Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 175/02
(BPatG: Beschluss v. 09.09.2003, Az.: 24 W (pat) 175/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Mai 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 984 267 zurückgewiesen worden ist.
Aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 984 278 wird die Löschung der Marke 2 087 770 angeordnet.
Gründe
I.
Die Wortmarke AMBIA ist für die Waren
" Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege "
am 19. Dezember 1994 gemäß § 6a WZG unter der Nummer 2 087 770 in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren
"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, ätherische Öle, Haarwässer "
eingetragenen Wortmarke 984 267 Ombiaam 6. Mai 1995 Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diesen Widerspruch (und einen weiteren, dessen Zurückweisung nicht angegriffen worden ist) mit Beschluß vom 16. Mai 2002 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Da die zulässigerweise bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware "Waschlotion" von der Inhaberin der angegriffenen Marke nunmehr anerkannt werde und eine Benutzung für andere Waren nicht glaubhaft gemacht sei, sei bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr bei der Widerspruchsmarke von der Ware "Waschlotion" auszugehen. Bei dieser Ausgangslage könnten sich die zu vergleichenden Marken zwar auf identischen, niedrigpreisigen, alltäglichen Waren begegnen, die sich an breite Verkehrskreise wendeten und mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben würden, so daß ein deutlicher Abstand der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marken erforderlich sei, um Verwechslungen auszuschließen. Dieser werde im vorliegenden Fall jedoch noch eingehalten. Die klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede am regelmäßig sehr stark beachteten Wortanfang reichten angesichts der relativ kurzen Markenwörter zur Unterscheidung der Markenwörter aus. Für Verwechslungen aus anderen rechtlichen Gründen gebe es keine Anhaltspunkte.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, die Markenstelle sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß aus den im angefochtenen Beschluß genannten Gründen ein großer Abstand zwischen den Marken erforderlich sei. Die Abweichungen der Markenwörter reichten im vorliegenden Fall aber nicht aus, um diesen Abstand zu gewährleisten. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß es sich nicht um ausgesprochene Kurzwörter handele und daß selbst bei Kurzwörtern eine Abweichung in nur einem Laut eine sichere Unterscheidung oft nicht ermögliche. Außerdem würden die Waren häufig auf Sicht gekauft und nicht nebeneinander auftreten, so daß der Verkehr auf ein ungenaues Erinnerungsbild angewiesen sei. Unter diesen Umständen könnten Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden. Die schriftbildlichen Unterschiede im Gesamteindruck seien nur geringfügig, ebenso wie die Abweichungen im klanglichen Gesamteindruck, der von den phonetisch eng verwandten Vokalen "A" und "O" nicht maßgeblich unterschiedlich beeinflußt werde.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht weder geäußert noch Anträge gestellt Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg. Zwischen den Marken besteht die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 152, 158, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs 1 Buchst. b der Markenrechtslinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Adidas/Marca Moda"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTA-CHÉ/TISSERAND"; GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"; GRUR 2002, 544, 545 "BANK 24"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.
Bei der Widerspruchsmarke ist jedenfalls die Ware "Waschlotion" gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG zu berücksichtigen. Auf die zulässigerweise erhobene Nichtbenutzungseinrede ist die Benutzung nach Art, Umfang und Dauer für diese Ware, die unter den Oberbegriff der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" der älteren Marke fällt, hinreichend glaubhaft gemacht worden. Betreffend Dauer und Umfang bestehen angesichts der dargelegten Umsatzzahlen aus mehreren Jahren keine Anhaltspunkte für eine bloße Scheinbenutzung. Auch in bezug auf die Art der Benutzung gibt es keine Bedenken, da das Wort "ombia" auf den Verpackungen der Waren grafisch deutlich abgesetzt von der rein sachbezogenen Abkürzung "MED" verwendet wird. Die Eintragung der weiteren Marke 398 33 724 "Ombia med" für die Widersprechende schadet entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG nicht. Hinsichtlich des auch im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke aufgeführten Oberbegriffs "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" können sich die Marken insoweit auf gleichen Waren begegnen. Zwischen "Waschlotionen" und den ebenfalls im Warenverzeichnis der jüngeren Marke enthaltenen "Parfümerien" besteht enge Ähnlichkeit, weil Waschlotionen in der Regel auch mit Duftstoffen versehen sind und viele Parfümhersteller ganze Körperpflegeserien bestehend aus Parfüm, Rasierwasser, Deodorant, Duschgel, Seife etc. anbieten, so daß die Übergänge zwischen Parfümerien und Mitteln zur Pflege und Reinigung des Körpers fließend sind (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 258 li. Sp. Mitte: Parfümerien ./. Feinseifen, enger Ähnlichkeitsbereich; S. 258 mittlere Sp. unten: Parfümerien = Seife, flüssig; Parfümerien = Seifen; Parfümerien = Seifenpräparaten).
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich beiderseits um relativ alltägliche Waren, die sich an breite Verkehrskreise wenden, niedrigpreisig sein können und im allgemeinen nicht mit größerer Aufmerksamkeit erworben werden, was Verwechslungen begünstigt. Anhaltspunkte für eine verminderte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehen nicht. Insgesamt muß daher ein deutlicher Abstand der Marken vorliegen, um Verwechslungen auszuschließen. Diesen Abstand halten die Marken nicht ein.
Die Wörter "AMBIA" und "Ombia" stimmen in der Lautfolge "-MBIA", also in vier von insgesamt fünf Lauten überein. Silbenanzahl und Betonung sind identisch. Lediglich die jeweiligen Anfangsvokale differieren. Aber auch diese Selbstlaute weisen erhebliche phonetische Gemeinsamkeiten auf. "A" und "O" stellen beide dunkel klingende Vokale dar, die ähnlich artikuliert werden und ähnliche Klangwirkung haben. Insgesamt wird der klangliche Gesamteindruck daher von den weitgehenden Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in der Silbengliederung und im Klanggefüge bestimmt, gegenüber denen die Unterschiede zurücktreten. Zwar handelt es sich um Abweichungen in den Wortanfängen, die in aller Regel besonders stark beachtet werden und für den Gesamteindruck von besonders großer Bedeutung sind. Auch sind die Wörter nicht sehr lang und unübersichtlich. Jedoch können selbst Abweichungen am Wortanfang und bei kürzeren Wörtern Verwechslungen nicht ausschließen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Zeichen im übrigen völlig übereinstimmen und auch die Unterschiede unauffällig bleiben (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 184, 193). Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, auf den abzustellen ist (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 26 "Lloyd"; WRP 2000, 289, 292 Tz. 27 "Lifting-Creme"; GRUR Int. 1998, 795, 797 "Gut Springenheide"; BGH GRUR 2000, 506 "ATTACHÉ/TISSERAND"), wird jedenfalls die sich gegenüberstehenden Marken unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder aus der unsicheren Erinnerung heraus nicht mehr auseinanderhalten können.
Auf die Frage, ob darüber hinaus - wie die Widersprechende vorträgt - noch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr besteht, kann wegen der bestehenden klanglichen Verwechslungsgefahr dahingestellt bleiben, der ohnehin in der Praxis die weitaus größte Bedeutung zukommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 172).
Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Ströbele Hacker Guth Bb
BPatG:
Beschluss v. 09.09.2003
Az: 24 W (pat) 175/02
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