Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. September 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 282/02
(BPatG: Beschluss v. 10.09.2003, Az.: 32 W (pat) 282/02)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 21. Dezember 1999 und vom 14. Mai 2002 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung der Marke zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Die Anmelderin, eine öffentlichrechtliche Fernsehanstalt, deren Programme bundesweit ausgestrahlt werden, ist Inhaberin der am 9. März 1984 als durchgesetztes Zeichen für die Dienstleistungen "Produktion und Ausstrahlung einer Fernseh-Unterhaltungssendung" eingetragenen Wortmarke 1 060 758 Lustige Musikanten.
Dieselbe Wortfolge hat sie am 27. Mai 1998 erneut zur Eintragung in das Markenregister angemeldet, und zwar nunmehr für folgende Waren und Dienstleistungen:
Klasse 6 aus Kupfer, Zink und Zinn und deren Legierungen hergestellte oder damit plattierte Waren, nämlich Anstecknadeln, Schlüsselanhänger, Broschen, Halsbandanhänger;
Klasse 9 bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; Spielprogramme für Computer;
Klasse 14 Schmuckwaren einschließlich Broschen, Schlüsselanhänger, Halsbandanhänger;
Klasse 15 Musikinstrumente;
Klasse 16 Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Transparente, Eintrittskarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten;
Klasse 38 Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Hörfunksignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb in Form von interaktiven elektronischen Mediendiensten sowie mittels Computer;
Klasse 41 Unterhaltung durch Hörfunksendungen/-programme; Film-, Ton-, Videoproduktion; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen;
Klasse 42 Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton- und Bildträgern.
Auf einen ersten Beanstandungsbescheid der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hin hat die Anmelderin auf ihr durchgesetztes Zeichen hingewiesen und erklärt, die Neuanmeldung erfolge lediglich "zur Erweiterung des Warenverzeichnisses". Die Markenstelle hat in einem weiteren Amtsbescheid darauf bestanden, dass für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen (ausgenommen Produktion und Ausstrahlung einer Fernseh-Unterhaltungssendung) der eigenständige Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung erbracht werden müsse; dies wurde von der Anmelderin mit näherer Begründung abgelehnt. Die Markenstelle hat daraufhin mit zwei Beschlüssen vom 21. Dezember 1999 und vom 14. Mai 2002 die Eintragung der Marke teilweise, nämlich für Klasse 6 aus Kupfer, Zink und Zinn und deren Legierungen hergestellte oder damit plattierte Waren, nämlich Anstecknadeln, Schlüsselanhänger, Broschen, Halsbandanhänger;
Klasse 9 bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; Spielprogramme für Computer;
Klasse 14 Schmuckwaren einschließlich Broschen, Schlüsselanhänger, Halsbandanhänger;
Klasse 15 Musikinstrumente;
Klasse 16 Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Transparente, Eintrittskarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten;
Klasse 38 Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Hörfunksignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb in Form von interaktiven elektronischen Mediendiensten sowie mittels Computer;
Klasse 41 Unterhaltung durch Hörfunksendungen/-programme; Film-, Ton-, Videoproduktion; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen;
Klasse 42 Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton- und Bildträgernversagt, weil bezüglich dieser Waren und Dienstleistungen die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) sowie eines Freihaltungsbedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) vorlägen. Es handele sich um eine sachbezogene Angabe im Sinne einer Veranstaltung mit Unterhaltungsmusik (d.h., deren Organisation und Durchführung mit allem, was an Mitteln dafür erforderlich sei und an Begleitmaterial dazugehöre), die nur in dieser beschreibenden Bedeutung, mithin nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, verstanden werde. Eine Durchsetzung im Verkehr sei trotz Aufforderung nicht glaubhaft gemacht oder nachgewiesen worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die angemeldete Marke in vollem Umfang einzutragen.
Unter Hinweis auf neuere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts vertritt sie die Auffassung, die Markenstelle habe zu hohe Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Begriff "Lustige Musikanten" - unabhängig von der bekannten Sendung - mit einer Unterhaltungsveranstaltung verbunden werde. Die Wortfolge bezeichne lediglich eine Personengruppe, beschreibe aber keine Waren- und Dienstleistungen. Außerdem dürfe aufgrund der Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) nicht auf die Regelungen des § 8 Abs. 2 MarkenG abgestellt werden. Anhand beigefügter Belege verweist die Anmelderin auf den Erfolg der betreffenden Sendung in 31 Jahren, die in den letzten 10 Jahren wegen hoher Einschaltquoten stark angestiegenen Ausstrahlungstermine, die "Tour" durch zahlreiche Städte, die Zusammenarbeit mit vielen bekannten Musikgrößen, gemeinnützige Aktivitäten (Stiftung Denkmalschutz) sowie das Angebot diverser Fan- und Merchandisingartikel. Nach allem müsse von einer hohen Verkehrsbekanntheit in den beteiligten Publikumskreisen ausgegangen werden.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet, denn der angemeldeten Marke steht für die durch Erinnerungsbeschluss versagten Waren- und Dienstleistungen weder das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft noch das einer beschreibenden Angabe entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG).
"Lustige Musikanten" ist der Werktitel einer Fernsehsendung mit volkstümlicher Unterhaltungsmusik, welche - wie gerichtsbekannt ist - seit über 30 Jahren ausschließlich von der Anmelderin ausgestrahlt wird. Werktitel - von in Serie produzierten Fernsehsendungen ebenso wie z.B. von Büchern (BGH GRUR 2000; 882 - BÜCHER FÜR EINE BESSERE WELT; 2001, 1 042 - REICH UND SCHOEN; 2001, 1 043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten) - erfüllen die allgemeinen Anforderungen an die Markenfähigkeit (§ 3 Abs. 1 MarkenG) und können im Einzelfall auch schutzfähig sein, sofern ihnen nicht jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und sie nicht ausschließlich aus Angaben bestehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bestehen.
1. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl. BGH, BlPMZ 2002, 85 - Individuelle).
a) Für die durch Erinnerungsbeschluss versagten Waren stellt die Marke ersichtlich keine im Vordergrund stehende Sachangabe dar. Weder sind diese Waren (Sachen) "Lustige Musikanten" (Personen), noch sind diese für solche bestimmt. Das gilt insbesondere auch für die Musikinstrumente der Klasse 15. Es ist sachfremd, in "Lustige Musikanten" eine Bestimmungsangabe zu sehen, denn es gibt keine Instrumente, die nur oder vorzugsweise für - vom Gemütszustand her - lustige Spieler bzw. für Interpreten lustiger Musik bestimmt und geeignet sind. Ebensowenig stellt "Lustige Musikanten" eine im Vordergrund stehende Sachangabe für die versagten Waren der Klasse 9 dar nämlich für bespielte, mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton- und/oder Bild- und/oder Daten; Spielprogramme für Computer. Ihr Gegenstand kann zwar die Sendung der Anmelderin "Lustige Musikanten" sein. Mit Rücksicht darauf indes, dass die Sendung sehr bekannt ist, kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass ein beachtlicher Teil des Verkehrs darin eine Leistung gerade der Anmelderin sieht.
b) Auch für die durch Erinnerungsbeschluss zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 38, der Klasse 42 sowie der Dienstleistung der Klasse 41, nämlich Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton-/Bildträgern deren Erbringung rein technische Maßnahmen erfordert, stellt "Lustige Musikanten" gleichfalls keine im Vordergrund stehende Sachangabe dar.
Nichts anderes gilt für die übrigen mit Erinnerungsbeschluss zurückgewiesenen Dienstleistungen, nämlich Unterhaltung durch Hörfunk- und Fernsehsendungen/ -programme; Film-, Ton-, Videoproduktion; Musikdarbietungen; Durchführung von Konzert-, Theater-, Unterhaltungsveranstaltungen, da die Bekanntheit der Sendung die Feststellung, dass der Marke für diese Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt, nicht getroffen werden kann, denn ein mehr als nur unerheblicher Teil des Verkehrs wird in der Marke in bezug auf diese Dienstleistungen einen Herkunftshinweis der Anmelderin unschwer erkennen.
Auch der Umstand, dass es sich bei den Waren um Werbemittel für die Sendung "Lustige Musikanten" handeln könnte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im registerrechtlichen Eintragungsverfahren ist nämlich nur zu prüfen, ob eine markenmäßige Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als warenbezogenes, betriebliches Unterscheidungsmittel ernsthaft in Betracht kommt. Ob die Markeninhaberin die Marke dann als solche zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren benutzt oder ob sie die Marke nur an diesen Waren anbringt in ihrer Funktion als Werbeträger für die Unterhaltungssendung, ist hier ohne Belang, da sich im Eintragungsverfahren die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung (noch) nicht stellt.
2. a) Die Marke ist auch nicht geeignet, im geschäftlichen Verkehr als Merkmalsbezeichnung für die versagten Waren zu dienen. Da sie, wie oben dargelegt, keine Sachangabe darstellen, scheidet ihre Eignung als warenbeschreibende Angabe aus. Anhaltspunkte für eine zukünftige Verwendung der Marke als Merkmalsbezeichnung sind nicht ersichtlich.
Soweit sie eine Inhaltsangabe darstellen (Klasse 9) konnte nicht festgestellt werden, dass "Lustige Musikanten" für entsprechende Waren als Merkmalsbezeichnung im Geschäftsverkehr Verwendung findet. Vielmehr erscheint die Bezeichnung nur als Marke der Anmelderin. Verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Marke "Lustige Musikanten" künftig als Merkmalsbezeichnung dienlich erweisen könnte, konnten nicht ermittelt werden.
b) Auch für die versagten Dienstleistungen der Klasse 38, 42 und 41 (Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen) konnte die Marke gleichfalls nicht als die Dienstleistungen beschreibend festgestellt werden. Für eine Änderung dieser Sachlage für die Zukunft fehlt es ebenfalls an hinreichenden Anhaltspunkten.
c) Ob "Lustige Musikanten" für die Dienstleistungen der Klasse 41, nämlich Unterhaltung durch Hörfunk- und Fernsehsendungen/-programme; Film-, Ton-, Videoproduktion; Musikdarbietungen; Durchführung von Konzert-, Theater-, Unterhaltungsveranstaltungen als Merkmalsbezeichnung dienen kann, weil dort lustige Musikanten auftreten, kann dahinstehen, denn insoweit wäre dieses Eintragungshindernis überwunden, denn die Anmelderin hat eine Marke "Lustige Musikanten" für die Dienstleistung "Produktion und Ausstrahlung von Fernseh-Unterhaltungssendungen" durch Verkehrsdurchsetzung erworben (1060758).
Dass die Marke "Lustige Musikanten" für eine Fernseh-Unterhaltungssendung weiterhin zugunsten der Anmelderin als durchgesetzt zu gelten hat, ergibt sich mit hinreichender Sicherheit aus den - glaubhaften - Angaben zum anhaltenden Erfolg dieser Sendung bis in die jüngste Zeit. Die vorerwähnten Dienstleistungen der Klasse 41 sind mit der Produktion und Ausstrahlung einer Fernseh-Unterhaltungssendung zum Teil identisch und im übrigen stehen sie dazu in sehr engem Zusammenhang. Musikalische Hörfunksendungen und -programme haben gerade auf dem Unterhaltungssektor den gleichen Zweck wie entsprechende Fernsehsendungen. Fernsehsendungen werden auf Videokassette oder DVD verbreitet. Entsprechendes gilt für Musikdarbietung; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen. Die Bekanntheit der Fernsehsendung "Lustige Musikanten" wird für Tourneen durch Deutschland und das deutschsprachige Ausland genutzt, auf denen dieselben Musikgruppen, Interpreten und Künstler wie im Fernsehen auftreten. Dabei ist auch nicht entscheidend, ob die betreffenden Veranstaltungen vom Fernsehen unmittelbar übertragen oder aufgezeichnet werden, ob sie im Vorlauf zur Sendung erfolgen oder im Anschluss an eine Fernsehsendung. In jedem Fall liegt für das Publikum die Zuordnung der wechselseitigen Waren bei gleicher Kennzeichnung zu einem Unternehmen nahe.
Winkler Sekretaruk Viereckbr/wa/Fa
BPatG:
Beschluss v. 10.09.2003
Az: 32 W (pat) 282/02
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