Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 9/02

(BPatG: Beschluss v. 30.09.2003, Az.: 10 W (pat) 9/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2001 aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Auf die am 30. September 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung wurde im Juni 2000 ein Patent mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur elektronischen Steuerung eines Scheibenwischers bei Kraftfahrzeugen" erteilt. Die Erteilung wurde am 23. November 2000 veröffentlicht.

Die Einsprechende legte am 21. Februar 2001 Einspruch ein, mit dem sie die fehlende Patentfähigkeit geltend machte. Im Einspruchsschriftsatz ist eingangs angegeben, dass der Einspruch "Gegen die Erteilung des deutschen Patents DE 196 36 621 C2 Aktenzeichen 196 36 621.2-22 Vorrichtung zur elektronischen Steuerung eines Scheibenwischers bei Kraftfahrzeugen" erhoben werde. In der Begründung ist ua ausgeführt, dass das Streitpatent laut dem gleichlautenden Oberbegriff der unabhängigen Patentansprüche 1 und 2 eine Vorrichtung zur elektronischen Steuerung eines Scheibenwischers bei Kraftfahrzeugen mit einem Regensensor betreffe.

Die Patentinhaberin erwiderte daraufhin, dass sie kein Patent mit dem angegebenen Aktenzeichen habe; gegen ihr Patent mit dem Aktenzeichen 195 36 621.2-22 sei kein Einspruch eingelegt worden.

Gemäß Aktenvermerk vom 23. Oktober 2001 ermittelte das Patentamt, nachdem es festgestellt hatte, dass das im Einspruchsschriftsatz angegebene Aktenzeichen nicht richtig sein konnte, durch telefonische Nachfrage bei der Einsprechenden das richtige Aktenzeichen, wobei dieses Telefonat nach dem 23. Februar 2001 stattfand.

Durch Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2001 ist der Einspruch als unzulässig verworfen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, das angegriffene Patent sei im Einspruchsschriftsatz nicht zweifelsfrei bezeichnet und habe daher nicht innerhalb der Einspruchsfrist im Wege der Auslegung nach § 133 BGB ermittelt werden können. Die Unrichtigkeit der Patentnummer sei zwar unschädlich, soweit der Einspruch mit Hilfe anderer Angaben zugeordnet werden könne, daran fehle es hier aber. Der Einspruchsschriftsatz enthalte nämlich weder Anmelde- noch Veröffentlichungsdatum des angegriffenen Patents, auch der Patentinhaber sei nicht genannt. Die angegebene Bezeichnung des Patents helfe nicht weiter, da diese nur als Ausschlusskriterium, nicht jedoch zur Suche des entsprechenden Patents geeignet sei; eine Suche im DEPATISnet gehe über das übliche Maß an sorgsamer und zielgerichteter Arbeitsweise der Stellen hinaus, die zunächst für die korrekte Zuleitung der eingegangenen Schriftsätze verantwortlich seien. Das Bemühen um eine korrekte Zuordnung habe einen erheblichen Aufwand erfordert und sei zeitaufwändig gewesen; sofern hierbei die Einspruchsfrist überschritten worden sei, habe dies die Einsprechende zu vertreten.

Hiergegen wendet sich die Einsprechende mit der Beschwerde. Gemäß der Entscheidung des Bundespatentgerichts in BPatGE 39, 186 stehe es nicht im Belieben des Patentamts, ob es einen Zweifel hinsichtlich der Patentnummer durch eigene Ermittlungen ausräume oder nicht, es könne für diese Ermittlungen ein zumutbarer Aufwand erwartet werden, der allerdings durch die bis zum Ablauf der Einspruchsfrist zur Verfügung stehende Zeit begrenzt werde. Im Gegensatz zu dem dort entschiedenen Fall, wo der Einspruch wenige Minuten vor Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen sei, sei im vorliegenden Fall der Einspruch zwei Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Dass die Zuordnung durch einen Anruf bei der Einsprechenden erfolgt sei, sei ein Vorgehen, das hinsichtlich Zeit- und Kostenaufwand sicher zumutbar sei. Zum Beweis, dass man über eine einfache Datenbankabfrage nach dem Titel des angegriffenen Patents zu dem angegriffenen Patent gelange, werde ein Ausdruck aus der vom Patentamt gepflegten und von FIZ Karlsruhe angebotenen Datenbank PATDPA vorgelegt, wonach unter dem Titel eine ungeprüfte Patentanmeldung und das Streitpatent ermittelt worden seien. Zur beantragten Rückzahlung der Beschwerdegebühr trägt die Einsprechende vor, dass sich die Beschwerde nicht gegen eine Entscheidung der Hauptsache richte.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Patentinhaberin hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die von der Einsprechenden versehentlich unrichtig angegebene Nummer des angegriffenen Patents steht der Annahme der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entgegen.

Die Zulässigkeit des Einspruchs gemäß § 59 Abs 1 Satz 1 PatG setzt voraus, dass der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist erkennen lässt, gegen welches Patent er sich richtet. Eine ausdrückliche Bestimmung (wie zB in Regel 55b, Regel 56 Abs 1 AusfOEPÜ) enthält das Patentgesetz zwar nicht, aber dieses Erfordernis ergibt sich ohne weiteres aus dem Charakter des Einspruchsverfahrens als selbständiges Rechtsbehelfsverfahren (vgl BPatGE 39, 186, 188). Das Patent, das mit dem Einspruch angegriffen wird, muss daher so genau bezeichnet sein, dass der Einspruch dem Patent zweifelsfrei zugeordnet werden kann. Ist die Nummer des angegriffenen Patents versehentlich unrichtig angegeben, so ist dies unschädlich, wenn aufgrund sonstiger Angaben der Einspruchsschrift der Einspruch dem angegriffenen Patent zugeordnet werden kann (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 59 Rdn 53, Rdn 60; Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 35, Rdn 50; BPatGE 27, 84, 87; BPatGE 39, 186). Dies ist hier der Fall.

Vorliegend war offensichtlich erkennbar, dass die im Einspruchsschriftsatz angegebene Patentnummer falsch gewesen ist (196 36 621 statt richtig 195 36 621), denn das Verfahren zu dem Patent mit der angegebenen Nummer 196 36 621 betraf nicht nur einen völlig anderen Gegenstand (Dämm-Material) und eine andere Patentabteilung, sondern dessen Veröffentlichung lag auch schon über zwei Jahre zurück. Als weitere Angabe zu dem angegriffenen Patent ist hier im Einspruchsschriftsatz neben der Patentnummer die Bezeichnung des angegriffenen Patents angegeben, die sich im übrigen auch in den nachfolgenden Angaben zum Oberbegriff des Patents wiederfindet. Die Zuordnung des Einspruchs ist aufgrund der Bezeichnung des Patents ohne nennenswerten Aufwand zweifelsfrei möglich gewesen. Wie die Einsprechende überzeugend dargelegt hat, führt eine nur wenige Minuten dauernde Suche in der Datenbank PATDPA bei Eingabe nur des Titels des Patents zu zwei Treffern, wobei der eine Treffer schon deshalb ausscheidet, weil er ein noch nicht erteiltes Patent betrifft. Dass der zweite Treffer das richtige Patent ist, ergibt sich dann auch aus dem Aktenzeichen, das bis auf eine Ziffer mit dem im Einspruchsschriftsatz angegebenen Aktenzeichen übereinstimmt. Dasselbe Ergebnis lässt sich, wie sich der Senat vergewissert hat, im übrigen auch durch eine Suche im DEPATISnet des Patentamts erreichen. Eine solche einfache Suche in den dem Patentamt zur Verfügung stehenden elektronischen Dateien bzw Datenbanken hätte auch innerhalb der Einspruchsfrist durchgeführt werden können, denn der Einspruch ist zwei Werktage vor Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden.

Darauf, ob diese Recherche von den Bediensteten der Annahmestelle oder von sonstigen mit der Zuleitung des Schriftsatzes befassten Bediensteten des Patentamts geleistet werden kann, kommt es nicht an. Wenn das Patentamt der Erklärungsempfänger ist, ist grundsätzlich nicht auf das Wissen des einzelnen Bearbeiters abzustellen, sondern auf das allgemeine Wissen der Behörde (vgl Schulte, aaO, vor § 34 Rdn 106 mwN; BGH BlPMZ 1974, 172, 173 - Elektronenstrahlsignalspeicherung; Senatsbeschluss 10 W (pat) 45/01 vom 31. Oktober 2002). Mithin ist auch auf die dem Patentamt als solchem zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten abzustellen, wenn es darauf ankommt, ob ihm innerhalb der Einspruchsfrist erkennbar war, welches Patent angegriffen wird. Ebensowenig kommt es darauf an, wann das Patentamt den vorliegenden Einspruch tatsächlich richtig zugeordnet hat. Lassen die innerhalb der Einspruchsfrist vorliegenden weiteren Angaben objektiv betrachtet eine zweifelsfreie Identifizierung des angegriffenen Patents ohne nennenswerten Aufwand zu, ist der Einspruch zulässig, auch wenn die Zuordnung, wie hier der Aktenvermerk vom Oktober 2001 ausweist, erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erfolgt (vgl auch Senatsbeschluss 10 W (pat) 1/01 vom 18. Juni 2001). Maßgeblich ist allein, ob dem Patentamt innerhalb der Einspruchsfrist erkennbar war, gegen welches Patent sich der Einspruch richtet.

Andere Gründe, die gegen die Zulässigkeit des Einspruchs sprechen, sind ebenso wenig gegeben. Insbesondere besteht auch kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Einsprechende der Substantiierungspflicht gemäß § 59 Abs 1 Satz 4 PatG nicht genügt hätte. Die Beschwerde hat daher Erfolg.

III.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet.

Die Beschwerdegebühr ist mit Rechtsgrund geleistet. Die Beschwerde gegen den im Januar 2002 zugestellten Beschluss wurde im Februar 2002 eingelegt. Die Pflicht zur Zahlung einer Beschwerdegebühr richtet sich daher nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Patentkostengesetz. Da weder die Fälligkeit der Beschwerdegebühr noch das für den Fristbeginn maßgebliche Ereignis vor dem 1. Januar 2002 liegen, ist auch kein Raum für die Übergangsvorschriften der §§ 13, 14 PatKostG, wonach die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gebührensätze zur Anwendung kämen. Gemäß Gebührenverzeichnis Nr 411 100 zu § 2 Abs 1 PatKostG fällt in Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs 1 PatG eine Gebühr an für die Beschwerde "gegen die Entscheidung der Patentabteilung über den Einspruch". Vorliegend hat die Patentabteilung durch die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig zweifellos eine Entscheidung über den Einspruch getroffen, der Gebührentatbestand somit greift ein.

Der Vortrag in der Beschwerdeschrift, die Gebühr sei zurückzuzahlen, weil sich die Beschwerde nicht gegen eine Entscheidung in der Hauptsache richte, geht möglicherweise vom alten Rechtszustand aus. Gemäß § 73 Abs 3 PatG aF (= Fassung bis 31. Dezember 2001) war nur dann eine Beschwerdegebühr zu entrichten, wenn sich die Beschwerde gegen einen Beschluss richtete, durch den ua über die Aufrechterhaltung des Patents entschieden wurde. Nach ständiger Rechtsprechung fiel hierunter nicht der Beschluss, mit dem isoliert ein Einspruch als unzulässig verworfen wurde, so dass entsprechende Beschwerden gebührenfrei waren (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 90). Der mit der Neuregelung des Kostenrechts neugefasste Gebührentatbestand hinsichtlich der Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs 1 PatG lässt aber keinen Zweifel darüber, dass hierunter auch die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig fällt.

Gründe: für eine Rückzahlung gemäß § 80 Abs 3 PatG aus Billigkeitsgründen sind ebenso wenig ersichtlich. Das Verfahren vor dem Patentamt leidet weder an Verfahrensmängeln noch weist der angefochtene Beschluss grob materiellrechtliche Fehler oder Begründungsmängel auf.

Schülke Knoll Püschel Pr






BPatG:
Beschluss v. 30.09.2003
Az: 10 W (pat) 9/02


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