Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Januar 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 317/02

(BPatG: Beschluss v. 15.01.2004, Az.: 17 W (pat) 317/02)

Tenor

Das Patent Nr. 100 16 712 wird in beschränktem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:

Patentansprüche 1- 13, Beschreibung und 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2004.

Gründe

I.

Auf die am 4. April 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 100 16 712.8-34 wurde das Patent mit der Bezeichnung "Sicherheitsschaltgerät und Verfahren zur Einstellung einer Betriebsart eines Sicherheitsschaltgeräts" erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Juni 2002.

Im Patenterteilungsverfahren sind folgende Druckschriften genannt worden:

5) DE 197 07 241 A1 6) DE 197 36 183 C1 7) DE 40 33 801 C1 Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende macht fehlende Patentfähigkeit des Patentgegenstands nach § 3 und 4 PatG geltend.

Der Einspruch ist auf die Druckschrift DE 198 05 722 A1 (D1) sowie unter Beweisantritt auf eine eigene offenkundige Vorbenutzung gestützt. Hierzu verweist die Einsprechende auf eine Mehrstrahllichtschranke "MSL" zusammen mit dem Zusatzgerät "MSM" (Modulares Sicherheits Muting) (D2), auf eine Technische Beschreibung "MSM Muting-Erweiterungsmodul für MSL" vom 6. März 1996 (D3) sowie auf Mounting Instructions "MSM Muting Extension Module for MSL" vom Juli 1999 (D4).

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang mit einem Patentanspruch 1 in folgender Fassung:

Sicherheitsschaltgerät zum Ein- und sicheren Ausschalten eines elektrischen Verbrauchers abhängig von einem Schaltereignis eines Sicherheitsgebers (50), mit zwei ersten Eingangsklemmen (41, 42) zum Anschließen des Sicherheitsgebers (50), mit zumindest einem Schaltelement (30) und einer Betriebsarten - Einstelleinrichtung (85) zur Auswahl einer Betriebsart abhängig von einem Eingangssignal (E1), wobei die Betriebsart das Sicherheitsschaltgerät an den eingesetzten Sicherheitsgeber-Typ anpasst, dadurch gekennzeichnet, daß die Betriebsarten - Einstelleinrichtung (85) einen Eingang aufweist, der mit einer weiteren Eingangsklemme (70) zum Zuführen des Eingangssignals (E1) verbunden ist, und daß die Betriebsarten - Einstelleinrichtung (85) derart ausgebildet ist, daß sie das Eingangssignal (E1) als eines von zumindest drei unterschiedlichen definierten Eingangssignalen erkennt, die an der weiteren Eingangsklemme (70) zugeführt sind, und in Abhängigkeit davon eine von zumindest drei definierten Betriebsarten auswählt.

An den Patentanspruch 1 schließen sich die Unteransprüche 2 bis 13 an.

Die Einsprechende legt dar, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1 sowie D5 ergebe.

Sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Streitpatent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 13, Beschreibung, 2 Blatt Zeichnungen), hilfsweise erklärt sie die Teilung des Patents.

Die Patentinhaberin führt aus, daß bei dem aus der Druckschrift D5 bekannten Sicherheitsschaltgerät mit einer Vielzahl von Eingangs- und/oder Ausgangsklemmen ein Eingangssignal für eine Betriebsarten- Einstelleinrichtung aus der jeweiligen, vom angeschlossenen Sicherheitsgeber abhängigen Belegung der Klemmen erzeugt werde, während bei dem Schaltgerät gemäß Druckschrift D1 keine Einrichtung zur Anpassung der Betriebsart an unterschiedliche Sicherheitsgeber vorgesehen sei. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 werde daher durch diesen Stand der Technik nicht nahegelegt.

II.

Der Einspruch ist frist- und formgerecht eingelegt sowie ausreichend begründet. Er ist daher zulässig, hat aber in der Sache nur insoweit Erfolg, als er zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt.

1. Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 13 sind zulässig.

Der Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung im wesentlichen durch die beiden eingefügten Merkmale, wonach zwei erste Eingangsklemmen zum Anschließen des Sicherheitsgebers vorgesehen sind und die Betriebsart das Sicherheitsschaltgerät an den eingesetzten Sicherheitsgeber-Typ anpaßt. Dementsprechend ist die Eingangsklemme zum Zuführen des Eingangssignals für die Betriebsarteinstellung als weitere Eingangsklemme bezeichnet. Diese den Patentgegenstand beschränkenden Änderungen finden ihre Stütze in der erteilten Fassung der Beschreibung, vgl. Sp. 5, Z. 9 bis 11 iVm Sp. 6, Z. 40 bis 47 sowie Sp. 1, Z. 31 bis 42, sowie in der ursprünglichen Beschreibung, S. 12, 1. Abs. iVm S. 13, 2. Abs. und S. 2, 2. und 3. Abs. Die Änderungen sind somit zulässig.

Die Patentansprüche 2 bis 13 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 bis 13 mit dem offensichtlich falsch nummerierten Patentanspruch 10 als Patentanspruch 20.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Druckschrift D5 betrifft ein Sicherheitsschaltgerät, mit dem abhängig von einem Schaltereignis eines an das Schaltgerät angeschlossenen Sicherheitsgebers ein elektrischer Verbraucher ein- und sicher ausgeschaltet wird. Die in Fig. 1 dargestellte Ausführungsform des Schaltgeräts (1) weist mindestens ein Schaltelement (27,27«) und eine Betriebsarten-Einstelleinrichtung (2,2«) auf, die abhängig von einem Eingangssignal eine Betriebsart auswählt, die das Schaltgerät an den Sicherheitsgeber-Typ anpaßt. Zur Erzeugung eines typabhängigen Eingangssignals sind am Schaltgerät mehrere Eingangsklemmen (15,16,17) sowie Ausgangsklemmen (18, 19, 21, 22, 23) vorgesehen. Der Sicherheitsgeber (28b) ist ausgangsseitig mit den Eingangsklemmen sowie eingangsseitig mit den Ausgangsklemmen verbunden, wobei die Belegung der Eingangs- und Ausgangsklemmen für verschiedene Typen unterschiedlich ist. Vor Inbetriebnahme des Schaltgeräts wird automatisch ein der Belegung der Klemmen entsprechendes Eingangssignal erzeugt und abhängig davon durch die Betriebsarten-Einstelleinrichtung eine an den Sicherheitsgeber-Typ angepaßte Betriebsart des Schaltgeräts ausgewählt. Dazu wird nacheinander an jede der Ausgangsklemmen kurzzeitig eine Spannung von 24 Volt angelegt. Die dabei an den Eingangsklemmen jeweils auftretenden Spannungssignale werden registriert und bilden das Eingangssignal für die Betriebsarten-Einstelleinrichtung (2, 2«), vgl. Fig. 1 mit Beschreibung sowie Patentanspruch 3. Alternativ dazu weist das Schaltgerät bei der Ausführungsform gemäß Fig. 11 eine einzige Eingangsklemme (E) und mehrere Ausgangsklemmen (A1,A2.....A15,A16) auf, so daß das Eingangssignal aus der typspezifischen Belegung der Ausgangsklemmen durch den angeschlossenen Sicherheitsgeber resultiert, der ausgangsseitig mit der einzigen Eingangsklemme (E) verbunden ist, vgl. Fig. 11 mit Beschreibung und Patentanspruch 2.

Demnach ist dieser Druckschrift zwar ein Sicherheitsschaltgerät mit den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen entnehmbar. Es findet sich jedoch kein Hinweis, von der automatischen Betriebsarteneinstellung über einen an das Schaltgerät angeschlossenen Sicherheitsgeber abzugehen und stattdessen am Schaltgerät außer zwei Eingangsklemmen für den Anschluß eines Sicherheitsgebers eine weitere Eingangsklemme vorzusehen, über die der Betriebsarten-Einstelleinrichtung ein nicht vom angeschlossenen Sicherheitsgeber erzeugtes Eingangssignal zugeführt wird, das eines von mindestens drei unterschiedlichen, definierten Eingangssignalen ist, so daß die Betriebsarten-Einstelleinrichtung abhängig von dem jeweiligen Eingangssignal eine von zumindest drei definierten Betriebsarten auswählt.

Die Druckschrift D5 kann somit keine Anregung für eine derartige im Patentanspruch 1 angegebene Modifikation des bekannten Schaltgeräts geben.

Dies gilt auch für die übrigen Druckschriften D1, D6 und D7, da diese Druckschriften jeweils ein Sicherheitsschaltgerät betreffen, das keine Betriebsarten- Einstelleinrichtung aufweist, die vor Inbetriebnahme des Schaltgeräts dessen Betriebsart an einen am Schaltgerät angeschlossenen Sicherheitsgeber - Typ anpaßt.

Die Druckschrift D1 zeigt ein Sicherheitsschaltgerät (1) mit Schaltelementen (6,7), dem eine Leitungsüberwachungseinheit (17) nachgeschaltet ist. Diese Einheit überwacht die elektrischen Verbindungsleitungen (13,14) zwischen den Schaltelementen (6,7) und den Schützen (23, 24) einer Maschinensteuerung (10) während des Betriebs des Schaltgerätes, wenn also die Schaltelemente geschlossen sind und über die Maschinensteuerung eine Maschine (26) eingeschaltet ist. Eine Auswerteschaltung (28) der Leitungsüberwachungseinheit, deren Ausgang mit dem Schaltgerät verbunden ist, erzeugt im Falle eines Kurzschlusses zwischen den Leitungen (13,14) ein Nullsignal, durch das die Schaltelemente (6,7) geöffnet werden und die Maschine abgeschaltet wird, vgl. Fig. 1 mit Beschreibung.

Hinsichtlich der an das Schaltgerät anschließbaren Sicherheitsgeber-Typen und einer Betriebsarten-Einstelleinrichtung zur Anpassung der Betriebsart des Schaltgeräts an den jeweils verwendeten Sicherheitsgeber-Typ vor Inbetriebnahme des Schaltgeräts ist dieser Druckschrift nichts entnehmbar.

Die Druckschriften 6 und 7 betreffen Sicherheitsschaltgeräte, mit denen ein Not-Aus-Schalter als Sicherheitsgeber verbunden ist, vgl. D6, Schalter S1 in der Figur und D7, Schalteinrichtung 6 in der Figur. Der Anschluß anderer Sicherheitsgeber - Typen an die Schaltgeräte ist in diesen Druckschriften nicht in Betracht gezogen. Es findet sich daher auch kein Hinweis auf eine Betriebsarten-Einstelleinrichtung.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit durch diesen Stand der Technik nicht nahegelegt und ist patentfähig.

Die angeblich offenkundige Vorbenutzung kann die Patentfähigkeit ebenfalls nicht in Frage stellen. Denn sie betrifft gemäß Anlage D3 ein aus einer Mehrstrahllichtschranke "MSL" und einem Zusatzgerät "MSM" bestehendes Sicherheitsschaltgerät, das eine Maschine abschaltet, wenn eine Person einen geschützten Bereich betritt, und das die Maschine in Betrieb hält, wenn das Zusatzgerät mit zusätzlichen Sensoren feststellt, daß ohne Beteiligung einer Person Material zum Bearbeitungsort transportiert wird. Das Schaltgerät kann in vier verschiedenen Betriebsarten betrieben werden, wobei werksseitig eine Grundeinstellung einer Betriebsart erfolgt. Diese Grundeinstellung ist mittels eines DIP-Schalters mit vier Schaltelementen zur Erzeugung eines 4-Bit-Codes änderbar, vgl. S. 11 iVm mit S. . Demnach kann dieses Gerät ebenfalls keine Anregung geben, die zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führt.

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die Vorbenutzung offenkundig geworden ist.

3. Der Patentanspruch 1 hat also Bestand. Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die darauf zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 Bestand.

Bertl Dr. Schmitt Dr. Kraus Schuster Na






BPatG:
Beschluss v. 15.01.2004
Az: 17 W (pat) 317/02


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