Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 85/99
(BPatG: Beschluss v. 12.12.2000, Az.: 24 W (pat) 85/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 1998 und vom 26. Februar 1999 aufgehoben, soweit die Markenanmeldung zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Angemeldet worden ist die Marke RE-NATURE zuletzt für die Waren:
"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Mittel zum Pflegen, Reinigen, Tönen, Färben, Blondieren, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare".
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Anmeldung zunächst mit Erstbeschluß vom 6. Juli 1998 vollständig zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Anmelderin hat die Markenstelle den Erstbeschluß aufgehoben, soweit darin die Anmeldung auch für die beanspruchten Waren "Parfümerien" zurückgewiesen worden war. Im übrigen ist die Erinnerung der Anmelderin als unbegründet zurückgewiesen worden. Soweit sie die Anmeldung zurückgewiesen hat, hat die Markenstelle ihre Entscheidungen damit begründet, daß der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle. Die Marke beschränke sich auf eine bloße Sachangabe. Das englische Verb "to renature" bedeute das "Wiederherstellen der Natur bzw der natürlichen Beschaffenheit von etwas." Die angemeldete Marke weise daher die angesprochenen Verkehrskreise darauf hin, daß die beanspruchten Waren die natürliche Beschaffenheit oder das natürliche Erscheinungsbild der damit behandelten Körperbereiche wiederherstelle.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Nach Einlegung der Beschwerde hat der Senat bei drei Dach-Verbänden eine Umfrage durchgeführt, wie sich die angemeldete Wortmarke aus der Sicht der angesprochenen Verbände darstelle. Darauf haben insgesamt 29 Verbandsmitglieder geantwortet. Die Mehrzahl dieser Stellungnahmen geht davon aus, daß der Sinngehalt der angemeldeten Wortkombination "RE-NATURE" die Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes sei oder auf eine Rückkehr zum Natürlichen hinweise. Ohne nähere Differenzierung zwischen den verschiedenen Waren im damaligen Warenverzeichnis der angemeldeten Marke schließen die Stellungnahmen daraus überwiegend auf einen beschreibenden Charakter der angemeldeten Marke. Zu den näheren Einzelheiten dieser Umfrage und ihrer Ergebnisse wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Der Inhalt dieser Umfrage und ihre Ergebnisse sind der Anmelderin bekannt gemacht worden. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2000 die von der Zurückweisung der angemeldeten Marke betroffenen Waren wie folgt beschränkt:
"Mittel zum Pflegen, Reinigen, Tönen, Färben, Blondieren, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare".
Die Anmelderin beantragt nunmehr (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 1998 und vom 26. Februar 1999 aufzuheben, soweit darin die Markenanmeldung zurückgewiesen worden ist.
II.
Auf die Beschwerde der Anmelderin sind die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts antragsgemäß aufzuheben, weil der Eintragung der angemeldeten Marke in der jetzigen Fassung des Warenverzeichnisses die absoluten Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht mehr entgegenstehen.
An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG; denn es ist nicht ersichtlich, daß sie als konkrete unmittelbare Angabe über die Beschaffenheit oder über sonstige Merkmale der jetzt noch beanspruchten Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müßte.
Der angemeldete Ausdruck "RE-NATURE" setzt sich zusammen aus dem englischen Wort "nature", das zum englischen Grundwortschatz gehört und für die angesprochenen Verkehrskreise in Deutschland allgemein verständlich ist, sowie der Vorsilbe "re-", die sowohl im Deutschen als auch im Englischen die Wiederholung von etwas oder die Rückkehr zu etwas und zwar sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn bedeutet. Begrifflich entspricht die angemeldete Wortmarke dem Infinitiv des englischen Verbs "to renature", das dem deutschen Wort "renaturieren" entspricht. Damit ist an erster Stelle die Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes gemeint, wie er bei ungestörter natürlicher Entwicklung von vornherein bestanden hätte. Auf eine solche Wiederherstellung sind jedoch die jetzt noch im Warenverzeichnis der angemeldeten Marke befindlichen Waren nicht angelegt. "Mittel zum Pflegen und Reinigen der Haare" haben keine renaturierende Wirkung. Diese Mittel sind nicht dafür geeignet, dem Haar nach einer künstlichen Gestaltung seiner äußeren Erscheinung wieder das eigentliche oder natürliche Erscheinungsbild zurückzugeben. Vielmehr dienen Pflege- und Reinigungsmittel lediglich zur Aufrechterhaltung eines guten Erhaltungszustandes des Haares. "Mittel zum Tönen, Färben, Blondieren, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare" haben den umgekehrten Zweck einer Renaturierung. Mit ihrer Hilfe soll dem Haar eine äußere Erscheinung oder Form gegeben werden, die es von Natur aus nicht hat. In vielen Fällen werden die genannten Waren gerade zu dem Zweck eingesetzt, die sichtbaren Folgen natürlicher Alterungsprozesse wie das Ergrauen oder Dünnerwerden der Haare oder ein Nachlassen der Spannkraft zu verbergen und künstlich ein jüngeres Erscheinungsbild aufrechtzuerhalten, das nicht mehr das natürliche ist. Umstände, die ein Freihaltungsbedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG begründen könnten, lassen sich daher nicht feststellen.
Diese Feststellungen stehen nicht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Verbandsumfrage. Soweit die Anworten auf diese Umfrage davon ausgehen, daß die angemeldete Marke eine konkrete Warenbeschreibung enthalte und deswegen freihaltungsbedürftig sei, dürfte sich diese Beurteilung im wesentlichen auf nunmehr nicht mehr beanspruchte Waren beziehen. Mit der Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren sind insbesondere die Mittel zur Körper- und Schönheitspflege weggefallen, die ein breites Warenspektrum umfassen und zu denen auch solche Mittel gehören können, die eine renaturierende Wirkung in dem oben dargelegten Sinne haben. Dagegen enthält das aktuelle Warenverzeichnis nur noch eine enge Gruppe von Waren für ganz bestimmte Haarbehandlungen, die nicht auf die Renaturierung des Haares ausgerichtet sind. Wie bereits dargetan, stellt die angemeldete Marke im Hinblick auf diese Waren keine unmittelbar beschreibende Angabe dar.
Die angemeldete Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Daß "RE-NATURE" in bezug auf die jetzt noch beanspruchten Waren keine konkreten Sachangaben enthält, wurde bereits bei der Prüfung des Freihaltungsbedürfnisses festgestellt. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Marke daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Es sind auch keine anderen Umstände erkennbar, die gegen die Herkunftsfunktion der angemeldeten Marke sprechen. Vielmehr entsteht durch den Gegensatz zwischen dem Sinngehalt des angemeldeten Markenwortes einerseits und dem teilweise entgegengesetzten Bestimmungszweck der beanspruchten Waren andererseits ein gewisses Spannungsverhältnis, das genügt, um jedenfalls eine geringe Unterscheidungskraft bejahen zu können. Damit ist das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG überwunden, nachdem hierfür jede noch so geringe Unterscheidungskraft als ausreichend erachtet wird (vgl BGH MarkenR 1999, 349, 351 "Yes"; BGH MarkenR 1999, 351, 353 "FOR YOU").
Aus diesen Gründen ist der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben und die angegriffenen Beschlüsse sind insoweit aufzuheben, als darin die Markenanmeldung zurückgewiesen wurde.
Ströbele Hacker Wernerprö
BPatG:
Beschluss v. 12.12.2000
Az: 24 W (pat) 85/99
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