Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 29. Januar 2013
Aktenzeichen: 6 U 172/12
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 29.01.2013, Az.: 6 U 172/12)
1. Den Anforderungen an die Pflichtangaben nach § 4 HWG wird im Rahmen einer Ad-Word-Werbung genügt, wenn die Anzeige einen gut wahrnehmbaren Link enthält, der einen eindeutigen Hinweis darauf gibt, dass er zu dem Pflichttext weiterleitet, und der durch einmaliges Anklicken geöffnet werden kann.
2. In dem unter Ziffer 1. genannten Fall liegt ein Verstoß gegen § 4 HWG jedoch dann vor, wenn sich auf der Seite, zu der der Link führt, der Pflichttext kleingedruckt erst am Ende der Seite befindet und erst lesbar wird, wenn man zu diesem Abschnitt herunter scrollt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.09.2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 12.400 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.300 € seit dem 4.12.2010 und aus weiteren 3.100 € seit dem 27.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer,
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel,insbesondere das Arzneimittel €X€ mit einer so genannten Google-AdWord-Anzeige wie nachstehend wiedergegeben zu werden:
€Magenschmerzen
Wenn der Magen aus dem Gleichgewicht gerät: X.
www€X...de/Pflichttext hier€
und dies geschieht, wie in der Werbung gemäß Anlage K 11 und K13 zur Klageschrift.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 40%, die Beklagte zu 60% zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit gleicher Höhe leistet.
Der Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte zunächst verurteilt, an den Kläger 12.400,-- EUR Vertragsstrafe nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, jede der im Internet geschalteten Anzeigen stelle einen gesonderten Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen dar. Ein dementsprechender Parteiwille lasse sich der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe von nur 3.100,-- EUR entnehmen. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Vortrag der Beklagten zu den Modalitäten der Schaltung der Anzeige.Denn die Anzeigen hätten einen unterschiedlichen Inhalt und seien auch zu unterschiedlichen Zeiten abrufbar gewesen.
Des Weiteren hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel €X€ mit einer sogenannten Google-AdWord-Anzeige wie im Tenor des Urteils wiedergegeben zu werben, wenn dies geschieht wie in der Werbung gemäß Anl. K11. Die Anlage K11 gibt die Google-AdWord-Anzeige wieder, während die Anlage K13 die Internetseite wiedergibt, auf die der Internet-Nutzer gelangt, wenn er den in der Anzeige enthaltenen Link anklickt.
Das Landgericht hat das Verbot damit begründet, die Anzeige verstoße gegen § 4 Abs. 1 und Abs. 3 HWG, weil die Anzeige die dort genannten Pflichtangaben nicht enthalte. Bei der beworbenen €X Tinktur€ handele es sich unstreitig um ein Arzneimittel im Sinne von § 4 HWG. Bei der in Anl. K11wiedergegebenen Anzeige handele es sich um eine eigenständige Werbung im Sinne von § 4 HWG, so dass bereits die Anzeige selbst die Pflichtangaben des § 4 enthalten müsse.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung mehrerer Vertragsstrafen mit dem Argument, es sei nur von einem einheitlichen Vertragsverstoß auszugehen. Es liege nur eine Zuwiderhandlung vor, weil die zugrunde liegenden Internetabrufe zeitlich dicht aufeinander erfolgt seien, nämlich im November und Dezember 2010. Außerdem habe den Anzeigen eine einheitliche Beauftragung zugrunde gelegen und sie seien zeitnah zueinander geschaltet worden. Der Beklagten könne allenfalls Fahrlässigkeit,nicht jedoch Vorsatz vorgeworfen werden. Auch habe die Beklagte erstinstanzlich dargelegt, wie es beim Google-Anzeigensystem dazu komme, dass einheitliche geschaltete Anzeigen inhaltlich modifiziert würden im Rahmen der Optimierung der Keyword-gestützten Werbung.
Auch die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung sei zu Unrecht erfolgt. Eine Google-AdWord-Anzeige sei erkennbar unvollständig und gebe nur stichwortartig das Thema der in Bezug genommenen Internetzseite wieder, deren Sichtbarmachung durch das Anklicken des Links gewährleistet sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Soweit die Klage auf Unterlassung gerichtet ist, hat sie nur mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Insoweit liegt ein Verstoß gegen §§ 3, 4Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 HWG vor.
Gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und 3 HWG muss jede Werbung für ein Arzneimittel außerhalb der Fachkreise zumindest dessen Bezeichnung und die Anwendungsgebiete sowie den Zusatz €Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker€ enthalten. Die Vorschrift dient dem Zweck, die Arzneimittelwerbung zu versachlichen und den Adressaten durch die Information in den Stand zu setzen, eine möglichst rationale Entscheidung über die Brauchbarkeit des Arzneimittels für seine Zwecke zu treffen. Deshalb müssen die Pflichtangaben Bestandteil der Werbung sein; der bloße Hinweis darauf, dass und wie außerhalb der Werbung die Pflichtangaben einzusehen sind, genügt nicht.
Das ist bei der hier zu beurteilenden Ad-Word Anzeige der Fall.Denn sie enthält gut wahrnehmbar einen Link, der einen eindeutigen Hinweis darauf gibt, dass er zu dem Pflichttext weiter leitet und der durch einmaliges Anklicken geöffnet werden kann. Die durch Anklicken des Links aufrufbaren Informationen bilden mit der AdWord-Anzeige eine einheitliche Werbung. Die AdWort-Anzeige ist vergleichbar mit dem Deckblatt einer Broschüre. Sie ist erkennbar unvollständig und dient, ebenso erkennbar, allein dazu, den Nutzer zu veranlassen, sich näher mit dem beworbenen Produkt zu befassen.
Dagegen war die Beklagte gemäß dem Hilfsantrag zu verurteilen.Denn die vorgenannten Ausführungen gelten nur, wenn die Seite, zu der der Link führt, die Pflichtangaben leicht erkennbar enthält.Das ist bei der Anl. K13 nicht der Fall; die Pflichtangaben befinden sich sehr klein gedruckt und in hellgrauer Farbe auf weißem Untergrund am Ende der Seite; sie sind überhaupt erst lesbar, wenn man zu diesem Abschnitt herunter scrollt.
Keinen Erfolg hat die Berufung auch, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vertragsstrafe wendet. Das Landgericht ist mit Recht von mehreren, nicht nur einem Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag ausgegangen. Zunächst liegt kein Fall vor, wie der, den der BGH in €Trainingsvertrag€ (BGHZ 146, 318)zu entscheiden hatte. Dort war es zu einer Vielzahl von Einzelverstößen gekommen, die sich durch einen engen Zusammenhang der Einzelakte und durch eine auch für Dritte äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit auszeichnete. Der hier zu beurteilende Fall liegt anders. Zu beurteilen sind insgesamt fünf Internet-Anzeigen, die in den Monaten November und Dezember auf den Internetseiten www..1..de und www..2..de aufgerufen werden konnten.Hinsichtlich ihres Inhalts unterscheiden sich die Anzeigen.Aufgrund dieser Umstände stellt sich die Anzeigen-Kampagne der Beklagten nicht als eine natürliche Handlungseinheit dar, sondern als fünf Handlungen, denen jeweils ein eigener Willensentschluss zugrunde liegt. Dem steht nicht entgegen, dass die Anzeigen als Teile einer Kampagne geschaltet worden sein mögen. Nur von einem Willensentschluss auszugehen, verbietet sich auch deshalb, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.12.2011 selbst vorgetragen hat, die Keywords seien mit Rücksicht auf das Klickverhalten der Nutzer in Absprache mit der Werbeagentur aktualisiert worden. Darin liegt ein weiterer Willensentschluss der Beklagten, die Anzeige mit geändertem Inhalt online zu halten. Übertragen auf die Printmedien ist dies gleichbedeutend mit dem Entschluss, eine neue Anzeige mit geändertem Inhalt zu schalten.
Nicht zuletzt hat das Landgericht mit Recht darauf hingewiesen,dass auch die Höhe der Vertragsstrafe eine Auslegung des Vertrages dahin, bei der Zusammenfassung von Handlungen zu einer Zuwiderhandlung einen zu großzügigen Maßstab anzulegen, entgegen steht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1,708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 29.01.2013
Az: 6 U 172/12
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