Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 158/02

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2003, Az.: 28 W (pat) 158/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 16. März 1998 für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente; Bekleidung und Kopfbedeckungen, Accessoires, nämlich Krawatten, Schals, Tücher, Gürtel für Bekleidung"

eingetragene Wortbildmarke 398 01 859 siehe Abb. 1 ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, international registrierten Bildmarke IR 602 682 siehe Abb. 2 die seit dem 16.Juni 1993 für die Waren 9 Lunettes, lunettes de soleil, chasses de lunettes.

14 Metaux precieux et leurs alliages et objets en ces matières ou en plaque (excepte coutellerie, fourchettes et cuillers); joaillerie, pierres precieuses; horlogerie et autres instruments chronometriques.

16 Papier pour lettres, agendas, rubriques, blocsnotes, cahiers, dossiers, calendriers, plumes, crayons, articles pour la papeterie non compris dans d'autres classes.

21 Materiaux pour la brosserie; instruments et materiel de nettoyage; paille de fer; verre brut ou miouvre (à l'exception du verre de construction), verrerie, porcelaine et fa•ence non comprises dans d'autres classes.

30 P‰tisserie et confiserie, chocolats.

Schutz in Deutschland genießt.

Die Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch einen Beamten des gehobenen Dienstes mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei Annahme einer teilweise gegebenen Warenidentität die Marken einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, da die beiderseitigen kennzeichnungsschwachen Kopfdarstellungen eine Reihe von Unterschieden aufwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sich zum einen auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke aufgrund deren unterscheidungskräftigen Darstellung des Medusenkopfes und jahrzehntelangen Benutzung beruft und zum andern darauf verweist, dass die Vergleichszeichen, die in ihren wesentlichen Elementen - frontale Kopfdarstellung auf einem runden Schild mit ornamentiertem Doppelrand - weitgehend übereinstimmten. Aufgrund der Ähnlichkeiten sei angesichts hochgradig ähnlicher Waren der zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderliche Zeichenabstand nicht mehr gewahrt, insbesondere wenn die Zeichen nur aus der Erinnerung heraus verglichen werden können.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 398 01 859 im Umfang der Warenähnlichkeit zu beschließen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie billigt der Widerspruchsmarke allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, zumal eine umfangreiche und gesteigerte Benutzung nicht festgestellt werden könne, und hält die Zeichenunterschiede im Gesamteindruck angesichts der Übereinstimmungen lediglich in verbrauchten Elementen für ausreichend. Jedenfalls sorge der Wortbestandteil der angegriffenen Marke für den erforderlichen Abstand. Im übrigen bestünde nur Warenähnlichkeit im Bereich der Waren in Klasse 14.

Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben, was die Widersprechende als verspätet gerügt hat.

II.

Die nach § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Die Benutzungslage der Widerspruchsmarke war im vorliegenden Fall nicht zu prüfen. Die von der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung erhobene Einrede nach § 43 MarkenG ist als verspätet im Sinne von § 82 Abs. 1 MarkenG iVm §§ 528 Abs. 2, 282 Abs. 296 ZPO zurückzuweisen. Zwar unterliegt die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede keiner Ausschlussfrist; sie muss also keineswegs zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhoben werden, vielmehr kann selbst das erstmalige Bestreiten im Termin zur mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen sein, aber nur dann, wenn es nicht zu einer Verfahrensverzögerung führen würde. Eine solche wäre jedoch im vorliegenden Fall eingetreten. Die Widersprechende hat vorgetragen, dass ihre Marke benutzt werde; zur Einreichung entsprechender Unterlagen war sie jedoch nicht in der Lage und musste darauf auch nicht vorbereitet sein. Die Benutzungsfrage hätte infolgedessen weiteren Schriftverkehr und eine weitere mündliche Verhandlung erfordert.

Somit ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach bewegen sich die Waren teilweise im Identitäts- und engeren Ähnlichkeitsbereich, nämlich die Waren der Klasse 14. Im übrigen ist von Warenferne bzw. Unähnlichkeit auszugehen, was auch die Widersprechende zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen hat.

Bedenkt man, dass es sich bei den Waren überwiegend um Artikel des täglichen Verkehrs handelt, die auch von durchschnittlich informierten Verbrauchern eher mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben werden, sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken teilweise eher strengere Anforderungen zu stellen.

Anders als im Parallelverfahren Az. 28 W (pat) 159/02 hält die angegriffene Marke hier den danach erforderlichen Abstand ein. Es stehen sich nämlich nicht mehr zwei reine Bildmarken gegenüber, vielmehr verfügt die angegriffene Marke zusätzlich über Wortbestandteile, die ein sicheres Auseinanderhalten der Vergleichszeichen gewährleisten.

Zwar ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Verkehr eine Marke in der Regel als Ganzes wahrnimmt, ohne auf die verschiedenen Einzelheiten zu achten (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd). Dementsprechend ist die Ähnlichkeit der Marken unter Heranziehung ihrer Übereinstimmungen festzustellen und danach die Frage der Verwechslungsgefahr zu beantworten (vgl. BGH WRP 2003, 751, 754 - Knabberbärchen).

Allerdings gilt für die Markenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht der Erfahrungssatz, dass beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen der Verkehr dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform mehr Beachtung schenkt, so dass es das Gesamtzeichen zumeist prägt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 9 Rdn. 434 m.w.N.). Ein Ausnahmefall von diesem Erfahrungssatz ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen wird die angegriffene Marke nicht durch das Bild aufgrund seines Umfang und seiner kennzeichnenden Wirkung beherrscht. Vielmehr sind die Wortbestandteile "MEDUSA BY LR" trotz ihrer kreisförmigen Anordnung in dem weißen Zwischenraum deutlich zu erkennen, so dass auch in (schrift-)bildlicher Hinsicht der Abstand gewahrt ist. Zum andern kann auch nicht zwingend festgestellt werden, dass Wort- und Bildbestandteile denselben Begriffsgehalt aufweisen, was ohnehin nur zur gemeinsamen Prägung des Gesamtzeichens führen würde. Genausowenig kann bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit von einer Verkürzung der angegriffenen Marke auf den Bildbestandteil ausgegangen werden.

Auch in begrifflicher Hinsicht liegt keine relevante Markenähnlichkeit vor. Insbesondere kann man nicht unterstellen, dass der Verkehr in beiden Zeichen eine Abbildung der griechischen Sagengestalt "Medusa" erblickt oder erkennt. Denn diese Figur ist den betroffenen Verbrauchern noch weniger bekannt als etwa die ägyptische Königin "Nofretete", deren Büste im Ägyptischen Museum Berlin ausgestellt ist und deren Kopf nach einer neueren Entscheidung des Kammergerichts (KG Mitt. 2003, 221, 223) von den breiten Verkehrskreisen nicht mit dem Namen der ägyptischen Königin in Verbindung gebracht werde, da auch der durchschnittlich aufgeklärte und verständige Verbraucher keine überdurchschnittlichen kunstgeschichtlichen Kenntnisse aufweise. Selbst wenn der Verkehr bei der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil auf die Gestalt der Medusa hingeführt werden sollte, muss er dies nicht zwingend auch als Hinweis auf das Bild verstehen. Umgekehrt wird dem Betrachter der Widerspruchsmarke ohnehin nur die Frontalansicht eines Kopfes mit einer auffälligen Haarpracht oder Kopfbedeckung in einer ornamentierten Umrahmung in Erinnerung bleiben, ohne dabei an Medusa zu denken, während er sich die angegriffene Marke mangels begrifflichen Zusammenhangs primär an den Wortbestandteilen merken wird, ohne damit einer Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht zu unterliegen.

Andere Gesichtspunkte, die eine Verwechslungsgefahr begründen könnten, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen, wobei eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG nicht veranlasst war.

Stoppel Richterin Schwarz-Angele hat Urlaub und kann daher nicht selbst unterschreiben Stoppel Paetzold Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D63636.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D63637.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2003
Az: 28 W (pat) 158/02


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