Finanzgericht Münster:
Urteil vom 23. Februar 2012
Aktenzeichen: 9 K 3556/10 K, G
(FG Münster: Urteil v. 23.02.2012, Az.: 9 K 3556/10 K, G)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft.
Gegenstand des Unternehmens der im Jahr 1989 gegründeten Klägerin ist die Herstellung und Weiterverarbeitung von kaltgewalzten Profilen sowie die anwendungstechnische Beratung zum Einsatz von Kaltprofilen.
Mit notariellem Vertrag vom 4.11.2005 veräußerte Frau A... K..., die den einzigen Geschäftsanteil in Höhe von 30.000,- € an der Klägerin hielt und zugleich deren Geschäftsführerin war, ihren Geschäftsanteil und trat ihn zugleich an die X... GmbH & Co KG (nachfolgend: KG) ab. Alleinige Komplementärin der KG ist die X... Verwaltungs-GmbH, deren Geschäftsführer Herr B... D... ist. Kommanditisten der KG sind Herr B... D... mit einer Kommanditeinlage von 5.500,- € und Frau C... V... mit einer Kommanditeinlage von 4.500,- €.
In der Folgezeit wurden Frau D...-L... und Herr T... anstelle von Frau K... alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin.
Mit notariellem Vertrag vom 5.12.2005, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, schloss die Klägerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der KG ab, wonach die Klägerin die Leitung ihrer Gesellschaft der KG unterstellt und ihren ganzen Gewinn an sie abführt. Der Vertrag wurde am 22.12.2005 ins Handelsregister eingetragen.
Mit Kaufvertrag vom 28.02.2006 (Bl. 84 ff. GA) veräußerte die Klägerin zum 1.03.2006 ihren gesamten Geschäftsbetrieb, der den Maschinenpark, die Rotationsstanze, den bestehenden Kundenstamm sowie das in der Gesellschaft vorhandene Know-How (Firmenwert) umfasste, an die KG, die diesen Geschäftsbetrieb aufgrund eines Mietvertrages wieder ab dem 1.03.2006 an die GmbH (zurück-)vermietete zu einem Mietzins, der sich aus einem festen und einen umsatzabhängigen variablen Mietanteil zusammensetzt. Des Weiteren sind - mit einer Ausnahme - die bestehenden Arbeitsverhältnisse gem. § 613a BGB im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs auf die KG übergegangen, die ihrerseits im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nahezu sämtliche Arbeitnehmer der Klägerin stellt. Die Erlöse der KG aus der Personalgestellung beliefen sich im Streitjahr 2006 auf 493.072,50 €. Zudem wurde eine Handling Fee für den Verwaltungsaufwand in Höhe von monatlich 500,- € neben den tatsächlichen Lohnkosten erhoben. Die Erlöse aus der Vermietung des Betriebsvermögens betrugen im Kalenderjahr 2006 96.002,79 €. Die Erlöse aus der Arbeitnehmerüberlassung entsprachen im Streitjahr 2006 rd. 83 % der gesamten Umsatzerlöse der KG von 594.042,63 €.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärte die Klägerin Einkünfte in Höhe von 960.878,- €, die in voller Höhe dem Organträger, der KG, zuzurechnen seien. Der Beklagte erließ am 25.02.2008 einen erklärungsgemäßen KSt-Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und setzte die KSt 2006 auf 0,- € fest.
Anlässlich einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung A-Stadt vertrat der Prüfer die Auffassung, dass nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - eine Personengesellschaft nur dann steuerlich Organträger sein könne, wenn diese ein gewerbliches Unternehmen betreibe. Eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft könne nicht Organträger sein. Zur steuerlichen Anerkennung einer Organschaft müssten alle gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt sein. Dies gelte nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 10.11.2005 (BStBl I 2005, 1038, Tz. 21) auch für die eigene gewerbliche Tätigkeit des Organträgers. Die KG habe ihr gewerbliches Betriebsverpachtungsunternehmen erst durch den Kauf des Geschäftsbetriebs zum 1.03.2006 begründet. Zum 1.01.2006 habe sie lediglich die Beteiligung an der Klägerin gehalten und sei damit lediglich vermögensverwaltend tätig gewesen. Die Organschaft sei deshalb steuerlich für 2006 nicht zu berücksichtigen. Auf den Prüfungsbericht vom 19.05.2009 wird Bezug genommen.
Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ der Beklagte am 17.09.2009 einen geänderten Körperschaftbescheid 2006 gegenüber der Klägerin, in dem er die Körperschaftsteuer auf 195.076,- € festsetzte. Zudem setzte er mit Bescheid vom 15.10.2009 den Gewerbesteuermessbetrag 2006 auf 38.505,- € fest.
Zur Begründung ihrer hiergegen eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, dass im Gegensatz zum Wortlaut in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG, wonach die Mehrheitsbeteiligung des Organträgers "von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen" vorliegen müsse, eine solche Voraussetzung in § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG nicht geregelt sei. Die bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2002 geltende Fassung dieser Vorschrift hätte diese zeitliche Komponente noch beinhaltet. Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass hier ein "handwerklicher" Fehler des Gesetzgebers vorliege, so hätte dieser seit der Einführung der geänderten Fassung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG im Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16.05.2003 durch sämtliche nachfolgenden Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes bis heute hinreichend Gelegenheit gehabt, den Wortlaut dieser Regelung entsprechend zu korrigieren. Dies sei aber nicht geschehen. Auch in der Bundestagsdrucksache zur Änderung des § 14 KStG sei lediglich die Verhinderung der sogenannten Mehrmütterorganschaft zum Zwecke der Gewinnung von Steuervorteilen (insbesondere ausländischer Investoren) als Grund angegeben, sodass auch hier die Interpretation des BMF am Text des Gesetzes sowie an Sinn und Zweck der Vorschrift vorbeigehe.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 24.08.2010 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klagen (9 K 3556/10 K und 9 K 3578/10 G), die mit Beschluss vom 15.09.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass die KG aufgrund ihrer eigenen originären gewerblichen Tätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ein tauglicher Organträger i.S. des § 14 KStG sei. Sinn und Zweck des Vorliegens einer originär gewerblichen Tätigkeit als Tatbestandsvoraussetzung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG sei es, eine Umqualifizierung der Einkünfte der gewerblichen Organgesellschaft zu verhindern, damit die Einkünfte innerhalb der Organschaft der Gewerbesteuer unterlägen. Eine zeitliche Komponente sei hierfür nicht notwendig und erforderlich und werde auch von der herrschenden Meinung in der Literatur nicht gefordert. Die gegenteilige Auffassung werde nicht schlüssig begründet und nur unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vertreten.
Auch eine vorbereitende Tätigkeit sei bereits eine gewerbliche Tätigkeit. So sei die KG mit Vertrag vom 17.10.2005 gegründet worden. Die Gewerbeanmeldung der KG (Tätigkeit: "Vermietung und Verwaltung eigenen Vermögens") sei am 18.11.2005 zum 31.10.2005 erfolgt. Es sei danach schon zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass hauptsächlich eigenes Vermögen der Gesellschaft vermietet werden sollte, obwohl eigenes, zur Vermietung bestimmtes Vermögen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden gewesen sei. In der Folgezeit seien im Geschäftsjahr 2005 noch folgende Vorbereitungshandlungen umgesetzt worden:
Beauftragung des Büros des Bevollmächtigten durch die KG zwecks Wertermittlung der einzelnen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens der GmbH sowie der Kalkulation des späteren Mietpreises für den Geschäftsbetrieb;
Vereinbarung zwischen Klägerin und KG über die Einrichtung eines Verrechnungskontos am 5.11.2005;
Betriebsversammlung durch die Geschäftsführung der KG und der Klägerin am 23.11.2005 zwecks Information der Arbeitnehmer bezüglich des Übergangs der Arbeitsverhältnisse;
Beauftragung der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten zwecks Überprüfung der arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Risiken des Erwerbs der GmbH-Anteile.
Aus diesen Vorbereitungshandlungen werde ersichtlich, dass der Entschluss in 2005 gefasst worden sei, werbend tätig zu werden. Der Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Einkommensteuergesetz - EStG - sei aufgund dessen bereits in 2005 gegeben. Die Voraussetzungen des § 14 KStG lägen damit zum 1.01.2006 vor. Auch der Beklagte sei dieser Auffassung bei der KG gefolgt und habe - entsprechend der für die KG eingereichten Gewerbesteuererklärung - mit Bescheid vom 13.06.2006 den Gewerbesteuermessbetrag 2005 bei der KG auf 0,- € festgesetzt. Der zugleich festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2005 sei von der Betriebsprüfung A-Stadt nicht beanstandet worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 24.08.2010 den Körperschaftsteuerbescheid 2006 vom 17.09.2009 und den Gewerbesteuermessbescheid 2006 vom 15.10.2009 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer 2006 bzw. der Gewerbesteuermessbetrag 2006 jeweils auf 0,- € festgesetzt wird bzw. die Bescheide ersatzlos aufgehoben werden,
hilfsweise, für den Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, für den Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidungen und weist ergänzend darauf hin, dass hinsichtlich der Anerkennung der eigenen gewerblichen Tätigkeit des Organträgers nach Tz. 16 des BMF-Schreibens vom 10.11.2005 keine Bedenken bestünden, da dem Organträger im Falle einer Betriebsaufspaltung die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft zugerechnet werde. Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen werde weiterhin an der bisherigen Auffassung festgehalten.
Die vorbereitenden Handlungen der KG können nach Auffassung des Beklagten nicht dazu führen, dass bereits vor Anschaffung des Anlagevermögens der Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit der Organträgerin anzunehmen sei. Durch die Betriebsaufspaltung werde die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft der Besitzgesellschaft zugerechnet, so dass frühestens im Zeitpunkt des Beginns der Betriebsaufspaltung eine gewerbliche Tätigkeit der KG vorliegen könne. Die Arbeitnehmerüberlassung durch die KG gegen Übernahme sämtlicher Lohnkosten sowie einer pauschalen Verwaltungsgebühr von 500,- € monatlich durch die GmbH könne keine eigene gewerbliche Betätigung der KG begründen. Diesbezüglich könne nicht ohne weiteres eine Gewinnerzielungsabsicht angenommen werden.
Unabhängig davon könnten vorbereitende Handlungen nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KStG führen.
Auch gewerbesteuerrechtlich reichten Vorbereitungshandlungen nicht zur Annahme eines Gewerbebetriebs aus.
Der Erlass des Gewerbesteuermessbescheides 2005 für die KG lasse zudem keinerlei Rückschluss hinsichtlich einer originär gewerblichen Tätigkeit der KG zu, da sie allein aufgrund ihrer gewerblichen Prägung bereits als gewerblich tätig gelte (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).
In der Sache hat am 7.07.2011 ein Erörterungstermin stattgefunden und ist im 17.10.2011 und 23.02.2012 mündlich verhandelt worden. Auf das Protokoll und die Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
Gründe
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist in ihren Rechten nicht verletzt (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO), denn der Beklagte hat zu Recht das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft für das Streitjahr 2006 verneint
1. Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG), ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG erfüllt sind. Nach § 17 KStG gilt das entsprechend, wenn eine andere Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn im Sinne des § 14 KStG abzuführen.
Sind die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG erfüllt, so wird das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger im Rahmen der diesem gegenüber vorzunehmenden Steuerveranlagung erfasst. Soweit die Organgesellschaft selbst über kein weiteres, nicht an den Organträger abzuführendes Einkommen verfügt, wird die Körperschaftsteuer ihr gegenüber auf Null festgesetzt (BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539).
In gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht gelten nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) Organgesellschaften im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG als Betriebsstätten des anderen Unternehmens.
Trotz dieser Fiktion bilden die Organgesellschaften und der Organträger kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie, BFH-Urteile vom 28.01.2004, I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539 und vom 22.04.1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748 m.w.N.). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird. Abweichend von der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe - das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en) - deshalb allein gegenüber dem Organträger festzusetzen (BFH a.a.O.).
2. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 KStG liegen im Streitfall vor. Insbesondere verfügte die KG seit Ende 2005 über 100 v.H. der Anteile an der Klägerin, so dass eine finanzielle Eingliederung der Klägerin zu Beginn des Wirtschaftsjahres (hier: 1.01.2006) als Organgesellschaft gegeben war. Des Weiteren war der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen (vgl. § 4 des Vertrages vom 5.12.2005) und konnte erstmals zum Ablauf des 31.12.2010 gekündigt werden. Der Vertrag sah zudem in § 3 eine Verlustübernahme vor durch Bezugnahme auf die Vorschriften des § 302 Abs. 1 bis 3 AktG. Dadurch ist auch den weiteren Voraussetzungen des § 17 S. 2 KStG genügt. Voraussetzung für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG ist die ausdrückliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG. Durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3214) ist § 302 AktG durch einen neuen Absatz 4 um eine Verjährungsregelung ergänzt worden. Aufgrund der Tatsache, dass vorliegend der Gewinnabführungsvertrag am 5.12.2005 - und damit vor dem 1.1.2006 - abgeschlossen worden ist und zudem auch noch in 2005 ins Handelsregister eingetragen worden ist, ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12) nicht zu beanstanden, dass der Vertrag nur auf die bisherigen Absätze des § 302 AktG allgemein verweist, und nicht explizit auf § 302 Abs. 4 AktG. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, das BMF-Schreiben auch im Streitfall anzuwenden.
3. Die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Danach muss der Organträger eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 mit Geschäftsleitung im Inland sein. Organträger kann auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetz (EStG) mit Geschäftsleitung im Inland sein, wenn sie eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt.
In der Literatur ist dabei umstritten, ob eine Personengesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft ausüben muss, um tauglicher Organträger zu sein, oder ob es ausreicht, dass sie eine solche gewerbliche Tätigkeit unterjährig ab irgendeinem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr aufnimmt.
a) Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG 1999 war es noch erforderlich, dass die Voraussetzungen für die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahres vorliegen mussten. Durch die Neufassung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz - StVergAbG - (BGBl I 2003, 660), die erstmals für den Veranlagungszeitraum 2003 gilt (§ 34 Abs. 1 KStG, § 36 Abs. 1 GewStG), ist die zeitliche Komponente im Wortlaut der Nr. 2 ganz entfallen; lediglich für die in § 14 Abs.1 S. 1 Nr. 1 KStG geregelte finanzielle Eingliederung sind zeitliche Mindestanforderungen im Gesetz ausdrücklich normiert (" Der Organträger muss an der Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ...").
Diejenigen Stimmen in der Literatur, die eine unterjährige Aufnahme der gewerbliche Tätigkeit für ausreichend erachten, vertreten daher im Wege des Umkehrschlusses aus dem Regelungswortlaut des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG die Auffassung, dass im Gegensatz hierzu § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG gerade keine ausdrückliche zeitliche Voraussetzung enthalte und eine solche vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sei, da er dies ansonsten ausdrücklich geregelt hätte (Sterner in Hermann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz. 164; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 235; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG § 14 KStG Rz 135 und 85; Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 14 Rz. 71, 99; Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 65; Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR, Beihefter 4/2003, 1, 11; Orth, WPg-Sonderheft 2006, 46; wohl auch Gosch, Festschrift für Raupach, 2006, 461, 464).
b) Dieser Meinung folgt der erkennende Senat nicht. Er vertritt vielmehr unter Beachtung des Sinn und Zwecks der Regelung die Auffassung, dass die originär gewerbliche Tätigkeit des Organträgers vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt sein muss (ebenso im Ergebnis: Neumann in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, Rz. 79; Lademann/Lohmar, § 14 KStG Rz. 90, § 14 Rz. 79; Mössner/Seeger, KStG, § 14 Rz. 77; Müller/Stöcker, Die Organschaft, 8. Aufl. 2011, Rz. 321; Blumers/Goerg, DStR 2005, 397, 402; Haase, DB 2004, 1580, 1583; Füger, BB 2003, 1755; Stollenwerk, GmbH-StB 2003, 199; BMF-Schreiben 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038, Tz. 21).
Durch das StVergAbG sind die Voraussetzungen für die Tauglichkeit von Personengesellschaften als Organträger im Zusammenhang mit der Abschaffung der Mehrmütterorganschaft vom Gesetzgeber erheblich verschärft worden. Zweck der Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG war es, eine Umqualifizierung des Organeinkommens zu verhindern (vgl. auch BT-Drs. 15/119, Begründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 2). Die Einkünfte der Organgesellschaft, die immer eine Kapitalgesellschaft sein muss und daher nach § 8 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG nur gewerbliche Einkünfte haben kann, sollen durch die Organschaft nicht in eine andere Einkunftsart umqualifiziert werden. Dies erfordert es, dass im Veranlagungszeitraum des Organträgers, bei dem eine Zurechnung des Organeinkommens erfolgt, gewerbliche Einkünfte vorliegen. Bei einer nur unterjährigen gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft ist der Gesetzeszweck, dass die Einkünfte der Organgesellschaft zu den gewerblichen Einkünften der Personengesellschaft gehören und der Gewerbesteuer unterliegen, aber gerade nicht sichergestellt, denn bei einer nur unterjährigen originär gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft infizieren diese gewerblichen Einkünfte gerade nicht zwingend ihre übrigen Einkünfte des ganzen Wirtschaftjahres mit der Folge, dass ihre Gewerbesteuerpflicht nicht (zwingend) ganzjährig besteht, sondern erst beginnt, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind und der Gewerbebetrieb tatsächlich in Gang gesetzt worden ist. Dazu gehört bei § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass neben der nicht gewerblichen Tätigkeit eine gewerbliche Tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird. Solange eine Personengesellschaft z.B. nur freiberufliche Tätigkeiten oder eine Vermögensverwaltung ausübt, ist sie daher nicht gewerbesteuerpflichtig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478, m.w.N.).
Des Weiteren vermag auch der von den Befürwortern einer nur unterjährig erforderlichen gewerblichen Tätigkeit des Organträgers aus dem unterschiedlichen Wortlaut in der Nr. 1 und Nr. 2 des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG gezogene Umkehrschluss deshalb nicht zu überzeugen, da für die übrigen in der Nr. 2 S. 1 aufgestellten Voraussetzungen (z.B. das Erfordernis einer unbeschränkten steuerpflichtigen Person) unstreitig ist, dass diese bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahrs gegeben sein müssen.
c) Eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG setzt eine selbständige nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Betätigung voraus, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und den Rahmen einer Vermögensverwaltung übersteigt.
Im Streitfall übt die KG aber nicht vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (hier: 1.1.2006) eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus.
aa) Weder das bloße Halten und Verwalten der Beteiligung an der Klägerin noch die mit Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 5.12.2005 durch Eintragung ins Handelsregister am 22.12.2005 von der KG ausgeübte geschäftsleitende Tätigkeit für die Klägerin begründet eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 17.12.1969 (I R 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257) entschieden, dass die Ausübung der einheitlichen Leitung im Konzern (sog. geschäftsleitende Holding) unter gewissen Voraussetzungen eine originär gewerbliche Tätigkeit begründen kann. Dies setzt aber unter anderem voraus, dass die Holding mindestens zwei Tochtergesellschaften beherrschen muss. Bei nur einer Tochtergesellschaft - wie vorliegend - führt die Muttergesellschaft lediglich den Betrieb der Tochtergesellschaft und übt gerade keine einheitliche Leitung gegenüber mehreren abhängigen Gesellschaften aus, die sie zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, die neben die einzelnen Unternehmen tritt (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.09.1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24; und BFH-Beschluss vom 12.08.2002 VIII B 69/02, BFH/NV 2002, 1579).
bb) Die Frage, ob bei einer Betriebsaufspaltung eine Personengesellschaft als Besitzunternehmen eine eigene gewerbliche Betätigung ausübt und aufgrund dessen tauglicher Organträger sein kann (bejahend die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038 Tz. 16, wonach der Besitzgesellschaft die gewerbliche Tätigkeit der Betriebsgesellschaft zugerechnet wird mit der Folge, dass die Besitzgesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG originär gewerblich tätig wird; ebenso: Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR, Beihefter 4/2003, 1, 8; ablehnend für eine Personengesellschaft, die allein als Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung tätig wird und nur Anlagevermögen z.B. an die Betriebsgesellschaft verpachtet: Neumann in Gosch, 2. Aufl. 2009, § 14 Rz. 80; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG § 14 KStG Rz. 164; vgl. auch BFH-Urteile vom 18.04.1973, I R 120/70, BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740; vom 14.10.1987, I R 26/84, BFH/NV 1989, 192 und vom 21.01.1988, IV R 100/85, BFHE 152, 352, BStBl II 1988, 456) bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, denn selbst wenn der Senat der Auffassung der Finanzverwaltung insoweit folgen würde, wäre eine originär gewerbliche Tätigkeit aufgrund der Betriebsaufspaltung zwischen der KG und der Klägerin erst ab dem 1.03.2006 (Beginn der Betriebsaufspaltung) gegeben, nicht aber - wie nach den vorstehenden Ausführungen erforderlich - bereits vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (hier: 1.1.2006) an. Auch die von der Klägerin dargelegten Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf die angestrebte Betriebsaufspaltung führen insoweit zu keinem anderen Ergebnis, denn sie ändern nichts an den Umstand, dass die Betriebsaufspaltung erst ab dem 1.3.2006 bestand. Eine zeitliche "Rückbeziehung" der Betriebsaufspaltung auf den Zeitpunkt der ersten (relevanten) Vorbereitungshandlungen kommt nicht in Betracht, denn erst bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung wird die gewerbliche Tätigkeit des anderen (Betriebs-)Unternehmens dem Besitzunternehmen zugerechnet. Entsprechend beginnt bei einer Betriebsaufspaltung die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nicht bereits mit bloßen Vorbereitungshandlungen, sondern vielmehr erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erstmals erfüllt sind (BFH-Urteil vom 15.01.1998 IV R 8/97, BFHE 185, 500, BStBl II 1998, 383).
cc) Auch im Hinblick auf die Arbeitnehmerüberlassung an die Klägerin übt die KG frühestens ab dem 1.03.2006 eine originär gewerbliche Tätigkeit aus.
Die im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung geltend gemachten Vorbereitungshandlungen in 2005 (Betriebsversammlung, an der die Geschäftsleitung der KG teilgenommen hat, Beauftragung weiterer Rechtsanwälte mit der Prüfung arbeitsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Übernahme der Arbeitnehmer) genügen ebenfalls nicht, um bereits eine gewerbliche Betätigung der KG zum 1.1.2006 zu bejahen.
Da nach den vorstehenden Ausführungen unter I. 3. b) die Beschränkung der Organträgerschaft auf gewerbliche Einkünfte verhindern soll, dass die gewerblichen Einkünfte der Organgesellschaft durch die Organschaft in eine andere Einkunftsart umqualifiziert und der Gewerbesteuerpflicht entzogen werden, reichen Vorbereitungshandlungen des Organträgers nur insoweit aus, als hierdurch bereits eine Gewerbesteuerpflicht bei ihm begründet wird. Gewerbesteuerrechtlich beginnt die Gewerbesteuerpflicht bei einer Personengesellschaft, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs vorliegen und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 17.04.1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527). Vorliegend reichen die dargelegten Vorbereitungshandlungen nach Ansicht des erkennenden Senats aber für sich gesehen nicht aus, um bereits zum 1.1.2006 von einem Ingangsetzen des Gewerbebetriebs und damit einer Gewerbesteuerpflicht der Klägerin auszugehen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Finanzverwaltung ihr gegenüber bereits Gewerbesteuermessbescheide und Verlustfeststellungsbescheide erlassen hat.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres vorliegen müssen.
FG Münster:
Urteil v. 23.02.2012
Az: 9 K 3556/10 K, G
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