Kammergericht:
Urteil vom 22. März 2005
Aktenzeichen: 14 U 248/03
(KG: Urteil v. 22.03.2005, Az.: 14 U 248/03)
Zu den Voraussetzungen der Haftung des Vorstandsmitgliedes eines Kreditinstitutes wegen Nichtbeachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bei der Entscheidung über die Vergabe von Krediten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. September 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin 105 O 80/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der zweiten Instanz einschließlich der Kosten der Streithelfer hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin, die diese wegen einer ihrer Ansicht nach pflichtwidrigen Kreditbewilligung vom 17. Juli 1997 gegen die Beklagten als ihre ehemaligen Vorstandsmitglieder erhebt, widerklagend macht der Beklagte zu 2) restliche Gehalts- und Tantiemeansprüche für die Jahre 2001 bis 2003 geltend, die ihm die Klägerin nach fristloser Kündigung seines Anstellungsvertrages nicht mehr ausgezahlt hat.
Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf die im Einzelnen verwiesen wird, Klage und Widerklage - bis auf die hälftige Tantieme 2001 - abgewiesen und zur Begründung - soweit nach Rücknahme der Anschlussberufung noch von Interesse - ausgeführt, die Klage sei als Teilklage mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig und - soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. August 2003 hilfsweise Ersatz der Umschuldungskosten fordere - verjährt. Dem Beklagten zu 2) stehe die anteilig zuerkannte Tantieme 2001 bis zu seiner fristlosen Kündigung zu, die hiergegen erklärte Aufrechnung sei unbegründet.
Gegen dieses am 24. September 2003 verkündete und ihr sowie dem Beklagten zu 2) am 21. Oktober 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. November 2003 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Januar 2004 am 21. Januar 2004 begründet; der Beklagte zu 2) hat sich dieser Berufung, deren Begründung ihm am 29. Januar 2004 zugestellt worden ist, am 1. März 2004 zunächst angeschlossen und seine Anschlussberufung alsdann wieder zurückgenommen.
Die Klägerin macht mit ihrer Berufung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weiter geltend, die Beklagten zu 1) bis 4) schuldeten ihr wegen des pflichtwidrigen Kreditbeschlusses vom 17. Juli 1997 Schadensersatz von mindestens 5.000.000 EUR, den sie alternativ aus ihrem Schaden wegen der nicht zurückgezahlten Darlehensvaluta (Wertberichtigungs- bzw. Kreditausfallschaden), aus ihrem Schaden wegen der nicht durch Zinszahlungen gedeckten Refinanzierungszinsen (Refinanzierungsschaden) und - in Höhe von 1.155.645,38 EUR - aus ihrem Schaden in Höhe der entstanden Umschuldungskosten berechnet. Ihre Teilklage sei weder unbestimmt noch verjährt. Insoweit habe sie auch wirksam gegen den zuerkannten Teil der Widerklage aufgerechnet, die daher insgesamt abzuweisen sei.
Die Klägerin beantragt
mit der Maßgabe,
- dass die Klägerin mit dem Antrag zu 4) nur den erstrangigen Teilbetrag der Schadensberechnung geltend macht und die Klage nicht hilfsweise auf nachrangige Schadensposition stützt,
- dass der Antrag zu 2 c nur auf den erststelligen Teilbetrag des Kreditausfallschadens gestützt wird, der der Klägerin aus dem Kreditvertrag mit der Wohnanlage C... G. P... mbH und Co. KG vom 15./16. Oktober 1997 entstanden ist,
1.) die Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.000.000,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen
als Teilersatz des Schadens, der der Klägerin aus dem Kreditbeschluss des Vorstandes der Klägerin vom 17. Juli 1997 als Kreditausfallschaden einschließlich des Refinanzierungszinsschadens in der Zeit ab Valutierung dieser Kredite bis zum 31.12.2003 entstanden ist,
2.) a) hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Klageantrag als zu unbestimmt ansehen sollte,
die Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.000.000,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen
als Teilersatz des Schadens, der der Klägerin aus dem Kreditbeschluss des Vorstandes der Klägerin vom 17. Juli 1997 als Kreditausfallschaden entstanden ist,
b) weiter hilfsweise für den Fall, dass und soweit die Klägerin mit den vorstehenden Anträgen auch nur teilweise unterliegt,
die Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.000.000,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung abzüglich des der Klägerin aus dem Klageantrag zu 2 a) zugesprochenen Betrages zu zahlen,
als Teilersatz des Schadens, der der Klägerin aus dem Kreditbeschluss des Vorstandes der Klägerin vom 17. Juli 1997 als Refinanzierungszinsschaden in der Zeit ab Valutierung dieser Kredite bis zum 31.12.2003 entstanden ist,
c) weiter hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die vorstehenden Anträge zu 1.) und 2.) a) und b) als zu unbestimmt ansehen sollte,
die Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.000.000,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen
in dem unter C.IV.I auf Seiten 80 ff. dieser Berufungsbegründung bestimmten Verhältnis und der dort bestimmten Rangfolge,
3.) weiter hilfsweise für den Fall, dass und soweit die Klägerin mit ihren Klageanträgen zu 1.) und/oder zu 2.) auch nur teilweise unterliegt,
die Beklagten unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.155.645,36 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen
als Ersatz für die ihr entstandenen Umschuldungskosten sowie der Kosten der durch das B... angeordneten Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F...
abzüglich des Betrages, um den der aus den Anträgen zu 1.) und zu 2.) zugesprochene Betrag 3.844.354,64 EUR übersteigt, und zwar in der unter C.IV.2 auf Seiten 82 ff. ihrer Berufungsbegründung bestimmten Rangfolge der einzelnen Forderungen,
4.) weiter hilfsweise - gleichrangig zu dem Antrag zu 3.) - für den Fall, dass und soweit die Klägerin mit ihren Anträgen zu 1.) und zu 2.) auch nur teilweise unterliegt,
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle künftigen Schäden aus den Kreditverträgen, deren Abschluss mit Kreditbeschluss des Vorstandes der Klägerin vom 17. Juli 1997 bewilligt wurde, insbesondere aus den Kreditverträgen zwischen der Klägerin und
- der Wohnanlage B... Dr. N... KG vom 15./16.10.1997 über 37.510.382,13 DM (Objektnummer ...),
- der Wohnanlage C... G. P... - ... mbH & Co. KG vom 15./16.10.1997 über 101.300.687,28 DM (Objektnummer ...),
- der Wohnanlage G... Dr. N... KG vom 29.09.1997 hinsichtlich des Objektes S.../N... über 6.833.589,41 DM (Objektnummer ...),
- der Wohnanlage G... Dr. N... KG vom 15./16.10.1997 hinsichtlich des Objektes M.../... - .../A... über 36.783.646,26 DM (Objektnummer ...),
- der Wohnanlage S... Dr. N... KG vom 20./30.01.1998 hinsichtlich des Objekts H.../.../K.../M.../N.../F.../Z.../O... über 47.143.202,99 DM (Objektnummer ...),
- der Wohnanlage P... W... KG vom 28.08.1997 hinsichtlich des Objektes M.../F... über 5.924.230,00 DM (Objektnummer ...) und
- der Wohnanlage P... W... KG vom 28.08.1997 hinsichtlich des Objektes F.../Dr. C.../P.../A... über 11.764.084,00 DM (Objektnummer ...)
bis zu einem Teilbetrag in Höhe von 6.250.000,00 EUR abzüglich der Summe der der Klägerin aus den Anträgen zu 1.) und/oder 2.) zugesprochenen Beträge zu ersetzen,
und - noch weiter hilfsweise - in dem unter C.IV.3 auf Seiten 83 ff ihrer Berufungsbegründung bestimmten Verhältnis,
5.) unter teilweiser Änderung der angefochtenen Entscheidung die Widerklage des Beklagten zu 2) insgesamt abzuweisen.
Die Beklagten und ihre Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten und ihre Streithelfer verteidigen die angefochtene Entscheidung, die sie hinsichtlich der Klageabweisung übereinstimmend für zutreffend erachten, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und treten der Berufung entgegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann die Beklagten aufgrund der von ihnen als deren ehemalige Vorstandsmitglieder beschlossenen Kreditbewilligung vom 17. Juli 1997 (Anlage K 28) nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Die angefochtene Entscheidung beruht letztlich weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Die vorliegende Klage, deren Erhebung sämtliche Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin mit Beschluss vom 2. April 2003 (Anlage K 55) jedenfalls nachträglich rückwirkend wirksam genehmigt haben, ist auch als Teilklage zulässig, wobei es für die Einlegung der Berufung keines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses bedurfte. Die Klägerin verfolgt mit ihrem in der Form von Hilfsanträgen gestaffelten Klagebegehren gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Teilzahlungsanspruch von 5.000.000 EUR, den sie alternativ aus dem von ihr auf mindestens 15.760.000 EUR bezifferten Kreditausfall- bzw. Wertberichtigungsschaden wegen der nicht zurückgezahlten Darlehensvaluta und dem auf 6.189.337 EUR bezifferten Refinanzierungsschaden wegen der nicht durch tatsächliche Zinszahlungen gedeckten Refinanzierungszinsen, hilfsweise aus den von ihr auf 1.155.645,36 EUR bezifferten Umschuldungskosten herleitet, wie sie letztlich durch ihre Antragstellung in der Berufungsinstanz nochmals klargestellt hat. Damit begründet die Klägerin, zu deren Gunsten zu unterstellen ist, dass sie von den die Klageforderung übersteigenden Schadensersatzforderungen €Kreditausfallschaden€ und €Refinanzierungsschaden€ jeweils einen erststelligen Teilbetrag von 5.000.000 EUR begehrt, ihren Zahlungsanspruch im Wege der zulässigen objektiven Klagehäufung alternativ gestaffelt mit drei verschiedenen Klageforderungen, was dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ohne weiteres genügt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, Einleitung, Rdnr. 72 ff).
Die danach zulässige Teilklage der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagten haften der Klägerin nicht auf den aufgrund der Kreditbewilligung vom 17. Juli 1997 nach deren Darstellung entstandenen Schaden, weil sie bei dieser Beschlussfassung nicht gegen ihre Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verstoßen haben, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG.
Maßstab der den Beklagten bei ihrer Geschäftsführung obliegenden Pflichten ist die nach der Verkehrsauffassung anzuwendende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Geschäftsbank. Dabei ist dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte nach ständiger Rechtsprechung ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dieser Handlungsspielraum kann auch im Ansatz das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen umfassen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist. Er ist erst dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer entsprechenden Bank das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. Eine Schadenersatzpflicht des Vorstandes kann damit erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss (BGHZ 135, 244; BGH NZG 2002, 194; BGH NJW 1997, 1926). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Zwar wussten alle Beklagten, wie sie selbst einräumen, zur Zeit der fraglichen Beschlussfassung darum, dass jedenfalls ein Entwurf eines internen Revisionsberichtes (Anlage K 12) vorlag, der das Kreditengagement der A... als kritisch beurteilte und hiergegen wesentliche Beanstandungen vorbrachte. Insoweit wusste der Beklagte zu 1) jedenfalls aufgrund interner Mitteilung nach seiner eigenen Darstellung bei der Beschlussfassung, dass es einen solchen Entwurf gab, während den Beklagten zu 2) bis 4) dieser Entwurf vor der Beschlussfassung sogar vorlag, wie die Beklagten zu 2) und 3) selbst einräumen (vgl. auch Anlagen K 20 und 21 sowie K 23 und K24) und der Beklagte zu 4), dem dieser Entwurf vom Beklagten zu 3) zugeleitet worden war (Anlage K 19), nicht bestritten hat.
Gleichwohl hielt sich die Bewilligung der fraglichen Kredite, auf die die Klägerin sich zur Begründung ihrer Schadensersatzforderung ausschließlich stützt, noch im Rahmen des den Beklagten zuzubilligenden weiten Handlungsspielraums bei ihrer Geschäftsleitung:
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, waren zu dieser Zeit bereits Kredite im Volumen von mehr als 400.000.000 DM an die A... ausgereicht worden, die größtenteils im Rahmen des so genannten A. Modells zum Erwerb und zur anschließenden Modernisierung von Plattenbauten bestimmt waren. Diese projektbezogen gesicherten Kredite waren bis dahin ordnungsgemäß bedient worden und nicht notleidend, was auch die Klägerin, der ein entsprechender Vortrag ohne weiteres möglich gewesen wäre, nicht substantiiert in Abrede gestellt hat. Soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat, dass per 30. September 1997 ein Zinsrückstand von 1,99 Millionen DM aufgelaufen war, handelte es sich dabei nach dem unwidersprochenen und damit als zugestanden zu behandelnden Vorbringen der Beklagten um einen vorübergehenden Rückstand mit Annuitätszahlungen, der nach dem Verkauf von 4.000 Wohnungen an die I. eingetreten war und anschließend wieder ausgeglichen wurde, während tatsächliche dauerhafte Zahlungsengpässe der A.-..., die anschließend zur Umschuldung der Kredite im Rahmen des von der Klägerin erarbeiteten Sanierungskonzeptes geführt haben, erst im Frühjahr/Sommer 1999, also etwa zwei Jahre nach der fraglichen Kreditbewilligung eingetreten sind (vergleiche Anlagen B4-1 S. 8 und B14 S. 2). Dementsprechend war das Kreditrating der A... zur dieser Zeit noch als 1 b) bzw. 2) und damit nicht als akut gefährdet eingestuft. In diesem Stadium ist über den von der Klägerin nicht beanstandeten Kreditbedarf für weitere Modernisierungsmaßnahmen hinaus - für die Beklagten unstreitig überraschend - dadurch weiterer Kreditbedarf der A... entstanden, dass diese in großem Umfang weitere Plattenbauten erworben hat und durch diese mit erheblichen Konventionalstrafen bewehrten Kaufverträge zusätzliche umfangreiche Verbindlichkeiten eingegangen ist, für die ihr die Klägerin - jedenfalls aus deren Sicht - keine Finanzierung zugesagt hatte. In dieser Situation bestand für die damals von den Beklagten geleitete klagende Bank die Entscheidungslage, entweder die erforderlichen weiteren Kredite zu bewilligen und so unter Einsatz erheblicher zusätzlicher Mittel und Erweiterung des bisherigen Kreditvolumens um rund 106.000.000 DM die geschäftlichen Aktivitäten der A... weiter zu fördern, oder die neuen Kredite zu versagen und so - im Ergebnis unstreitig - die A... zumindest in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten mit der Gefahr des finanziellen Zusammenbruchs und damit auch eines - jedenfalls teilweisen - Ausfalls des bisherigen Kreditengagements zu bringen, wobei die Beklagten auch berücksichtigen konnten, dass das Kreditvolumen zugleich durch den Verkauf von mehreren tausend Wohnungen an die konzerneigene F... um fast 88 Mio. DM zurückgeführt werden sollte.
In dieser Situation haben die Beklagten nicht gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen, indem sie sich für die erste Handlungsalternative entschieden und der A... trotz der kritischen Anmerkungen des internen Revisionsberichtes zu diesem Kreditengagement mit Beschluss vom 17. Juli 1997 die zu dieser Zeit erforderlichen weiteren Ankaufkredite bewilligt haben. Wie sich nicht zuletzt auch aus dem von der Klägerin zur Begründung der behaupteten Pflichtverletzung herangezogenen, internen Revisionsbericht ergab, war das Kreditgeschäft mit der A. ... zwar durchaus risikobehaftet, bot jedoch aufgrund seines Volumens auch erhebliche Gewinnchancen für die Klägerin. Nachdem dieses Geschäft erst einmal aufgenommen war und einen Umfang von mehr als 400.000.000 DM erreicht hatte, bestand für die Beklagten gewissermaßen nur noch die Wahl zwischen der Chance, unter Ausweitung des risikobehafteten Engagements letztlich doch noch zu einem positiven oder zumindest ausgeglichenen Geschäftsergebnis zu gelangen, und der Gefahr, auch das bisher schon eingesetzte Kapital gleich zu verlieren oder zumindest erheblich zu gefährden. Die getroffene Entscheidung, das Kreditengagement fortzuführen und die weiteren Kredite zu bewilligen, ist danach nicht unvertretbar gewesen, wie auch die nachträglichen Prüfungen des Engagements durch die P... (Anlage B 4-1 Rdnr. 102), die F... (Anlage B 1 Rdnr. 111) und die F.... (Anlage K 3 S. 125) letztlich zeigen. Hierbei kann den Beklagten nicht vorgehalten werden, das Kreditengagement A. überhaupt eingegangen zu sein, denn auf diese grundlegende Entscheidung, die schließlich auch zu der späteren Kreditentscheidung vom 17. Juli 1997 führte, stützt die Klägerin den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens nicht. Deswegen kommt es letztlich auch nicht darauf an, ob die ursprüngliche Beurteilung des €A. Modells€ zutreffend war oder ob aufgrund der mangelnden Erfahrungen der Initiatoren W... und N... mit derartigen Geschäften, ihrer nur als gering einzustufenden Bonität und der generellen Lage auf dem Wohnungsmarkt in den neuen Bundesländern das Engagement von vornherein besser überhaupt nicht aufgenommen worden wäre. Ausschlaggebend für eine Haftung der Beklagten ist vielmehr allein, welche Entscheidung in der nunmehr bestehenden Situation überhaupt noch möglich und ob die gewählte Maßnahme unter Berücksichtigung aller Faktoren noch vertretbar war. Dies ist der Fall. Dem steht auch die Kenntnis des Revisionsberichtes nicht entgegen, zumal diesem ablehnenden Votum die befürwortende Stellungnahme der Kreditabteilung der Bank entgegenstand, die mit der Beschlussvorlage die Kreditgewährung als noch vertretbar empfahl. Wenngleich auch die weitere Kreditgewährung durchaus risikobehaftet war, was auch die Beklagten letztlich nicht verkannt haben können, liegt in dem Beschluss, das gesamte Engagement fortzuführen um damit auch die bisherigen Kredite zu sichern, doch noch keine unvertretbare unternehmerische Entscheidung, zumal auch der Kreditausschuss des Aufsichtsrates der Klägerin diesem Kreditentscheid letztlich zugestimmt hat.
Auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 18 KWG, der bei Krediten der vorliegenden Größenordnung vorschreibt, dass sich die Bank die Vermögensverhältnisse der Kreditnehmer offen legen lässt, ist die fragliche Kreditbewilligung nicht pflichtwidrig gewesen. Zwar muss die Vermögenslage der Kreditnehmer bei jeder neuen Kreditbewilligung zeitnah neu geprüft werden, so dass insoweit nicht darauf abzustellen ist, dass die A... bei ersichtlich im wesentlichen unveränderter Vermögenslage ihrer Initiatoren bereits erhebliche Kredite bewilligt erhalten hatte. Jedoch waren sich die Beklagten bereits aufgrund des ihnen vorliegenden bzw. bekannten Entwurfes des Revisionsberichtes bewusst, dass die Bonität der Initiatoren persönlich nicht ausreichte, ein Kreditvolumen in dieser Größenordnung zu bewegen. Eine weitere Prüfung deren Bonität war damit entbehrlich, da damit bereits feststand, dass die Vermögenslage allein der Initiatoren an sich nicht ausreichte, eine weitere Kreditvergabe zu rechtfertigen. Der Vorschrift des § 18 KWG war damit im Ergebnis Genüge getan, da die Beklagten schon aufgrund des Revisionsberichtes ein hinreichend klares Bild von den mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken hatte. Dem entsprachen auch die Feststellungen des Votierers Z., der in Vorbereitung der anschließenden Sitzung des Kreditausschusses des Aufsichtsrates das mit dieser Kreditbewilligung verbundene geschäftliche Risiko vorbeurteilt hat (Anlage K 29). Gleichwohl waren die Beklagten auch angesichts dieser negativen Beurteilung der Bonität der Kreditnehmer durch § 18 KWG nicht gehindert, die Ausreichung der neuerlichen Kredite zu genehmigen. Denn auch einer im Einzelfall nicht risikofreien Kreditvergabe steht die Vorschrift des § 18 KWG nicht entgegen, sofern sich die Bank über die hieraus entstehenden Risiken ein klares Bild verschafft und sie als verkraftbar beurteilt (Rundschreiben BAK 9/98 vom 7. Juni 1998; Reischauer/Kleinhans, KWG, Anm. 1 zu § 18 KWG). Insoweit verblieb die Entscheidung über die Kreditgewährung letztlich in der alleinigen Verantwortung der kreditgewährenden Bank und der Beklagten als ihres damaligen Vorstandes. Dass die Beklagten in dieser Situation mit Blick auf die projektbezogene Sicherung der Kredite zur Vermeidung einer sofortigen Gefährdung des Gesamtengagements den Beschluss vom 17. Juli 1997 fassten, ist damit auch unter diesem Aspekt nicht als pflichtwidrig im Sinne von § 93 Abs. 1 AktG einzustufen.
Die Klägerin kann eine haftungsbegründende Pflichtwidrigkeit der Beklagten schließlich auch nicht daraus herleiten, dass diese dem Kreditausschuss des Aufsichtsrates, der ihren Kreditbeschluss satzungsgemäß billigen musste, den fraglichen Entwurf des Revisionsberichtes nicht vorgelegt oder anderweitig zur Kenntnis gebracht haben.
Hierbei ist zunächst darauf abzustellen, dass nach Ziffer 7 der maßgeblichen Anweisung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 28. Mai 1976 (Anlage K 67) interne Revisionsberichte grundsätzlich nur dem Vorstand und nur bei schwerwiegenden Verfehlungen eines Vorstandsmitgliedes, die im vorliegenden Revisionsbericht aber nicht beanstandet werden, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats vorzulegen sind. Dementsprechend ist auch nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, der den internen Revisionsbericht angeregt hatte, jemals hiernach gefragt oder sich nach dessen Inhalt erkundigt hätte.
Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehmen wollte, dass die Beklagten im Rahmen ihrer allgemeinen Unterrichtungspflicht dem Kreditausschuss des Aufsichtsrates auch den als eine ihrer Entscheidungsgrundlagen dienenden Revisionsbericht zumindest dem Inhalt nach zur Kenntnis zu bringen hatten, begründet die Tatsache, dass sie dies unterlassen haben, keinen Schadensersatzanspruch der Klägerin. Die Beklagten können insoweit für sich in Anspruch nehmen, dass der Kreditausschuss auch in Kenntnis der kritischen Bemerkungen im Revisionsbericht letztlich nicht anders entschieden hätte. Denn den Mitgliedern dieses Ausschusses war bei ihrer Entscheidung vom 28. August 1997 (Anlage K 29) unstreitig das Votum des Sachbearbeiters Z. des R.-Managements vom 31. Juli 1997 der Kreditvorlage vom 17. Juli 1997 (Anlage K 29) bekannt, das sich zur A..., zu deren Geschäftsmodell und dessen Risiken und Chancen und vor allem auch zur Liquidität der Kreditnehmer ebenso ablehnend äußert wie der Revisionsbericht selbst. Dennoch haben die Mitglieder des Kreditausschusses die Kreditbewilligung, die bereits diverse Auflagen gegenüber den Kreditnehmern vorsah, unter weiteren begleitenden kritischen Anmerkungen und Auflagen übereinstimmend gebilligt, obwohl auch sie erkannt hatten, dass die A... angesichts des Kreditvolumens über keine nennenswerten eigenen finanziellen Mittel verfügte. Der Umstand, dass nicht nur der zuständige Votierer des R.-Management, Herr Z., sondern auch die Innenrevision die Kreditbewilligung kritisch einschätzte, tritt zurück.
Unter diesen Umständen kommt es nicht weiter darauf an, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verjährt sind, weil die Beklagten sämtlich auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. März 2003 verzichtet hatten und damit die von der Klägerin am 31. März 2003 eingereichte, aufgrund der rückwirkenden Genehmigung der Prozessführung von Beginn an zulässige Teilklage die Verjährungsfrist des § 91 Abs. 6 AktG, die nach zutreffender übereinstimmender Auffassung der Parteien jedenfalls Ende 1997 mit dem Ausreichen der bewilligten Kredite zu laufen begann, rechtzeitig unterbrochen hat, § 167 ZPO. Ebenso kann dahinstehen, ob die Klägerin ihren Schaden hinsichtlich des Ausfalls der Darlehensvaluta und der Refinanzierungszinsen überhaupt hinreichend dargetan und nachvollziehbar berechnet hat und dass sie hinsichtlich der Umschuldungskosten auch die jeweilige Mehrwertsteuer als Schaden geltend gemacht sowie die Kosten der Rechtsanwälte D..., die die Bankgesellschaft nur hälftig an sie weitergereicht hat, doppelt (nämlich einmal hälftig aufgrund der Rechnung der Bankgesellschaft und dann nochmals in voller Höhe aufgrund der anwaltlichen Gebührenrechnung) beansprucht hat.
Hinsichtlich der wirksam erhobenen Widerklage hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass dem Beklagten zu 2) lediglich noch seine anteilige Tantieme für das Jahr 2001 bis zur fristlosen Kündigung seines Dienstvertrages am 27. Juni 2001 zusteht. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist nicht begründet: Dass dem Beklagten zu 2) bis zu seiner fristlosen Kündigung die vertraglich garantierte Jahrestantieme 2001 anteilig zusteht, zieht auch die Klägerin so letztlich nicht in Zweifel. Die von ihr gegenüber dieser Forderung mit ihren vermeintlichen Schadensersatzansprüchen erklärte Aufrechnung schlägt aus den vorgenannten Gründen fehl und bringt die Forderung des Beklagten zu 2) nicht zum Erlöschen, § 389 BGB, was keiner weiteren Erörterung mehr bedarf.
Der Zinsausspruch zur Widerklage ist nicht gesondert angefochten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.
KG:
Urteil v. 22.03.2005
Az: 14 U 248/03
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