Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. März 2011
Aktenzeichen: 28 W (pat) 581/10
(BPatG: Beschluss v. 30.03.2011, Az.: 28 W (pat) 581/10)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 vom 14. September 2010 wird aufgehoben.
BPatG 152
Gründe
I.
Die Bezeichnung Dry Speedist zur Eintragung als Marke für die nachfolgenden Waren der Klassen 7 und 8
"Elektrowerkzeuge; Teile von oder Zubehör zu Elektrowerkzeugen, nämlich Bohrer, Bohrkronen, Meißel, Werkzeughalter und Adapter; handbetätigte Werkzeuge, nämlich Bohrer"
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 7 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Markenwort beinhalte als sprachübliche Zusammenfügung der beiden englischen Begriffe "Dry" und "Speed" im Hinblick auf die beanspruchten Waren einen beschreibenden Hinweis darauf, dass es sich insoweit um Trockenbohrer handle, die mit relativ hoher Geschwindigkeit betrieben werden könnten. Als produktbeschreibender Angabe werde der angesprochene Verkehr dem Anmeldezeichen keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen, so dass ihm auch die erforderliche markenrechtliche Unterscheidungskraft fehle.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die zur Begründung ausführt, dass der Marke in ihrer Gesamtheit kein produktbeschreibender Sinngehalt zukomme. Bei dem Begriff "Dry Speed" handle es sich um ein lexikalisch nicht nachweisbares Wort der englischen Sprache, das gerade nicht der gebräuchliche Fachbegriff für "Trockenbohrer" oder "Trockenbohren" darstelle. Die inländischen Verkehrskreise hätten somit keinerlei konkrete Veranlassung, der Wortfolge "Dry Speed" den von der Markenstelle angenommenen, beschreibenden Sinngehalt zuzuordnen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG) und auch in der Sache begründet.
Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das konkret angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit (vgl. v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 8 MarkenG, Rdn. 3). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung also nicht auf die Eintragungsfähigkeit der einzelnen Markenelemente beschränken. Die Eintragung kann vielmehr nur dann versagt werden, wenn dem angemeldeten Zeichen (auch) in seiner Gesamtheit absolute Schutzhindernisse entgegenstehen (vgl. BGH GRUR 2011, 65, Rdn. 10 - Buchstabe T mit Strich).
Bei der Wortkombination "Dry Speed" handelt es sich um keinen feststehenden, lexikalisch nachweisbaren Begriff, wie dies die Anmelderin zutreffend geltend gemacht hat. Dieser Umstand allein ermöglicht jedoch noch keine sicheren Rückschlüsse darauf, ob der genannte Begriff als schutzfähiger Gesamtbegriff oder als schutzunfähige, beschreibende Angabe zu werten ist. Vielmehr muss in derartigen Fällen zunächst ermittelt werden, welchen Bedeutungsgehalt die Marke nach den allgemeinen Sprachregeln besitzt. Dabei ist es zulässig, zuerst die einzelnen Wortelemente des fraglichen Markenwortes zu untersuchen, da nur auf diese Weise der semantische Gehalt einer bisher ungebräuchlichen Wortverbindung festgestellt werden kann (vgl. hierzu EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID). Insoweit ist es von ausschlaggebender Bedeutung, ob das jeweils angemeldete Markenwort in seiner Wortstruktur von den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten des einschlägigen Produktsektors abweicht oder in dieser Hinsicht den allgemeinen Branchengepflogenheiten entspricht. Als Anhaltspunkte für eine hinreichende Unterscheidungskraft kommen insoweit die Originalität oder Prägnanz einer Wortfolge in Betracht sowie ihre Interpretationsbedürftigkeit, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen differenzierten Denkprozess auslöst (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 57 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2009, 949, Rdn. 12 - My World). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die angemeldete Marke setzt sich aus den beiden englischen Begriffen "Dry" und "Speed" zusammen, denen vor allem die Bedeutungen "trocken" bzw. "Geschwindigkeit" zukommen (vgl. Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]). Beide Markenwörter zählen zum englischen Grundwortschatz und sind den angesprochenen Endverbrauchern in dem genannten Sinne verständlich, so dass sich bei sprachregelmäßiger Interpretation der Anmeldemarke für den Verkehr als naheliegendster Aussagegehalt die Bedeutung "trockene Geschwindigkeit" ergibt. Darüber hinaus lässt sich die Wortkombination "dry speed" nach den Feststellungen des Senats im englischen Sprachraum auch vereinzelt als Synonym für die "Trockengeschwindigkeit" von Druckfarben nachweisen. Mit diesen Begriffsgehalten ist die Anmeldemarke aber zur produktbezogenen Beschreibung für die hier maßgeblichen Waren ersichtlich ungeeignet. Die korrekten englischen Begriffe für "Trockenbohren" bzw. "Trockenbohrung" lauten "dry spilling" und "claying bar" bzw. "dry bore" (vgl. Schmitt -Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften, Englisch-Deutsch, 1. Aufl. 2002, S. 1849, sowie Amm -Wörterbuch der industriellen Technik, Band I, 6. Aufl. 2004, S. 1250). Weder die Markenstelle noch der Senat konnten zudem auf dem hier einschlägigen Werkzeugsektor mit der Anmeldemarke vergleichbar gebildete Sachbegriffe ermitteln. Der von der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss hierzu angeführte Beleg zeigt eine eindeutig kennzeichenmäßige Verwendung der Bezeichnung "Dry Speed" durch die Anmelderin selbst. Auch wenn auf dem Werkzeugsektor "Trockenbohrer" bekannt sind und die jeweilige Geschwindigkeitsleistung bei Bohrmaschinen eine relevante Rolle spielen kann, wird die Wortfolge "Dry Speed" mit ihrem Bedeutungsgehalt "trockene Geschwindigkeit" in keiner Weise den Anforderungen an eine hinreichend präzise Beschreibung relevanter Produktmerkmale gerecht. Stattdessen führt die konkrete Kombination der beiden Wörter zu einem produktfernen Kunstbegriff mit allenfalls andeutendem Aussagegehalt, dem eine gewisse Originalität und Prägnanz nicht abgesprochen werden kann. Es bedarf mehrerer zielgerichteter Gedankenschritte, um einen konkreten Produktbezug zwischen der Aussage "trockene Geschwindigkeit" und Trockenbohrmaschinen mit einer besonderen Geschwindigkeitsleistung herstellen zu können. Eine solche Vorgehensweise darf der markenrechtlichen Prüfung jedoch nicht zugrunde gelegt werden.
Die Kombination der beiden Markenwörter "Dry" und "Speed" geht somit in ihrer Gesamtheit über die bloße Kombination beschreibender Einzelbegriffe hinaus und bewirkt einen neuen, eigenständigen Gesamtbegriff mit einem hinreichend von der Summe der Einzelbestandteile abweichenden Gesamteindruck. Dabei erschöpft sich die Ungewöhnlichkeit der Kombination gerade nicht in lediglich formalen Aspekten. Vielmehr besitzt der Bedeutungsgehalt "trockene Geschwindigkeit" aufgrund des phantasievollen Wortspiels eine schutzfähigkeitsbegründende Eigenständigkeit, durch die es den angesprochenen Verbrauchern ohne Weiteres möglich ist, der Wortfolge eine betriebskennzeichnende Wirkung zu entnehmen (vgl. EuGH GRUR 2010, 931, Rdn. 61 f. - COLOR EDITION; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Selbst wenn die Marke "Dry Speed" möglicherweise im Hinblick auf einzelne Waren wie etwa Bohrer als so genanntes "sprechendes Zeichen" anzusehen sein sollte, könnte dieser Gesichtspunkt ihre Eignung zur Ausübung der markenrechtlichen Herkunftsfunktion nicht in Frage stellen (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 1150 - LOOK).
Die Anmeldemarke verfügt somit über die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Da die Wortfolge "Dry Speed" zu unbestimmt ist, um im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen zu können, scheidet auch ein schutzwürdiges Allgemeininteresse an ihrer freien Verwendbarkeit aus. Andere absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG sind ebenfalls nicht ersichtlich, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle unter Berücksichtigung des Eintragungsanspruchs der Anmelderin nach § 33 Abs. 2 MarkenG antragsgemäß aufzuheben war.
Klante Martens Schell Me
BPatG:
Beschluss v. 30.03.2011
Az: 28 W (pat) 581/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/4680bbceb2a1/BPatG_Beschluss_vom_30-Maerz-2011_Az_28-W-pat-581-10