Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. September 2009
Aktenzeichen: 1 AGH 46/09

(OLG Hamm: Beschluss v. 18.09.2009, Az.: 1 AGH 46/09)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Geschäftswert für das Verfahren wird auf € 50.000,00 festgesetzt.

Gründe

Gründe;

I.

Der jetzt 41-jährige Antragsteller ist seit dem 18.08.1999 als Rechtsanwalt im Bezirk der Antragsgegnerin zugelassen.

Ab dem Jahr 2007 kam es vermehrt zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller. Auf entsprechende Auskunftsschreiben der Antragsgegnerin vom 22.09.2008 sowie 28.10.2008 reagierte der Antragsteller nicht.

Unter dem 07.03.2009 erhielt die Antragsgegnerin durch die Finanzverwaltung NRW Kenntnis davon, dass das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 05.02.2009 (Az. 73 IN 410/08) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers mangels kostendeckender Masse abgewiesen habe.

Dies nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, den Antragsteller mit Schreiben vom

unter Beifügung einer Liste von Forderungen, die zu diesem Zeitpunkt mit einem Betrag von € 33.781,53 endete, zu seinen Vermögensverhältnissen anzuhören. Mit Schreiben vom 20.04.2009 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller nochmalig zur Stellungnahme auf und drohte den Widerruf wegen Vermögensverfalls an.

Der Antragsteller erklärte hierzu mit Schreiben vom 15.05.2009, dass die dem Insolvenzverfahren zugrundeliegende Forderung des Finanzamtes C2 in Höhe von € 21.842,84 durch Schätzung ermittelt und mittlerweile durch Nachmeldung von Steuererklärungen erheblich reduziert worden sei.

Die in der Forderungsaufstellung unter den Ziffern 3, 6 und 7 geführten Forderungen seien von ihm ausgeglichen worden. Belege hierzu legte er nicht bei.

Gleichzeitig gestand er ein, dass er derzeit nicht in der Lage sei, die noch offenen Gesamtverbindlichkeiten in einer Summe zu tilgen.

Seine derzeitige finanzielle Situation beruhe auf der von ihm vorgenommenen Trennung von seiner Ehefrau.

Durch Umstrukturierung seiner Kanzlei und eine damit einhergehende günstigere Kostenstruktur sei er jedoch zuversichtlich, seine Verbindlichkeiten in angemessenen Teilbeträgen abzahlen zu können, wofür Voraussetzung die Fortführung seiner anwaltlichen Tätigkeit sei.

Teilzahlungsabreden fügte er diesem Schreiben nicht bei.

Dass von ihm als Beleg für seine Vermögensverhältnisse in Bezug genommene Gutachten des ehemaligen vorläufigen Insolvenzverwalters fügte er seinem Schreiben vom 15.05.2009 ebenfalls nicht bei und legte es auch nicht auf entsprechende Nachforderung der Antragsgegnerin unter Fristsetzung zum 05.06.2009 vor.

Daraufhin erließ die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Widerrufsverfügung vom 15.06.2009 und stützte diese insbesondere auf die gesetzliche Vermutung des § 26 II InsO, die dem Antragsteller unter dem 16.06.2009 zugestellt worden ist.

Hiergegen richtet sich der vorliegende Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 15.07.2009, vorab per Telefax beim Anwaltsgerichtshof am gleichen Tage eingegangen.

Der Antragsteller begründet seinen Antrag damit, dass er noch mit mehreren Gläubigern in Verhandlungen stehe.

Im Übrigen habe das Finanzamt lediglich eine Forderung in Höhe von € 12.494,87 gegen ihn gehabt, die er zwischenzeitlich "erheblich reduziert" habe, ohne hier konkret zu werden.

Der Prüfungsbericht des Finanzamtes C2 beträfe Umsatzsteuerforderungen des Finanzamtes, die aufgrund der Prüfung von einem Betrag von € 9.018,00 auf € 5.490,72 reduziert worden seien, deren Ausgleich ihm jedoch in einer Summe nicht möglich sei, weshalb er eine ratenweise Zahlung anstrebe.

Bezüglich der in der Forderungsliste der Antragsgegnerin enthaltenen Forderungen belegt er durch Überweisungsträger und Bestätigung des zuständigen Gerichtsvollziehers, dass die Forderung zu Ziffer 6 (Forderung der Firma H unter dem 22.07.2008 ausgeglichen worden sei. Bezüglich der Position 4 (Versorgungswerk der Rechtsanwälte NRW Düsseldorf) stehe er in Verhandlungen zur Vereinbarung einer Ratenzahlung. Belege könne er insoweit nicht beibringen.

Die Position zu Ziffer 7 (PVR S GmbH) sei nach seiner Kenntnis bezahlt, Belege könne er auch hierzu nicht vorlegen. Solle der Betrag tatsächlich noch offen sein, so werde er ihn umgehend bezahlen.

Ausführungen zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen macht er keine.

In rechtlicher Hinsicht vertritt er die Auffassung, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden "weitgehend ausgeschlossen" werden könne.

Er betreibe seine Kanzlei mit Frau Y in Bürogemeinschaft, die sich auch zur Hälfte an den gemeinsamen Betriebskosten beteilige. Eine Gefährdung in Bezug auf einen möglichen Zugriff seiner Gläubiger auf eingehende Fremdgelder könne dadurch vermieden werden, dass bis zur Klärung seiner Vermögensverhältnisse die Verwaltung der für seine Kanzlei eingehenden Gelder auf Frau Y2 übertragen werde, die für sich ein auf ihren Namen lautendes Anderkonto einrichten könne. Diese könne sich dann schuldrechtlich verpflichten, Honorare und sonstige dem Antragsteller zustehende Gelder auf ein von ihm dann neu einzurichtendes Kanzleikonto zu zahlen, dass auf keinem Briefbogen erwähnt werde.

In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller auf entsprechende Nachfrage bestätigt, dass eine Reihe von Verbindlichkeiten noch offen seien, er zwar mit Teilzahlungen begonnen habe, allerdings noch nicht alle offenen Verbindlichkeiten habe erledigen können und auch noch nicht mit allen Gläubigern Teilzahlungsvereinbarungen getroffen habe.

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.06.2009 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Antragsgegnerin hat die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht widerrufen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 II Nr. 7 BRAO angenommen; diese Voraussetzungen sind auch im Nachhinein nicht entfallen.

Gemäß § 14 II Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Vermögensinteressen der Rechtsuchenden nicht gefährdet werden.

Ein Vermögensfall liegt nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes dann vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist und seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.

Er wird darüber hinaus vermutet, wenn ein Rechtsanwalt in das vom Insolvenz- oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

1.

Der Antragsteller befand sich zur Zeit des Erlasses der Widerrufsverfügung vom 15.06.2009 in Vermögensverfall und dieser ist auch in der Folgezeit nicht weggefallen.

Durch den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 05.02.2009, wonach ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers mangels kostendeckener Masse abgewiesen worden ist, greift die Vermutung des § 14 II Nr. 7 BRAO i.V.m. § 26 II InsO.

Darüber hinaus belegen allerdings auch die gegen den Antragsteller eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einen Vermögensverfall. Dass der Antragsteller diese gegen ihn bestehende Forderungen in absehbarer Zeit zurückführen kann oder eine anderweitige Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse zu gewärtigen sei, ist nicht ersichtlich und ist auch von dem Antragsteller in der mündlichen Verhandlung letztlich so eingeräumt worden.

2.

Von einer Gefährdung Rechtsuchender ist vorliegend ebenfalls auszugehen.

Besondere Umstände, die eine abweichende Betrachtung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist insbesondere seine Abrede mit Frau Y2 nicht geeignet, eine solche Gefährdung abstrakt auszuschließen, da es sehr wohl vorstellbar ist, dass der Antragsteller auch Zahlungen in bar entgegennimmt und damit die Abreden betreffend die Errichtung eines Anderkontos leerlaufen würden, abgesehen von der Tatsache, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof durch Zusammenarbeit mit lediglich einem weiteren Anwalt nicht gewährleistet werden kann, dass der Antragsteller lückenlos überwacht wird.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller einen solchen Regelungsmodus auch lediglich angeboten hat, er also noch nicht einmal bis zum heutigen Tage umgesetzt ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 201 I BRAO, 13 a FGG.

Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates in Zulassungssachen.






OLG Hamm:
Beschluss v. 18.09.2009
Az: 1 AGH 46/09


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