Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 18/04

(BPatG: Beschluss v. 09.11.2005, Az.: 32 W (pat) 18/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 23. Mai 2001 für zahlreiche Dienstleistungen unterschiedlicher Klassen zur Eintragung in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts angemeldete Wortfolge Ruegen TV ist von der Markenstelle für Klasse 41 nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluss vom 24. November 2003 hinsichtlich folgender Dienstleistungen teilweise zurückgewiesen worden:

"Ausstrahlung von drahtgebundenen und drahtlosen Fernsehprogrammen, Hörfunksendungen, Rundfunksendungen und Nachrichtenübertragungen; elektronische Nachrichtenübermittlung; Funkdienst; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Onlinedienste, nämlich Übermittlung von Nachrichten und Informationen aller Art; Personenrufdienste; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Satellitenübertragung; Telekommunikation über faseroptische Netzwerke; Telekommunikations-Dienstleistungen, nämlich Verkehrsinformationsdienste; Übermittlung von Nachrichten; Vermietung von Geräten zur Nachrichtenübertragung; Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios; Film-, Video- und Audioproduktion und Verleih; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch in Intranetzen und im Internet; Information über Veranstaltungen; Montage und Bearbeitung von Videobändern; Multimedia-Dienstleistungen, nämlich Produktion von Multimedia-Präsentationen; Musikdarbietungen; Organisation und Veranstaltung von Events, nämlich von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Produktion von Teleshopping-Sendungen; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Tonaufnahmen; Videofilmproduktion; Zusammenstellung von Fernseh- und Rundfunkprogrammen; Aufzeichnung von Videobändern; Dienstleistungen einer Multimedia-Agentur, nämlich Hard- und Softwareberatung; Dienstleistungen einer Multimedia-Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern und Zurverfügungstellen von Software, Daten, Bildern, Audio- und/oder Videoinformationen; Erstellen von Bildreportagen".

Der Marke fehle insoweit jegliche Unterscheidungskraft und es bestehe an ihr ein Freihaltungsbedürfnis. Die Bezeichnung "Ruegen TV" weise auf einen Fernsehsender hin, der von Rügen oder für das Gebiet der Insel Rügen sende. Die Marke sei daher als beschreibende Angabe dahingehend zu verstehen, dass es sich bei allen in Frage stehenden Dienstleistungen um solche handele, die der Ausstrahlung von Fernsehsendungen auf oder für Rügen dienen. Dass Fernsehsender nach der Stadt oder der Region benannt werden, in der sie oder für die sie senden würden, sei allgemein üblich. Zum Nachweis hierfür sind dem Beschluss Internetbelege vom 16. Oktober 2003 beigefügt, die auf Fernsehsender wie "JENA TV, TV ERFURT, TV SÜDTÜRINGEN, WERRATAL-TV" hinweisen.

Gegen diese Entscheidung hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er erstrebt die Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle und die Eintragung der angemeldeten Marke auch für die versagten Dienstleistungen.

Der angemeldeten Marke fehle es nicht an dem erforderlichen Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Es handele sich um eine betriebliche Herkunftsbezeichnung, welche eine Abgrenzung der angebotenen Dienstleistungen von denen anderer Mitbewerber ermögliche. Der Verkehr sei in der Lage, zwischen verschiedenen Fernsehfunkanbietern und deren Produkten allein aufgrund der Namensgebung zu unterscheiden. Eine Monopolisierung könne für die Verbreitung von Fernsehsendungen auf oder in der Region Rügen durch die Eintragung der Marke "Ruegen TV" nicht angenommen werden. Für Mitbewerber bestehe weiterhin die Möglichkeit, Fernsehsendungen für die Region Rügen anzubieten und dies auch bei der Wahl eines Namens für die Fernsehfunkstation zu berücksichtigen (zB RTV, ähnlich dem existierenden BTV; RÜG-TV etc). Im übrigen würden die Interessen etwaiger Mitbewerber durch die Regelung des § 23 MarkenG ausreichend geschützt.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Amtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet, weil einer Registrierung der als Marke angemeldeten Wortfolge das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen können.

Gerade in der Zusammenfassung der beiden Einzelwörter ergibt sich vorliegend für die von der Markenstelle versagten Dienstleistungen ein beschreibender Sinngehalt. In Verbindung mit einer geographischen Angabe wie Rügen bezeichnet das Wort TV nämlich nicht den Fernsehapparat, dh das Empfangsgerät für Fernsehsendungen, sondern den Sender bzw Veranstalter von Fernsehsendungen und zwar unabhängig davon, ob dieser nun als öffentlichrechtliche Anstalt oder privatrechtlich organisiert ist. Dass es im Inland derart benannte, vergleichbare Fernsehsender gibt, hat die Markenstelle anhand von Internetseiten ausreichend belegt; der Anmelder will dies wohl auch nicht in Abrede stellen. Insoweit ist es auch nicht maßgeblich, ob die geographische Bezeichnung dem Bestandteil TV vor- oder nachgestellt ist. "Ruegen TV" bezeichnet deshalb einen Fernsehsender, der auf dieser Insel angesiedelt ist und/oder ein Programm ausstrahlt, welches - zumindest hinsichtlich seines Informationsteils - vorwiegend für die Bewohner und Gäste dieser Insel von Interesse ist.

Dass es einen so bezeichneten Sender auf bzw für Rügen geben könnte, liegt im Zuge der Regionalisierung und Privatisierung des Fernsehwesens keineswegs fern. Rügen ist eine - für deutsche Verhältnisse - große Insel mit einer nicht unbeträchtlichen Zahl von ständigen Bewohnern; darüber hinaus stellt diese Insel aber auch ein bedeutendes Ferien- und Erholungsgebiet dar, das von Besuchern aus ganz Deutschland und darüber hinaus aufgesucht wird. Angesichts der Größe und der Bedeutung dieser Insel als Erholungsgebiet und Urlaubsziel kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass mehr als ein Interessent an der Ausstrahlung von Rundfunksendungen mit einem entsprechenden regionalen Schwerpunkt vorhanden ist. Die als solche zweifelsfrei vorhandene Eignung der angemeldeten Wortfolge, in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen deren Art, Bestimmung und geographische Verbreitung zu beschreiben, kann nicht unter Hinweis auf eine angeblich fehlende Konkurrenzsituation verneint werden, wie der Anmelder im Amtsverfahren noch geltend gemacht hat. Das der Regelung des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zugrunde liegende Allgemeininteresse an der Freihaltung einer solchen Bezeichnung besteht unabhängig davon, ob aktuell Mitbewerber des Anmelders vorhanden sind. Es kann - wie ausgeführt - nicht ausgeschlossen werden, dass solche in Zukunft in Erscheinung treten werden.

Das Freihaltungsbedürfnis entfällt entgegen der Auffassung des Anmelders nicht etwa deshalb, weil für Mitbewerber weiterhin die Möglichkeit besteht, Fernsehsendungen für die Region Rügen unter einem anderen Namen wie zB RTV, RÜG-TV etc anzubieten. Das Freihaltungsbedürfnis ist nämlich nicht nur auf unersetzliche Zeichen und Angaben beschränkt, für die keine Alternativen bestehen. So kommt es für die Schutzfähigkeit einer Angabe nicht entscheidend darauf an, ob noch andere gleichwertige Ausdrücke oder Formen zur Verfügung stehen. Vielmehr muss den Mitbewerbern die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben und Zeichen erhalten bleiben (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 228).

Die Regelung des § 23 Nr 2 MarkenG, auf die sich der Anmelder bezogen hat, ist nicht geeignet, ein vorhandenes Eintragungshindernis iSd § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zu relativieren (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 23 Rdn 23). Der Regelungsgehalt beider Bestimmungen ist nämlich ein unterschiedlicher. Schutzzweck des Eintragungsverbots nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist es, bereits im Registerverfahren die Entstehung von Fehlmonopolisierungen bei beschreibenden Angaben zu verhindern. § 23 Nr 2 MarkenG stellt demgegenüber eine zusätzliche Sicherung der Mitbewerber bei der Verwendung derartiger beschreibender Angaben dar. Die negativen Folgen einer etwaigen Fehleintragung sollen abgemildert werden, die Regelung stellt aber keine Rechtfertigung dafür dar, die gebotene gründliche und umfassende Prüfung der Schutzhindernisse im Registrierungsverfahren zu beschränken (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 8 Rdn 246).

Der Senat sieht auch keine Möglichkeiten, hinsichtlich der streitbefangenen Dienstleistungen weiter zu differenzieren. Die Grenzen zwischen der Ausstrahlung herkömmlicher Fernsehprogramme und sonstiger Informationsübermittlung, zB auf elektronischem Wege, sind fließend.

Ob einer Eintragung der angemeldeten Marke zusätzlich auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegensteht, kann dahingestellt bleiben.

Prof. Dr. Hacker Viereck Kruppa Hu






BPatG:
Beschluss v. 09.11.2005
Az: 32 W (pat) 18/04


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