Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. September 2010
Aktenzeichen: 27 W (pat) 82/10

(BPatG: Beschluss v. 28.09.2010, Az.: 27 W (pat) 82/10)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. April 2010 wird aufgehoben.

Gründe: I Die farbige (grau, gelb) Wort-/Bildmarkeist am 29. Juli 2009 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Das Warenverzeichnis lautet:

Klasse 9: "Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Audio-, Videound Telekommunikationsgeräte, Fernsehgeräte, Fernbedienungsgeräte; Einsteckkarten für Computer; Computerhardware und Computersoftware; Satellitenempfangsgeräte und Satellitenempfangsanlagen; Zubehör für Satellitenempfangsgeräte und Satellitenempfangsanlagen und dazugehörige Software; Set-Top Boxen für terrestrische und digitale Signale; DVD-Recorder; Zusatzgeräte für TV-Geräte zum Internetempfang und zur Internetkommunikation; Geräte für interaktives Fernsehen; Geräte der Unterhaltungselektronik (soweit in Klasse 9 enthalten);

Klasse 38: Telekommunikation, Telekommunikation über das Internet und andere Online-Netzwerke, Übermittlung von Daten über Netze, insbesondere über das Internet, Übermittlung von Bilddaten, Audiodaten und Videodaten über das Internet oder andere digitale Netze, Bereitstellung des Zugriffs auf und Austausch von Informationen über das Internet"

Die Markenstelle hat die Anmeldung mit dem angefochtenen Beschluss wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Dies ist damit begründet, die englischsprachigen Wortbestandteile ergänzten sich sinnfällig zum Gesamtbegriff "Videonetz(-Werk)". Zwar könne einer aus Wortund Bildelementen bestehenden Marke Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die Bildelemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufwiesen, die einen Herkunftshinweis gäben. Werbeübliche einfache bildliche Umrahmungen, an die sich der Verbraucher etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt habe, genügten hierfür aber nicht. Die hier verwendeten Stilmittel, die Wiedergabe der Wortbestandteile "VIDEO" und "WEB" in Versalien und deren Wiedergabe in Gelb und Grau seien werbeüblich. Die Einbindung von "WEB" in ein unregelmäßiges graues Viereck führe nicht vom beschreibenden Gehalt der Wortbestandteile weg.

Gegen diese der Anmelderin am 8. April 2010 zugestellte Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 6. Mai 2010, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Anmelderin weiterhin die Auffassung, die Marke sei als Wortneuschöpfung und wegen ihrer graphischen Gestaltung unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Schutzgewährung für die konkret beanspruchte Marke steht wegen ihrer graphischen Gestaltung weder fehlende Unterscheidungskraft noch ein Freihaltungsbedürfnis entgegen (§ 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG), so dass der angegriffene Beschluss aufzuheben war.

In ihrer Gesamtheit fehlt der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung der Anmelderin, "Videoweb" sei als Wort unterscheidungskräftig. Der inländische Verbraucher wird dieses Wort ohne weiteres in dem von der Markenstelle aufgezeigten Sinn verstehen. Ob es dieses Wort im Englischen oder einer anderen Sprache gibt, ist nicht entscheidend, da der Sinngehalt für deutsche Verbraucher aufgrund zahlreicher entsprechend gebildeter Bezeichnungen erkennbar bleibt.

Unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Merkmale der in farbiger Gestaltung beanspruchten Marke ist dieser nach der Auffassung des Senats aber nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Die konkrete Farbgebung sowie die Ausgestaltung des Rahmens um "web" mit einer perspektivischen Darstellung eines Bildschirms wirken hinreichend eigentümlich, um sich den angesprochenen Verbrauchern als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen.

Zwar gilt der Grundsatz, dass an die Graphik umso stärkere Anforderungen zu stellen sind, je beschreibender die Wortbestandteile eines Wort-Bild-Zeichens sind. Selbst wenn man hier von einem glatt beschreibenden Begriffsinhalt der Wortbestandteile ausgeht, so dass an die Graphik strenge Anforderungen zu stellen sind, ist wegen der Komplexität der konkreten Gesamtgestaltung eine Schutzfähigkeit der Marke aber zu bejahen.

Zwar mögen die Gestaltungsmittel, unterschiedliche Schriftart und verschiedenfarbige Buchstaben -je für sich genommen werbeüblich sein. Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke ist aber nicht in einer analysierenden Betrachtung allein auf die für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile abzustellen. Vielmehr ist der Beurteilung der Schutzfähigkeit im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde zu legen. Nur wenn diese selbst als werbeüblich anzusehen wäre, führte dies zur Schutzversagung. Dabei ist auch die Komplexität der Gestaltung ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso eher wird das Publikum geneigt sein, in der graphischen Wiedergabe der Gesamtmarke nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen. Eine solche Komplexität liegt vorliegend darin, dass die Wortbestandteile unterschiedlich fett und farbig geschrieben sind und sich WEB in den Rahmen, der kein Rechteck ist, einfügt. Der erste Strich des W wirkt wie ein Teil des Rahmens. Die konkrete Zusammenstellung dieser Gestaltungsmittel begründet eine Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke.

Die graphische Gestaltung ist auch nicht freihaltungsbedürftig.

Gründe: für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sind nicht gegeben.

Dr. Albrecht Kruppa Werner Ju






BPatG:
Beschluss v. 28.09.2010
Az: 27 W (pat) 82/10


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