Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 28. November 2003
Aktenzeichen: 6 U 71/03

(OLG Köln: Urteil v. 28.11.2003, Az.: 6 U 71/03)

Tenor

1.) Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten das am 29.4.2003 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 383/02 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Sportbekleidungsstücke oder Sportschuhe, insbesondere der Marke B, unter Angabe von Preisen zu werben, denen ein höherer Preis gegenübergestellt wird, wenn der höhere Preis als "empfohlener Verkaufspreis", "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers" oder ohne weitere Angabe als "UVP" bezeichnet wird wie nachstehend wiedergegeben:

pp.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu hinterlegen:

Bei Vollstreckung des Anspruches auf

Unterlassung 100.000 EUR;

Kostenerstattung 120 % der zu vollstreckenden Summe.

Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Die Klägerin beanstandet Preisangaben der Beklagten für Sportbekleidungsstücke oder Sportschuhe insbesondere der Marke B , denen unter der Angabe "empfohlener Verkaufspreis", empfohlener Verkaufspreis des Herstellers " oder "UVP" ein höherer Preis gegenübergestellt ist.

Wegen des Sachverhaltes im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen die Entscheidung, durch die der Klage teilweise stattgegeben worden ist, haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin begehrt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und Bezugnahme u.a. auf die nach ihrer Auffassung verletzte Vorschrift des § 23 GWB die Verurteilung der Beklagten auch insoweit, als die Klage durch das Landgericht abgewiesen worden ist. Die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage. Sie behauptet weiterhin, die Gefahr einer Irreführung bestehe bei keiner der drei angegriffenen Preisauszeichnungen, und bietet insoweit bezüglich der Angabe "UVP" die Einholung eines Gutachtens durch demoskopische Befragung an.

Die Klägerin stellt im Berufungsverfahren drei Hilfsanträge, von denen zwei ihre eigene und der weitere die Berufung der Beklagen betreffen. Die Hilfsanträge, wegen deren Wortlauts auf die Sitzungsniederschrift sowie die Berufungsbegründung der Klägerin verwiesen wird, haben Einzelheiten der konkret angegriffenen Werbeanzeigen zum Gegenstand.

II

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und führt in vollem mit der Klageschrift beantragten Umfange zur Verurteilung der Beklagten. Dementsprechend ist die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten unbegründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin die Angaben "empfohlener Verkaufspreis" und "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers" angreift. Entgegen der Auffassung der Kammer besteht insoweit die Gefahr der Irreführung. Die angesprochenen Verbraucher werden in nicht unerheblichem Umfange mit diesen Angaben unrichtige Vorstellungen verbinden und dadurch in relevanter Weise irregeführt (§ 3 UWG).

Das folgt allerdings nicht unmittelbar daraus, dass die beiden Anpreisungen mit § 23 GWB nicht in Einklang stehen. Denn diese Vorschrift, die anzuwenden der Senat im übrigen gem. § 82 Abs.1 GWB i.V.m. der VO GV NW S.579 vom 2.10.1990 gehindert wäre, bindet gerade den Hersteller gegenüber dem Handel und nicht den Handel gegenüber dem Verbraucher. Der BGH hat nach Inkrafttreten des § 38 a GWB a.F., des Vorläufers des § 23 GWB, in der Entscheidung "... unter empf.Preis" (GRUR 80,108 ff) zur Frage der Irreführung bei Preisempfehlungen ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Empfehlende selbst kartellrechtlich seine Preisempfehlung nur noch unter Verwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Formulierungen habe aussprechen dürfen. Zwar gehöre es auch unter dem Blickpunkt des § 3 UWG zu den Voraussetzungen der Unbedenklichkeit einer werbenden Bezugnahme auf eine Preisempfehlung, dass die Empfehlung der Sache nach eine solche des § 38 a GWB darstelle, insbesondere, dass sie von einem mit gleichartigen Waren im Preiswettbewerb stehenden Unternehmen ausgehe und sich auf ein als ernsthafter Kalkulation angemessener Verbraucherpreis darstelle. Nur dann könne eine solche Werbung ohne die Gefahr der Irreführung als Orientierungshilfe für die Preisüberlegungen der angesprochenen Verbraucherkreise wirken. Sei diese Voraussetzung aber gegeben, so könne die Frage der Irreführung nicht danach beurteilt werden, ob der Hinweis durch eine ganz bestimmte Formulierung erfolge, sondern allein danach, ob die tatsächlich verwendete Beschreibung der Preisempfehlung unrichtige Vorstellungen hervorrufe oder nicht. Für die Anwendung des § 3 UWG sei unerheblich, welche Formulierung insoweit verwendet werde. Dieser Grundsatz ist in der jüngeren Entscheidung "ehemalige Herstellerpreisempfehlung" (GRUR 00,436 f) mit der Formulierung aufgegriffen worden, dass die "Bezugnahme auf eine kartellrechtlich zulässige, unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig ist. Sie ist nur dann als irreführend anzusehen, wenn nicht klargestellt wird, dass es sich bei der Herstellerempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt, wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt worden ist oder wenn der vom Hersteller empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht kommt". Der BGH hat schließlich in der jüngsten Entscheidung "Preisempfehlung für Sondermodelle" (WRP 03, 509 f) diese Grundsätze nochmals wiederholend bestätigt. Ausgehend hiervon sind die beiden Aussagen, deretwegen das Landgericht die Klage abgewiesen hat, irreführend. Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Klage zu Unrecht teilweise abgewiesen.

Die ungebräuchliche Formulierung "empfohlener Verkaufspreis", mit der die Beklagte ein T-Shirt im Doppelpack für bewirbt (oben S.3), lässt nicht eindeutig erkennen, dass es sich um eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers handelt. Das ergibt sich ohne weiteres schon daraus, dass gar nicht ersichtlich ist, wer der Empfehlende gewesen sein soll. Auch der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher wird nicht ausschließen können, dass auch andere als gerade der Hersteller eine Preisempfehlung ausgesprochen haben könnten. So kommt z.B. auch ein Großhändler oder - aus der Sicht des Verbrauchers, der die rechtlichen Verflechtungen nicht durchschauen kann - die für die U-Märkte verantwortliche Konzernzentrale der Beklagten in Betracht. Im übrigen fehlt es jedenfalls an der deutlichen Angabe, dass die Empfehlung als solche unverbindlich war.

Das gilt auch für die zweite Formulierung "empfohlener Verkaufspreis des Herstellers", mit der die weiteren Produkte der auf S.3 dieses Urteils wiedergegebenen Prospektseite beworben worden sind. Durch sie wird zwar deutlich, dass gerade der Hersteller die Preisempfehlung ausgesprochen hat und der aufgeklärte Verbraucher wird der Aussage auch entnehmen, dass sie sich auf den Endverkaufspreis bezieht. Es trifft aber nicht zu, dass durch das Wort "empfehlen" hinreichend deutlich würde, dass diese Preisangabe unverbindlich sei. Das ergibt sich daraus, dass die Werbeaussage die bekannte Formulierung "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" verwendet, dabei aber das Wort "unverbindlich" ersatzlos weglässt. Das führt dazu, dass die angesprochenen Verbraucher entweder schon gar nicht wissen, dass Preisempfehlungen des Herstellers unverbindlich sind, oder aber den Hinweis auf die Unverbindlichkeit vermissen und dessen Weglassen für relevant halten. Der Verkehr kennt die Formulierung "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers", und zwar nicht nur vom Inhalt her, sondern auch als wörtlich immer identisch verwendeten terminus technicus, und wird deswegen erwarten, es handele sich bei dieser Formulierung um etwas anderes als dasjenige, was die unverbindliche Preisempfehlung meine. Aus diesen Gründen kann auch entgegen der Auffassung der Beklagten, die die Bekanntheit der Formulierung "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" nicht genügend berücksichtigt, nicht aus dem bloßem Wortlaut der beiden Preisangaben der Schluss gezogen werden, der der deutschen Sprache mächtige Verbrauebner werde diesen schon richtig verstehen.

Die mithin irreführenden Aussagen sind auch von wettbewerblicher Relevanz, weil durch sie ein deutlich höherer Kaufanreiz bewirkt wird als durch die Angabe einer Herstellerempfehlung, die unmissverständlich als unverbindlich bezeichnet ist.

Hat damit die Kammer zu Unrecht die Klage teilweise abgewiesen, so ist die Verurteilung bezüglich des Zusatzes "UVP Euro 76,00" bzw. "UVP Euro 50,00" zu Recht erfolgt. Auch durch diese Angaben wird der Verkehr gem. § 3 UWG in wettbewerblich relevanter Weise irregeführt.

Es handelt sich auch bei diesen Angaben um Preisgegenüberstellungen. Für den Verbraucher wird ersichtlich der Preis von 39,95 Euro zwei anderen Preisen mit den ausdrücklich angegebenen Beträgen von 76,- bzw. 50,- Euro gegenübergestellt. Daher muss auch diese Werbung die vorstehend unter 1) aufgeführten Kriterien hinsichtlich der Klarheit und Eindeutigkeit des Preises erfüllen, der dem tatsächlichen Verkaufspreis gegenüber gestellt wird. Das wäre dann der Fall, wenn - wie die Beklagte meint - die Abkürzung "UVP" im allgemeinen Sprachgebrauch richtig als solche für "unverbindliche Preisempfehlung" verstanden würde, weil dann den Anforderungen des § 23 GWB inhaltlich Genüge getan wäre. Das ist indes nicht der Fall, was die den angesprochenen Verkehrskreisen zugehörigen Mitglieder des Senats aus eigener Sachkunde und ohne Einholung einer demoskopischen Umfrage entscheiden können. Bei der Beurteilung der Frage ist darauf abzustellen, ob ein Verbraucher, dem die Werbung präsentiert wird und der deswegen zur Kenntnis nimmt, dass hinter der Bezeichnung "UVP" ein deutlich höherer Preis aufgeführt ist, erkennen wird, dass es sich eben um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt. Das ist indes aus zwei Gründen nicht der Fall: Die Abkürzung "UVP" ist nämlich nicht nur ungebräuchlich, sondern auch ungewöhnlich. Dabei kann unterstellt werden, dass - wie die Beklagte behauptet - die Unternehmen Saturn und Promarkt die Kürzel "UVP" in der Werbung verwenden. Das besagt nämlich nicht, dass auch nur diejenigen, die die Werbung dieser beiden Unternehmen zur Kenntnis nehmen, die Abkürzung "UVP" richtig verstehen. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass sich jeder Leser die Mühe macht, die angeblich dort befindliche Auflösung zur Kenntnis zu nehmen. Hinzu kommt, dass bezogen auf die Gesamtbevölkerung, die von der Werbung der Beklagten angesprochen wird, allein aufgrund der Verfahrensweise durch Saturn und Promarkt - auch bei Berücksichtigung der Verbreitung dieser Ketten - nicht angenommen werden kann, dass nur noch unerhebliche Teile der angesprochenen Verbraucher die Abkürzung "UVP" nicht kennen.

Die Abkürzung erklärt sich auch nicht sozusagen von selbst, weil sie systemwidrig erfolgt. Nach den üblichen sprachlichen Gewohnheiten müsste die Abkürzung für die beiden Worte unverbindliche Preisempfehlung "u.P." oder vielleicht "uPE" lauten. Dass demgegenüber das Wort "unverbindlich" mit "UV", also seinen ersten beiden Buchstaben, abgekürzt wird, erwartet der Leser nicht. Die Abkürzung UVP ist daher als irreführend anzusehen (ebenso OLH Hamburg, GRUR-RR 03,290).

Auch insoweit besteht wettbewerbliche Relevanz, weil der Verbraucher nicht erwartet, dass hinter der ihm unbekannten Abkürzung "UVP" eine Preisempfehlung angegeben ist, die nur unverbindlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt nach der Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 5.8.2003 insgesamt 100.000 EUR.






OLG Köln:
Urteil v. 28.11.2003
Az: 6 U 71/03


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