Amtsgericht Lübeck:
Urteil vom 29. September 2006
Aktenzeichen: 24 C 1853/06
(AG Lübeck: Urteil v. 29.09.2006, Az.: 24 C 1853/06)
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 272,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2006 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gegen das Urteil wird die Berufung zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Zahlungsanspruch aus einem Mediationsvertrag.
Die Kläger sind Rechtsanwälte und bieten u.a. auch außergerichtliche Mediation an.
Der Beklagte wandte sich mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin, Frau H., mit der er einen Partnerschaftsvertrag geschlossen hatte, an den Kläger zu 1) zur Durchführung einer Mediation. Man einigte sich auf eine Vergütung von 150,00 € pro Stunde, zuzüglich Mehrwertsteuer.
Am 11.11.2005 in der Zeit von 14.15 Uhr bis 16.45 Uhr kam es zu einer ersten Mediationssitzung. Hinsichtlich des Inhaltes wird auf die Anlage K1 zur Klagschrift verwiesen. Das Ergebnis wurde dem Beklagten und Frau H. mit Schreiben des Klägers vom 15.11.2005 dargelegt, beigefügt war die Kostenrechnung über 458,20 €, die von dem Beklagten und Frau H. je zur Hälfte beglichen wurde.
Am 30.11.2005 in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr kam es zu einer weiteren Mediationssitzung in der es auch um Unterhaltsansprüche gehen sollte. An der Sitzung nahmen, wie auch an der vorangegangene Sitzung, keine Rechtsanwälte als Parteivertreter teil. Zur Vorbereitung der Sitzung überließ der Beklagte dem Kläger Steuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 stellte der Kläger dem Beklagten und Frau H. die Ergebnisse der Sitzung dar. Unter Ziffern 1. bis 3. formulierte der Kläger die Ergebnisse zu Erbschafts-, Zugewinnausgleichs- und Versorgungsausgleichsfragen. Unter Ziff. 4 des Schreibens legte der Kläger seine €Rechtsauffassung€ bezüglich des zu zahlenden Unterhalts dar. Dabei stellte der Kläger eine Unterhaltsberechnung vor, die auf den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden des Beklagten beruhten sollte und rechnete konkrete Unterhaltszahlungen für die aus der Beziehung des Beklagten mit Frau H. stammenden Kinder und hinsichtlich des Vorsorgeunterhaltes aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K2 zur Klagschrift verwiesen.
Beigefügt war die Kostenrechnung des Klägers vom 7. Dezember 2005, nach der der Kläger für 3 Stunden à 150,00 € 450,00 € Vergütung verlangte, zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € und Mehrwertsteuer, insgesamt 545,20 €. Streitgegenständlich ist davon die Hälfte, ein Betrag von 272,60 €.
Nach Erhalt des Schreibens verlangte der Beklagte auch unter Einschaltung seiner Prozessbevollmächtigten eine Abänderung der Unterhaltsberechnung und lehnte die Durchführung weiterer Mediationssitzungen ab.
Der Kläger nahm keine Abänderung der Berechnung vor und mahnte mit Schreiben vom 28.12.2005 unter Fristsetzung auf den 12.1.2006 die Begleichung der Rechnung an.
Der Kläger behauptet,
die von ihm vorgenommene Unterhaltsberechnung sei aufgrund der vorgelegten Steuerbescheide richtig gewesen. Bei einer Unterhaltsberechnung könnten nicht alle steuerlich relevanten Abzüge vorgenommen werden. Änderungswünsche hätte der Beklagte im Übrigen in die Mediation, auch über die Anwälte einbringen können.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 272,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet,
die Unterhaltsberechnung des Klägers sei falsch. Aufgrund der dem Kläger vorliegenden Unterlagen hätten sich für den Kläger erkennbar Abzüge vom Einkommen und damit ein niedrigeres Einkommen des Beklagten ergeben und demzufolge auch niedriger Unterhaltszahlungen.
Der Beklagte und Frau H. hätten sich an den Kläger als Rechtsanwaltmediator auch gewandt, weil sie in den verschiedenen Fragen auch Rechtsrat haben wollten. Außerdem sei ein Betrag in Höhe von 272,60 € bereits durch Frau H. bezahlt worden.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger aufgrund der falschen Unterhaltsberechnung den Mediationsvertrag schlecht erfüllt habe, weswegen ein Zahlungsanspruch nicht bestünde.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 8. September 2006 nach § 495 a ZPO im schriftlichen Verfahren entschieden.
Gründe
Die Klage ist begründet, den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 272,60 € aus dem Mediationsvertrag zu.
Ein mit einem Rechtsanwalt geschlossener Vertrag über die Durchführung einer Mediation ist ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB. Er ist auch als Mediationsvertrag eine besondere Form des Anwaltsvertrages, was sich aus der Erwähnung der Mediation in § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG ergibt.
Der Mediationsvertrag wurde zwischen den Parteien unstreitig mündlich geschlossen, mit einer Stundenlohnvereinbarung über 150,00 € pro Stunde.
Die Vereinbarung einer Zeitvergütung ist nicht etwa wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG unwirksam. Danach bedürfen Vergütungsvereinbarungen, durch die eine höhere als die gesetzliche Vergütung gefordert wird, der Schriftform. Eine feststellbare gesetzliche Vergütung nach Gebührensätzen gibt es für Mediationsvereinbarungen mit Anwälten jedoch nicht. Vielmehr bestimmt § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG, dass ein Rechtsanwalt Gebühren nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes erhält, soweit keine besondere Vereinbarung getroffen wird. Das ist so zu verstehen, dass gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung auch als gesetzliche Vergütung anzusehen ist. Eine schriftliche Vergütungsvereinbarung im Rahmen der Mediation ist danach nur dann notwendig, wenn eine höhere als die für eine Mediation übliche Vergütung vereinbart werden soll (vgl. Gerold/Schmidt/Mardert, § 34 RVG Rn. 106).
Die abgesprochene Vergütungshöhe von 150,00 € je Stunde ist nach Auffassung des Gerichtes als übliche Vergütung für eine Anwaltsmediation anzusehen. Soweit im Anwaltsbereich Vergütungsvereinbarungen für die anwaltliche Interessenvertretung geschlossen werden, bewegen sich die Stundesätze sehr häufig im Bereich um 200,- €. Für eine Vereinbarung über eine anwaltliche Mediation kann nach Auffassung des Gerichts nichts anderes gelten. Die Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. schlägt Sätze zwischen 150,- € und 300,- € je Stunde vor (Hort in Handbuch Mediation § 32 Rn 16). Angesichts dieser Bewertung bewegt sich die hier getroffene Vereinbarung im Rahmen des Ortsüblichen.
Die Mediation, deren Bezahlung verlangt wird, hat am 30.11.2005 in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr stattgefunden, mithin über eine Zeitdauer von 3 Stunden. Die Gebührenrechnung der Kläger vom 7. Dezember 2005 entspricht damit den Tatsachen. Die Postpauschale ergibt sich aus Ziff. 7002 VV RVG.
Der Beklagte kann zunächst nicht mit dem Einwand durchdringen, die Kosten seien zumindest zur Hälfte von Frau H. bereits bezahlt worden. Denn der Kläger verlangt ohnehin nur die Hälfte der Gesamtrechnung. Dieser Betrag ist auch im Hinblick auf § 7 Abs. 2 RVG jedenfalls durch den Beklagten zu bezahlen.
Schließlich kann der Beklagte mit dem Einwand der Schlechterfüllung des Mediationsvertrages nicht durchdringen.
Zunächst kann sich der Beklagte aus Rechtsgründen nicht nur auf den Einwand der Schlechterfüllung berufen. Denn der Auftraggeber eines Rechtsanwalts kann den Vergütungsanspruch nicht kraft Gesetzes wegen einer möglicherweise mangelhafter Dienstleistung kürzen, weil das Dienstvertragsrecht keine Gewährleistung kennt (vgl. BGH NJW 2004, 2817, 2818).
Etwas anderes ergibt sich aber auch nicht im Zusammenhang mit einer Kündigung des Mediationsvertrages.
Zwar kann in der Weigerung des Beklagten, weitere Mediationssitzungen durchzuführen, eine Kündigung des Mediationsvertrages gesehen werden. Eine solche Kündigung ist auch jedenfalls gem. § 627 BGB jederzeit zulässig. Grundsätzlich ist aber auch im Falle der Kündigung die Vergütung zu bezahlen.
Der Anspruch auf die Vergütung im Falle der Kündigung entfällt gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn der Auftraggeber das Dienstverhältnis aufgrund eines vertragswidrigen Verhalten des Dienstverpflichteten kündigt und die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben.
Diese Vorschrift ist auf einen Anwaltsvertrag anzuwenden. Sie setzt dann aber voraus, dass ein anwaltliches Fehlverhalten von der Schwere eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt (vgl. etwa KG Berlin, KGR Berlin 2005, 89 - 90; OLG Koblenz, OLGR, 2005, 686 - 688; Weth in Juris PK § 628 Rn 15).
Für einen Vertrag über eine anwaltliche Mediation gilt nach Auffassung des Gerichtes nicht anderes, da auch dieser Vertrag ein Anwaltsvertrag ist . Wird die Mediation durch einen Anwalt angeboten, dann ist sie eine anwaltliche Dienstleistung, für die der Anwalt im Rahmen der mediationsfachlichen Regelungen genauso einzustehen hat, wie für alle anderen anwaltlichen Dienstleistungen auch.
Der danach grundsätzlich mögliche Einwand aus § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB greift in der Sache jedoch nicht durch, weil ein Fehlverhalten des Klägers nicht festzustellen ist. Ein Fehlverhalten liegt insbesondere nicht in einer möglicherweise falschen Unterhaltsberechnung.
Zwar ist aufgrund eines normalen Anwaltsvertrages der Rechtsanwalt verpflichtet, einen Mandanten bei der Entscheidung über die Annahme eines Vergleichsvorschlages gründlich über das Für und Wider zu beraten und auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen eine Prognose darüber zu treffen, wie sich ein Rechtsstreit möglicherweise entwickeln wird. Eine Verletzung dieser Pflicht kann vorliegen, wenn er seinen Mandanten nicht zutreffend über die Berechnung eines Unterhaltsanspruches aufklärt (vgl. KG Berlin, KGR Berlin, 2005, 89 - 90; OLG Köln FamRZ 96, 942 - 944).
Diese Sorgfaltspflichten eines eine Partei vertretenden Rechtsanwaltes treffen einen Rechtsanwalt, der als Mediator tätig wird, jedoch nicht in gleicher Weise.
Wesen einer Mediation ist es nämlich, dass ein Mediator im Einverständnis beider Parteien mit dem Ziel der Vermittlung und Schlichtung tätig wird. Der Anwalt nimmt also nicht die Interessen einer Partei wahr, was sich auch schon daraus ergibt, dass ihm jede weitere Tätigkeit für eine Partei allein generell nach § 43 a Abs. 4 der BRAO untersagt wird. Weiter folgerichtig darf ein Rechtsanwalt, der als Mediator tätig war, nicht für eine der Parteien als Rechtsanwalt auftreten, § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2001, 3197 - 3199).
Hinter all dem steht der Gedanke, dass es Aufgabe eines Mediators ist, den Kommunikationsprozess zwischen den Parteien zu gestalten und auf einen sachgerechten Interessenausgleich hinzuwirken, ohne sich in der Sache einer der Parteien zuzuwenden. Die Eigenverantwortlichkeit der Parteien bleibt deshalb im Mediationsverfahren vollständig erhalten und ist eines seiner wesentlichen Elemente (vgl. Kracht in Handbuch Mediation § 15 Rn 102, 107). Zwar kann eine Mediator, der sich als sog. €aktiver Mediator€ versteht eigene Vorschläge einbringen (vgl. Kracht a.a.O. Rn 104). Er hat dann aber hinsichtlich der rechtlichen Prüfung darauf zu achten, dass sich die Parteien ggf. von ihre Interessen vertretenen Anwälten beraten lassen (vgl. Kracht a.a.O. rn 83). Er kann deswegen diese Beratung nicht auch selbst übernehmen. Damit würde er letztlich seine Neutralität aufgeben. Hinzu kommt, dass der Anwaltsmediator zu keiner der Parteien in einem besonderen Informationsverhältnis steht. Die Partei kann also gar nicht erwarten, dass eine rechtliche Betrachtung eines Vorschlages unter allen möglichen Gesichtspunkten erfolgt.
Nach all dem kommt es hier nicht darauf an, ob die Unterhaltsberechnung, die der Kläger im Schreiben vom 7. Dezember 2005 aufgemacht hat, nun zutreffend ist oder nicht. Dieses Schreiben, das der Kläger als Mediator verfaßt hat, war kein verbindlicher Rechtsrat an den Beklagten, für den der Kläger wie ein Rechtsanwalt zu haften hätte. Soweit darin also eine falsche Berechnung des Unterhalts aufgemacht worden sein sollte, hätte der Kläger damit noch nicht gegen vertragliche Pflichten als Mediator verstoßen.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, ergebe sich eine Einwendung für den Beklagten im Ergebnis nicht. Denn auch ein Interessenwegfall auf Seiten des Beklagten kann nicht festgestellt werden.
Ziel eines Mediationsverfahren ist es die widerstreitenden Parteien miteinander in ein Gespräch zu bringen. Ein bestimmtes Ergebnis oder überhaupt ein Ergebnis ist nicht geschuldet. Es steht auch grundsätzlich nicht in der Macht eines Mediators, Einigung immer herbeizuführen. Die Einigung ist vielmehr ein freier Willensentschluss der Parteien. Hier kommt hinzu, dass in der Mediationssitzung vom 30.11.2005 auch noch andere Themen besprochen wurden, wie sich aus dem Schreiben des Klägers vom 7. Dezember 2005 zu den Ziffern 1 - 3 ergibt. Auch das spricht dafür, dass es nicht zu einem Interessenwegfall gekommen ist.
Schließlich kann der Beklagte dem Honoraranspruch auch kein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB entgegensetzen. Unabhängig davon, dass er die Aufrechnung mit einem solchen Anspruch nicht erklärt hat, ist auch nicht ersichtlich, woraus dieser resultieren sollte. Denn jedenfalls ist die Unterhaltsberechnung, die der Kläger im Schreiben vom 7. Dezember 2005 aufgemacht hat, nicht zur Umsetzung gekommen. Sie hat insoweit für den Beklagten jedenfalls keine Folgen gehabt.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus § 286 und 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 und 713 ZPO.
Das Gericht hat gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Soweit feststellbar, liegt bisher eine Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Sorgfaltspflichten bei der Anwaltsmediation nicht vor.
AG Lübeck:
Urteil v. 29.09.2006
Az: 24 C 1853/06
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