Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 1. November 2005
Aktenzeichen: 11 U 7/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 01.11.2005, Az.: 11 U 7/05)

Tenor

Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.02.2005 ( Az: 2/6 O 27/04 ) werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung tragen die Klägerin 15% und die Beklagten 85%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann eine Vollstreckung der gegnerischen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird für die Beklagten zugelassen, für die Klägerin wird sie nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Bühnenwerken €Die Schöne und das Biest€, €Der Glöckner von Notre Dame€, €Der König der Löwen€ und €Aida€.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, veranstaltet bundesweit Aufführungen unter dem Titel €The Musical Starlights of Sir Andrew Lloyd Webber and The Disney Musical-Productions€ im Rahmen von Tourneen.

Die Klägerin, die der Auffassung ist, die Aufführung der Beklagten stelle eine bühnenmäßige Aufführung der Disney-Musicals dar, hat die Beklagten auf Unterlassung der bühnenmäßigen Aufführung, bestimmter werbemäßiger Ankündigungen sowie der Verwendung bestimmter Kostüme in Anspruch genommen. Ferner hat sie von den Beklagten Auskunft verlangt und Schadensersatzfeststellung beantragt.

Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme des gegen die Verwendung von bestimmten Kostümen gerichteten Unterlassungsantrags - im Wesentlichen stattgegeben. Wegen der Begründung und hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das Urteil vom 02.02.2005 ( Bl. 224 ff.d.A.) Bezug genommen.

Dagegen richten sich die Rechtsmittel der Parteien.

Die Beklagten greifen das Urteil an, soweit sie zur Unterlassung der bühnenmäßigen Aufführung der Disney Musicals und zur Auskunftserteilung verurteilt worden sind.

Sie rügen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft aus der visuellen Ähnlichkeit gewisser Szenen der beiderseitigen Produktionen auf eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten geschlossen. Dabei sei es der Abgrenzungsfrage zwischen €großem Recht€ und €kleinem Recht€ ausgewichen. Es handle sich bei den in Rede stehenden Songs um vorbestehende Werke des €kleinen Rechts€, die nachträglich in die Musicals integriert worden seien. Das €große Recht€ sei nicht berührt, so dass die über die GEMA erworbene Lizenz für die konkreten Aufführungen ausreiche und eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliege.

Bei der Abgrenzung habe das Landgericht nicht auf die visuellen Ähnlichkeiten, die Ausgestaltung der Werbung und den Inhalt des Programmhefts abstellen dürfen. Ob es sich bei der Produktion der Beklagten um eine Aufführung des großen Rechts, also um ein musikalisch-dramatisch bewegtes Spiel handele, bei dem eine bestimmte dramaturgische Handlung dargestellt werde, sei nicht anhand der Werbematerialien, sondern ausschließlich anhand des Videomitschnitts der Aufführung der Beklagten zu beurteilen. Das €große Recht€ schütze nicht die optische Ausstattung einer Produktion, sondern deren dramaturgische Handlung, die nicht durch einzelne statische Fotos wiedergegeben werden könne. Das Gericht habe sich ausschließlich an den Drehbüchern der Klägerin orientiert, deren Übereinstimmung mit den Aufführungen der Klägerin die Beklagten bestreiten.

Das Landgericht führe nicht aus, inwieweit der gedankliche Inhalt der aufgeführten Bestandteile der Musicals erkennbar gemacht werde. Die Produktion der Beklagten sei ohne Hintergrundwissen eine bunte Schau ohne Handlung, Sinn und Zweck. Es fehle ein Überschuss an dramaturgischer Handlung, der über den rein musikalischen Gehalt hinaus urheberrechtlich geschützt sei und nicht durch die GEMA lizenziert werden könne.

Offensichtlich sei das Landgericht von der unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, dass die Beklagte die Werke lediglich konzertant, nicht aber im Rahmen einer Showproduktion darbieten dürfe. Vom Wahrnehmungsbereich der GEMA sei nicht jegliche bühnenmäßige Aufführung von Musik ausgeschlossen, sondern nur die bühnenmäßige Aufführung dramatisch-musikalischer Werke, soweit dies zumindest in größeren Teilen geschehe. Das Landgericht habe in Verkennung der Rechtslage unterstellt, jegliche bühnenmäßige Aufführung von Songs aus den Musicals sei rechtswidrig und nur die konzertante Darbietung über die GEMA könne lizenziert werden.

Schließlich habe das Landgericht unzutreffend festgestellt, dass die €albernden Mädchen€ in der Tavernen-Szene von €Die Schöne und das Biest€ nicht singen und die Lieder in der Reihenfolge des Originals gespielt würden. Bei €Der König der Löwen€ sei die Reihenfolge der Songs genau umgekehrt wie im Musical der Klägerin und würden teilweise auch zu ganz anderen Szenen gesungen.

Die Beklagten beantragen,1. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt insoweit €aufzuheben€, als die Beklagten verurteilt werden, Teile der Disney Musicals €Die Schöne und das Biest€, €Der Glöckner von Notre Dame€, €König der Löwen€ und €Aida€ bühnenmäßig aufzuführen, wie aus dem Video ersichtlich, das sich als Anlage K 1 bei den Gerichtsakten befindet.2. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt ferner insoweit €aufzuheben€, als die Beklagten verurteilt werden, Auskunft zu erteilen, wann und wo sie die in Deutschland die unter Ziff. 1 a genannten Musicals bühnenmäßig zur Aufführung gebracht haben (vgl. Ziff. 2 a des Urteils), und Rechnung zu legen über die Bruttoeinnahmen, welche bei den Veranstaltungen gem. Ziff. 1 a seit 13.12.2002 erzielt worden sind.

Die Klägerin beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, die Berufung zurückzuweisen.

Mit ihrer eigenen Berufung rügt die Klägerin, das Landgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, soweit es ihre Aktivlegitimation hinsichtlich der Kostüme ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 139 ZPO verneint habe. Auf einen entsprechenden Hinweis hätte sie, die Klägerin, bereits in erster Instanz Beweis durch Benennung ihrer Vizepräsidentin als Zeugin angetreten.

Die Klägerin beantragt zu ihrer eigenen Berufung: Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.02.2005 werden die Beklagten weiterhin verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten , im Falle der Beklagten zu 1) Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, für die Darbietung von Teilen aus den Disney-Musicals €The Lion King€ und €Aida€ Masken, Figuren (Marionetten/Gliederpuppen), Kostüme und Bühnenbilder, die aus den Originalproduktionen übernommen sind, zu verwenden bzw. verwenden zu lassen, insbesondere

1. die Kopfmasken und Kostüme von €Simba€ und €Nala€ (Anlage K 2), 2. die Figuren (Marionetten/Gliederpuppen) von €Pumbaa€ und €Timon€ (Anlage K 3 und K 4), 3. die Maske und das Kostüm von €Rafiki€ (Anlage K 2), 4. die Kostüme der Steppendarsteller (grasslands costume) (Anlage K 3), 5. die Kostüme der €Dashiki Singers€ einschließlich Stabpuppen (Anlage K 2), 6. das Bühnenbild €Rafiki€s tree€ (Anlage K 1 und K 2), 7. die Kostüme von €Amneris€, €Aida€ und €Radames€ (Anlage K 5 und K 6), 8. die Bühnenbilder €Museum€ und €Camp€ (Anlage K 1, K 5, K 7 und K 8).

Die Beklagten treten dem entgegen und weisen darauf hin, dass bereits in erster Instanz die Aktivlegitimation und Nutzungsberechtigung der Klägerin hinsichtlich der Kostüme bestritten gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Parteivortrag wird ergänzend auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Beide Rechtsmittel sind zulässig, bleiben in der Sache aber ohne Erfolg.

A. Berufung der Beklagten

Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht zur Unterlassung der bühnenmäßigen Aufführung der Musicals verurteilt. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch ergibt sich zugunsten der Klägerin aus §§ 19 Abs. 2, 97 Abs. 1 UrhG.

1.) Soweit das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick auf die ihr eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechte an den Musicalwerken bejaht hat, greifen die Beklagten das Urteil nicht an. Auch gegen den weiteren Ansatz, wonach es sich bei den Musicals der Klägerin um dramatisch-musikalische Werke handelt, die Urheberschutz genießen, wenden sich die Beklagten nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

2.) Die Beklagten verletzen die Aufführungsrechte der Klägerin, weil es sich bei ihren Darbietungen um unberechtigte bühnenmäßige Aufführungen handelt.

Eine bühnenmäßige Aufführung liegt vor, wenn bei der Wiedergabe von Musikstücken oder Schlagerliedern aus Operetten der gedankliche Inhalt des entsprechenden Werks oder seiner Bestandteile durch bewegtes Spiel für Auge und Ohr des Publikums als eine gegenwärtig sich vollziehende Handlung vermittelt wird (BGH GRUR 1960, 605 € Eisrevue I; OLG Hamburg OLGR 04,13 € Mamma Mia u. st. Rspr. ).

Davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen und hat aufgrund eines Vergleichs der Drehbücher der Klägerin mit dem Inhalt des Videobandes ( Anlage K 1) das Vorliegen einer bühnenmäßigen Aufführung in allen vier Fällen aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der Aufführungen rechtsfehlerfrei festgestellt. Es hat ausgeführt, bei der Aufführung der Beklagten würden Inhalte durch bewegtes Spiel für Auge und Ohr des Publikums als eine gegenwärtig sich vollziehende Handlung vermittelt. Es ergebe sich ein geschlossenes Bild des Gesamtwerks oder eines abgrenzbaren Bestandteils des Gesamtwerks, das nicht nur in der Wiedergabe eines Songs bestehe. Des Weiteren hat es Feststellungen zu bestehenden Übereinstimmungen bei allen Aufführungen getroffen.

Der Senat hat das Videoband, dessen Inhalt den Parteien bekannt ist, zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eingesehen. Der Vergleich der Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil mit der Videoaufnahme Anlage K 1 lässt insoweit keine Fehler oder Unvollständigkeiten der tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil erkennen. Er belegt, dass die Handlung (auszugsweise ) in szenischer Darstellung (unter Benutzung von Requisiten) verkörpert wird ( so auch BGH GRUR 00, 230 -Musical - Gala ). Die rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen des Landgerichts tragen die rechtliche Folgerung, dass die Stücke bühnenmäßig aufgeführt werden.

Ob die Berufung zu Recht rügt, das Landgericht habe fehlerhafte Feststellungen getroffen, weil €die albernden Mädchen€ in der Tavernenszene von €Die Schöne und das Biest€ € entgegen der Feststellung des Landgerichts - auch sängen, kann dahin gestellt bleiben. Die € wie noch darzustellen ist € insgesamt rechtsfehlerfreie Würdigung der Aufführung der Beklagten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in einer Gruppenszene Schauspieler nur sprechen oder auch singen.

Die gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Rügen der Berufung erweisen sich als insgesamt unbegründet.

a) Ohne jeden Zweifel handelt es sich bei der Aufführung der Beklagten nicht um eine lediglich konzertante Präsentation der musikalischen Höhepunkte der Musicals (€Musical-Gala€), sondern um ein bewegtes Spiel mit Tanz- und Sprecheinlagen.

Das ziehen auch die Beklagten nicht in Zweifel, meinen jedoch, die Übernahme lediglich eines Bruchteils der Handlungsabschnitte eines Originalwerks sei keine bühnenmäßige Aufführung, tatsächlich hätten sie nicht einmal den Bruchteil der Handlungsabschnitte übernommen, sondern böten nur musikalische Highlights ohne Sinn und Zweck.

Dem ist nicht zu folgen. Der Annahme, die Beklagten böten lediglich musikalische Highlights ohne Sinn und Zweck, steht schon die Feststellung im erstinstanzlichen Urteil entgegen, wonach die szenischen Ausschnitte Handlungsabläufe im Sinne von Lebensvorgängen erkennen lassen. Auf die entsprechenden Feststellungen S. 13 und 14 des Urteils wird Bezug genommen.

b) Zu Unrecht meinen die Beklagten, der Sinn des gesamten Handlungsablaufs müsse sich für einen mit dem Inhalt des Stücks nicht vertrauten Zuschauer aus der Aufführung ergeben, aus den einzelnen szenischen Darstellungen ihrer Aufführungen sei für den €unvoreingenommenen€ Zuschauer aber kein nachvollziehbarer Handlungsablauf erkennbar. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Betrachter, der das Werk noch nicht kennt, den Handlungsablauf ganz oder zumindest in großen Teilen in Erfahrung bringen kann, sondern dass es ausreicht, wenn der gedankliche Inhalt der zur Aufführung gelangenden Bestandteile der Musicals erkennbar wird und sich jeweils ein geschlossenes Bild des Gesamtwerks oder eines abgrenzbaren Bestandteils ergibt.

Entscheidend ist, dass der jeweilige Bruchteil des Gesamtwerks €in Szene gesetzt€ wird.

Für die bühnenmäßige Aufführung ist das visuell erkennbare, bewegte Spiel zur Darstellung eines bestimmten Vorgangs erforderlich. Eine fortlaufende Handlung oder die Wiedergabe von Teilstücken, die den gesamten Gang des Werks erkennen lassen, ist nicht nötig ( Schulze KGZ 13). Im Einzelfall kann auch die Aneinanderreihung einzelner Bilder aus den geschützten Bühnenwerken und die lose Aufeinanderfolge einzelner Handlungselemente aus ihnen genügen, um die Voraussetzung einer bühnenmäßigen Aufführung von Teilen dieser Werke zu erfüllen ( BGH GRUR 1960, 604, 605 unter II 2. € Eisrevue I ). Entscheidend ist bei der Aufführung von Teilen eines Werks, dass ein Handlungsablauf innerhalb der zur Aufführung gebrachten Teile und Bruchstücke erkennbar wird (BGH a.a.O. unter II. 3.) und die szenischen Ausschnitte für sich jeweils als geschlossene Handlungsabläufe erscheinen. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob im Einzelfall die Szenenabfolge erhalten bleibt, nur einzelne Szenen oder Ausschnitte hieraus zur Aufführung gelangen oder die Reihenfolge einzelner, jeweils für sich abgeschlossener Szenen verändert wird, wie die Beklagten hinsichtlich ihrer Aufführung des Stücks €König der Löwen€ geltend machen, solange der Handlungsablauf einzelner Szenen als solcher erkennbar wird. c) Die Beklagten können ein Aufführungsrecht schließlich nicht von der GEMA herleiten. Die GEMA erwirbt nach § 1 a des Berechtigungsvertrags bei Werken, die ihrer Art nach dramatisch € musikalische Werke sind, keine Rechte an der bühnenmäßigen Aufführung, auch wenn die Werke nicht als Bühnenwerke geschaffen worden sind (BGH GRUR 2000, 228 € Musical € Gala ). Da die GEMA keine Rechte zur bühnenmäßigen Aufführung erwirbt, können die Beklagten solche Rechte auch nicht von der GEMA ableiten ( OLG Hamburg OLGR 2004, 13 € Mamma mia ).

Soweit die Beklagten meinen, der Bundesgerichtshof habe in der Musical € Gala €Entscheidung hiervon eine Ausnahme zugelassen, liegen die Voraussetzungen hier nicht vor. Eine mögliche Wahrnehmung der Rechte durch die GEMA ist in der Musical € Gala € Entscheidung ( a.a.O. S. 230 ) nur für den Fall angenommen worden, dass Musikwerke in Bühnenaufführungen so integriert werden, dass sie bei diesen Aufführungen auch selbst als bühnenmäßig aufgeführt anzusehen sind, ohne selbst als dramatisch € musikalische Werke angelegt zu sein ( Wiedergabe eines Schlagers in einer Art und Weise, in der er integrierender Bestandteil einer Bühnenaufführung ist ). So liegt der Streitfall entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht.

Die Musikstücke weisen hier vielmehr eine organische Verbindung mit der Handlung auf und sind nicht erst nachträglich in den Handlungsablauf eingefügt worden. Dass sie schon vor der bühnenmäßigen Aufführung geschaffen und zunächst in den gleichnamigen Zeichentrickfilmen veröffentlicht wurden, steht dem nicht entgegen, weil es auf die Neuheit nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Lieder als selbständige Einlagen wirken ( OLG Hamburg a.a.O. ).

Dafür ist nicht unbedingt entscheidend, ob die einzelnen Titel von vornherein als Bestandteil einer dramatisch € musikalischen Aufführung konzipiert waren, was zwischen den Parteien streitig ist , sondern ob € unabhängig von der ursprünglichen Bestimmung für die bühnenmäßige Aufführung € mit ihnen in Verbindung mit den Texten die jeweilige Geschichte in einer für die Umsetzung auf die Bühne geeigneten Art und Weise gestaltet wurde ( BGH a.a.O. ).

Musik, die ein bewegtes Spiel begleitet, wird bühnenmäßig aufgeführt, wenn sie integrierender Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient. Entscheidend kommt es darauf an, ob die einzelnen Lieder so in die Handlung integriert sind, dass sie als unselbständiger Teil des Gesamtbühnenwerks erscheinen, weil sie nach ihrem Text als organische Fortentwicklung der Bühnenhandlung einzuordnen und aus der jeweiligen Situation des Gesamtwerks zu begreifen sind, oder ob sie als selbständige Einlagen wirken ( BGH GRUR 1962, 256 € Im weißen Rössl; OLG Hamburg a.a.O. € Mamma Mia ).

Im zu entscheidenden Fall stellen die einzelnen Songs € jedenfalls ganz überwiegend € keine selbständigen Einlagen dar, sondern sind in die jeweilige Handlung integriert. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts in Verbindung mit den vorliegenden Drehbüchern, Dialogbüchern und Songtexten ( Anlagen K 46 € 49 ).

aa) Bei dem Stück €Die Schöne und das Biest€ treten in der so genannten Tavernenszene die Figuren Gaston und Lefou auf. Gaston gibt sich niedergeschlagen, weil Belle ihn zurückgewiesen hat. Lefou spricht die Worte €Gaston,..du musst dich zusammenreißen€. Es folgt das zur Szene gehörende Lied €Gaston€, ein Loblied, durch das Gaston aufgemuntert werden soll ( K 49 S. 9 ). Anschließend steht Gaston auf und lässt sich in ausgelassener Stimmung als Held feiern. Auch die weiteren Songtexte bestätigen, dass sie unmittelbar auf den Handlungsablauf zugeschnitten sind, weil ihr Text Bezug zu den jeweiligen Szenen aufweist. So wird in dem Lied € Belle€s Song : Unsere Stadt€ dargestellt, wie Belle die Stadt, in der sie lebt, und ihre Mitbewohner empfindet ( €Unsre Stadt voller kleiner Menschen langweilig und stur€) und wie sich diese umgekehrt über Belle und ihre Verfassung Gedanken machen ( €Welch ein Rätsel für uns alle diese Belle€ ). Vergleicht man diesen und die weiteren Texte, so wird deutlich, dass es sich bei den Songtexten praktisch um die Fortführung des Dialogs in gesungener Form handelt.

bb) Ähnlich beginnt bei dem Stück €Der Glöckner von Notre Dame€ die Aufführung mit dem Bühnenbild der Kathedrale von €Notre Dame€ und singt der Glöckner das Lied € The Bells of Notre Dame€. Die Darstellung der Jagdszene mit €Esmeralda€ ist mit dem Song €Esmeralda€ untermalt. Auch für die übrigen Dialoge und Songtexte gilt, dass dies inhaltlich auf das Engste in den Handlungsablauf integriert sind und als Fortführung des Dialogs in gesungener Form erscheinen.

cc) Bei dem Stück €König der Löwen€ weist etwa das Stück €He lives in you, he lives in me€ einen starken inhaltlichen Bezug zu dem im Handlungsverlauf thematisierten Tod des Vaters von Simba auf. Der Song €Hakuna Matata€ ( glücklich ist, wer vergisst) ist in die Szene integriert, in der der deprimierte Simba auf Timon und Pumbaa trifft und diese ihn mit diesem Motto aufzumuntern suchen ( K 44, Szene I 14 -66, 67 ). Es ist ganz offensichtlich, dass auch hier die Musikbestandteile in den Handlungsablauf integriert sind und diesen thematisch aufgreifen.

dd) Das gilt erst recht für das Musical €Aida€, bei dem weite Teile des Dialogs in Liedform erscheinen und von einer unselbständigen Einlage ersichtlich keine Rede sein kann. Die Beklagten haben hierzu in Bezug auf das Musical Aida auch nicht weiter substantiiert vorgetragen.

Bei allen vier Musicals sind deshalb die Musikstücke mit ihrem Text aus der jeweiligen Situation des Gesamtbühnenwerks zu begreifen. Sie werden gerade deshalb zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgeführt, weil es sich aus der Handlung ergibt. Sie können € grundsätzlich - nicht beliebig ausgetauscht und an anderer Stelle gebracht werden, ohne dass der Fluss des Gesamtbühnenwerks beeinträchtigt würde. Damit sind sie Teil einer musikalisch € dramatischen Aufführung, nämlich eines geschlossenen, dramatisch angelegten Geschehens. Dem steht nicht entgegen, wenn vereinzelt in der komprimierten Aufführung der Beklagten Songs in andere Szenen eingefügt worden sein oder gelegentlich von anderen Figuren gesungen werden sollten, wie die Beklagten geltend machen. Eine generelle Austauschbarkeit ist damit nicht belegt, im Gegenteil sind die meisten Songs erkennbar auf bestimmte Figuren und auf bestimmte Ereignisse im Handlungsablauf ausgerichtet.

d) Eine bühnenmäßige Aufführung der Songs, wie sie die Beklagten darbieten, ist damit nicht gestattet. Auch die Berufung der Beklagten auf den GEMA €Tarif €U-Büh€ führt zu keinem anderen Ergebnis. Vom Geltungsbereich des Tarifs ausgeklammert sind Teile und Einzeltitel aus dramatisch € musikalischen Werken ( Wandtke/Bullinger, UrheberR, § 19 Rn. 18 ), also solche Titel, die € wie hier € mit dem Text und dem Handlungsgeschehen eine innere Verbindung aufweisen.

Zu Unrecht meinen die Beklagten, nach dem Wortlaut des § 1 a des Berechtigungsvertrags sei davon auszugehen, dass die GEMA auch das Recht zur bühnenmäßigen Aufführung einräumen könne, weil der dort vorgesehene Ausschluss der bühnenmäßigen Aufführung dramatisch € musikalischer Werke sich nur auf die Aufführung des Werks insgesamt, eines Querschnitts oder größerer Teile beziehe. Aus dieser Formulierung folgt indes nicht, dass das Recht zur bühnenmäßigen Aufführung kleinerer Teile dramatisch € musikalischer Werke von der GEMA lizenziert werden könnte. Der Ausschluss der bühnenmäßigen Aufführung von der Rechteübertragung erfolgt uneingeschränkt. Auch €kleinere€ Teile sind davon erfasst, sofern ihre Aufführung ( schon ) als bühnenmäßig anzusehen ist. Eine Differenzierung nach größeren und kleineren Teilen bühnenmäßiger Aufführung lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen. Das Recht zur bühnenmäßigen Aufführung wird in der Regel Bühnenverlagen zur individuellen Wahrnehmung überlassen, während das musikalische Aufführungsrecht von der GEMA ausgewertet wird. Die Auswertungsbefugnisse der GEMA enden mit anderen Worten, sobald die Schwelle zur bühnenmäßigen Aufführung überschritten wird. Eine Lizenzierung durch die GEMA hinsichtlich der Einzeltitel ist danach nur möglich, soweit diese nicht € wie hier -bühnenmäßig aufgeführt werden.

e) Ungeachtet dessen geht der Senat davon aus, dass in den Vorstellungen der Beklagten nicht nur €kleine Teile€ der Bühnenwerke der Klägerin zur Aufführung gelangen. Die Beklagten stützen sich zu Unrecht auf die Formulierung im erstinstanzlichen Urteil, wonach jeweils nur ein €Bruchteil der Handlungsabschnitte€ der Originalwerke in der Show der Beklagten vorkommen. Diese Formulierung bezieht sich auf die Frage, inwieweit der Handlungsablauf des Bühnenwerks bei der Aufführung von Teilen erkennbar sein muss.

Bei der Frage, ob ein großer Teil des Werks aufgeführt wird, ist aber zu beachten, dass die Beklagten eine Vielzahl von €Bruchteilen€ aneinanderfügen, die sich ergänzen und die dementsprechend in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Danach kann von einem kleinen Teil nicht die Rede sein, zumal die Beklagten einige der wichtigsten Schlüsselszenen aufführen und entsprechend der Ankündigung in ihrem Programmheft die €Highlights€ der Musicals, also die wichtigsten und bekanntesten Songs, die ihrerseits Bestandteil des Bühnenwerks sind, aufführen.

f) Auch mit ihren weiteren Rügen dringen die Beklagten nicht durch.

Soweit sie bestreiten, dass die Inhalte von Drehbuch und Aufführung der Klägerin identisch seien, ist ihr Vortrag zu pauschal und unsubstantiiert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten nicht in der Lage wären, hierzu konkret vorzutragen, weil die Drehbücher vorliegen und die Aufführungen der Musicals der Klägerin öffentlich sind, so dass ein bloßes Bestreiten unzulässig erscheint. Im Übrigen ist das bühnenmäßige Aufführungsrecht die Befugnis, ein Werk öffentlich durch bewegtes Spiel im Raum wiederzugeben. Das Werk, wie es von der Klägerin in Szene gesetzt wurde, ist in den von der Klägerin vorgelegten Drehbüchern und Regieanweisungen konzipiert und niedergelegt. Der Klägerin steht das Recht zur Aufführung entsprechend den dort niedergelegten Fassungen zu, auch wenn sie abweichende Fassungen zur Aufführung gebracht hätte.

Nicht ersichtlich ist auch, dass das Landgericht allein auf einige visuelle Ähnlichkeiten zwischen den Produktionen abgestellt habe. Es hat die Inhalte der einzelnen Aufführungen beschrieben und mit den Drehbüchern verglichen, ohne allein oder auch nur in erster Linie auf visuelle Ähnlichkeiten abzustellen. Bei der Erwägung, die Darbietungen der Beklagten seien schon nach der Werbung und dem Programmheft darauf ausgerichtet, das jeweilige Gesamtwerk oder zumindest einen Eindruck hiervon zu vermitteln, handelt es sich um eine ergänzende, die tatsächlichen Feststellungen abrundende und berechtigte Feststellung, ohne dass das Landgericht verkannt hätte, dass es maßgeblich auf die bühnenmäßige Aufführung als solche ankommt.

Zwar soll es für die Annahme einer bühnenmäßigen Aufführung nicht darauf ankommen, ob die Aufführung in Kostümen erfolgt, daraus ergibt sich aber nicht umgekehrt, dass Kostümierung und Ausstattung sowie der Zweck der Aufführung als zusätzliche Indizien für eine bühnenmäßige Aufführung gewertet werden dürften.

3. Da die Beklagten die Rechte der Klägerin durch die bühnenmäßigen Aufführungen verletzt haben, schulden sie der Klägerin auch Auskunft und Rechnungslegung gem. §§ 97 UrhG, 242 BGB. Soweit das Landgericht die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt hat, greift die Berufung dies mit ihrem Antrag nicht an.

Nach allem war die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

B. Berufung der Klägerin

Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

Die Klägerin bezieht sich zum Beweis dafür, dass ihr Urheberrechte an den Kostümen zustehen, erstmals in der Berufungsinstanz auf das Zeugnis ihrer Vizepräsidentin. Dieser Beweisantritt ist im zweiten Rechtszug neu und gem. § 531 ZPO nicht zuzulassen. Gründe, aus denen eine Zulassung ausnahmsweise erforderlich wäre ( § 531 Abs. 2 ZPO ), hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen § 139 ZPO, weil das Landgericht zu keiner Zeit durch einen Auflagen- oder Hinweisbeschluss zu erkennen gegeben habe, dass ihr Vortrag zu ihren Urheber- bzw. Nutzungsrechten an den Kostümen nicht ausreichend sei.

Mit dieser Rüge hat die Klägerin keinen Erfolg. Das Landgericht hat den auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Kostüme gerichteten Antrag mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe insoweit keine Übertragungskette dargelegt und keinen Beweis angetreten.

Anders als bei den Nutzungsrechten an den Musicaldarbietungen, auf die sich der Hinweisbeschluss des Landgerichts ( Bl. 167 d.A. ) bezog, geht es im vorliegenden Zusammenhang nicht um die Frage, ob die Nutzungsrechte der Klägerin an den Musicals exklusiv sind, sondern darum, ob der Klägerin Nutzungsrechte überhaupt zustehen, was die Beklagten erstinstanzlich bestritten haben.

Vor diesem Hintergrund musste das Landgericht die Klägervertreterin nicht auf die Notwendigkeit eines Beweisantritts hinweisen. Auf die Erforderlichkeit der Benennung von Beweismitteln ist zwar hinzuweisen, wenn sich aus dem übrigen Vorbringen ergibt, dass das Unterbleiben des Beweisantritts auf einem Versehen oder auf einer erkennbar falschen Beurteilung der Rechtslage beruht. Diese Voraussetzungen für einen rechtlichen Hinweis nach § 139 BGB liegen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin trotz des Bestreitens der Beklagen für die Nutzungsrechte an den Kostümen nur versehentlich keinen Beweis angetreten hat, liegen nicht vor.

Die Klägerin ist in erster Instanz auf den gesamten, die Masken und Kostüme betreffenden Vortrag der Beklagten nicht mehr zurückgekommen, obwohl sie hierzu Gelegenheit gehabt hätte. Sie hat nicht nur keinen Beweis für die Rechteinhaberschaft angetreten, sondern auch zum derivativen Rechteerwerb und zur Frage der Schutzfähigkeit der Kostüme nichts vorgetragen, obwohl die Beklagten das Fehlen entsprechend substantiierten Vortrags gerügt hatten.

Soweit die Klägerin meint, das Gericht habe einen falschen Eindruck von der Beurteilung der Rechtslage vermittelt, vermag ihr Vortrag nicht zu überzeugen. Der anwaltlich vertretenen Klägerin muss ohne weiteres klar gewesen sein, dass sie die Beweislast für die von den Beklagten bestrittene Nutzungsrechtseinräumung hat und dementsprechend Beweis antreten musste. Hierüber kann durch die Verhandlung des Landgerichts ein falscher Eindruck nicht entstanden sein. Unabhängig von der sonstigen rechtlichen Beurteilung durch das Landgericht stand die Beurteilung der Beweislast nicht zur Disposition. Das Gericht konnte infolge des Bestreitens der Beklagten nicht davon ausgehen, dass die Klägerin Nutzungsrechte an den Kostümen hat. Selbst wenn die Nachahmung der Kostüme in rechtlicher Hinsicht erörtert worden sein sollte, kann dies nur unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Beweisantritts geschehen sein.

Aber selbst wenn man diese Frage anders beurteilen wollte, könnte die Berufung keinen Erfolg haben. Wird eine Verletzung von § 139 ZPO gerügt, muss angegeben werden, was in erster Instanz auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen worden wäre ( BGH NJW €RR 1988, 477 ). Der in der Berufungsinstanz ergänzte Vortrag der Klägerin genügt nicht, um den Erwerb der Nutzungsrechte an den Kostümen, Masken, Figuren und Bühnenbildern schlüssig und nachvollziehbar darzulegen. Statt eines substantiierten Vortrages zum Rechteerwerb ( Übertragungskette ) € wie ihn schon das Landgericht vermisst hat - tritt die Klägerin Beweis für die tatsächliche Inhaberschaft an den Nutzungsrechten durch das Zeugnis ihrer Vizepräsidentin an. Damit beruft sie sich auf eine bloße Auskunft, ohne diejenigen Anknüpfungstatsachen zu benennen, zu denen die Zeugin Angaben machen könnte. Eine Vernehmung der Zeugin liefe damit auf einen Ausforschungsbeweis hinaus.

Schließlich hat die Klägerin aber auch nicht konkret darlegt, hinsichtlich welcher Kostüme und insbesondere welcher die Kostüme prägenden Merkmale sie Urheberrechtsschutz in Anspruch nehmen will und welches die den Urheberschutz der Kostüme begründenden Merkmale sind.

Gerade im Bereich der angewandten Kunst ist die Schöpfungshöhe aber nicht ohne weiteres ersichtlich und deshalb im einzelnen darzulegen.

C. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren den Parteien entsprechend ihrem anteiligen Unterliegen aufzuerlegen ( §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO).Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision fürs die Beklagten zugelassen, weil die Voraussetzungen einer bühnenmäßigen Aufführung dramatisch€musikalischer Werke bei der Wiedergabe von bloßen Ausschnitten des Werks weiterer rechtlicher Klärung bedürfen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ).Für die Klägerin war die Revision nicht zuzulassen, weil insoweit die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 01.11.2005
Az: 11 U 7/05


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