Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. August 2002
Aktenzeichen: 9 W (pat) 16/01

(BPatG: Beschluss v. 21.08.2002, Az.: 9 W (pat) 16/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe

I Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung des Einspruchs das am 15. Juni 1996 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Als Blechformteil hergestellter Ausleger"

mit Beschluss vom 12. Dezember 2000 widerrufen. Nach Auffassung der Patentabteilung ist der nebengeordnete Patentanspruch 3 nicht zulässig, da sein Gegenstand in unzulässiger Weise hinsichtlich seines Schutzbereiches erweitert sei. Dies könne jedoch dahinstehen, da die mit dem Haupt- und den drei Nebenansprüchen beanspruchten Gegenstände nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Denn der Fachmann gelange ausgehend von den im Katalog "NIEDAX Kabelverlege-Systeme", KR-1994, 06/94, insbesondere Seite KR10, gezeigten Auslegern durch naheliegende, handwerkliche Maßnahmen zum Beanspruchten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie legt in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 13 mit überarbeiteter Beschreibung vor, die nach ihrer Meinung eine patentfähige Lehre enthalten.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der am 21. 8. 2002 eingereichten Patentansprüche 1 bis 13 nebst Beschreibung S 1 bis 22 sowie der Zeichnungen Figuren 1 bis 11 gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Patentanspruch 1 und die nebengeordneten Patentansprüche 3 bis 5 lauten:

1. Ausleger (3), der zum Anbringen an Stielen (4) von Kabeltragkonstruktionen (1) eingerichtet und in Gestalt eines einstückigen Blechformteils (8) ausgeführt ist, das durch Umformen eines einzigen Blechzuschnitts (8) gebildet ist, und aufweist:

zwei zur Anlage an dem Stiel (4) eingerichtete Stielflansche (21,23), die zwei zueinander parallele Flachseiten aufweisen, mit ihren Flachseiten unmittelbar aufeinander liegen und wenigstens eine Durchgangsöffnung (37,58) für Befestigungsmittel enthalten, einen als Auflage für Kabelrinnen (2) oder -pritschen eingerichteten Auflageflansch (9), wobei der Auflageflansch (9) eine Ebene definiert, die senkrecht auf einer von dem Stielflansch (21,23) definierten Ebene steht, wenigstens einen Versteifungsflansch (15,59), der zumindest unmittelbar in den Auflageflansch (9) übergeht, mit diesem ein L-förmiges Querschnittsprofil bildet und im wesentlichen dessen Länge aufweist, wobei von den beiden Stielflanschen (21,23) der eine über eine Biegekante (19) unmittelbar in den Auflageflansch (9) und der andere über eine Biegekante (47) unmittelbar in den Versteifungsflansch (15) übergeht undwobei jede Durchgangsöffnung (37,58) in einer tiefgezogenen Mulde (36,56) liegt oder von einer umlaufenden Sicke umgeben ist und die beiden Mulden oder Sicken (36,56) ineinander gestapelt sind (Fig. 4)

3. Ausleger (3), der zum Anbringen an Stielen (4) von Kabeltragkonstruktionen (1) eingerichtet und in Gestalt eines einstückigen Blechformteils (8) ausgeführt ist, das durch Umformen eines einzigen Blechzuschnitts (8) gebildet ist, und aufweist:

zwei zur Anlage an dem Stiel (4) eingerichtete Stielflansche (21,22), die zwei zueinander parallele Flachseiten aufweisen, mit ihren Flachseiten unmittelbar aufeinander liegen und wenigstens eine Durchgangsöffnung (32) für Befestigungsmittel enthalten, undzwei mit voneinander beabstandete und zueinander parallel verlaufende Auflageflansche (67),

- die als Auflage für Kabelrinnen (2) oder -pritschen eingerichtet sind und eine Ebene definieren, die senkrecht auf einer von den Stielflanschen (21,22) definierten Ebene steht, und - von denen jeder an seiner von dem gegenüberliegenden Auflageflansch (67) abliegenden Seite über eine Biegekante (69) unmittelbar in einen eigenen Versteifungsflansch (15) übergeht, der im wesentlichen dieselbe Länge aufweist wie der Auflageflansch und mit dem zugehörigen Auflageflansch ein L-förmiges Profil bildet, wobei die beiden Versteifungsflansche (15) an ihren von den Auflageflanschen (67) abliegenden Biegekanten (71) über einen Zwischenflansch (77) einstückig miteinander verbunden sind undwobei jeder Stielflansch (21,22) über eine Biegekante (73) in den zugehörigen Versteifungsflansch (15) übergeht. (Fig. 7)

4. Ausleger (3) der zum Anbringen an Stielen (4) von Kabeltragkonstruktionen (1) eingerichtet und in Gestalt eines einstückigen Blechformteils (8) ausgeführt ist, das durch Umformen eines einzigen Blechzuschnitts (8) gebildet ist, und aufweist:

drei zur Anlage an dem Stiel (4) eingerichtete Stielflansche (21,22,23), die zwei zueinander parallele Flachseiten aufweisen, mit ihren Flachseiten unmittelbar aufeinander liegen und wenigstens eine Durchgangsöffnung (31,32) für Befestigungsmittel enthalten, einen als Auflage für Kabelrinnen (2) oder -pritschen eingerichteten Auflageflansch (9), wobei der Auflageflansch (9) eine Ebene definiert, die senkrecht auf einer von dem Stielflansch (21,22,23) definierten Ebene steht, undzwei Versteifungsflansche (15), die unmittelbar in den Auflageflansch (9) übergehen, von denen jeder mit diesem ein L-förmiges Querschnittsprofil bildet und im wesentlichen dessen Länge aufweist, wobei der Auflageflansch (9) an seinen beiden Längskanten über je eine Biegekante (12,13) unmittelbar in die beiden Versteifungsflansche (15) übergeht, die in der Gebrauchsstellung des Auslegers (3) nach unten zeigen, derart, dass der Ausleger (3) in einem Schnitt parallel zu der Stiellängsrichtung C-förmig ist undzwei Stielflansche (21,22) über Biegekanten (19) in die zugehörigen Versteifungsflansche (15) und der dritte Stielflansch (23) über eine Biegekante (14) in den Auflageflansch (9) übergeht. (Fig. 2)

5. Ausleger (3) der zum Anbringen an Stielen (4) von Kabeltragkonstruktionen (1) eingerichtet und in Gestalt eines einstückigen Blechformteils (8) ausgeführt ist, das durch Umformen eines einzigen Blechzuschnitts (8) gebildet ist, und aufweist:

einen einzigen zur Anlage an dem Stiel (4) eingerichteten Stielflansch (23), der zwei zueinander parallele Flachseiten aufweist und wenigstens eine Durchgangsöffnung (32) für Befestigungsmittel enthält, einen als Auflage für Kabelrinnen (2) oder -pritschen eingerichteten Auflageflansch (9), wobei der Auflageflansch (9) eine Ebene definiert, die senkrecht auf einer von dem Stielflansch (23) definierten Ebene steht, zwei Versteifungsflansche (15), die unmittelbar in den Auflageflansch (9) übergehen, mit diesem ein L-förmiges Querschnittsprofil bilden, im wesentlichen dessen Länge aufweisen und die in der Gebrauchsstellung des Auslegers (3) nach unten zeigen, derart, dass der Ausleger (3) in einem Schnitt parallel zu der Stiellängsrichtung C-förmig ist, wobei der lediglich eine Stielflansch (23) über eine Biegekante (14) unmittelbar in den Auflageflansch (9) übergeht und an seinen beiden Längskannten über Biegekanten (81,82) in zwei weitere Versteifungsflansche (83) übergeht, die paarweise mit den Versteifungsflanschen (15) des Auflageflansches (9) einstückig sind. (Fig. 9, 11).

An diese Patentansprüche schließen sich 9 Unteransprüche an.

Die Einsprechende nennt in der mündlichen Verhandlung als weiteren Stand der Technik noch die DE 26 26 735 A1 und die EP 0 108 222 A2 und führt hierzu aus, dass diese Schriften und der Niedax-Katalog dem Fachmann die in den Patentansprüchen 1, 3 und 4 angeführten Ausleger nahelegten.

II Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig; in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob das Patentbegehren zulässig ist und ob die Patentansprüche 1, 4 und 5 patentfähig sind. Denn der Ausleger mit den Merkmalen des Patentanspruchs 3 ist nicht patentfähig, da ein so gestalteter Ausleger dem zuständigen Fachmann durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahegelegt wird. Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der über Erfahrung im Bereich der Konstruktion und Fertigung von Kabelverlege-Systemen verfügt.

1. In Gebäuden werden große Mengen von Kabeln häufig in Kabeltragkonstruktionen verlegt, die aus Kabelrinnen oder -pritschen, Auslegern und Stielen bestehen. Die Kabel liegen lose in den Kabelrinnen oder -pritschen. Die Kabelrinnen sind mit den Auslegern verbunden, die ihrerseits mit Hängestielen an der Decke der Gebäude befestigt sind.

Mit dem Streitpatent soll ein Ausleger geschaffen werden, der aus vorverzinktem Halbzeug hergestellt werden kann und keine anschließende Schlussverzinkung erfordert und eine erhöhte Tragfähigkeit aufweist (S 3, Abs 5 der geltenden Beschreibung des Streitpatentes).

Der im Patentanspruch 3 angegebene Ausleger (vgl untenstehende Fig 7 des Streitpatentes) ist durch Umformen eines einzigen Blechzuschnitts gebildet. Er weist zwei Stielflansche 21, 22 auf, die eine Durchgangsöffnung 32 für Befestigungsmittel enthalten. Kabelrinnen oder -pritschen liegen auf zwei voneinander beabstandeten und parallel zueinander verlaufenden Auflageflanschen 67, 67a auf, die senkrecht zu den Stielflanschen angeordnet sind. Jeder Auflageflansch geht außen in einen Versteifungsflansch 15, 15a über, der im wesentlichen dieselbe Länge aufweist wie der Auflageflansch und mit diesem ein L-förmiges Profil bildet. Die Versteifungsflansche sind auf ihrer Unterseite über einen Zwischenflansch 77 einstückig miteinander verbunden. Die Stielflansche sind vom vorderen Bereich der Versteifungsflansche abgebogen.

2. Aus der DE 26 26 735 A1 ist ein Ausleger bekannt, der an Stielen von Kabeltragkonstruktionen angebracht ist und der durch Umformen aus einem einzigen verzinkten Blechzuschnitt gebildet wird (aaO Ansprüche 1, 2, S 4, Abs 1, 2 und Fig 3 bis 5).

Der Ausleger weist zur Anlage an dem Stiel zwei Stielflansche 3, 5 mit zwei zueinander parallelen Flachseiten auf, die mit ihren Flachseiten unmittelbar aufeinander liegen und je eine Durchgangsöffnung 6, 7 besitzen (aaO Fig 1 und S 6, letzter Abs bis S 7, Abs 2). Zur Auflage für Kabelrinnen oder -pritschen ist ein Auflageflansch 1 vorgesehen, der in einer Ebene senkrecht zu den Stielflanschen steht. Der Auflageflansch geht über eine Biegekante unmittelbar in einen Versteifungsflansch 2 über, der im wesentlichen dieselbe Länge wie der Auflageflansch aufweist und mit dem Auflageflansch ein L-förmiges Profil bildet. Jeder Stielflansch geht über eine Biegekante in den zugehörigen Auflageflansch 1 bzw Versteifungsflansch 2 über (aaO Anspruch 2 und Fig 3 bis 5).

Aus der EP 0 108 222 A2 ist ebenfalls ein Ausleger 6 für Kabeltragkonstruktionen aus verzinktem Stahlblech bekannt, wobei der Ausleger als einstückiges Blechformteil ausgebildet ist (aaO S 7, Z 7 bis 15, S 6, Z 26 bis 29 und Fig 3). Der Ausleger wird mit Haken 29 in Öffnungen des Stiels eingehängt und durch ein Sicherungsteil gegen Lösen gesichert. Er weist im Querschnitt eine etwa U-förmige Gestalt auf mit zwei Versteifungsflanschen und einem die Versteifungsflansche verbindenden Zwischenflansch, wobei an die freien Enden der Schenkel des U-förmigen Profils nach außen wegstehende Auflageflansche 27, 28 angeformt sind, auf denen zwei die Kabelpritsche tragende Holme in Schlittenführungen verschiebbar angeordnet sind.

Der zuständige Fachmann weiß aus seinem Grundlagenstudium, dass ein U-förmiges Profil eine höhere Tragfähigkeit aufweist als ein Winkelprofil. Außerdem ist die bei diesen dünnwandigen Bauteilen vorhandene Beulgefahr, also die Gefahr des örtlichen Ausknickens gerade im kritischen Bereich reduziert. Dem Fachmann wird daher nahegelegt, zur Nutzung dieser Vorteile bei dem aus der DE 26 26 735 A1 bekannten Ausleger ebenfalls dieses U-förmige Querschnittsprofil einzusetzen. Bei dieser Übertragung lehrt ihm die Anordnung der Haken an den Versteifungsflanschen, mit denen der Ausleger am Stiel eingehakt ist, die demselben Zweck dienenden Stielflansche ebenfalls an den Versteifungsflanschen anzuordnen.

Die Anordnung der Auflageflansche ergibt sich aus dem jeweiligen Anwendungsfall ohne weiteres Nachdenken. Soll die Kabelrinne wie aus der EP 0 108 222 A2 bekannt auf Holmen ruhen, die in einer Schlittenführung auf dem Ausleger verschiebbar angeordnet sind, liegt es im Belieben des Fachmanns, in Anpassung an die jeweilige Schlittenführung die Auflageflansche entweder nach innen oder nach außen von den Versteifungsflanschen abzubiegen.

Damit ist der Fachmann jedoch bereits beim beanspruchten Ausleger gemäß Patentanspruch 3.

Die Patentinhaberin führt aus, dass Ausleger und Blechbearbeitung bereits seit über 100 Jahren bekannt seien und dass bisher niemand auf die Idee gekommen sei, einen Ausleger wie im Patentanspruch 3 ausgeführt zu gestalten. Außerdem handele es sich um Massenartikel, bei denen geringere Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit zu stellen seien. Hinzu komme, dass die im Niedax-Katalog dargestellten Ausleger zeigten, dass für schwere Lasten gerade keine Blechkonstruktionen mit U-förmigen Profilen, sondern Schweißkonstruktionen verwendet würden.

Dieser Argumentation vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Denn hieraus ergibt sich nicht zwingend, dass das Beanspruchte auf erfinderischer Tätigkeit beruht, sondern diese Argumente stellen lediglich Hilfserwägungen dar. Diese können die technischfachmännische Bewertung der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik nicht ersetzen. Da im vorliegenden Fall jedoch - wie vorstehend ausgeführt wurde - die beanspruchte Lösung eindeutig durch den Stand der Technik nahegelegt war, sind diese Hilfserwägungen nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen (vgl. Schulte PatG 6. Aufl. § 4 Rn 66f).

Die Patentinhaberin verweist zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit ferner darauf, dass sie als erste erkannt habe, dass bei Verwendung von dünnwandigem, vorverzinktem Stahlblech die beim Ausschneiden des Blechzuschnitts entstehenden blanken Kanten durch die vorhandenen beidseitigen Zinkschichten und die entstehenden elektrischen Felder mitgeschützt seien. Daher sei eine an den Umformvorgang anschließende Schlussverzinkung nicht mehr erforderlich.

Dieses Argument findet im Patentanspruch 3 keine Stütze. Denn dieser enthält weder das Merkmal, dass das Blechformteil vorverzinkt ist, noch ist die Dicke des Blechformteils angegeben. Im übrigen war diese Wirkung dem Fachmann bereits am Anmeldetag des Streitpatentes bekannt. Denn die Anmelderin der DE 26 26 735 A1 hat den daraus bekannten Ausleger in ihrem Niedax-Katalog zum Verkauf angeboten und hierzu näher ausgeführt, dass bei dem verwendeten dünnwandigen vorverzinkten Stahlblech an den Schnittkanten ein Selbstheileffekt auftrete. Bis zu einer Materialstärke von 2 mm des Stahlblechs erfolge nämlich eine Ionenwanderung der Zinkionen von Zink zu Eisen, so dass auch die Schnittstelle ohne zusätzliche Maßnahmen gegen Korrosion geschützt werde. (aaO S KR 152, Abs 2, 6).

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Küstner Bülskämper Ko






BPatG:
Beschluss v. 21.08.2002
Az: 9 W (pat) 16/01


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