kommt. Ein solcher Kontakt schlösse eine Gleichwirkung aus, wenn er die Gliedplatte daran hinderte, sich schräg in die Führungsfläche zu stellen und auf diese Weise die Kette um einen durch die Tiefe der Führungsfläche vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad zu führen. Dass derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht unter Verweis auf die Ausführungen des Sachverständigen meint, eine Behinderung der axialen Querbewegung der Kette werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht vollständig, sondern lediglich in einem verringerten Umfang vermieden, rechtfertigt dies die Verneinung einer Patentverletzung mit abgewandelten Mitteln schon deshalb nicht, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine patentrechtliche Gleichwirkung schon bei im Wesentlichen die patentgemäßen Wirkungen erzielenden Gestaltungen gegeben ist (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 914 - Spannschraube; Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr - m.w.N.). Solche Wirkungen erscheinen nicht von vornherein durch jede Art von Verkleinerung oder Verkürzung der Kettenführungsfläche ausgeschlossen. Welche konkreten Verhältnisse insoweit bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen, bedarf allerdings ebenfalls tatrichterlicher Feststellungen, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können. Hierzu wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit haben.
b) Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäßen Wirkungen erzielen, wird es weiter zu prüfen haben, ob seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigten, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I). War - was nach dem Vorstehenden naheliegt - auch dies der Fall, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen musste, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zog (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage (Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 316 - Stapeltrockner). Bei ihrer Beantwortung ist der in der gelehrten vollständigen Aufnahme zum Ausdruck kommende Lösungsgedanke zu beachten, die Kettenführungsfläche groß genug zu gestalten, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8 [Übersetzung S. 8 letzter Abs.]). Abweichungen, die aufgrund ihrer Geringfügigkeit und räumlichen Lage (noch) nicht zu einem Kontakt der Gliedplatte mit der unvertieften Oberfläche des Kettenrads führen, der die Kette in technisch bedeutsamer Weise an der Bewegung um den vorbestimmten Betrag hindern kann, stehen mit diesem Gedanken grundsätzlich in Einklang. Aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ergibt sich nichts anderes. Die Anweisung, eine ganze Gliedplatte aufzunehmen, stellt eine verbale Umschreibung des geschützten Gegenstandes dar, die insgesamt auslegungsbedürftig ist und der von vornherein nicht das Maß an Eindeutigkeit und Exaktheit zukommt, welches der Fachmann mit technisch eindeutig definierten Zahlen- oder Maßangaben (z.B. Winkel-, Mengen- oder Gewichtsangaben) verbindet. Ohne Stütze in der Patentbeschreibung kann Merkmal h1 daher nicht der Sinngehalt beigemessen werden, einen Grenzwert anzugeben, den es im Zweifel exakt einzuhalten gilt und der Abweichungen generell nicht mehr als gleichwertig gegenüber dem geschützten Gegenstand erscheinen lässt.
IV. Gelangt das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Merkmale f bis f2 und h1 wortsinngemäß bzw. mit äquivalenten Mitteln verwirklicht sind, wird es die Prüfung nachzuholen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen auch das zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Merkmal f3 aufweisen.
Schließlich wird das Berufungsgericht gegebenenfalls der von ihm offen- gelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Einwand der Beklagten durchgreift, eine von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichte äquivalente Lösung stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar (vgl. BGHZ 98, 12 - Formstein).
Melullis Mühlens Meier-Beck Asendorf Gröning Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.07.2003 - 21 O 7147/01 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 4259/03 -
BGH:
Urteil v. 13.02.2007
Az: X ZR 73/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/456d8b8341fa/BGH_Urteil_vom_13-Februar-2007_Az_X-ZR-73-05