Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. Dezember 1996
Aktenzeichen: 6 U 204/96
(OLG Köln: Urteil v. 20.12.1996, Az.: 6 U 204/96)
1. Gehören einem Berliner Verband i.S. von § 13 II UWG bundesweit Hersteller und Versandhändler von Kosmetika, der Schrothverband, Anbieter und Hersteller von Naturheilmitteln, Naturkosmetik und entsprechenden Àkoprodukten, ein Sanitätshaus und Versandhandelshäuser an, handelt es sich um eine ,erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden" i.S. des § 13 II UWG. 2. Eine sogenannte ,Anti-Cellulite-Hose" ist im weiteren Sinne dem Bereich der Kosmetik zuzurechnen; ihr Anbieter steht damit in einem - für die Antragsbefugnis nach § 13 II UWG ausreichenden - abstrakten Wettbewerbsverhältnis mit den Herstellern und Vertreibern von kosmetischen Produkten. 3. Werbung für eine ,Anti-Cellulite-Hose" unterliegt der Kontrolle nach dem HWG. Die Aussagen: ,Anti-Cellulite-Hose", ,sichtbarer Erfolg nach 46 Wochen", ,läßt Cellulite `wegschmelzen' , , " `Unter die Haut' geht die Wirkung der Anti-Cellulite-Hose Turbo, mit der M... den Kundinnen des Fachhandels ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Cellulite an die Hand gibt", ,Das Geheimnis des in einer Klinikstudie nachgewiesenen Erfolgs beruht auf der speziellen Mikromassage, die von dem Gewebe dieses kleidsamen `Massagegerätes' ausgeht", ,Innerhalb von 8 Wochen gelang es, in rund 95 Prozent der Fälle eine Reduzierung des Oberschenkelumfanges um zwei bis neun Zentimeter zu erreichen", ,Abgeschmolzen werden die unschönen überflüssigen Zentimeter auch an Hüften und Bauch" sowie ,Zustande kommt der Erfolg unter dem sanften Druck, den die besondere Textilstruktur auf den Körper ausübt. Erreicht stärkste Durchblutung des Bindegewebes und eine intensive Behandlung der Fettpolster, die als zwischen Haut und Unterhaut eingelagerte Fettmoleküle die unschöne `Orangenhaut' hervorrufen. Zudem wird über die erhöhte Ausscheidung von Wasser, das durch Àstrogene im Bindegewebe gespeichert wird, den störenden Knötchen und Dellen begegnet" stellen je für sich bereits einen Verstoß gegen § 3, S. 2 Nr. 1 HWG dar. 4. Zur Frage eines etwaigen Dringlichkeitsverlustes im Verfügungsverfahren bei voller Ausschöpfung der Berufungsfrist und bei Neufassung des Verfügungsantrages im Berufungsrechtszug.
Tenor
1.) Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 22.8.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 134/96 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt: Die am 25.6.1996 im Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung - 14 O 134/96 LG Bonn - wird mit der Maßgabe bestätigt, daß ihr Tenor wie folgt lautet:-Der Antragsgegnerin wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr eine "Anti-Cellulite-Hose" als Mittel gegen Cellulite zu bewerben, und zwar mit den Aussagen:a) "Anti-Cellulite-Hose" und/oderb) "sichtbarer Erfolg nach 4-6 Wochen",und/oder c) "läßt Cellulite 'wegschmelzen'"und/oderd) "'Unter die Haut' geht die Wirkungsweise der Anti-Cellulite-Hose Turbo, mit der Medisana den Kundinnen des Fachhandels ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Cellulite an die Hand gibt",und/odere) "Das Geheimnis des in einer Klinikstudie nachgewiesenen Erfolgs beruht auf der speziellen Mikromassage, die vom Gewebe dieses kleidsamen 'Massa-gegerätes' ausgeht",und/oder f) "Innerhalb von 8 Wochen gelang es, in rund 95 Prozent der Fälle eine Reduzierung des Oberschenkel-umfanges um zwei bis neun Zentimeter zu erreichen",und/oder g) "Abgeschmolzen werden die unschönen überflüssigen Zentimeter auch an Hüften und Bauch",und/oder h) "Zustande kommt der Erfolg unter dem sanften Druck, den die besondere Textilstruktur auf den Körper ausübt. Erreicht wird damit eine leichte Erhöhung der Hauttemperatur, eine verstärkte Durchblutung des Bindegewebes und eine intensive Behandlung der Fettpolster, die als zwischen Haut und Unterhaut eingelagerte Fettmoleküle die unschöne 'Orangehaut' hervorrufen. Zudem wird über die erhöhte Ausscheidung von Wasser, das durch Àstrogene im Bindegewebe gespeichert wird, den störenden Knötchen und Dellen begegnet,"wie nachstehend wiedergegeben:pp. 2.) Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen haben der Antragsteller zu 1/5 und die Antragsgegnerin zu 4/5 zu tragen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Auf die Berufung des Antragstellers ist die am 25.6.1996 im
Beschlußwege von dem Landgericht erlassene einstweilige Verfügung -
14 O 134/96 - unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Kammer
insoweit zu bestätigen, als sich dies aus dem obigen Tenor der
vorliegenden Entscheidung ergibt. Denn der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung erweist sich in seiner im
Berufungsverfahren zuletzt gestellten Fassung auch unter
Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin in beiden
Instanzen als zulässig und begründet.
Der Antrag ist zunächst zulässig. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts steht dem Antragsteller aus § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG die
Antragsbefugnis zu. Darüberhinaus besteht auch der Verfügungsgrund
der Dringlichkeit.
Der Antragsteller hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste und
der diese Liste betreffenden eidesstattlichen Versicherung der
Zeugin L. vom 14.6.1996 (Anlage A 4 zum Verfügungsantrag) glaubhaft
gemacht, daß ihm eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden
angehört, die auf demselben Markt wie die Antragsgegnerin Waren
vertreiben, die verwandter Art wie die von dieser vertriebene
"Anti-Cellulite-Hose" sind. Zu diesen gehören von den auf S.9 f der
Antragsschrift aufgelisteten Mitgliedern zumindest die nachfolgend
unter Angabe der jeweiligen Gliederungsziffer jener Auflistung
aufgeführten Angehörigen des Antragstellers: der Hersteller und der
Versandhändler von Kosmetika (lit.bb), der Schrothverband (lit.ff),
die Anbieter und Hersteller von Naturheilmitteln, Naturkosmetik und
entsprechenden Àkoprodukten (lit.hh), das Sanitätshaus (lit.jj),
das Unternehmen der Ernährungsberatung (lit.ll) und die
Versandhandelsunternehmen, die auch Kosmetika vertreiben
(lit.mm).
Der Begriff der Waren verwandter Art im Sinne des § 13 Abs.2
Ziff.2 UWG ist zur Wahrung der Funktion dieser Vorschrift nicht
eng, sondern weit auszulegen (vgl. Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 18. Aufl., § 13 RZ 14, Köhler/Piper, § 13 RZ 13,
BGH WRP 96, 1034 - "Preisrätselgewinnauslobung III"). Es reicht
danach aus, wenn sich das Angebot des betreffenden Mitglieds des
Antragstellers mit demjenigen des angegriffenen Wettbewerbers
überschneidet (vgl. BGH a.a.O. unter II. 1. a) bb) [2] m.w.N.).
Diese Voraussetzung erfüllen zumindest die vorstehend aufgeführten
Mitglieder des Antragstellers. Entgegen der in der angefochtenen
Entscheidung zum Ausdruck kommenden Auffassung der Kammer ist
insoweit auf Seiten der Antragsgegnerin allein auf die
verfahrensgegenständliche Hose und nicht auch auf das weitere von
der Antragsgegnerin vertriebene Warensortiment abzustellen, weil
allein die Werbung für jene Hose von dem Antragsteller angegriffen
wird.
Diese Hose ist im weiteren und hier ausreichenden Sinne dem
Bereich der Kosmetik zuzurechnen, weil sie kosmetische Wirkungen
haben, nämlich zu einer Reduktion des Umfanges der Oberschenkel
führen soll. Die Antragsgegnerin steht damit in einem für die
Bejahung der Antragsbefugnis des Antragstellers ausreichenden
abstrakten Wettbewerbsverhältnis zu den Herstellern und Vertreibern
von Kosmetik. Aus diesem Grunde sind die oben zu den Buchstaben
bb),hh) und mm) aufgeführten Mitglieder des Antragstellers im
Rahmen der Prüfung der Antragsbefugnis zu berücksichtigen, weil sie
sämtlich auch kosmetische Produkte in ihrem Warenangebot haben.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es ohne Bedeutung,
ob diese Mitglieder des Antragstellers ebenso wie die
Antragsgegnerin ihre kosmetischen Produkte auch bundesweit
vertreiben. An der Berücksichtigungsfähigkeit dieser Mitglieder
ändert es nämlich nichts, wenn sie nur auf einem örtlich begrenzten
Markt tätig sind. Denn auch dann besteht die Möglichkeit, daß sie
sich um dieselben Kunden bemühen wie die Antragsgegnerin, weil
diese die "Anti-Cellulite-Hose" bundesweit vertreibt und damit auch
jeden örtlich begrenzten Markt erreicht (vgl. zu den Erfordernissen
an denselben Markt näher Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 16, BGH
a.a.O. jew. m.w.N.). Aus den vorstehend näher aufgeführten Gründen,
wonach bereits der Vertrieb von Kosmetika die
Berücksichtigungsfähigkeit der Mitglieder des Antragstellers
begründet, kann es auch offenbleiben, ob - wie die Antragsgegnerin
behauptet - die unter hh) erfaßten Hersteller und Anbieter von
Naturheilmitteln, Naturkosmetik und entsprechenden Àkoprodukten
keine der "Anti-Cellulite-Hose" vergleichbaren Waren anbieten.
Ebenfalls zu berücksichtigen sind darüberhinaus die Mitglieder
des Antragstellers, die Waren bzw. Dienstleistungen anbieten, die
der Gewichtsreduzierung dienen. Denn die Beseitigung der Cellulite,
der die beworbene Hose dienen soll, macht - wie der Antragsteller
unbestritten vorträgt - nach ganz überwiegender Auffassung einen
Abbau der Fettablagerungen in der Haut und damit eine
Gewichtsreduktion erforderlich, weswegen ein zumindest abstrakter
Wettbewerb der Antragsgegnerin auch zu jenen Mitgliedern der
Antragstellerin besteht, deren Gewerbe die Reduktion des
Körpergewichts zum Gegenstand hat. Aus diesem Grunde sind die oben
unter ff) und ll) aufgeführten Mitglieder des Antragstellers
ebenfalls zu berücksichtigen. Die von dem Schrothverband
repräsentierten Schrothkurbetriebe streben ebenso eine
Gewichtsreduzierung ihrer Patienten an wie dies das unter ll)
erfaßte Unternehmen der Ernährungsberatung für ihre Klienten tut.
Es ist auch nicht erforderlich, daß sich das Unternehmen der
Ernährungsberatung auch mit der "Anti-Cellulite-Hose" befaßt.
Ausreichend ist vielmehr schon, daß es gerade Fragen der
Gewichtsreduzierung zum Gegenstand der Beratung macht, wovon ohne
weiteres auszugehen ist.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hindert die
Tatsache, daß sie die verfahrensgegenständliche Hose ausschließlich
über den Sanitätsfachhandel vertreibt, die Berücksichtigung der
vorstehend aufgelisteten Mitglieder des Antragstellers nicht.
Soweit diese ihre Produkte nicht über den Fachhandel vertreiben,
steht das der Annahme eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses
nicht entgegen, weil gleichwohl denkbar ist, daß ihre Produkte die
"Anti-Cellulite-Hose" ersetzen können. Im übrigen belegt der
Hinweis der Antragsgegnerin auf ihren Vertriebsweg über den
Sanitätsfachhandel, daß - wie oben geschehen - auch das unter jj)
aufgeführte Sanitätshaus zu berücksichtigen ist.
Schließlich repräsentieren die vorstehend aufgelisteten
Mitglieder auch eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden im
Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG. Der Senat sieht hierzu von näheren
Ausführungen ab und schließt sich insoweit dem BGH an, der in den
beiden von dem Antragsteller vorgelegten Urteilen ausdrücklich
entschieden hat, daß schon die in der Kosmetikbranche tätigen
Mitglieder des Antragstellers eine erhebliche Anzahl von
Gewerbetreibenden im Sinne der Bestimmung darstellen. Die
Anforderungen sind damit erst recht bei der gebotenen zusätzlichen
Berücksichtigung der weiteren oben aufgeführten, nicht der
Kosmetikbranche zugehörigen Mitgieder des Antragstellers
erfüllt.
Der Antrag ist auch dringlich. Die sich aus § 25 UWG ergebende
Vermutung der Dringlichkeit hat der Antragsteller entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin durch sein Verhalten im Verfahren
nicht widerlegt. Daß er die oben zitierte Entscheidung des BGH
"Preisrätselgewinnauslobung III" erst mit Schriftsatz vom 9.8.1996
vorgelegt hat, belegt nicht ein mangelndes Interesse des
Antragstellers an einer schnellen Entscheidung, sondern ist in der
Tatsache begründet, daß seine Anwälte das überhaupt erst am
11.7.1996 verkündete Urteil ausweislich des Eingangsstempels erst
am 5.8.1996 erhalten haben. Ebenso rechtfertigt das nahezu
vollständige Ausschöpfen der Berufungsfrist nach der gefestigten
Rechtsprechung des Senats den Vorwurf dringlichkeitsschädlichen
Verhaltens nicht. Dem Antragsteller ist es vielmehr im Interesse
einer ohne übermäßigen Zeitdruck zu ermöglichenden Entscheidung der
Frage, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, unbenommen, die
Berufungsfrist auch im Eilverfahren auszuschöpfen.
Die Dringlichkeit ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung
von der Antragsgegnerin geäußerten Auffassung auch nicht durch die
Neufassung des Antrags im Berufungsrechtszug entfallen. Ziel des
Antragstellers war es von Beginn des Verfahrens an, ein Verbot der
Bewerbung der Hose mit den 8 im einzelnen angegriffenen Àußerungen
zu erreichen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Fassung des
Antrags, in dem von Anfang an sämtliche 8 Àußerungen wörtlich
aufgeführt waren, sondern auch aus der bildlichen Wiedergabe der
Werbeanzeige, die im Rahmen des zweigliedrigen Streitgegenstandes
bei der Auslegung des Antrages zu berücksichtigen ist, obwohl sie
nicht in dem Antrag selbst enthalten, sondern ausschließlich in der
Begründung des Antrags aufgeführt war. Die nunmehrige Fassung des
Antrags, in der weiterhin - jetzt klarstellend mit
"und/oder-Verbindung" und unter Einblendung einer Abbildung der
Anzeige - alle 8 Werbeaussagen aufgeführt sind, enthält zwar - wie
unten bei der Begründung der Kostenentscheidung darzulegen sein
wird - eine Reduzierung des Begehrens, gleichwohl ist auch das
jetzt noch verfolgte Begehren bereits von Anfang an
Verfahrensgegenstand gewesen, weswegen die anfängliche
Dringlichkeit durch die Neufassung des Antrages nicht entfallen
ist.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist auch
begründet. Der erforderliche Verfügungsanspruch ergibt sich
zumindest aus § 1 UWG i.V.m. §§ 1 Abs.1 Ziff.2, 3 S.2 Ziff.1 HWG.
Der Senat ist nicht gehindert, auf die vorzitierten Vorschriften
des HWG abzustellen, obwohl sie von dem Antragsteller nicht
angeführt worden sind. Denn der Antragsteller beruft sich - in der
Sache zu Recht - auf eine Irreführung des Verkehrs durch die
angegriffene Werbung. Es stellt damit keine Abweichung von dem von
ihm bestimmten Verfahrensgegenstand dar, wenn der Senat anstelle
des von dem Antragsteller angeführten allgemeinen § 3 UWG auf die
spezielleren Bestimmungen des HWG abstellt.
Die von der Antragsgegnerin beworbene "Anti-Cellulite-Hose"
unterfällt dem HWG, weil sei ein "Gegenstand" im Sinne des § 1
Abs.1 Ziff. 2 HWG ist und sich die Werbeaussage als
gesundheitsbezogen darstellt (vgl. für Jeanshosen zur Verwendung in
einer "Anti-Fett-Kur-Massage und Sauna mit Trimm-Jeans" Bülow/
Ring, HWG § 1 RZ 116).
Sämtliche angegriffenen Werbeaussagen sind bereits deswegen zu
untersagen, weil sie eine Irreführung des Verkehrs im Sinne des § 3
S.2 Ziff.1 HWG beinhalten. Denn die Antragsgegnerin legt der
"Anti-Cellulite-Hose" in der Werbung eine therapeutische Wirkung
bei, die diese tatsächlich nicht hat. Sie behauptet nämlich - und
zwar durchgängig mit allen 8 im Einzelnen angegriffenen Aussagen -
durch das bloße Tragen der "Anti-Cellulite-Hose" könne Cellulite
wirksam bekämpft werden. Es kann bei der Beurteilung der
angegriffenen Werbung dahinstehen, ob - was dem Senat allerdings
wenig wahrscheinlich erscheint - durch die mit dem Tragen der Hose
bewirkte bloße Kompression tatsächlich eine Wirkung erzielt werden
kann, die einen nennenswerten und dauerhaften Rückgang des Umfanges
der Oberschenkel zur Folge hat. Insbesondere bedarf es auch nicht
der Klärung der Frage, ob die Vorlage eines nicht unterschriebenen
Auszuges einer angeblichen Studie von Herrn Professeur G. aus S.
geeignet sein kann, entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse
glaubhaft zu machen. Denn es hätte - auch wenn dies so sein sollte
- der Antragsgegnerin zur Vermeidung des Vorwurfes irreführender
Werbung oblegen, darauf hinzuweisen, daß die therapeutischen
Wirkungen in der Fachliteratur zumindest umstritten sind, wie dies
aus dem von dem Antragstellerin vorgelegten Gutachten von Herrn
Professor Dr. N. deutlich wird. Es entspricht gefestigter
Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW-RR 91,1391 - "Rheumalind II"
m.w.N.), von der abzuweichen kein Anlaß besteht, daß es zwar auch
bei der Frage irreführender Werbung grundsätzlich dem Kläger bzw.
Antragsteller obliegt, die Unrichtigkeit der Werbung darzulegen und
zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen, daß aber umgekehrt der
Werbende dann darlegungs- und beweis- bzw.
glaubhaftmachungsbelastet ist, wenn er mit einer fachlich
umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu
erwähnen. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die
behauptete Wirksamkeit der "Anti-Cellulite-Hose" ist indes
ungeachtet der Frage von dessen Echtheit durch die Vorlage des
Auszuges der Studie von Herrn Professeur G. angesichts der
eindeutigen Ausführungen von Herrn Prof. Dr. N. in dessen von dem
Antragsteller als Anlage A 11 vorgelegten Gutachten vom 30.1.1992
nicht glaubhaft gemacht.
Aus der vorstehenden Erwägung sind alle 8 angegriffenen Aussagen
zu verbieten. Die Antragsgegnerin beruft sich zwar nicht in jeder
einzelnen Aussage ausdrücklich auf die Studie, diese wird aber
durch die mit dem Antrag zu e) angegriffene Formulierung als
Erklärung auch für alle anderen Behauptungen eingesetzt.
Vor diesem Hintergrund bedarf es auch der Klärung der Frage
nicht, ob einzelne Aussagen zusätzlich gegen § 11 Ziff.1 HWG
verstoßen, was zumindest hinsichtlich der mit dem Antrag zu e)
angegriffenen Aussage allerdings naheliegt.
Damit steht die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung hinsichtlich
aller 8 angegriffenen Aussagen schon wegen Verstoßes gegen § 3 S.2
Ziff.1 HWG fest. Denn Verstöße gegen das HWG sind wegen der
Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung ohne weiteres
wettbewerbswidrig, ohne daß es auf das Erreichen eines besonderen
Wettbewerbsvorsprunges ankommt (vgl. hierzu näher
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Anhang 1 zu § 3 UWG RZ 2 m.w.N.).
Angesichts des betroffenen Rechtsgutes der Gesundheit des
Verbrauchers und der bundesweiten Ausdehnung der Werbung bedarf es
auch keiner näheren Begründung, daß die angegriffene Werbung auch
im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziff 2 UWG zur wesentlichen
Beeinträchtigung des Wettbewerbs geeignet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 269 Abs.3
ZPO.
Die Neufassung des Antrags im Berufungsverfahren stellt eine
teilweise Rücknahme des ursprünglichen Antrags dar, die eine
Belastung des Antragstellers mit 1/5 der Kosten rechtfertigt. Die
ursprüngliche Fassung des Antrags ging geringfügig über das zuletzt
noch verfolgte Verfahrensziel des Antragstellers hinaus, weil mit
ihr die Bewerbung nicht nur der "Anti-Cellulite-Hose", sondern
weitergehend von "Bekleidung, insbesondere eine(r) sogenannte(n)
'Anti-Cellulite-Hose'" untersagt werden sollte.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 24.000 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 20.12.1996
Az: 6 U 204/96
Link zum Urteil:
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