Landgericht Arnsberg:
Urteil vom 13. Februar 2004
Aktenzeichen: 2 O 438/03
(LG Arnsberg: Urteil v. 13.02.2004, Az.: 2 O 438/03)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben und den Aufftraggebern sowie potentiellen Auftraggebern anzubieten, dass in Angelegen-heiten des Forderungseinzugs durch gerichtliches Mahnverfahren und Vollstrek-kungsverfahren im Falle des Nichterfolges an den Rechtsanwalt/Vertragsanwalt - bei Abtretung des Gebührenerstattungsanspruchs im übrigen- nur eine vorher festge-legte Pauschale in Euro gezahlt werden muss.
2. es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 150.000,00 Euro, ersatz-weise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu un-terlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben und den Auftraggebern sowie potentiellen Auftraggebern anzubieten, dass für den Fall, dass die Rechtsanwaltsgebühren nicht in voller Höhe beigetrieben werden konnten, nichts über den beigetriebenen Betrag hinaus gezahlt werden muss, sondern ledig-lich der Kostenerstattungsanspruch an Erfüllung statt an den Rechtsanwalt abge-treten werden muss.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 Euro vorläufig voll-streckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar in B.. Er agiert u. a. bundesweit auf dem Gebiet des Forderungseinzugs. Die Beklagte ist ein Inkassounternehmen aus X. und als solches nach Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes zugelassen.
Die Beklagte bewirbt potentielle Auftraggeber im Internet u. a. wie folgt:
"§ 5 der Allgemeinen Inkassobedingungen
U. wird die Forderungssache zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens, soweit ein solches notwendig wird, an Vertragsanwälte abgeben. U. hat insoweit Vollmacht zur Beauftragung von Vertragsanwälten im Namen des Auftraggebers. (....) Der Auftraggeber trägt die Gebühren und Auslagen der Vertragsanwälte. Sollte die Forderung im gerichtlichen Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beigetrieben werden können, so hat der Auftraggeber dem Vertragsanwalt die verauslagten Gerichts-, Gerichtsvollzieher- und sonstigen Barauslagen sowie eine Pauschale in Höhe von 30.- Euro zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer zu zahlen. Bezüglich der über diese Pauschale bzw. im Falle eines Teilerfolges über die beigetriebene Teilforderung hinausgehenden Gebührenansprüche verpflichtet sich der Rechtsanwalt, den Kostenerstattungsanspruch des Auftraggebers gegen den Schuldner an Erfüllung Statt anzunehmen."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift Bezug genommen (Bl. 37 f. d. A.).
Die Beauftragung der Beklagten durch die jeweiligen Auftraggeber kommt per Internet oder Fax zustande.
Mit Schreiben vom 25.08.2003 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, mit der sie sich dazu verpflichten sollte, die o. g. Geschäftsbedingungen nicht weiter zu verwenden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift Bezug genommen (Bl. 40 ff. d. A.).
Der Kläger vertritt die Ansicht, daß das LG Arnsberg nach § 32 ZPO zuständig sei. Es handele sich vorliegend um den Fall des sog. fliegenden Gerichtsstandes. Die Beklagte biete ihre Dienste bundesweit im Internet und mithin auch in B. an.
Weiter vertritt er die Ansicht, daß die Beklagte mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Auftraggeber und potentiellen Auftraggeber mit illegalen Gebührenangeboten bewerbe. Insoweit führt er als verletzte Bestimmungen die §§ 49 b Abs. 1 BRAO und 3 Abs. 5 BRAGO an.
Hinsichtlich § 5 Nr. 3 der Allgemeinen Inkassobedingungen der Beklagten vertritt er die Ansicht, daß eine Abtretung an Erfüllungstatt nur erlaubt sei, wenn die Beitreibung der Gebührenforderung völlig ergebnislos geblieben sei. Dies sei bei einer nur teilweisen Beitreibung nicht der Fall.
Auch sei § 5 Nr. 2 der AGB rechtswidrig. Insofern werde schon nicht nach den in § 3 Abs. 5 BRAGO aufgeführten verschiedenen Arten der Zwangsvollstreckung differenziert. Das Angebot beziehe sich vielmehr auf das gesamte Spektrum der Zwangsvollstreckung. Darüber hinaus werde die vorab erfolgte Pauschale von 30.- Euro nicht den in § 3 Abs. 5 BRAGO genannten Kriterien gerecht. Diese stellten auf den jeweiligen Einzelfall ab.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000.- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben und den Auftraggebern sowie potentiellen Auftraggebern anzubieten, daß in Angelegenheiten des Forderungseinzugs durch gerichtliches Mahnverfahren und Vollstreckungsverfahren im Falle des Nichterfolges an den Rechtsanwalt/Vertragsanwalt - bei Abtretung des Gebührenerstattungsanspruchs im übrigen - nur eine vorher festgelegte Pauschale in Euro gezahlt werden muß.
2. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 150.000.- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben und den Auftraggebern sowie potentiellen Auftraggebern anzubieten, daß für den Fall, daß die Rechtsanwaltsgebühren nicht in voller Höhe beigetrieben werden konnten, nichts über den beigetriebenen Betrag hinaus gezahlt werden muss, sondern lediglich der Kostenerstattungsanspruch an Erfüllung statt an den Rechtsanwalt abgetreten werden muss.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, daß sich die vom Kläger beanstandeten Klauseln nicht auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und der Beklagten, sondern auf das zwischen dem Auftraggeber und dem jeweiligen Vertragsanwalt bezögen. Durch § 5 Nr. 2 der AGB werde nur vereinbart, daß der Auftraggeber nur höchstens 30.- Euro an Gebühren zahlen müsse. Dies heiße aber nicht, daß die Beklagte nicht den restlichen Teil übernehmen könne, wenn der Fall auftrete, daß die Pauschale zu niedrig bemessen sei. Zudem sei die Pauschale von 30 .- Euro bei den von den Vertragsanwälten zu bearbeitenden Mandanten "regelmäßig" angemessen. Das Haftungsrisiko und der Arbeitsaufwand seien hier "weitgehend gleichartig". Die Mandate zeichneten sich durch einen "hohen Grad an Gleichförmigkeit" aus. Das Haftungsrisiko sei unterdurchschnittlich, so daß sich eine Pauschalierung "förmlich aufdränge". In schwierigen Fällen würde der Auftraggeber sowieso direkt einen Anwalt beauftragen. § 3 Abs. 5 BRAGO solle die wirtschaftlichen Belange des Anwalts schützen. Diese Belange würden durch diese Klausel nicht eingeschränkt. Der Anwalt, der mit der Beklagten zusammenarbeite, wisse vielmehr, daß er eine Vielzahl von Mandaten erhalte. Die den einzelnen Mandaten zugrunde liegenden Forderungen seien nach § 3 Nr. 1 AGB vom Gegner auch noch nicht bestritten worden. Mithin beschränke sich die Arbeit des Anwalts "in der überwiegenden Zahl der Fälle" auf bloße Überwachungstätigkeiten, ohne "vertiefte juristische Kenntnisse". Die Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten brächten dem Anwalt fortlaufende Bezüge.
Die Klage diene nur der Geltendmachung von Anwaltsgebühren und sei mithin mißbräuchlich im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG.
Hinsichtlich der Klageerweiterung vertritt die Beklagte die Ansicht, daß der Antrag schon nicht hinreichend bestimmt sei. Es sei nicht klar, worin dieser sich vom ersten Antrag unterscheide. Auch sei aus § 3 Abs. 5 BRAGO nicht zu entnehmen, daß dieser nur dann einen Annahme an Erfüllungstatt zulasse, wenn die Forderung im ganzen uneinbringlich sei. Vielmehr müsse diese Norm im Lichte der Art. 12 und 3 GG ausgelegt werden. Insbesondere sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, sollte eine nur teilweise Beitreibung einer verhältnismäßig geringen Forderung zu einem Ausschluß der Sonderregelung des § 3 Abs. 5 BRAGO führen.
Hinsichtlich der nicht in § 3 Abs. 5 BRAGO aufgeführten Arten der Zwangsvollstreckung behauptet die Beklagte, daß diese in ihrer Praxis die "absolute Ausnahme" darstellten. In diesen Fällen bestünde mit den Vertragsanwälten die Abmachung, daß nach Erlangung des Titels entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen nur nach Rücksprache mit dem Auftraggeber erfolgen sollten. Dieser würde dann auch darauf hingewiesen, daß er die dafür anfallenden vollen Kosten zu tragen hätte.
Weiterhin vertritt sie die Ansicht, daß diese Frage nicht streitgegenständlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg ist zumindest durch rügelose Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2004 nach § 39 ZPO begründet worden.
Der Kläger kann von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbung nach §§ 1 UWG, 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO verlangen.
Der Anspruch hinsichtlich der Androhung von Zwangsmitteln für den Fall der Missachtung des Unterlassungsgebotes folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.
Nach § 49 b Abs. 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als die BRAGO für Rechtsanwälte vorsieht, soweit diese nicht etwas anderes bestimmt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere werden die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht von § 3 Abs. 5 BRAGO gedeckt. Danach kann sich ein Rechtsanwalt für das gerichtliche Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren nach den §§ 803-863 und 899-915 ZPO verpflichten, daß er, wenn der Anspruch des Auftraggebers auf Erstattung der gesetzlichen Vergütung nicht beigetrieben werden kann, einen Teil des Erstattungsanspruchs an Erfüllungstatt annehmen werde. Nach S. 3 muß der an den Rechtsanwalt vom Auftraggeber zu entrichtende Teil in angemessenem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftung des Anwalts stehen.
Mithin verstößt die von der Beklagten verwendete Klausel § 5 Nr. 2 schon gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 5 BRAGO. Denn § 5 Nr. 2 beinhaltet die in § 3 Abs. 5 S. 2 BRAGO vorgenommene Einschränkung auf die
§§ 803-863 und §§ 899-915 ZPO nicht. Die Klausel umfasst somit sämtliche Fälle der Zwangsvollstreckung. Dem steht aber das grundsätzliche Verbot des § 49 b Abs. 1 BRAO entgegen.
An diesem Ergebnis ändert auch der von der Beklagten vorgetragene Einwand nichts, daß diese Frage nicht streitgegenständlich sei. Der Kläger hat auf diesen Umstand bereits in seiner Klageschrift hingewiesen, mithin die Klausel in ihrer Gesamtheit zur Überprüfung gestellt und somit zum Streitgegenstand gemacht.
Sofern die Beklagte vorträgt, daß in den Fällen der Zwangsvollstreckung, die § 3 Abs. 5 BRAGO nicht aufführt, eine Absprache mit den Anwälten bestehe, dann die vollen Gebühren von den Auftraggebern zu verlangen, ändert dies die rechtliche Beurteilung des § 5 Nr. 2 nicht. Bei Vertragsschluß geht der potentielle Auftraggeber davon aus, im Falle der Erfolglosigkeit der Beitreibung nur die Pauschale von 30.- EUR zahlen zu müssen. Diese Vereinbarung mit der Beklagten bindet nach § 5 Nr. 3 AGB auch den später eingeschalteten Anwalt. Wenn sich nun der Anwalt über die durch die AGB der Beklagten zustande gekommene vertragliche Vereinbarung im Verlaufe der Zwangsvollstreckung und somit nach Erstreiten des Titels hinwegsetzt, bricht er den Vertrag mit seinem Mandanten. Dieser konnte bis zu diesem Zeitpunkt immer noch davon ausgehen, daß sein Anwalt den über 30,- EUR hinausgehenden Betrag im Wege der Annahme an Erfüllung Statt akzeptieren werde. Indem die Beklagte selbst vorträgt, mit den Vertragsanwälten eine entsprechende Vereinbarung getroffen zu haben, so zu verfahren, begründet dies Umstände, die eine Zurechnung des fremden Vertragsbruches erfordern. Mithin kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, daß nicht sie den Vertrag bricht, sondern der Anwalt. Dies gilt vorliegend um so mehr, als die Beklagte die insoweit streitgegenständlichen AGB gegenüber Auftraggeber und Vertragsanwalt vorformuliert hat.
Auch die Rechtsansicht der Beklagten, daß nur der Anwalt und nicht sie einen Wettbewerbsverstoß begehe, überzeugt nicht. Die Beklagte hat die AGB so ausgestaltet, daß sie sowohl ihre vertraglichen Beziehungen zu Auftraggeber und Vertragsanwalt als auch direkt das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Anwalt betreffen. Mithin fördert die Beklagte nicht nur den Verstoß gegen die BRAGO und die BRAO, sondern sie fordert diesen sogar von jedem Anwalt, der für sie tätig sein will. Sie baut ihre Geschäfte somit auf der wettbewerbswidrigen Missachtung der berufsständischen Pflichten eines anderen auf. Sie nutzt damit die Berufsstandvergessenheit anderer (vgl. Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 UWG, Rn 677). Damit liegt auch ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG vor.
Soweit die Beklagte meint, dieser festgestellte Verstoß gegen § 3 Abs. 5 BRAGO läge letztendlich nicht vor, da die Möglichkeit bestünde, daß die Beklagte aus ihrem Vertragsverhältnis zum Anwalt heraus, diesem in Einzelfällen den über die vom Auftraggeber gezahlten 30.- EUR hinaus gehenden Differenzbetrag bis zum "angemessenen Teil" im Sinne des § 3 Abs. 5 BRAGO selbst zahlen könnte, verkennt sie, daß mit einer solchen Begründung nahezu jede rechtswidrige Vertragsklausel gehalten werden könnte. Ein Dritter könnte immer die gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen eines anderen erfüllen, von denen dieser sich durch Verwendung von AGB freihält. Dies ändert jedoch nichts daran, daß diese Klausel dem Anwalt hierauf keinen Anspruch gibt. Nur wenn dem Anwalt ein verbindlicher Anspruch nach § 328 BGB o. ä. gegen die Beklagte zustehen würde, könnte die Klausel noch den gesetzlichen Regelungen der
§§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO genügen. Ohne diesen Anspruch geht der Anwalt zum Zeitpunkt der Begründung des Mandatsverhältnisses eine Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber ein, nur 30,-- Euro von diesem tatsächlich ausgezahlt zu bekommen. Die Beklagte versucht mithin durch ihre Argumentation, die Klausel als der gesetzlichen Konzeption entsprechend darzustellen, indem sie dem Anwalt anstelle des ihm nach § 3 Abs. 5 BRAGO gesetzlichen Anspruchs auf einen angemessenen Teil der Vergütung eine rechtlich nicht verbindliche Zahlungsmöglichkeit ihrerseits gibt. Dies steht jedoch erkennbar im Widerspruch zu der gesetzlichen Grundkonzeption der §§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO, wonach der Anwalt stets Anspruch auf wenigstens einen angemessenen Teil seiner Vergütung haben soll.
Aus diesem Grund vermag auch die Rechtsansicht der Beklagten nicht zu überzeugen, daß ihre Klauseln dem Schutzzweck des § 3 Abs. 5 BRAGO genügen würden, da der Anwalt durch seine vertragliche Verbindung zu der Beklagten "laufend mit größtenteils völlig komplikationslos ablaufenden Mandaten" wirtschaftlich abgesichert sei. Der Anwalt bekäme "im Mittelwert" einen mehr als ausreichenden Betrag pro Mandat. Denn die BRAO stellt hinsichtlich der Vergütung immer auf den Einzelfall ab. So wird der Stellung des Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) Rechnung getragen. Würde ein rechnerisches Mittel aller Mandatsbeziehungen maßgeblich sein, könnte der Anwalt leicht in die wirtschaftliche Abhängigkeit eines bestimmten Mandaten bzw. Mandantenstammes geraten. Er wäre mithin nicht mehr unabhängig. Dem entspricht auch § 49 b Abs. 3 BRAO. Danach ist die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art unzulässig. Durch diese Regelung soll u. a. ausdrücklich ausgeschlossen werden, daß der Anwalt bei einem Mandat auf einen Teil der ihm gesetzlich zustehenden Gebühren verzichtet, um zukünftig wieder beauftragt zu werden. Genau darauf liefe aber die Argumentation der Beklagten hinaus. Der Anwalt soll schwierige oder/und haftungsintensive Mandate für eine Pauschale bearbeiten und sich seinen restlichen Gebührenanspruch an Erfüllungstatt abtreten lassen, damit er von der Beklagten einfache Mandate als Kompensation erhält. Im Mittel werde er angemessen bezahlt. Diese Mittelwertbildung läuft jedoch erkennbar dem gesetzlichen Zweck entgegen.
Auch der Einwand der Beklagten, daß die zu zahlende Pauschale von 30.- Euro "regelmäßig" durchaus ein angemessener Teil im Sinne des § 3 Abs. 5 BRAGO sei, muß der Erfolg versagt bleiben. Schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 3 BRAGO folgt, daß auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen ist. Danach beurteilt sich die Angemessenheit nach dem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftung des Anwalts. Diese Kriterien können nicht vorab im Wege einer Pauschalierung zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß aufgrund dieser Pauschalierung durchaus der Fall auftreten kann, daß die an den Rechtsanwalt von seinem Mandaten zu zahlende gesetzliche Vergütung unterschritten werden kann. Damit liegt jedoch schon ein Verstoß gegen die §§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO vor. Aus den oben genannten Gründen ist das Abstellen auf den Regelfall und damit wiederum auf die Gesamtheit der Mandate unzulässig.
Auch der mit der Klageerweiterung verfolgte Antrag ist zulässig und begründet.
Denn § 5 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sieht vor, daß sich der Rechtsanwalt schon vorab verpflichtet, den über die Pauschale bzw. im Falle des Teilerfolges über die beigetriebene Teilforderung hinausgehenden Gebührenanspruch des Auftraggebers gegen den Schuldner an Erfüllungstatt anzunehmen.
Insofern wird zunächst auf die Begründung zu § 5 Nr. 2 der AGB Bezug genommen. Diese gilt auch hier. Ergänzend ist auszuführen, daß der Einwand der Beklagten, § 3 Abs. 5 BRAGO müsse im Lichte der Art. 12 und 3 GG so ausgelegt werden, daß er auch die nur teilweise Beitreibung erfasse, nicht dem Ausnahmecharakter der Vorschrift gerecht wird. Nach der Ausgangsvorschrift des § 49 b Abs. 1 BRAO ist die Annahme an Erfüllungstatt nur zulässig, wenn das Gesetz dies vorsieht. Damit hat der Gesetzgeber seine Grundsatzentscheidung getroffen, die nur in den von ihm erfaßten Fällen Abweichungen zuläßt. Folglich müssen diese Ausnahmetatbestände restriktiv ausgelegt werden. Für eine extensive Auslegung ist auch unter Berücksichtigung der Art. 12 und 3 GG kein Raum. Selbst wenn § 3 Abs. 5 BRAGO mit dem Grundgesetz unvereinbar sein sollte, wofür bislang jeglicher Anhaltspunkt fehlt, bliebe es bei der Grundregel des § 49 b Abs. 1 BRAO. Danach dürfte nicht von den Vorschriften der BRAGO abgewichen werden. Die Beklagte führt nicht einmal selbst an, daß § 49 b BRAO verfassungswidrig sein könnte. Dies ist jedoch auch nicht ersichtlich (vgl. OLG Hamm 4 U 55/03 Urteil vom 12.08.2003).
Zwischen den Parteien besteht auch ein Wettbewerbsverhältnis. Beide bieten gewerbsmäßig bundesweit den Forderungseinzug an. Potentielle Kunden können mithin die Preise vergleichen. Insofern kommt der Beklagten durch die Verwendung der Klauseln auch ein Wettbewerbsvorteil zu. Denn sie bietet darin diese Leistungen unter Verstoß gegen die BRAO und BRAGO zu einem Preis an, der dem mit der BRAGO arbeitenden Kläger verwehrt ist. Der Wettbewerbsvorteil der Beklagten entspricht somit dem Wettbewerbsnachteil des Klägers. Solche Verstöße gegen die zwingenden Vorschriften der BRAGO sind im Regelfall auch als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG anzusehen, weil es sich bei ihnen um Vorschriften zum Schutz der Rechtspflege und damit um solche zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter handelt (OLG Hamm 4 U 55/03 Urteil vom 12.08.2003). .
Der Hinweis der Beklagten auf § 13 Abs. 5 UWG geht fehl. Der Kläger trägt vor, bundesweit auf dem Gebiet des Forderungseinzugs tätig zu sein. Dieser Vortrag wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Sie trägt dem gegenüber vor, daß der Kläger bundesweit Inkassoinstitute und Rechtsanwälte wegen vergleichbarer Klauseln in den AGB abmahne. Allein aus der Tatsache, daß sich der Kläger gegen die Verwendung solcher Klauseln wehrt, kann aber noch nicht der Schluß gezogen werden, daß er nur wegen der anfallenden Gebühren tätig werde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger vorgeben würde, bundesweit Forderungseinzug zu betreiben, obwohl dies gar nicht den Tatsachen entspricht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
LG Arnsberg:
Urteil v. 13.02.2004
Az: 2 O 438/03
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