Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 176/05
(BPatG: Beschluss v. 11.07.2006, Az.: 27 W (pat) 176/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Piet van der Isselist unter der Nummer 304 44 831 für
"Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Einkaufs-, Reise-, Bade- und Handtaschen; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche Blumen"
in das Markenregister eingetragen worden.
Gegen die Eintragung ist Widerspruch im Hinblick auf alle identischen und ähnlichen Waren erhoben von der Inhaberin der Marke 1 152 078 ISSEL, deren Warenverzeichnis lautet:
"Damenoberbekleidungsstücke, Röcke und Blusen".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 3. August 2005 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die angegriffene Marke beanspruche zumindest teilweise Produktgruppen, die auch von der Widerspruchsmarke umfasst würden, so dass strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien. Diese seien jedoch erfüllt. Die Markenbestandteile des jüngeren Zeichens stünden nicht eigenständig nebeneinander, sondern bildeten einen einheitlichen Namen, bestehend aus Vor- und Familienname. Die Marken unterschieden sich klanglich wie schriftbildlich dadurch deutlich. Es seien auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die es nahe legten, dass der Verkehr die jüngere Marke allein auf den Bestandteil "Issel" verkürze. Die offensichtlichen Unterschiede schlössen die Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen aus; auch die Gefahr, dass die Marken in sonstiger Weise miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe nicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Widersprechende. Sie macht eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend und ist der Ansicht, zumindest im Hinblick auf die identischen Waren aus dem Bekleidungsbereich sei die jüngere Marke, die sich als eine nur durch den niederländischen Allerweltsnamen Piet ergänzte Übernahme der Widerspruchsmarke darstelle, mit dieser zu verwechseln.
Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 25 vom 3. August 2005 die angegriffene Marke im Umfang identischer oder ähnlicher Waren zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke und hält im Übrigen den Beschluss der Markenstelle für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie den Inhalt der Akten des Deutschen Patent- und Markenamts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Markenstelle hat zu Recht die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneint. Unter Berücksichtigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr., EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon; GRUR Int. 1999, 734, 735 - Lloyd; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 542, 543 - BIG), reicht der Abstand, den die angegriffene Marke zu der Widerspruchsmarke hält, aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.
1. Die angegriffene Marke beansprucht hinsichtlich der "Bekleidungsstücke" Schutz für Waren, die mit den Waren der Widerspruchsmarke "Damenoberbekleidungsstücke, Röcke und Blusen" identisch sind. Die weiter von der jüngeren Marke beanspruchten Waren liegen alle in einem entfernteren Ähnlichkeitsbereich.
2. Der Widerspruchsmarke ist entgegen der Ansicht der Widersprechenden keine erhöhte Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Für die Bestimmung der Kennzeichnungskraft einer Marke kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR Int. 1999, 734 Tz. 23 - Lloyd; GRUR Int. 1999, 723 Tz. 27 - Chevy) sowohl auf die Eigenschaften an, welche die Marke von Hause aus besitzt, als auch auf die Faktoren des von der Marke gehaltenen Marktanteils, der Intensität, Dauer und geographischen Verbreitung der Benutzung, des Werbeaufwands sowie des Teils der angesprochenen Verkehrskreise, der die Waren und Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt.
Der Ansicht der Widersprechenden, der Widerspruchsmarke müsse von Hause aus eine gesteigerte Kennzeichnungskraft beigemessen werden, weil sie keinerlei beschreibenden Anklang habe und auch nicht ohne weiteres als Familienname erkennbar sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Mangels anderer Anhaltspunkte ist vielmehr davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke, die im Verkehr für die beanspruchten Waren noch nicht erkennbar in größerem Umfang hervorgetreten ist, über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Rdn. 326 zu § 14 m. w. N.; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., Rdn. 185 zu § 9).
3. Auch unter Berücksichtigung der bei identischen Waren anzulegenden strengen Anforderungen unterscheiden sich die Vergleichsmarken erheblich. Klanglich wie schriftbildlich bestehen zwischen der älteren Ein-Wort-Marke und der mehrteiligen jüngeren Marke deutliche Unterschiede. Eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr wäre nur dann zu bejahen, wenn der Gesamteindruck der jüngeren Marke durch den übereinstimmenden Bestandteil "Issel" geprägt würde und die weiteren Bestandteile, nämlich der Vorname "Piet" sowie das "van der" des Familiennamens weitgehend in den Hintergrund träten. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte.
Es gibt im Bekleidungs- und Modebereich eine beachtliche Zahl von Designernamen, die sowohl als vollständige Kombination von Vor- und Nachnamen zur Kennzeichnung von Waren verwendet werden als auch nur mit dem Familiennamen, z. B. (Etienne) Aigner; (Gianfranco) Ferre; (Pierre) Cardin; (Karl) Lagerfeld. Teilweise wird zusätzlich der Vorname allein verwendet (z. B. BOSS/HUGO BOSS/HUGO; Tommy Hilfiger/Tommy). Ferner begegnet der Verkehr Vornamen auch als Kennzeichen einer besondere Produktlinie des Trägers des Nachnamens, z. B. Willy Bogner/Sonja Bogner, Wolfgang Joop/Jette Joop, Miss Britt/Jacques Britt). In Anbetracht dieser verschiedenen Formen von Namenskennzeichnungen im Bekleidungsbereich kann heutzutage nur in besonderen Fällen davon ausgegangen werden, dass eine aus Vor- und Familiennamen bestehende Marke auf einen Namensbestandteil verkürzt wird. Solche Fälle sind vor allem dann gegeben, wenn die ältere Marke über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, etwa infolge besonderer Bekanntheit des Namens eines Designers. Davon kann im Falle "Issel" aber, wie bereits ausgeführt, nicht ausgegangen werden.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich im Übrigen von jenen, in denen zu einem bereits als Marke eingetragenen Familiennamen lediglich ein Vorname hinzugefügt wird (vgl. BGH WRP 2005, 744 - MEY/Ella May), dadurch, dass der Bestandteil "Issel" in der jüngeren Marke nicht allein steht, sondern durch die niederländische Herkunftsbezeichnung "van der" ergänzt wird. Damit scheidet auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr aus, weil die Verbraucher annehmen müssten, in der jüngeren Marke werde nicht nur der Vorname eines ihnen bekannten Designers genannt, sondern auch noch ein bisher nicht genannter Namensbestandteil hinzugefügt.
4. Anhaltspunkte dafür, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich, so dass es bei dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 MarkenG verbleibt, wonach alle Beteiligten ihre Kosten jeweils selbst zu tragen haben.
BPatG:
Beschluss v. 11.07.2006
Az: 27 W (pat) 176/05
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