Bundespatentgericht:
Urteil vom 27. Januar 2004
Aktenzeichen: 3 Ni 43/02

(BPatG: Urteil v. 27.01.2004, Az.: 3 Ni 43/02)

Tenor

Das europäische Patent 0 773 327 wird in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 5. November 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 195 41 887 vom 10. November 1995 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 773 327 B1 (Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 596 07 873 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Abreinigung einer durch umweltschädliche Medien kontaminierten und/oder in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahn oder sonstiger Verkehrsflächen und umfasst in der erteilten Fassung 12 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1 und 8 lauten:

1. Verfahren zur Abreinigung einer durch umweltschädliche Medien wie Schmier- oder Kraftstoffe, Bremsflüssigkeit, Hydrauliköle, Frostschutzmittel und/oder andere lösliche oder emulgierbare Medien kontaminierten bzw in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahn oder Verkehrsfläche, im folgenden Fahrbahndecke (20) genannt, wobei ein jeweils in Abreinigung befindlicher Flächenteil (21) der Fahrbahndecke (20) nach allen Seiten sowie nach oben zu gegen die übrige Fahrbahndecke (20) und Umgebung abgeschirmt und durch Aufsprühen einer Lösung und/oder Emulgierungsmittel in Wasser enthaltenden Reinigungsflüssigkeit, gegebenenfalls unter Bürsten, behandelt wird, wobei eine dabei entstehende, die schädlichen Medien in Lösung oder in Emulsion enthaltende Phase abgesaugt wird, wobei ein in Arbeitsrichtung (33) befindlicher vorderer Bereich (31) des Flächenteils (21) durch gerichtete, energiereiche Sprühstrahlen (34) mit Reinigungsflüssigkeit besprüht und dabei die schädlichen Medien gelöst oder emulgiert werden, und wobei in einem in Arbeitsfortschritt folgenden hinteren Bereich (32) eine die schädlichen Medien in Lösung oder als Emulsion enthaltende flüssige Phase abgesaugt wird, wobei der vordere und der hintere Bereich durch eine dicht oberhalb des Flächenteils (21) endende Querwand (37) unterteilt ist."

8. Vorrichtung zur Abreinigung einer durch schädliche Medien kontaminierten bzw in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahndecke (20), insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 7, umfassend wenigstens einen Vorratsbehälter (1) für Reinigungsfluid mit nachgeschalteter Hochdruckpumpe (2) und wenigstens einen Auffangbehälter für die abgesaugte Schmutzigphase, sowie eine über die Fahrbahndecke (20) führbare Reinigungsvorrichtung (30) mit einer nach unten zu offenen, einen zur Abreinigung vorgesehenen Flächenbereich (21) seitlich sowie nach oben zu abdeckbaren Haube (30), dadurch gekennzeichnet, dass der Raum unter der Haube (30) durch eine dicht oberhalb der Fahrbahndecke (20) endende Querwand (37) in einen, in Arbeitsrichtung, vorderen Sprühraum (31) und hinteren Saugraum (32) unterteilt ist, und dass der vordere Sprühraum (31) eine an eine Hochdruck-Reinigungsmittelquelle (1, 2) anschließbare Sprühdüsenanordnung (35) und der hintere Saugraum (32) ein an eine Absaugvorrichtung (5, 6) anschließbares Saugmundstück (36) aufweist."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 und der auf Patentanspruch 8 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 9 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die i... GmbH sowie deren Geschäftsführer S... und B... sind mit Schriftsatz vom 7. August 2003 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten, da die alleinige Lizenznehmerin des Beklagten, die A... Gesell- schaft für Umwelt und Technik mbH, gegen die Nebenintervenienten 1 bis 3 mit Schriftsatz vom 18. Mai 2003 Klage wegen Verletzung des Streitpatents beim Landgericht Mannheim (Az.: 7 O 136/03) erhoben hat.

Die Klägerin und die Nebenintervenienten machen geltend, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 seien gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig, weil diese nicht neu seien. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin insbesondere auf folgende Dokumente:

D1 DE-OS 24 57 708, D2 EP 0 279 729 B1 D3 US PS 4 107 816.

Die Klägerin und die Nebenintervenienten beantragen, das europäische Patent 0 773 327 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise verteidigt er das Streitpatent in der Fassung der Patentansprüche 1 und 8 gemäß in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen 1 und 2 in dieser Reihenfolge, im übrigen mit den Patentansprüchen in der erteilten Fassung.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 1 und 8 gemäß der Hilfsanträge 1 und 2 wird auf die in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen verwiesen.

Der Beklagte tritt dem Vorbringen entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a, Art 52, 54, 56 EPÜ.

I 1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Abreinigung einer durch umweltschädliche Medien wie Schmier- oder Kraftstoffe, Bremsflüssigkeit, Hydrauliköle, Frostschutzmittel und/oder andere lösliche oder emulgierbare Medien kontaminierten bzw in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahn oder Verkehrsfläche, im folgenden Fahrbahndecke (20) genannt, wobei ein jeweils in Abreinigung befindlicher Flächenteil (21) der Fahrbahndecke (20) nach allen Seiten sowie nach oben zu gegen die übrige Fahrbahndecke (20) und Umgebung abgeschirmt und durch Aufsprühen einer Lösung und/oder Emulgierungsmittel in Wasser enthaltenden Reinigungsflüssigkeit, gegebenenfalls unter Bürsten, behandelt wird, wobei eine dabei entstehende, die schädlichen Medien in Lösung oder in Emulsion enthaltende Phase abgesaugt wird (StrPS S 2 Z 3-8). Nach den Angaben der Streitpatentschrift kommt es häufig zum Auslaufen von umweltschädlichen Medien wie Schmier- oder Kraftstoffen, Bremsflüssigkeit oder Hydraulikölen und/oder ähnlichen Flüssigkeiten. Nach dem derzeitigen Stand der Technik könnten diese nur ungenügend oder mit unvertretbar hohem Aufwand von der Fahrbahndecke entfernt werden. Es sei zB bekannt, zur Beseitigung von Schmierstoffen Ölbindemittel, zumeist in Pulverform, auf die verschmutzten Stellen aufzubringen und nach einer gewissen Einwirkungszeit von der Fahrbahndecke zu entfernen. Dieses Verfahren sei unbefriedigend, weil Restmengen der schädlichen Substanzen zurückblieben (StrPS S 2 Z 9-25). Es seien bereits Ölspur-Wasch-Saug-Fahrzeuge bekannt, die übereinstimmend jeweils mit einer Hochdruck-Sprühanlage sowie mit einer Sauganlage und den zugehörigen Aggregaten und Behältern ausgestattet sind (StrPS S 2 Z 31-33). Bei einem solchen aus der Praxis bekannten Gerät handele es sich um ein Einzweck-Fahrzeug, welches ausschließlich zur Beseitigung von Ölverschmutzungen auf einer festen Fahrbahn einsetzbar sei. Wegen der außerordentlich hohen Investitionskosten sei ein derartiges Gerät wirtschaftlich nicht vertretbar. Auch in technischer Hinsicht habe das Ölspur-Wasch-Saug-Fahrzeug nicht befriedigen können, weil die Elemente zum Sprühen und Saugen getrennt unter dem Fahrzeugboden angeordnet seien, wodurch sich deren Betriebsweise einer unmittelbaren optischen Kontrolle entziehe. Es sei aber wünschenswert, wesentliche Betriebsparameter nach Maßgabe der beobachteten Wirkungsweise eines solchen Gerätes einzustellen, um mit einem möglichst ökonomischen Einsatz derartiger Substanzen ein Optimum an Reinigungswirkung zu erzielen (StrPS S 2 Z 34-45). Des weiteren sei ein Ölspur-Reiniger aus der Praxis bekannt, der als Vorbau-Aggregat einem Geländefahrzeug der Type Unimog an der Vorderfront zugeordnet ist. Nachteilig an diesem Gerät sei der große maschinelle Aufwand sowie das nicht gelöste Problem unkontrolliert umherspritzender, umweltschädliche Medien enthaltender Flüssigkeitsteilchen (StrPS S 2 Z 46-56). Ein Verfahren zur Abreinigung von Verkehrsflächen sei auch aus der EP 0 318 074 A bekannt. DE 24 57 708 A beschreibe eine Vorrichtung, die geeignet sei, eine Fahrbahndecke zu reinigen (StrPS S 2 Z 57 und 58).

2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Abreinigung einer durch umweltschädliche Medien kontaminierten bzw in ihrer natürlichen Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahn oder sonstigen Verkehrsfläche anzugeben, wobei bei möglichst unkomplizierter Bauweise sowie zur Vermeidung unkontrolliert umherspritzender Flüssigkeitsteilchen eine vollständige, rückstandsfreie Reinigung einer verschmutzten Fahrbahndecke zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes bezüglich der Griffigkeit der Fläche in möglichst kurzer Reinigungsdauer verwirklicht werden soll und wobei unter Anpassung an begrenzte Platzverhältnisse eines Trägerfahrzeuges wie Abschleppwagen, Gerätewagen oder Kleintransporter ein platzsparender Einbau in ein Trägerfahrzeug oder auf einem Anhänger oder auf einem Handwagen oder einer selbstfahrenden Lafette ermöglicht werden soll. Dabei soll die Vorrichtung ein geringes Eigengewicht aufweisen und eine einwandfreie Funktion auch unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen wie zB bei Regen oder Umgebungstemperaturen unter 0¡ Celsius gewährleisten (StrPS S 3 Z 1 - 10).

3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 ein 1. Verfahren zur Abreinigung einer durch umweltschädliche Medien wie Schmier- oder Kraftstoffe, Bremsflüssigkeit, Hydrauliköle, Frostschutzmittel und/oder andere lösliche oder emulgierbare Medien kontaminierten bzw in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahn oder Verkehrsfläche, im folgenden Fahrbahndecke (20) genannt, wobei 2. ein jeweils in Abreinigung befindlicher Flächenteil (21) der Fahrbahndecke (20)

a. nach allen Seiten sowieb. nach oben zuc. gegen die übrige Fahrbahndecke (20) undd. die Umgebung abgeschirmt und 3. durch Aufsprühen einer Lösungs- und/oder Emulgierungsmittel in Wasser enthaltenden Reinigungsflüssigkeit, gegebenenfalls unter Bürsten, behandelt wird, wobei 4. eine dabei entstehende, die schädlichen Medien in Lösung oder in Emulsion enthaltende Phase abgesaugt wird, wobei 5. ein in Arbeitsrichtung (33) befindlicher vorderer Bereich (31) des Flächenteils (21) durch gerichtete, energiereiche Sprühstrahlen mit Reinigungsflüssigkeit besprüht und dabei die schädlichen Medien gelöst oder emulgiert werden, wobei 6. in einem in Arbeitsfortschritt folgenden hinteren Bereich (32) eine die schädlichen Medien in Lösung oder als Emulsion enthaltende flüssige Phase abgesaugt wird und wobei 7. der vordere und der hintere Bereich durch eine dicht oberhalb des Flächenteils (21) endende Querwand (37) unterteilt ist.

Zur Lösung beschreibt weiterhin Patentanspruch 8 eine 1. Vorrichtung zur Abreinigung einer durch schädliche Medien kontaminierten bzw in ihrer Griffigkeit beeinträchtigten Fahrbahndecke (20), insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 7, 2. die Vorrichtung umfasst wenigstens einen Vorratsbehälter (1) für Reinigungsfluid, 3. dem Vorratsbehälter ist eine Hochdruckpumpe (2) nachgeschaltet, 4. die Vorrichtung umfasst wenigstens einen Auffangbehälter (1) für die abgesaugte Schmutzigphase, 5. die Vorrichtung umfasst eine über die Fahrbahndecke (20) führbare Reinigungsvorrichtung (30) mit einer 6. nach unten zu offenen, einen zur Abreinigung vorgesehenen Flächenbereich (21) seitlich sowie nach oben zu abdeckbaren Haube (30), wobei 7. der Raum unter der Haube (30) durch eine dicht oberhalb der Fahrbahndecke (20) endende Querwand (37) in einen, in Arbeitsrichtung, vorderen Sprühraum (31) und hinteren Saugraum (32) unterteilt ist, 8. der vordere Sprühraum (31) eine an eine Hochdruck-Reinigungsmittelquelle (1, 2) anschließbare Sprühdüsenanordnung (35) und 9. der hintere Saugraum (32) ein an eine Absaugvorrichtung (5, 6) anschließbares Saugmundstück (36) aufweist.

II 1. Die Gegenstände der verteidigten Ansprüche 1 und 8 der Streitpatentschrift sind im Vergleich mit der deutschen Offenlegungsschrift 24 57 708 (D1) nicht neu.

1.1 Zum Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift - Merkmal 1:

Die D1 betrifft ein Gerät zum Reinigen von Oberflächen, das gemäß Seite 4, Absatz 2 auf einem Kraftfahrzeug montiert und durch dieses bewegt werden kann. Der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), versteht diese Angabe so, dass das Verfahren nach der D1 auch für die Reinigung einer Fahrbahndecke Verwendung finden soll. Bei den weiter im Merkmal 1 aufgeführten umweltschädlichen Medien handelt es sich um erfahrungsgemäß vorkommende Fahrbahnverschmutzungen.

- Merkmal 2:

Gemäß dem Verfahren nach der D1 wird ebenfalls ein jeweils in Abreinigung befindlicher Flächenteil der Fahrbahndecke nach allen Seiten sowie nach oben zu gegen die übrige Fahrbahndecke und Umgebung abgeschirmt. Dies ergibt sich aus Seite 3 Absatz 2 und 3 in Verbindung mit den Figuren 1 und 2.

Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass gemäß der D1 Kanäle 12 in der Haube vorgesehen seien. Im Unterschied hierzu ergebe sich aus den detaillierten Angaben zur Abschirmung im Merkmal 2, dass die Haube gemäß dem Streitpatent an allen Seiten "geschlossen" sei, woraus sich eine Wirkungsweise des Verfahrens nach dem Streitpatent ergebe, die zu der auf Seite 3 beschriebenen Wirkungsweise des Verfahrens nach der D1 konträr sei.

Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen. Gemäß dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ist nämlich eine Haube nicht vorgesehen, schon gar nicht eine an allen Seiten "geschlossene" Haube. Der Begriff "geschlossene Haube" ist nirgendwo in der Streitpatentschrift enthalten. Der Beklagte leitet diesen Begriff aus den im Merkmal 2 detailliert angegebenen Abschirmungsrichtungen her. Dies ist jedoch nicht zulässig, denn der Beklagte ist an die Definition von Abschirmung gebunden, die in der Streitpatentschrift angegeben ist. Demnach wird durch die Abschirmung "ein Umherspritzen von Flüssigkeitsteilen mit umweltschädlichen Medien wirksam verhindert und damit beim Aufsprühen die Anwendung äußerst energiereicher Hochdruck-Sprühstrahlen begünstigt" - Seite 3, Zeilen 12 bis 14; vergleiche auch Seite 3, Zeilen 22 bis 25 der Streitpatentschrift. Ausgehend von dieser allein zulässigen Auslegung des Begriffs "abgeschirmt" im Anspruch 1 ist festzustellen, dass eine derartige Abschirmung auch gemäß der D1 gegeben ist, denn aufgrund der dortigen Absaugung ist ein Umherspritzen von Flüssigkeitsteilchen entgegen dem Luftstrom auch dann nicht möglich, wenn man dem Vortrag des Beklagten folgen wollte, wonach nach der Lehre der D1 am unteren Rand der Haube Kanäle 12 vorzusehen seien.

Der Beklagte stützt sich bei seinem Vortrag auf das konkret in den Figuren der Zeichnung dargestellte einzige Ausführungsbeispiel (vgl S 1 vorletzte Zeile der D1). Auf Seite 4 letzter Absatz ist ausdrücklich angegeben, dass auch andere Formen des Behälters, wie die Haube dort genannt ist, möglich seien. Gemäß diesem einen Ausführungsbeispiel sind, wie aus den Figuren 1, 1a und 2 ersichtlich, in Bauteilen 12a Kanäle 12 vorgesehen, und insbesondere auf Seite 3, Absatz 2 und 3 ist die Wirkungsweise des Geräts bei dieser Ausgestaltung beschrieben. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um die im Patentanspruch 4 des Streitpatents beanspruchte Ausgestaltung. Gemäß dem Patentanspruch 1 der D1 sind dagegen keine Kanäle ausgebildet, um einen geschlitzten Rand an der vierten Seite zu bilden, wie das auf Seite 2, vorletzter Absatz angegeben ist. Nach dem Anspruch 1 ist lediglich von einem "Lufteinlass 12" die Rede. Wo dieser angeordnet und wie er ausgebildet ist, bleibt hier dem Fachmann überlassen, wie dies auch beim Streitpatent der Fall ist. Auch gemäß dem Streitpatent muss nämlich ein Lufteinlass vorhanden sein, weil sonst eine Absaugung der umweltschädlichen Medien nicht möglich wäre. Gemäß dem Streitpatent wird ebenfalls nur durch die Absaugkraft ein Austreten dieser Medien durch den Lufteinlaß verhindert. Die Angaben im Patentanspruch 1 der D1, wonach die Anordnung so getroffen ist, dass eine Turbulenz zwischen Luft und Flüssigkeit auf der zu reinigenden Oberfläche und in jeder Kammer erzeugt wird, steht der neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Merkmals 2 durch die D1 nicht entgegen. Im Streitpatent ist die Frage des Lufteinlasses nämlich nicht angesprochen und demzufolge auch nicht die Frage, ob eine Turbulenz zwischen Luft und Flüssigkeit beim Streitpatent angestrebt oder verhindert werden soll. Aus dem Umstand, dass derartige Angaben in der Streitpatentschrift fehlen, kann die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber dem aus der D1 bekannten Gerät somit nicht hergeleitet werden.

- Merkmal 3:

Gemäß der D1 wird ebenfalls ein jeweils in Abreinigung befindlicher Flächenteil durch Aufsprühen einer Lösungs- und/oder Emulgierungsmittel in Wasser enthaltenden Reinigungsflüssigkeit, gegebenenfalls unter Bürsten, behandelt. Das ergibt sich insbesondere aus Seite 5, Absatz 1 in Verbindung mit der Zeichnung (Bezugszeichen 6a, 7, 22).

- Merkmal 4:

Die dabei entstehende, die schädlichen Medien in Lösung oder in Emulsion enthaltende Phase wird auch gemäß der D1 abgesaugt. Das ergibt sich ebenfalls aus den Figuren der Zeichnung in Verbindung mit insbesondere Seite 3, Absatz 3 der D1.

- Merkmale 5 und 6:

Entgegen der Auffassung des Beklagten werden auch gemäß der D1 ein in Arbeitsrichtung befindlicher vorderer Bereich des Flächenteils durch gerichtete, energiereiche Sprühstrahlen mit Reinigungsflüssigkeit besprüht und dabei die schädlichen Medien gelöst oder emulgiert und in einem in Arbeitsfortschritt folgenden hinteren Bereich eine die schädlichen Medien in Lösung oder als Emulsion enthaltende flüssige Phase abgesaugt.

Auf Seite 2, Absatz 2 und 3 der D1 ist eine erste Kammer 2 und eine zweite Kammer 3 beschrieben. In der ersten Kammer 2 befindet sich eine Düsen-Bauteilgruppe 6, und mit der zweiten Kammer ist eine Auslassverbindung 8 verbunden (vgl S 2 Abs 3 u Fig 1). Bereits aus der Bezeichnung "erste" und "zweite" Kammer ergibt sich für den Fachmann die Arbeitsrichtung des Geräts. Überlegungen, wie sie von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurden, dass gemäß der D 1 erst gesaugt und dann gesprüht werde, finden in der D1 dagegen keine Stütze. Gemäß Seite 3 Absatz 3 der D1 soll vielmehr die Sogkraft an der Auslassverbindung 8 so eingeregelt werden, dass eine vollständige Beseitigung des gesamten Strömungsmittels und des gelösten Schmutzes aus den Kammern 2 und 3 sichergestellt wird. Hieraus ergibt sich für den Fachmann zwingend, dass erst gesprüht und dann gesaugt wird. Aus dem Umstand, dass gemäß Seite 3 Absatz 1 der D1 das Gerät in jeder Seitenrichtung über die zu reinigende Oberfläche bewegt werden kann und an der ersten Kammer 2 ein Handgriff 13 vorgesehen ist, kann nicht gefolgert werden, dass der Fachmann nicht erkennen könnte, wie eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens bewegt werden muss.

Die übrigen Merkmale dieser Merkmalsgruppe ergeben sich wieder aus Seite 3, Absatz 2 und 3 der D1, was auch von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden ist.

- Merkmal 7:

Schließlich ist auch bei dem Gerät nach der D1 der vordere und hintere Bereich durch eine dicht oberhalb des Flächenteils endende Querwand unterteilt.

Mit dieser Formulierung wird ganz allgemein jedwede ein- oder mehrteilig ausgebildete Querwand mit und ohne Öffnungen im Wandbereich beansprucht. Der Beklagte muss sich folglich als relevanten entgegenstehenden Stand der Technik auch die zweifelsfrei dicht oberhalb des Flächenteils endende Trennwand 4 gemäß Figur 1 der D1, die zweiteilig ausgebildet ist und Kanäle 5 aufweist, entgegenhalten lassen.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Wirkungsweise des Verfahrens gemäß dem Streitpatent eine völlig andere sei als beim Verfahren nach der D1. Gemäß der D1 sollen im Bereich der Kanäle 5 Turbulenzen erzeugt werden, damit abgesaugt werden könne. Gemäß dem Streitpatent bewirke dagegen die Querwand ein Aufstauen der Flüssigkeit vor der Querwand, wie das schriftsätzlich bereits im Zusammenhang mit der Anlage B4 vorgetragen worden sei. Die sich aufstauende Flüssigkeit bilde eine sich immer wieder erneuernde Flüssigkeitsdichtung, die unter der Querwand durchgezogen werde und sich zugleich immer wieder neu aufbaue. Dieses "völlig andere Funktionsprinzip" führe zu einem überraschenden Reinigungsergebnis.

Das von dem Beklagten vorgetragene vorstehende Funktionsprinzip ist offensichtlich nicht Gegenstand des Streitpatents. Es gibt keine einzige Stelle in der Streitpatentschrift, die mit einem derartigen Funktionsprinzip in Verbindung gebracht werden könnte. Allein aus der Angabe, dass die Querwand "dicht oberhalb des Flächenteils" enden soll, kann ein solches Funktionsprinzip nicht hergeleitet werden. Die Angabe "dicht oberhalb des Flächenteils" ist unbestimmt. In der Streitpatentschrift findet sich auch keine weitere Maßangabe oder sonstiges Kriterium für die Festlegung des Abstands der Querwand zum zu reinigenden Flächenteil. Somit verbleibt dem Fachmann diesbezüglich lediglich noch die Darstellung in der Zeichnung. Diese zeigt jedoch ein völlig anderes Funktionsprinzip, nämlich eines, bei dem die Medien ohne Bildung einer Flüssigkeitsdichtung unter der Querwand abgesaugt werden. Mangels irgendwelcher anders lautender Informationen in der Streitpatentschrift kann der Fachmann dieser somit kein anderes als das in der Zeichnung dargestellte Funktionsprinzip entnehmen. Die Angabe "dicht oberhalb" kann somit ebenfalls keinen Unterschied zur Lehre der D1 begründen.

1.2 Zum Patentanspruch 8 der Streitpatentschrift Gemäß Figur 3 der D1 umfasst die hierdurch bekannte Vorrichtung - einen Vorratsbehälter (Vorratsquelle 24) für Reinigungsfluid,

- eine nachgeschaltete Hochdruckpumpe 23,

- einen Auffangbehälter (Tank 25) für die aufgesaugte Schmutzigphase und - eine über die Fahrbahndecke (Oberfläche 21) führbare Reinigungsvorrichtung mit einer nach unten offenen, einen zur Abreinigung vorgesehenen Flächenbereich seitlich sowie nach oben zu abdeckbaren Haube (Behälter 20 bzw Behälter 1 gemäß Fig 1).

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zum Verfahren nach dem Patentanspruch 1

- ist der Raum unter der Haube durch eine dicht oberhalb der Fahrbahndecke endende Querwand (Trennwand 4) in einen, in Arbeitsrichtung, vorderen Sprühraum (erste Kammer 2) und hinteren Saugraum (zweite Kammer 3) unterteilt,

- weist der vordere Sprühraum (erste Kammer 2) eine an eine Hochdruck-Reinigungsmittelquelle (Einlassverbindung 7 iVm S 3 Abs 2) anschließbare Sprühdüsenanordnung (Düse 22 in Fig 3) und - der hintere Saugraum (zweite Kammer 3) ein an eine Absaugvorrichtung (Hochstrom-Niederdruckgebläse 26) anschließbares Saugmundstück (Auslassverbindung 8) auf.

Damit weist auch das aus der D1 bekannte Gerät alle im Patentanspruch 8 des Streitpatents aufgeführten Merkmale auf.

2. Zum Hilfsantrag 1 Gegen die Zulässigkeit der gemäß dem Hilfsantrag 1 verteidigten Patentansprüche 1 und 8 bestehen keine Bedenken. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß dem Hilfsantrag 1 unterscheiden sich sachlich von den Patentansprüchen 1 und 8 gemäß der Streitpatentschrift dadurch, dass nunmehr auch in den Patentanspruch 1 die Haube aufgenommen ist und in beiden Patentansprüchen zusätzlich noch das Merkmal enthalten ist, dass die Abschirmung des in Abreinigung befindlichen Flächenteils der Fahrbahndecke "mittels an den fahrbahnseitigen Haubenrändern rundum angeordneten flexiblen Abdichtungselementen (38)" erfolgen soll.

Gemäß der D1, Seite 2 Absatz 3 sitzt ein flexibler Rand 9 am unteren Rand des Behälters, der sich "um dessen Peripherie herum" erstreckt. Dieser Rand besteht aus einem solchen Material und ist so ausgelegt, dass er eine wirksame Abdichtung um drei Seiten des Behälters 1 herum bildet. Gemäß dem hier beschriebenen Ausführungsbeispiel soll an der vierten Seite ein geschlitzter Rand gebildet werden. Wie vorstehend schon ausgeführt, kann gemäß der D1 der Lufteinlass auch an beliebig anderer Stelle, also auch nicht am unteren Rand vorgesehen sein. In diesem Fall bietet es sich für den Fachmann an, den flexiblen Rand am unteren Rand des Behälters vollständig "um dessen Peripherie herum" anzuordnen, um eine Abdichtung der Haube gegenüber der Umgebung zu erreichen. Somit kann auch die zusätzliche Aufnahme dieses Merkmals in den Patentanspruch 1 oder in den Patentanspruch 8 die Patentfähigkeit der Gegenstände dieser Patentansprüche nicht begründen.

3. Zum Hilfsantrag 2 Gegen die Zulässigkeit der gemäß dem Hilfsantrag 2 verteidigten Patentansprüche 1 und 8 bestehen keine Bedenken. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 nach dem Hilfsantrag 2 beruhen jedoch ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß dem Hilfsantrag 2 unterscheiden sich sachlich von den Patentansprüchen 1 und 8 gemäß dem Hilfsantrag 1 durch das jeweils zusätzlich aufgenommene Merkmal, dass die Haube zum Vorbau einer fahrbaren Einheit ausgebildet ist. Gemäß der D1, Seite 4, Absatz 2 soll das bekannte Gerät auch auf einem Kraftfahrzeug montiert werden können. Für den Fachmann liegt es auf der Hand, dass das Gerät sinnvoller Weise nur vor, hinter oder unter dem Fahrzeug angeordnet werden kann, so dass auch die Ausbildung der Haube zum Vorbau an einer fahrbaren Einheit lediglich eine Maßnahme darstellt, die der Fachmann aufgrund seines Fachwissens jederzeit zu treffen in der Lage ist und die deshalb ebenfalls nicht eine erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach dem Patentanspruch 1 oder der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 8 begründen kann.

4. Für die weiter angegriffenen Unteransprüche 2 bis 7 und 9 bis 12, die mittelbar oder unmittelbar auf den Patentanspruch 1 bzw auf den Patentanspruch 8 gemäß der Streitpatentschrift bzw. gemäß den Hilfsanträgen 1 oder 2 zurückbezogen sind, hat auch der Beklagte weder einen selbständigen erfinderischen Gehalt geltend gemacht noch ist ein solcher ersichtlich. Die hier angegebenen Ausgestaltungen des Verfahrens bzw der Vorrichtung liegen im Rahmen des Könnens des Fachmanns, soweit sie nicht ohnehin als bereits bekannt der D1 zu entnehmen sind, worauf die Klägerin unwidersprochen hingewiesen hat.

Die Unteransprüche 2 bis 7 und 9 bis 12 haben mithin ebenfalls keinen Bestand.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1, § 101 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Hellebrand Riegler Sperling Brandt Schneider Be






BPatG:
Urteil v. 27.01.2004
Az: 3 Ni 43/02


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