Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 167/03

(BPatG: Beschluss v. 21.06.2006, Az.: 29 W (pat) 167/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 11. November 1999 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 399 29 361 EGGENET für die Dienstleistungen Telekommunikation; Datenverarbeitungwurde Widerspruch erhoben aus der am 6. März 2000 eingetragenen Wortmarke 398 52 216 EGG der am 4. Juli 2000 eingetragenen Wortmarke 398 56 890 egg.comsowie aus der am 14. März 2000 eingetragenen Wort-/Bildmarke 398 52 217 Grafik der Marke 39852217.0

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Die Widersprüche wurden unbeschränkt erhoben. Alle drei Widerspruchsmarken sind jeweils mit identischem Verzeichnis eingetragen für verschiedene Dienstleistungen, u. a. für die Dienstleistungen Telekommunikation einschließlich internetbezogene Telekommunikationsdienste; Bereitstellen von Zugangsmöglichkeiten zu Verbindungen zu Computer-Datengrundgeräten und zum Internet; E-Mail-Datendienste; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Verschaffen von Zugang zu und Verleihen von Zugangszeit zu Computer-Datengrundgeräten; Computervermietung; Design und Entwurf des Layouts der Netzwerkseiten (einschließlich grafisches und typografisches Design) sowie Erstellung von Schreiben (auch Netzwerkinhalte) für die Aufstellung von Netzwerkseiten; Sammeln, Liefern und Bereitstellen von technischen Informationen sowie technische Beratung, jeweils betreffend oder in Bezug auf alle Dienstleistungen in Klassen 35 bis 42.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 21. Mai 2001 die Widersprüche und mit Beschluss vom 24. April 2003 die dagegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen. Zwar lägen die Dienstleistungen der angegriffenen Marke im Identitäts- bzw. Ähnlichkeitsbereich mit den von den Widerspruchsmarken erfassten Dienstleistungen. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken halte die jüngere Marke aber den erforderlichen Abstand ein. Im maßgeblichen Gesamteindruck seien die Zeichenunterschiede offensichtlich. Eine Prägung der angegriffenen Marke allein durch den Bestandteil "EGGE" komme nicht in Betracht, weil das jüngere Zeichen einen einheitlichen Gesamtbegriff darstelle. Für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr fehlten hinreichende Anhaltspunkte, weil es sich bei den zu vergleichenden Wortbestandteilen "EGG" und "EGGE" nicht um wesensgleiche Stammbestandteile handle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass auf Grund der erheblichen Markenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr bestehe. Die angegriffene Marke sei nach Art einer Internetadresse gebildet. Bei dem Bestandteil "NET" handele es sich um eine Top-Level-Domain, die vom Verkehr lediglich als beschreibender Hinweis auf eine Internetadresse erfasst werde. Der danach für den Zeichenvergleich allein maßgebliche Bestandteil "EGGE" sei mit der Widerspruchsmarke "EGG" nahezu identisch. Hinsichtlich der beiden weiteren Widerspruchsmarken bestehe eine enge Ähnlichkeit, weil sie im Gesamteindruck allein von dem Bestandteil "EGG" geprägt würden.

Die Beschwerdeführerin und Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 399 29 361 anzuordnen.

Die Beschwerdegegnerin und Markeninhaberin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Markeninhaberin tritt der Beschwerde mit der Begründung entgegen, dass wegen der fehlenden Zeichenähnlichkeit für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen bestehe. Im maßgeblichen Gesamteindruck seien die Unterschiede in Klang, Schriftbild und Sinngehalt deutlich. Eine Prägung der angegriffenen Marke allein durch den Bestandteil "EGGE" komme nicht in Betracht, da die Marke "EGGENET" einen einheitlichen Gesamtbegriff bilde. Wegen des unterschiedlichen Sinngehalts der sich gegenüberstehenden Bestandteile "EGGE" und "EGG" sei auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ausgeschlossen. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2006, eingegangen beim Gericht am 12. Juni 2006, hat die Markeninhaberin außerdem die Benutzung der Widerspruchsmarken bestritten.

Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2006 beantragt, die Nichtbenutzungseinrede als verspätet zurückzuweisen. Die Einrede sei zeitlich so knapp vor der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2006 erhoben, dass eine fristgemäße Einreichung von Benutzungsunterlagen nicht möglich sei. Der Inhaberin der angegriffenen Marke sei bekannt, dass die Widersprechende ihren Firmensitz in Großbritannien habe und Benutzungsunterlagen daher nicht kurzfristig vorgelegt werden könnten. Sie habe außerdem ausreichend Zeit gehabt, die Benutzungseinrede zu erheben.

Die Widersprechende hat keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht. Beide Parteien haben, wie angekündigt, nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Ohne dass es auf die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken ankommt, besteht für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG).

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 17 ff. - Canon; BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo). Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall die Verwechslungsgefahr verneint werden.

2. Ob die von der Markeninhaberin nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede verspätet war, kann dahingestellt bleiben. Die von der angegriffenen Marke erfasste Dienstleistung "Telekommunikation" ist in den Verzeichnissen der Widerspruchsmarken identisch enthalten. Zwischen der Dienstleistung "Datenverarbeitung" der angegriffenen Marke und der von den Widerspruchsmarken erfassten Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" besteht enge Ähnlichkeit, denn beide Dienstleistungen weisen nach Art und Zweck eine weitgehende Übereinstimmung auf (vgl. BGH GRUR 2001, 164, 165 - Wintergarten).

3. Für die Widerspruchsmarken ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Wortbestandteil "EGG" entspricht zwar dem englischen Ausdruck für "Ei", ist aber in Verbindung mit den verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie nicht als beschreibende Angabe gebräuchlich. Eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarken auf Grund des beschreibenden Anklangs des Bestandteils "EGG" kommt daher nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

4. Unter Berücksichtigung der Identität bzw. engen Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ist daher ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen für das Publikum auszuschließen. Diesen Abstand hält die angegriffene Marke ein.

4.1. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der Marken in Klang, Schriftbild und Bedeutung abzustellen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, genügt in der Regel eine Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH a. a. O. - coccodrillo).

4.2. Im Verhältnis zur Widerspruchsmarke Grafik der Marke 39852217.0 sind die Zeichenunterschiede auf Grund der verschiedenen Länge der Wortbestandteile und der grafischen Gestaltung offensichtlich.

4.3. Auch von der Widerspruchsmarke "EGG" unterscheidet sich die jüngere Marke in Klang und Schriftbild durch Länge und Silbenzahl. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit könnte allerdings dann anzunehmen sein, wenn die angegriffene Marke im Gesamteindruck allein von dem Bestandteil "EGGE" dominiert würde (vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling).

Bei der angegriffenen Marke handelt es sich aber um einen einheitlichen Gesamtbegriff, der im Gesamteindruck von den beiden Bestandteilen "EGGE" und "NET" gleichermaßen mitgeprägt wird. Im hier maßgeblichen Bereich der Telekommunikations- und Providerdienste kennzeichnen vor allem regionale Netzwerkbetreiber ihrer Angebote häufig mit Wortzusammensetzungen, die aus einer geografischen Angabe und dem Begriff "Net" gebildet sind, wie z. B. NetCologne, Hanse-Net, BerlinNet (vgl. BPatG 29 W (pat) 88/02 - KielNET). Der überwiegende Teil des angesprochenen Publikums erkennt in dem Begriff "EGGE" daher den beschreibenden Hinweis auf das Eggegebirge und hat keinen Anlass die angegriffene Marke auf den Bestandteil "EGG" zu verkürzen.

4.4. Der Zeichenvergleich mit der Widerspruchsmarke "egg.com" zeigt eine Übereinstimmung in den drei Anfangsbuchstaben, aber deutliche klangliche und begriffliche Unterschiede in den Bestandteilen "egg" und "EGGE" sowie "com" und "NET", so dass im Gesamteindruck der Zeichen die Unterschiede überwiegen. Selbst wenn man zu Gunsten der Widersprechenden unterstellt, dass im Gesamteindruck der zweiteiligen Widerspruchsmarke der Bestandteil "egg" dominiert, fehlt es an einer die Verwechslungsgefahr begründenden Markenähnlichkeit, weil die angegriffene Marke wie oben ausgeführt als einheitlicher Gesamtbegriff wahrgenommen wird.

5. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ist nicht zu befürchten. Der Stammbestandteil "EGG" der Widerspruchsmarken ist mit dem Bestandteil "EGGE" der angegriffenen Marke weder identisch noch nach Klang oder Bedeutung wesensgleich, so dass das angesprochene Publikum keine Veranlassung hat, die angegriffene Marke der Zeichenserie der Widersprechenden zuzuordnen. Ebenfalls ausgeschlossen ist die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der das Publikum zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, aber wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung von organisatorischen oder wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Diese Verwechslungsgefahr kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden, insbesondere wenn die Widerspruchsmarke zugleich das Firmenschlagwort darstellt, was hier nicht der Fall ist (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 867 - Mustang; GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder).

6. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 21.06.2006
Az: 29 W (pat) 167/03


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