Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 11. Juni 2013
Aktenzeichen: L 18 R 843/11

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 11.06.2013, Az.: L 18 R 843/11)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.8.2011 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 1967 geborene Klägerin ist Volljuristin (Erste Juristische Staatsprüfung 1992; Zweite Juristische Staatsprüfung 1996). Seit 1996 ist sie beim Konzern H. Deutschland beschäftigt. 1996 begann sie als Sachbearbeiterin zur Schadenregulierung bei der Versicherungsgesellschaft Deutscher M. Versicherungen (später: H. M. Versicherung AG und ab 2003 U. H. Versicherung AG). Im September 2008 wechselte sie konzernintern auf die Stelle einer Sachbearbeiterin in der Abteilung "Prozess/Regress" bei der H. Deutschland Schadenmanagement GmbH (fortan: HDSM). Für diese Stelle gesucht wurde ein(e) Volljurist(in) mit Erfahrung in spartenübergreifender Schadenregulierung. Nach der Stellenbeschreibung zählt es zu ihren Aufgaben, spartenübergreifend Prozesse auf juristischem, wirtschaftlichem und unfallanalytischem Niveau zu bearbeiten, externe Rechtsanwälte zu beauftragen und die Fälle zu überwachen, Gerichtstermine wahrzunehmen, Feedback zu den Prozessergebnissen zu geben und andere Schadenbereiche in Verfahrensfragen zu beraten. Die Klägerin ist seither tätig in der Gruppe "Prozess/Regress". Diese gehört neben den Gruppen "Betrugsprävention" und "Prozess" zur Spezialschadenabteilung der H. Deutschland Schadensmanagement GmbH. In der Gruppe "Prozess/Regress" sind sieben Volljuristen und sieben Rechtsanwalts- und Notargehilfen beschäftigt. Gruppenleiterin ist eine Versicherungsbetriebswirtin. In der Gruppe werden Prozesse ab Klageeingang und Regresse ab Einleitung des Mahnverfahrens bearbeitet. Die Akten werden elektronisch geführt und sind - anders als die Akten der Gruppe "Betrugsprävention" - nicht vor Zugriffen aus der Gesamtabteilung geschützt.

Für die Jahre 2003 - 2010 meldete der Arbeitgeber für die Klägerin zur Sozialversicherung (DEÓV) den Tätigkeitsschlüssel 694 und seit 2011 (Umstellung des Tätigkeitsschlüssels) den Tätigkeitsschlüsssel 72133.

Am 30.7.2003 wurde die Klägerin von der Rechtsanwaltskammer I. für eine Nebentätigkeit als Rechtsanwältin "c/o RA U1. I1." in E zugelassen. Seither ist sie auch Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (fortan: Versorgungswerk). Sowohl gegenüber der Rechtsanwaltskammer als auch gegenüber dem Versorgungswerk gab sie an, neben dem Rechtsanwaltsberuf noch eine sonstige Tätigkeit als Angestellte auszuüben. Zuvor hatte sie im Rahmen eines - später zurückgenommen - Zulassungsantrags bei der Rechtsanwaltskammer E. gegenüber ihrer Arbeitgeberin versichert, die Mitgliedschaft im Versorgungswerk lediglich wegen der damit verbundenen Altersversorgung anzustreben (Schreiben vom 27.10.2002). Bei der von der Rechtsanwaltskammer von der Arbeitgeberin geforderten Freistellungserklärung handele es sich aus ihrer Sicht um eine reine Formsache, die intern jederzeit widerruflich sei (Schreiben vom 27.12.2002). Die U. H. Versicherung AG als damalige Arbeitgeberin erklärte gegenüber der Rechtsanwaltskammer "unwiderruflich", dass der Klägerin "neben der Ausübung des Arbeitsverhältnisses jederzeit gestattet" sei, "als Anwältin tätig zu sein", und sie "in diesem Zusammenhang jederzeit Gerichtstermine wahrnehmen und auch jederzeit in Eilfällen tätig werden" könne. In einem damaligen - nur dem Versorgungswerk vorgelegten und später nicht weiter verfolgten - Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und in einem weiteren Schreiben gab sie 2003 gegenüber dem Versorgungswerk an, nicht als Rechtsanwältin, sondern als Sachbearbeiterin angestellt zu sein.

Die Klägerin hat die Kanzleianschrift in E damals angegeben, um ständig erreichbar zu sein. Sie arbeitet mit Rechtsanwalt I1. nicht in einer Sozietät zusammen und ist auch nicht im Briefkopf aufgeführt. Lediglich ihr Namensschild befindet sich am dortigen Briefkasten. Weder an der Kanzlei in E noch in den Büroräumen der HDSM findet sich ein Kanzleischild, das auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin hinweist. Die Klägerin hat der Rechtsanwaltskammer I. 2008 den Wechsel der Tätigkeit und/oder einen weiteren Kanzleisitz nicht angezeigt. Sie hat lediglich eine Nebentätigkeit als Rechtsanwältin bis zu Gesamteinnahmen in Höhe von etwa 3000 Euro haftpflichtversichert. Aus den Einkommensteuerbescheiden der Klägerin ergeben sich für 2005 - 2008 positive, für 2009 - 2011 negative Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Auf Bitten der Klägerin sprach die HDSM 2010 eine Freistellungserklärung gegenüber der Rechtsanwaltskammer aus. Darin erklärt sie, dass die Klägerin "neben ihrer Tätigkeit als Angestellter den Beruf als Rechtsanwalt ausübe" und dass sie sich zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine jederzeit von ihrem Dienstplatz entfernen dürfe, selbst wenn etwaige für ihren Arbeitgeber wahrzunehmende Termine mit den in ihrer Anwaltspraxis anstehenden Terminen kollidierten. Die HDSM wies die Klägerin jedoch zeitgleich darauf hin, dass sie die Genehmigung zur Rechtsanwaltszulassung nur unter dem Vorbehalt erteile, dass die Arbeit für die HDSM nicht durch die Zulassung beeinträchtigt werde. Die Klägerin werde keine Mandate für oder gegen den Konzern übernehmen und auch keine Mandate für oder gegen andere Versicherungsunternehmen.

Am 12.10.2009 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer. Sie nehme täglich die Aufgabenfelder Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung, Rechtsberatung und Rechtsvermittlung kumulativ wahr. Ihre Kollegen, die ebenfalls als juristische Sachbearbeiter geführt würden, seien erst kürzlich von der Rentenversicherungspflicht befreit worden. Die HDSM sei ein Dienstleistungsunternehmen und mit der versicherungstechnischen Abwicklung eines Schadensfalls grundsätzlich nicht befasst. Sie übernehme den Fall erst mit der Klage bzw. erhebe im Regressfall selbst Klage. Insofern unterscheide sich ihre Tätigkeit nicht von der eines niedergelassenen Rechtsanwalts.

Die Beklagte lehnte ab, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, weil sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber nicht anwaltlich beschäftigt sei. Sie sei als Sachbearbeiterin Prozess/Regress angestellt. Eine sachbearbeitende Tätigkeit sei nicht frei, sondern stets weisungsgebunden (Bescheid vom 20.10.2009, Widerspruchsbescheid vom 22.3.2010).

Die hiergegen am 7.4.2010 erhobene Klage hat die Klägerin im Wesentlichen damit begründet, dass sie eine "anwaltliche Tätigkeit" bei einem "nichtanwaltlichen Arbeitgeber" ausübe. Sie erfülle alle vier im Merkblatt der Beklagten vom Juni 2005 aufgeführten Merkmale (Rechtsberatung, Rechtsgestaltung, Rechtsentscheidung, Rechtsvermittlung) einer berufstypischen Tätigkeit.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2010 wird aufgehoben.

2. Die Klägerin - Rechtsanwältin B. I2. - wird für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin bei der B H. Schadensmanagement GmbH gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI vom 1.10.2008 an von der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung befreit.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Es sei unstreitig, dass juristische Kenntnisse für die Ausübung der Tätigkeit als Sachbearbeiterin Prozess/Regress hilfreich seien. Diese machten die Tätigkeit aber nicht zu einer anwaltlichen. Die das Bild eines Rechtsanwalts bestimmenden typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung seien schon aufgrund des Óber- und Unterordnungsverhältnisses nicht gegeben. Soweit in gleich gelagerten Fällen Befreiungen von der Versicherungspflicht tatsächlich ausgesprochen worden sein sollten, könne die Klägerin daraus für sich keinen Anspruch auf Gleichbehandlung ableiten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit: Sie sei als Rechtsanwältin zugelassen und zahle Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Nach der Arbeitgeberauskunft seien alle vier Kriterien für eine berufstypische Tätigkeit eines Syndikusanwalts bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber erfüllt (nach Anhörung ergangener Gerichtsbescheid vom 15.8.2011).

Dagegen hat die Beklagte am 9.9.2011 Berufung eingelegt. Die Tätigkeit als angestellte Juristin erfülle allein nicht die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht. Sie begründe weder eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer noch bei einem juristischen Versorgungswerk. Die Klägerin sei nicht anwaltlich tätig, weil sie nicht mit Rechtsangelegenheiten im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) beschäftigt sei. Aber auch die vier Kriterien für die Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit seien nicht erfüllt. Der für Anwaltssachen zuständige Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) habe zuletzt mit (Beschluss vom 7.2.2011, Az. AnwZ (B) 20/10) bestätigt, dass derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig werde. Die streitgegenständliche Beschäftigung als juristische Sachbearbeiterin habe die Klägerin erst nach ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgenommen. Sie habe diese Beschäftigungsaufnahme der Rechtsanwaltskammer offenbar nicht angezeigt.

Mit Beschluss vom 8.1.2013 hat der Senat die HDSM (fortan: Beigeladene) und das Versorgungswerk (fortan: Beigeladener) zum Verfahren beigeladen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.8.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Beigeladene sei innerhalb des Versicherungskonzerns für die tatsächliche und rechtliche Abwicklung von Schäden ab einer Größenordnung von 50.000 EUR an aufwärts und für die Führung aller Prozesse des Konzerns verantwortlich. Bei ihr seien rund 550 Mitarbeiter, darunter 150 Juristen beschäftigt, die jedes Jahr rund 10.000 Prozesse vor den Gerichten abgewickelten. Es handelte sich also um ein hochspezialisiertes Unternehmen, dass mit einer großen Kanzlei vergleichbar sei. Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin sei die Bearbeitung von Prozessen aus der privaten Haftpflichtversicherung und der privaten Unfallversicherung. Sie führe und beaufsichtige die eingeschalteten Rechtsanwälte und genehmigte die Schriftsätze. Die persönliche Zahlungsvollmacht lag zunächst bei 50.000 Euro, darüber hinaus benötigte sie eine Zweitunterschrift. Seit dem 1.7.2012 sei sie Stellvertreterin der Gruppenleiterin. Damit habe sich ihre Zeichnungsbefugnis auf 150.000 Euro erhöht.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Der Beigeladene ist der Auffassung, der von der Beklagten im Jahr 2005 in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen erarbeitete Kriterienkatalog (Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsvermittlung und Rechtsgestaltung) sei ein geeigneter Prüfungsmaßstab zur Prüfung des Vorliegens einer anwaltlichen Tätigkeit. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Personalakte der Klägerin bei der Beigeladenen sowie die Verwaltungsakte des Beigeladenen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid vom 29.10.2009 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.3.2010, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist im Ergebnis rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die bei der Beigeladenen ausgeübte Beschäftigung, § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

I. Nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte [ ] für die Beschäftigung [ ], wegen der sie [ ] kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn [ ]. Der Befreiungstatbestand erfordert damit im Kern, dass der Versicherte wegen der Tätigkeit, für die er Befreiung begehrt, Mitglied einer berufsständischen Vereinigung ist und dieser Zusammenhang kraft gesetzlicher Verpflichtung besteht. An beidem fehlt es, da die Klägerin nicht wegen der bei der Beigeladenen ausgeübten Beschäftigung Mitglied der Rechtsanwaltskammer I. ist (im Folgenden 1.) und diese Beschäftigung sie auch nicht kraft Gesetzes verpflichtet, Mitglied der Rechtsanwaltskammer I. zu sein oder zu werden (im Folgenden 2.). Der eindeutige Wortlaut des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI kann entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht in einem anderen Sinn (weit) ausgelegt werden; insbesondere genügt für einen Anspruch auf Befreiung nicht bereits, dass die Tätigkeit wesentliche Elemente einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit aufweist, also rechtsberatend, -entscheidend, -vermittelnd und -gestaltend (sog Vierkriterientheorie) ist (im Folgenden 3.). Für eine Befreiung genügt auch nicht, dass die Klägerin 2003 als selbstständige Rechtsanwältin zugelassen und damit gleichzeitig Mitglied einer berufsständischen Kammer geworden ist (im Folgenden 4.). Das Ergebnis steht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Einklang (im Folgenden 5.).

1. Als bei der Beigeladenen abhängig gegen Arbeitsentgelt beschäftigte (angestellte) "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" unterliegt die Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 1 Nr 1 Var 1 SGB VI. Von dieser Versicherungspflicht werden unter den in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 a bis c SGB VI genannten weiteren Voraussetzungen auf Antrag Angestellte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind (vgl dazu: BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az B 5/4RA 80/97 Rdnr 19; LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12/03, Rdnr 28; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2005, Az L 3 RA 72/04, Rdnr 31; LSG Hamburg, Urteil vom 20.1.2004, Az L 3 RA 45102, Rdnr 18; Gürtner in KassKomm, Stand 2012, § 6 SGB VI Rdnr 3 mwN; Klattenhoff in Hauck/Haines, SGB VI, Kommentar, § 6 Rdnr 41).

Die Klägerin ist nicht "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen Mitglied der Rechtsanwaltskammer I. und damit - gleichzeitig - des Beigeladenen geworden. Dabei kann hier offen bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen positiv festgestellt werden kann, dass jemand wegen einer bestimmten Beschäftigung Mitglied einer berufsständischen Vereinigung wird oder ob es - jedenfalls für Rechtsanwälte - insoweit zunächst einer Harmonisierung zwischen Berufs- und Sozialversicherungsrecht bedarf. Darauf kommt es nicht entscheidend an, weil vorliegend klar erkennbar ist, dass die Klägerin nicht wegen der Beschäftigung bei der Beigeladenen Mitglied des Beigeladenen geworden ist.

Die Klägerin war seit 1996 als Sachbearbeiterin (zunächst im Bereich Schadenregulierung) in E1. tätig. Mit der Aufnahme der Beschäftigung hat sie keinen Antrag auf Zulassung als Rechtsanwältin bei der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer E1. gestellt; den 2002 dort gestellten Antrag hat sie zurückgenommen und kurze Zeit später ihre Zulassung als Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltskammer I. beantragt. Sie hat ihren Antrag nicht mit der abhängigen Beschäftigung begründet, sondern angegeben, sie übe diese neben dem Rechtsanwaltsberuf aus. Die Tätigkeit als Sachbearbeiterin hat sie im Zulassungsverfahren nur wegen § 7 Nr 8 BRAO angegeben ("Tätigkeit [ ], die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann"), also um der Rechtsanwaltskammer I. die Prüfung zu ermöglichen, ob diese Tätigkeit einer Zulassung entgegenstehe. Passend dazu haben 2003 die U. H. Versicherung AG und 2010 die Beigeladene als Arbeitgeberinnen unwiderruflich (ua) erklärt, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als Sachbearbeiterin als Rechtanwältin arbeiten und während der Dienststunden anwaltliche Termine wahrnehmen dürfe (Freistellungserklärungen vom 26.2.2003 und 13.4.2010). Die Rechtsanwaltskammer I. hat dementsprechend geprüft, ob die Tätigkeit als Sachbearbeiterin der angestrebten Tätigkeit als Rechtsanwältin entgegenstehe, dies verneint und die Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Wäre die Rechtsanwaltskammer der Ansicht gewesen, bei der ihr im Zulassungsverfahren bekannt gemachten Tätigkeit als Sachbearbeiterin handele es sich (auch) um eine rechtsanwaltliche, hätte sie auf Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft in E1. oder ggf zur Einrichtung und Unterhaltung einer Kanzlei oder Zweigstelle in E1. sowie zur Anzeige dieses Umstandes an die Rechtsanwaltskammer E1. hinwirken müssen/hingewirkt, § 27 Abs. 1 und 2 BRAO.

Auch die Klägerin war offensichtlich nicht der Auffassung, die Tätigkeit als Sachbearbeiterin wäre anwaltlich. Denn sie hat den 2003 angedachten Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei der Beklagten nicht gestellt, weil sie keinen Anstellungsvertrag als Rechtsanwältin oder Syndikusanwältin bei ihrer Arbeitgeberin hatte (Schreiben der Klägerin an den Beigeladenen vom 6.9.2003).

Soweit sich die Tätigkeit der Klägerin aufgrund des konzerninternen Wechsels von der Stelle einer "Sachbearbeiterin Schadensregulierung" auf diejenige einer "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" geändert hat, ergibt sich nichts anderes. Die Klägerin ist weiterhin nicht wegen dieser Beschäftigung Mitglied der Rechtsanwaltskammer I. und des Beigeladenen. Zum Zeitpunkt des Wechsels auf die Arbeitsstelle bei der Beigeladenen war die Klägerin bereits wegen ihrer selbständigen Nebentätigkeit als Rechtsanwältin zugelassen. Eine (weitere) Zulassung wegen der Tätigkeit als "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" war - wegen der Personenbezogenheit der Rechtsanwaltszulassung - nicht möglich. Die Klägerin hat überdies nicht einmal einen Kanzleisitz im Bereich der Rechtsanwaltskammer E1. gemeldet.

Der Senat ist in Anbetracht des Gesetzeswortlauts "wegen [ ...] sind" nicht verpflichtet, hypothetisch zu prüfen, ob die Klägerin auch für die bei der Beigeladenen seit 2008 ausgeübte Tätigkeit zur Rechtsanwaltschaft hätte zugelassen werden müssen, um auf diese Weise Mitglied der Rechtsanwaltskammer und des Beigeladenen zu werden und so zumindest diese Voraussetzungen (Mitglied einer berufsständischen Kammer und eines berufsständischen Versorgungswerkes) der Befreiungsvorschrift erfüllen zu können.

Die Befreiungstatbestände des § 6 SGB VI enthalten Ausnahmeregelungen, die nach allgemeiner Rechtsmethodik weder einer erweiternden Auslegung noch einer entsprechenden Anwendung zugänglich sind (Berchtold in: Komm zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, SGB VI, § 6 Rdnr 3 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 30.4.1997, Az 12 RK 34/96; Dankelmann in Juris-PK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 6 Rdnr 28 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 29.1.1981, Az 11 RA 22/80 und vom 26.9.1990, Az 5 RJ 11/89). Es fehlt in der vorliegenden Fallkonstellation bereits an einer Regelungslücke, die durch erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Befreiungsnorm zu schließen wäre. Im Gegenteil hätte die Klägerin seit Aufnahme der Tätigkeit als Sachbearbeiterin bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen 1996 jederzeit für eben diese Tätigkeit die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen und dadurch das Ihre dazu beitragen können, die gesetzlich ausdrücklich normierten Voraussetzungen für eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu schaffen. Diese Befreiung war ausweislich der eigenen Angaben der Klägerin 2002 erkennbar der Hauptzweck der von der Klägerin (erst) 2003 (wegen einer selbständigen Nebenbeschäftigung) betriebenen Zulassung als Rechtsanwältin. Offenbar ist die Klägerin von 2009 bis heute nicht für die Beigeladene als Rechtsanwältin tätig geworden. Sie hat nämlich dort kein eigenes Kanzleischild angebracht, die Tätigkeit für die HDSM nicht haftpflichtversichert und führt dort auch keine eigenen Rechtsanwaltsakten, die der Schweigepflicht unterlägen.

Daran muss sie sich festhalten lassen.

In der von der Klägerin gewählten Vorgehensweise liegt de facto der Versuch, eine Zulassungsentscheidung von den Rechtsanwaltskammern und der - restriktiven - zivilgerichtlichen Rechtsprechung auf die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu verlagern (vgl zu dem allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanenten Prinzip von Treu und Glauben, seine Systematik und Fallgruppen: Grüneberg in: Palandt, 72. Aufl 2013, BGB, § 242 Rdnr 38, 40 ff, 55; zum Grundsatz "venire contra factum proprium" allgemein im Sozialrecht und speziell auf die Vorgängervorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, auf den § 7 Angestelltenversicherungsgesetz: BSG, Urteil vom 9.12.1982, Az 12 RK 15/80). War die Angestelltentätigkeit auch aus Sicht der Klägerin jahrelang (noch im Zulassungsverfahren) keine anwaltliche, so behauptet sie jetzt - ohne erkennbare inhaltliche Veränderung der Tätigkeit, die weiter diejenige einer Sachbearbeiterin ist - das Gegenteil. Dabei teilt sie der Beklagten weder ihre anderslautenden Angaben im früheren Zulassungsverfahren mit, noch gibt sie an, nicht für die (strittige) Angestelltentätigkeit, sondern ausschließlich für eine (Neben-)Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin zur Anwaltschaft zugelassen worden zu sein. Weiter verschweigt die Klägerin, dass sie die angestellte Tätigkeit bei der Beigeladenen nicht entsprechend den Regelungen der BRAO ausübt, sie insbesondere dort keine Kanzlei oder Zweigstelle eingerichtet hat (§ 27 BRAO), keine Anwaltsakten führt (§ 50 BRAO), keine Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht ergreift (§ 43a BRAO) und die Tätigkeit nicht haftpflichtversichert hat (§ 51 Abs 1 BRAO). Das gilt gleichermaßen für die von der Klägerin im Zulassungs- und Befreiungsverfahren in Anspruch genommene "Hilfe" der Beigeladenen. Diese hatte im Verfahren auf Zulassung zur Anwaltschaft gegenüber der zuständigen Rechtsanwaltskammer unwiderruflich erklärt, sie sei damit einverstanden, dass die Klägerin neben ihrer Angestelltentätigkeit den Beruf einer Rechtsanwältin ausübe, wobei schon damals Einvernehmen bestand, dass diese Erklärung im Innenverhältnis frei widerruflich sein sollte. Im Verfahren auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht hat die Beigeladene gegenüber der Beklagten hingegen im Antragvordruck bestätigt, die Klägerin werde "in unserem Unternehmen/Verband als Rechtsanwalt tätig".

2. Selbst wenn man berücksichtigte, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme einer - gegenüber der vorherigen Tätigkeit als juristische "Sachbearbeiterin Schadensregulierung" ggf. abweichend zu beurteilenden - Tätigkeit als juristische "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" bereits als Rechtsanwältin zugelassen war und deshalb für die streitige Tätigkeit nicht mehr erneut zugelassen werden konnte, wäre die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht zu befreien. Erforderlich für eine Befreiung ist nämlich außerdem, dass sie "wegen der" abhängigen Beschäftigung "kraft gesetzlicher Verpflichtung" Mitglied einer berufsständischen Kammer ist (oder ggf. hätte werden müssen, wenn sie nicht bereits deren Mitglied wäre). Diese Voraussetzung liegt (ebenfalls) nicht vor.

Mit diesem mit Wirkung zum 1.1.1995 eingeführten zusätzlichen Erfordernis der gesetzlich vorgeschriebenen Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer soll für den Regelfall vermieden werden, dass das Befreiungsrecht auf eine freiwillige Zugehörigkeit zur Berufskammer zurückgeht, die doppelte Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und der berufsständischen Versorgungseinrichtung mithin Folge einer freien Disposition sein kann (BT-Drucks 13/2590 S. 18, 22; Gürtner in: KassKomm, 77. Erglief 2013, SGB VI § 6 Rdnr 8). Deshalb genügt nicht die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer auf Grund einer von einem formellen Gesetz abgeleiteten Norm (Verordnung (VO) oder Satzung), es bedarf vielmehr einer entsprechenden Verpflichtung aufgrund eines Gesetzes im formellen Sinne (Gürtner, aaO).

Mitglied einer Rechtsanwaltskammer wird ein Volljurist nicht kraft Gesetzes wegen einer von ihm ausgeübten Tätigkeit, sondern auf seinen Antrag hin mit seiner Zulassung zur Anwaltschaft und Aushändigung der Zulassungsurkunde bei Vorliegen der weiteren Zulassungsvoraussetzungen, § 12 Abs 1 und 3 BRAO. Zwar gibt es keine gesetzliche Pflicht im engeren Sinn, bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten einen entsprechenden Antrag zu stellen. Das führt indes nicht zu dem weder vom historischen Gesetzgeber noch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes gewollten Ergebnis, dass grundsätzlich kein abhängig beschäftigter Rechtsanwalt mehr von der Versicherungspflicht bei der Beklagten zu befreien ist (siehe für alle: Mann: Die "Friedensgrenze" zwischen Anwaltsversorgung und gesetzlicher Rentenversicherung, NJW 1996, 1315). Denn die Pflicht auf Stellung eines Antrags auf Zulassung zur Anwaltschaft und die daraus resultierende Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer muss in einem weiteren Sinn verstanden werden: Es muss eine Tätigkeit ausgeübt werden, deren rechtmäßige Ausübung gesetzlich zwingend die Zulassung zur Anwaltschaft und damit zugleich zwingend die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer nach sich zieht. Das ist bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit offensichtlich nicht der Fall.

Die Klägerin ist bei der Beigeladenen als "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" eingestellt worden. Wer als Sachbearbeiter für seinen Arbeitgeber tätig wird, bedarf keiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, um diese Arbeit recht- und gesetzmäßig auszuüben. Zudem ist die Klägerin Stellvertreterin einer Vorgesetzten, die weder Anwältin noch Volljuristin ist. Für diese Position hat die Beigeladene ausweislich der Stellenausschreibung vom 2.7.2008 keine Anwältin gesucht, sondern eine Volljuristin. Bis heute meldet der Arbeitgeber für die Klägerin zur Sozialversicherung (DEÓV) den Tätigkeitsschlüssel für einen Versicherungsvertreter uä (694 bzw 72133), nicht jedoch denjenigen für einen Rechtsanwalt (813 bzw 73134) oder auch nur Volljuristen (813 bzw 73104). Einzig in der für den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht abgegebenen Stellenbeschreibung vom 5.10.2009 gibt die Beigeladene indirekt an, die Klägerin sei anwaltlich tätig. Schon am 13.4.2010 hat sie im Bestätigungsschreiben über die Gestattung der anwaltlichen Tätigkeit jedoch wieder angegeben, die Klägerin übe den Beruf als Rechtsanwalt neben ihrer Tätigkeit als Angestellte aus. Auch aus den internen Absprachen zwischen Klägerin und Beigeladener geht eindeutig hervor, dass die Zulassung als Rechtsanwältin für die Tätigkeit bei der Beigeladenen nicht einmal gewünscht, sondern nur geduldet ist: Die Beigeladene hat die Genehmigung zur Rechtsanwaltszulassung nur unter dem Vorbehalt erteilt , dass die Tätigkeit für die Beigeladene nicht beeinträchtigt werde und die Klägerin darüber hinaus keine Mandate für oder gegen den Konzern oder andere Versicherungsunternehmen übernehme.

Laut Zwischenzeugnis vom 30.6.2012 und den Angaben der Klägerin bearbeitet sie Schadenfälle und begleitet Prozesse ab Rechtshängigkeit. Sie beauftragt externe Rechtsanwälte mit der Prozessführung und überwacht sie. Für alle ihre Tätigkeiten fordert kein Gesetz im formellen Sinn, dass sie nur von Rechtsanwälten ausgeübt werden dürfen. Die Klägerin nimmt vielmehr für ihre Arbeitgeberin die typischen Rechte eines Mandanten wahr. Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ist die Klägerin gesetzlich nicht verpflichtet, sich wegen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen. Die von Ihr verrichteten Arbeiten darf - auch soweit sie rechtliche Fragen betreffen - jeder Beschäftigte für seinen Arbeitgeber verrichten; sie bedürfen keiner besonderen Zulassung im Sinne von § 3 RDG. Es handelt sich nämlich um keine "fremden Angelegenheiten" im Sinne von § 2 Abs 1 RDG (Dreyer/Müller in: Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 1. Aufl 2009, § 2 Rdnr 34; Krenzler, RDG, 1. Aufl 2010, § 2 Rdnr 50). Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin rechtliche Fragen nicht nur für ihren Arbeitgeber, sondern auch für andere Konzerntöchter bearbeitet. Denn "die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen" ist keine Rechtsdienstleistung, § 15 des Aktiengesetz, § 2 Abs 3 Nr 6 RDG. Auch aus der Wahrnehmung von Gerichtsterminen folgt keine Pflicht, sich zur Anwaltschaft zuzulassen; die Klägerin tritt dort nicht selbst als Rechtsanwältin sondern als Vertreter einer Partei nach § 141 Abs 3 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO) auf. Im Óbrigen wäre die Klägerin an der Wahrnehmung von Gerichtsterminen als Rechtsanwältin im Rahmen der Beschäftigung für die Beigeladene selbst in Verfahren, bei denen Anwaltszwang herrscht, kraft Gesetzes gehindert. Denn ein Rechtsanwalt darf für einen Auftraggeber, dem er aufgrund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, vor Gerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden, § 46 Abs 1 BRAO. Ein Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot führt zur Unwirksamkeit der vorgenommenen (Rechts-) Handlungen, § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB; BGH, Urteil vom 25.2.1999, Az IX ZR 384/97).

Auch die Klägerin ist offenbar der Ansicht, ihre Tätigkeit begründe keine Verpflichtung zur Zulassung als Rechtsanwältin. Anders ist nicht zu erklären, dass sie offenbar bis heute keine Veranlassung sieht, in Bezug auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen die für anwaltliches Handeln bestehenden Pflichten (Einrichtung einer Kanzlei oder Zweigstelle bei der Beigeladenen, entsprechende Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, § 27 BRAO, Führen von Anwaltsakten, § 50 BRAO, Maßnahmen zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht, § 43a BRAO, Haftpflichtversicherung für die hauptberufliche Tätigkeit bei der Beigeladenen, § 51 Abs 1 BRAO) zu erfüllen (vgl zu den Mindestanforderungen: Dahns, Die Kanzleipflicht, NJW-SpeziaI 2009, 654; LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12/03, juris-Rdnr 38; Prütting, Anwaltliche Tätigkeit und berufsständische Versorgung, Rechtsgutachten 6/2003, S 33, 37). Im Merkblatt für sog "Syndikusanwälte" des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) heißt es unter I 4 Berufspflichten: "Seinem Status und Selbstverständnis als Rechtsanwalt im Unternehmen entsprechend hat der Syndikusanwalt auch bei seiner Tätigkeit für einen Arbeitgeber die anwaltlichen Grundpflichten zu beachten (vgl BGH NJW 1991, 218), wie namentlich die Pflichten zur Verschwiegenheit, zur Sorgfalt, zur Fortbildung oder auch das Sachlichkeitsgebot. Schließlich findet das anwaltliche Standesrecht grundsätzlich auch auf die anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen Anwendung". Unter "IV Rahmenbedingungen" heißt es im o.g. Merkblatt weiter: "Der Syndikusanwalt soll seine berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt auf Schildern und Papieren dokumentieren, seine Akten als Anwaltsakten und als vertraulich eindeutig kennzeichnen, sie klar von anderen Akten, die er überarbeitet, trennen, den Zugang zu den Anwaltsakten für nichtanwaltliche Mitarbeiter des Unternehmens versperren und seine Mitarbeiter auf Verschwiegenheit verpflichten." All diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

3. Die genannten Kriterien des § 6 Abs 1 S 1 SGB VI können nicht im Sinne einer weiten Auslegung durch andere Kriterien ersetzt werden, insbesondere nicht durch die - zumindest in der Vergangenheit - von den Beteiligten angewandte sog. Vierkriterientheorie. Es genügt gerade nicht, wenn neben einer Zulassung als Rechtsanwalt eine Beschäftigung vorliegt, die inhaltlich im Wesentlichen der Tätigkeit eines Rechtsanwalts gleichkommt.

Gesetzessystematisch folgt das zunächst daraus, dass es sich bei den Befreiungstatbeständen des § 6 SGB VI um eng begrenzte Ausnahmefälle handelt (s.o. und im Óbrigen: Berchtold in: Komm zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, SGB VI, § 6 Rdnr 3 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 30.4.1997, Az 12 RK 34/96; Dankelmann in Juris-PK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 6 Rdnr 28 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 29.1.1981, Az 11 RA 22/80 und vom 26.9.1990, Az 5 RJ 11/89). Ein Abstellen auf andere, weiter und unbestimmter gefasste Befreiungskriterien als den nach dem Gesetzeswortlaut vorgesehenen führte zwangsläufig zu einer Vergrößerung des von der Versicherungspflicht zu befreienden Personenkreises. Dass dies - selbst für den Fall einer Erweiterung des Pflichtmitgliederkreises berufsständischer Kammern durch formelle, nach dem 31.12.1994 in Kraft getretene Gesetze - nicht gewollt ist, steht ausdrücklich in § 6 Abs 5 S 3 SGB VI. Damit ist gleichzeitig dem Argument der Boden entzogen, das Berufsbild des Rechtsanwalts habe sich seit den 90-er Jahren fortentwickelt, der zu befreiende Personenkreis habe sich entsprechend erweitert (zB SG München, NJW 2012, 1023).

Dennoch wird bei der Frage, für welche Beschäftigung ein als Anwalt zugelassener Versicherter von der Pflicht zur Versicherung bei der Beklagten zu befreien ist, regelmäßig noch darauf abgestellt, ob die zu befreiende Tätigkeit kumulativ rechtberatende, -entscheidende, -vermittelnde und -gestaltende Elemente enthält (Prütting, Anwaltliche Tätigkeit und berufsständische Versorgung, Rechtsgutachten 6/2003; Horn, Die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Befreiung der Syndikusanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, NJW 2012, 966, 968; Kilger, AnwBI 1992, 438; AnwBI 1999, 571). Dabei wird behauptet, es genüge die Ausübung einer berufsspezifischen anwaltlichen Tätigkeit. Begründet wird dieser Ansatz nur selten. Zum Teil wird darauf hingewiesen, dass die Zulassung zur Anwaltschaft - anders als in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI gefordert - nicht tätigkeits-, sondern personenbezogen erfolge. Damit die Vorschrift dennoch auf die Befreiung von angestellten Anwälten anwendbar bleibe, müsse auf Kriterien abgestellt werden, die für anwaltliches Tätigwerden typisch sind. Eine solche dogmatische Herleitung der Vierkriterientheorie überzeugt ebenso wenig wie andere Versuche erweiternder Auslegung der Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI.

Die Ungeeignetheit der vom SG und den Beteiligten angewandten vier Kriterien - sie gehen auf einen Abgrenzungsvorschlag von Prütting (aaO) zurück und wurden 2005 nach Verhandlungen zwischen der ABV und der Beklagten von letzterer in ihre Verwaltungsrichtlinien übernommen - zeigt sich an Folgendem: Wären diese Kriterien ausreichend, um anwaltliche Tätigkeit festzustellen, so wären auch viele Steuerberater, Rentenberater, Mitarbeiter von Inkassodiensten etc. berufsspezifisch anwaltlich tätig und zwar unabhängig davon, ob sie kein, ein oder zwei juristische Staatsexamina abgelegt haben. Allerdings könnten sich trotz identischer Tätigkeiten nur diejenigen unter ihnen, die - aus welchem Gründen auch immer - (zusätzlich) beide juristische Staatsexamen abgelegt haben, von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen.

Den vorliegenden Rechtsstreit hat diese von beiden Beteiligten praktizierte Theorie genauso wenig vermeiden können, wie zahlreiche derzeit anhängige Parallelverfahren zu dieser Problematik. Die ganz unterschiedlichen Maßstäbe bei den Versuchen, Tätigkeiten unter die gesetzlich nicht definierten, unbestimmten Rechtsbegriffe der Rechtsvermittlung, -entscheidung, -beratung und -gestaltung zu subsumieren, führen selbst bei rechtlich vergleichbaren Sachverhalten zu unvorhersehbaren Entscheidungen der Beklagten und der Gerichte (Óbersicht bei: Horn, Die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Befreiung der Syndikusanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, NJW 2012, 966). Sie zeigen die Praxisuntauglichkeit der Vierkriterientheorie. Es leuchtet bereits nicht ein, warum ihr zufolge die vier Kriterien für eine Befreiung stets kumulativ vorliegen müssen. Das ist nämlich nach allgemeiner Ansicht selbst bei von Rechtsanwälten anwaltlich beschäftigten Versicherten nicht regelhaft der Fall. Nach der Vierkriterientheorie dürften auch sie häufig nicht von der Versicherungspflicht befreit werden. Tatsächlich befreit die Beklagte sie aber unproblematisch zu Recht. Bei ihnen handelt es sich gerade um eine der Personengruppen, deren Befreiungsmöglichkeit der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 6 Abs 1 SGB VI zum 1.1.1996 im Auge hatte (BT-Drucks 13/2590, 18; Kilger, Freie Advokatur, Versorgungswerke für Rechtsanwälte, AnwBl 2011, 908; Prütting, Das Anstellungsverhältnis des Syndikusanwalts, AnwBl 2001, 313; Prütting, Die Unabhängigkeit des Syndikusanwalts, AnwBl 2009, 402 ff). Sie erfüllen auch die vom Gesetzeswortlaut und folglich auch dem erkennenden Senat zugrunde gelegten Befreiungsvoraussetzungen. Das BSG weist zu Recht auf die bei Abweichung vom Gesetzeswortlaut drohenden "erheblichen Abgrenzungs- und Definitionsprobleme" hin (Urteil vom 31.10.2012, Az B 12 R 5/10 R, Rdnr 29 ff). Der 11. Senat des LSG Baden-Württemberg (LSG BW, Urteil vom 19.2.2013, Az L 11 R 2182/11, Rdnr 37) betont zwar gleichermaßen die Unvorhersehbarkeit von Entscheidungen auf der Basis der unbestimmten Begriffe der Vierkriterientheorie, zieht daraus aber die im Gesetz nicht vorgesehene Konsequenz, ganz auf die positive Feststellung bestimmter Merkmale/Kriterien zu verzichten; vielmehr soll genügen, dass die Beschäftigung eines Rechtsanwalts bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber keinen Tatbestand erfülle, der eine Versagung der Zulassung nach § 7 Nr 8 BRAO, die Rücknahme der Zulassung oder ihren Widerruf nach § 14 Abs 1, Abs 2 Nr 8 BRAO rechtfertige (LSG BW, Urteil vom 19.2.2013, Az L 11 R 2182/11, Rdnr 38). Das steht aber erkennbar im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes (LSG BW, Urteil vom 19.2.2013, Az L 11 R 2182/11, Rdnr 36) und - worauf das LSG BW nicht eingeht - zum Verbot der erweiternden Auslegung des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Soweit das LSG BW sich auf den Sinn und Zweck des Gesetzes beruft und auf die Rechtsprechung des 4. Senats des LSG NRW verweist (Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12/03) ist anzumerken, dass das LSG NRW genau zum entgegengesetzten Ergebnis gelangt (grds keine Befreiung sog "Syndikusanwälte" von der Rentenversicherungspflicht bei der Beklagten). Dass die Vermeidung einer Doppelversicherung (Beitragspflicht zugleich zur gesetzlichen Rentenversicherung und zu einem berufsständischen Versorgungswerk) nicht das primäre Ziel des Gesetzes ist und des historischen Gesetzgebers war, folgt bereits aus § 6 Abs 1 S 3 SGB VI. Danach müssen selbst Versicherte, die kraft eines nach dem 31.12.1994 in Kraft getretenen Gesetzes Pflichtmitglied einer berufsständischen Kammer und damit idR zugleich eines berufsständischen Versorgungswerks werden, zu beiden Sicherungssystemen Beiträge zahlen. Dies ist - in der konkreten gesetzlichen Ausformung - verfassungsrechtlich unproblematisch und entspricht im Óbrigen dem tatsächlichen, für eine enge Auslegung des § 6 SGB VI sprechenden Zweck des Gesetzes und der Vorstellung des Gesetzgebers, (gerade) Versicherte mit typischerweise günstigen Risiken in der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung zu halten (BT-Drucks 13/2590, 18; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 5.5.2008, Az 1 BvR 1060/05, 1 BvR 1753/05, Rdnr 17-19). Das vom 11. Senat des LSG BW anhand des Presseberichts zitierte Urteil des BSG vom 31.10.2012, Az B 12 R 3/11 R enthielt im Óbrigen nicht die vom LSG vermuteten Schlussfolgerungen zu § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, dass nämlich Pharmaberater iSv § 75 Arzneimittelgesetz (AMG) für ihre abhängige Beschäftigung als Pharmaberater - obwohl diese keine ärztliche Approbation erfordert - als Mitglied der Àrztekammer und eines Versorgungswerks der Àrzte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden können. Im Gegenteil stellt das BSG fest, dass allein aus der Verwendung des Begriffs "Pharmaberater" noch nicht folge, dass die konkreten Umstände der Beschäftigung tatsächlich der Legaldefinition des § 75 Abs 1 AMG entsprechen. Hinzu komme, dass es sich bei dem Begriff des Pharmaberaters, anders als bei dem des in § 75 Abs 2 Nr 3 AMG genannten (geprüften) Pharmareferenten, nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung, sondern um eine Tätigkeitsbeschreibung handele.

Auch die Versuche der Vertreter der Vierkriterientheorie, ihre über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI zu rechtfertigen, überzeugen nicht. Mit der einem Mitglied der berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI eingeräumten Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht koordiniert das SGB VI die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Koordinationsregel soll den Berufsangehörigen idR die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen zahlen zu müssen (LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12/03, Rdnr 28; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2005, Az L 3 RA 72104, Rdnr 32; Klattenhoff, in: Hauck/Haines, aaO, § 6 Rdnr 9, 14, 35; Dankelmann in Juris-PK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 6 Rdnr 35). Sie setzt daher einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Berufsangehörigen, für die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen wird, und dem Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung voraus (LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12103, Rdnr 28; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2005, Az L 3 RA 72/04, Rdnr 32). Ein solcher innerer Zusammenhang besteht indes nur dann, wenn sich die jeweils zu beurteilende Tätigkeit des Mitglieds der Versorgungseinrichtung, die von der Versicherungspflicht befreit werden soll, als berufsspezifisch darstellt (BSG, Urteil vom 22.10.1998, aaO; Klattenhoff, in Hauck/Haines, aaO, § 6 Rdnr 41, § 5 Rdnr 70 f; Dankelmann in Juris-PK-SGB VI, 2. Aufl 2013, § 6 Rdnr 45 ff).

Aus der Notwendigkeit einer "berufsspezifischen Tätigkeit" folgt aber nicht im Umkehrschluss, dass jede "berufsspezifische" Tätigkeit allein bereits für die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI genügt (so aber der überwiegende Teil der Literatur und ein großer Teil der Rspr, zuletzt obergerichtlich: Hess LSG 29.10.2009, aaO; LSG Baden-Württemberg 23.1.2013, L 2 R 2671/12). Vielmehr hat es - wegen des klaren Wortlauts der Vorschrift und des Verbots der erweiternden Auslegung der Ausnahmevorschrift - dabei zu bleiben, dass nur wegen der Tätigkeiten von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann, wegen der eine gesetzliche Pflicht zur Begründung der Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer besteht (BSG, Urteil vom 31.10.2012, Az B 12 R 5/10 R, Rdnr 29 ff zur parallel gelagerten Problematik der Erstreckung einer ausgesprochenen Befreiung auf andere Beschäftigungen und Tätigkeiten, für die nicht befreit wurde, § 6 Abs 5 SGB VI; das BSG verweist insofern auf den Wortlaut des Gesetzes, auf teleologische Gesichtspunkte (Verwaltungsvereinfachung) und - wie bereits erwähnt - die ansonsten drohenden "erheblichen Abgrenzungs- und Definitionsprobleme").

4. Die angestrebte Befreiung kommt auch nicht unter dem Aspekt in Betracht, dass die abhängige Beschäftigung der Klägerin für die Beigeladene zusammen mit einer nebenberuflichen selbständigen anwaltlichen Tätigkeit eine einheitliche anwaltliche Berufsausübung darstellt.

Die Klägerin ist durch die Zulassung als Rechtsanwältin mit Wirkung vom 30.7.2003 nach § 60 Abs 1 BRAO Mitglied der Rechtsanwaltskammer I. und damit nach § 2 Abs 1 RAVG NW iVm § 10 Nr 2 der Satzung des Beigeladenen Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte geworden. Allerdings begründet ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin am Kanzleisitz in E., für die sie die Zulassung erwirkt hat, keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Als selbständige Tätigkeit ist sie nicht im Katalog des § 2 SGB VI aufgeführt; die Klägerin hat auch keinen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft nach § 4 Abs 2 SGB VI gestellt. Für diese Tätigkeit bedarf es keiner - hier allein strittigen - Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie kann folglich für einen Befreiungsanspruch nicht auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen ausstrahlen.

Die von der Klägerin hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen als "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" verschmilzt auch nicht wegen der vorangegangenen Anmeldung der nebenberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin mit letzterer zu einem einheitlichen Anwaltsberuf, der insgesamt zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI führte. Es handelt sich bei der nebenberuflichen selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin und der Tätigkeit als angestellte juristische Mitarbeiterin bei der Beigeladenen vielmehr um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig sind und eine getrennte Betrachtung erfordern (BSG, Urteil vom 10.9.1975, Az 3/12 RK 6/74, BSGE 40, 208; LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, Az L 4 RA 12/03, Rdnr 28; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2005, Az L 3 RA 72/04, Rdnr 31; Klattenhoff, in Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VI, § 5 Rdnr 71; Gürtner in KassKomm, 74. Erglief, 2012, SGB VI, § 6 Rdnr 3). Das ergibt sich auch aus § 6 Abs 5 SGB VI. Danach beschränkt sich die Befreiung auf die jeweilige abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, für die sie ausgesprochen worden ist; eine Erstreckung kommt nur im Ausnahmefall bei im Voraus zeitlich begrenzten anderen Tätigkeiten in Betracht, wenn der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Auch steuerrechtlich waren und sind die Tätigkeiten voneinander abgrenzbar (Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung einerseits und aus selbstständiger Erwerbstätigkeit andererseits). Als selbstständige Rechtsanwältin ist die Klägerin die berufene unabhängige Vertreterin ihrer Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 Abs 1 BRAO. Als "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" der Beigeladenen ist sie innerhalb eines festen Beschäftigungsverhältnisses lediglich für einen Arbeitgeber in einem fachlich auf den Bereich der Schadensregulierung begrenzten Bereich überwiegend in dessen Räumlichkeiten tätig. Beide Tätigkeitsbereiche sind dabei insbesondere durch das Berufsausübungsrecht - die BRAO auf der einen und arbeitsrechtliche Vorschriften auf der anderen Seite - mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet. Für die Ausübung der Tätigkeit als Sachbearbeiterin bedarf es nicht der Zulassung als Rechtsanwältin, die die Klägerin für diese Tätigkeit (jedenfalls bis 2008) auch tatsächlich nie explizit beantragt hat. Auch die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung erfolgt ohne Beachtung der für anwaltliches Handeln rechtlich zwingenden Vorgaben der BRAO.

Die Klägerin ist auch nicht etwa seit ihrer Zulassung als Rechtsanwältin eine sogenannte "Syndikusanwältin" im Sinne des § 46 BRAO und als solche per se von der Versicherungspflicht zu befreien.

Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit eines sog "Syndikusanwalts", der zugleich Angestellter eines Unternehmens und selbstständig tätiger Rechtsanwalt ist, als einheitlicher - anwaltlicher - Beruf anzusehen ist (vgl für viele: Hamacher, Der Syndikusanwalt, Der DAV-Ratgeber, 2008, BI 198; Kilger, Freie Advokatur: Versorgungswerk für Rechtsanwälte, AnwBl 2011, 908 ff; Prütting, AnwBI 2001, 313 mwN; Kilger, AnwBI 1999, 571) - mit der Folge, dass sich die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI auf die Beschäftigung als Angestellter erstrecken soll. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der sog "Syndikusanwalt" im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter zumindest überwiegend rechtsberatend, -entscheidend, -gestaltend und -vermittelnd tätig wird. Dieser Ansatz überzeugt schon deshalb nicht, weil nicht feststeht und wohl auch nicht feststellbar ist, was unter dem (operationalen) Begriff "Syndikusanwalt" überhaupt zu verstehen ist. Der (Bundes-) Gesetzgeber hat ihn nicht definiert; er verwendet den Begriff nicht einmal (verwendet, nicht aber definiert wird der Begriff lediglich in Landesvorschriften: § 29 Abs 3 Hessisches Juristenausbildungsgesetz (JAG); §§ 30 und 31 der Rheinland-Pfälzische Juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO)). Auch in der Literatur fehlt es an einer einheitlichen Definition (instruktive Óbersicht über die bestehenden Definitionsversuche: Offermann-Burckart, Systemrelevanz von Syndikusanwälten, http://anwaltsblatt.anwaltverein.delrechtsprechungdetails/items/syndikusanwalt.htm; dies übersehend und allein auf die Definition in Hans-Jochem Mayer in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 5. Aufl 2012, § 1 Rdnr. 64 abstellend: LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 23.1.2013, Az L 2 R 2671/12, juris-Rdnr 31).

Óbereinstimmung besteht allenfalls dahingehend, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein von "Syndikusanwälten" in der BRAO voraussetzt und in § 46 Abs 1 BRAO zumindest teilweise regelt (Offermann-Burckart, aaO; Prütting, Das Anstellungsverhältnis des Syndikusanwalts, AnwBI 2001, 315; LSG NRW, Urteil vom 19.3.2004, AZ L 4 RA 12/03, Rdnr 33 ff; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2005, Az L 3 RA 72/04, Rdnr 38). Die Klägerin ist nicht "Syndikusanwältin" im Sinne dieser Vorschrift. Gemäß § 46 Abs 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt für einen Auftraggeber, dem er aufgrund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, vor Gerichten oder Schiedsgerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Von der Regelung des § 46 BRAO und auch der BRAO insgesamt erfasst werden also lediglich Personen, die für ihren "Auftraggeber" als Rechtsanwälte tätig sind. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen aber schon deshalb nicht als Rechtsanwältin tätig, weil die Tätigkeit von ihr bis heute nicht entsprechend den zwingenden Formvorschriften der BRAO ausgeübt wird (s.o.). Folgerichtig hat die Beigeladene für die Stelle der Klägerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht zur Einstellungsvoraussetzung gemacht.

Die Klägerin wäre wegen ihrer Tätigkeit als "Sachbearbeiterin Prozess/Regress" aber auch dann nicht von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 SGB VI zu befreien, wenn man zu ihren Gunsten unterstellte, sie wäre als "Syndikusanwältin" anzusehen bzw einer solchen zumindest vergleichbar und entsprechend zu behandeln.

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI (BSG, Urteil vom 31.10.2012, Az B 12 R 5/10 R, juris-Rdnr 29 ff zur parallel gelagerten Problematik in § 6 Abs 5 SGB VI) gibt es nämlich keine Befreiungsmöglichkeit für einen (wie auch immer bestimmbaren) einheitlichen Beruf als Rechtsanwalt, sondern nur für (einzelne) "Tätigkeiten, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlichrechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind".

Im Óbrigen ist die Tätigkeit eines "Syndikusanwalts" - ohne dass es darauf nach der Gesetzeslage noch ankommt - entgegen der oben genannten Literaturmeinung kein anwaltlicher Einheitsberuf. Dieser Auffassung ist bereits die Klägerin selbst, denn sie hat weder die Zulassung als Rechtsanwältin für die Tätigkeit bei der Beigeladenen beantragt, noch eine Kanzlei in den Räumen der Beigeladenen gemeldet.

Gerade weil - wie hier bei der Klägerin - nach der derzeit geltenden Rechtslage die abhängige Beschäftigung von nebenberuflich tätigen Rechtsanwälten von ihrer freiberuflichen anwaltlichen Tätigkeit getrennt betrachtet werden muss und weil die Aufnahme der freiberuflichen Anwaltstätigkeit keinen Einfluss auf die rechtliche Bewertung der abhängigen Beschäftigung iSd § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI hat (und damit aus abhängigen - juristische Kenntnisse erfordernden - Tätigkeiten keine anwaltlichen Tätigkeiten werden), strebt der DAV einer Ànderung und Ergänzung des § 46 BRAO an. Dabei soll ua § 46 BRAO um einen vierten Absatz mit folgendem Inhalt erweitert werden:

"Wer in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis nach Abs 1 steht, übt in ihm seinen anwaltlichen Beruf aus, wenn er Berater und Vertreter in Rechtsangelegenheiten seiner Dienstherren ist oder wenn der Dienstherr Rechtsanwalt ist."

Zur Begründung führt der DAV aus, dass dies vor dem Hintergrund des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI notwendig sei, "denn dort werde nicht ein abstraktes Berufsbild im Sinne eines Status vorausgesetzt, sondern auf die konkret ausgeübte Tätigkeit abgestellt". Dieser aktuell gültige Gesetzeszustand soll künftig nach dem Wunsch der Anwälte also dadurch geändert werden, dass eine "anwaltliche" Tätigkeit fingiert wird ("wer [ ...], übt in ihm seinen anwaltlichen Beruf aus, [ ...]"), wenn (mehr oder weniger) juristische Arbeiten verrichtet werden, nämlich "beratende" und "vertretende" Tätigkeiten in "Rechtsangelegenheiten" der "Dienstherren". Dies soll auch gelten, wenn diese Arbeiten keinen Anwalt oder eine Person mit zumindest einem oder zwei juristischen Staatsexamina erfordern. Wenn der Dienstherr Anwalt ist, soll nicht einmal die "Beratung oder Vertretung in Rechtsangelegenheiten" erforderlich sein, um die abhängige Beschäftigung eines als Rechtsanwalt zugelassenen Beschäftigten als "anwaltlich" zu fingieren und so die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zu erreichen. Dass es selbst nach Auffassung des DAV und der in ihm organisierten "Syndikusanwälte" einer Gesetzesänderung des § 46 BRAO und sogar der Fiktion einer anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Beschäftigung bei einem (nichtanwaltlichen) Arbeitgeber bedarf, um eine Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI zu erreichen, ist umso bemerkenswerter, als in zahlreichen Veröffentlichungen gerade Mitglieder des DAV und (zT) der "Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte" die Auffassung vertreten, dass eine Befreiungsmöglichkeit bereits nach derzeitigem Recht besteht (Huff, Berufsstatus des Syndikus: Schon die freie Rechtsberatung macht den Anwalt. In: Legal Tribune ONLlNE, 2.2.2012, http://www./to.de/persistantla id/5474/; Kilger, Hartmut, Freie Advokatur: Versorgungswerke für Rechtsanwälte, AnwBI 12/2011, 901 - 912; Dahns, Christian, Die Befreiung des Syndikusanwalts von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, NJW- Spezial 2007, 237 - 238 etc; vgl zur umfangreichen Literatur die Internetseite "Syndikusanwälte versus Deutsche Rentenversicherung Bund" http://syndikusund- rentenversicherung.de/literaturbeitr%C3%A4geundsonstigenachweise/ sowie die Internetseiten der Rechtsanwaltskammern und Versorgungswerke der Rechtsanwälte).

Selbst wenn § 46 BRAO dem Wunsch der Anwaltschaft entsprechend geändert würde, bedeutete dies nicht, dass damit alle zugelassenen Rechtsanwälte, die auch "bei einem Nichtanwalt" einer Angestelltentätigkeit nachgehen, wegen letzterer automatisch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sind. Das beruht auf dem Umstand, dass die Frage der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in § 46 BRAO geregelt ist, sondern in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Dieser enthält (bisher) keine Blankettverweisung auf das Berufsrecht der BRAO. Eine Neuregelung des § 46 BRAO würde daher an den vorstehenden Schlussfolgerungen nichts ändern, die eine Befreiung für juristische Tätigkeiten in Anstellungsverhältnissen bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern ausschließen. Im Óbrigen bleibt beim Vorschlag des DAV unklar, was unter dem Begriff "Rechtsangelegenheiten", in denen beratende und vertretende Tätigkeiten zu erfolgen haben, gemeint ist. Das ist umso misslicher, als sich die Beklagte und zahlreiche Unternehmens-/Verbandsjuristen hierüber bereits streiten. Unklar bliebe weiter, in welchem qualitativen und quantitativen Umfang eine solche Tätigkeit ausgeübt werden soll/muss.

Zudem fragt sich, wie eine Vertretung iSv § 46 Abs 4 BRAO möglich sein soll, wenn § 46 Abs 1 BRAO weiterhin vorsieht, dass ein Rechtsanwalt seinen Dienstherren vor Gericht nicht vertreten kann. Natürlich kann er ihn dann außergerichtlich in Rechtsangelegenheiten vertreten. Das darf - im Umkehrschluss aus § 3 RDG - aber auch jeder Nichtjurist. Schließlich wird das Problem nicht gelöst, wie bei einem Nichtanwalt angestellte, fingierte Rechtsanwälte die nach § 46 Abs 4 BRAO dann einzuhaltenden Vorschriften der BRAO (Verschwiegenheitspflicht, Aktenführung, Kanzleipflicht etc) einhalten wollen und sollen, und was geschähe, wenn solchen fingierten Rechtsanwälten die Zulassung entzogen wird, zB wegen Vermögensverfalls, § 14 Abs 2 Nr 7 BRAO.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass § 6 Abs 1 S 3 SGB VI bereits jetzt die Erweiterung des Personenkreises der von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreienden Beschäftigten verhindert, wie sie dem DAV offenbar vorschwebt. Dort heißt es: "Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind."

5. Dass die abhängige Beschäftigung eines (wegen einer anderen Tätigkeit) zugelassenen Anwalts bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber - vorliegend aber auch generell - keine anwaltliche Tätigkeit ist, entspricht der Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG sowie des BGH.

Das BVerfG war mit der Frage befasst, ob die Tätigkeit als "Syndikus in abhängiger Stellung" (konkret ging es um Rechtsberatung von Vereinsmitgliedern, die so auch durch einen Rechtsanwalt hätte erbracht werden können), der daneben in selbstständiger Stellung ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt entgegensteht. Dies hat es unter anderem unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber vermeiden wollte und durfte, dass die zu beratenden Personen (Vereinsmitglieder) sich darüber irren, ob sie von einem Rechtsanwalt oder "nur" von einem "Syndikus" beraten werden. Dazu hat das BVerfG eine Berufszulassungsregelung für verfassungswidrig angesehen, weil eine (weniger belastende) Berufsausübungsregelung genüge. Es hat damit aber zugleich festgestellt, dass eine durch einen Rechtsanwalt in der Funktion als angestellter "Syndikus" vorgenommene Rechtsberatung (konkret: von Vereinsmitgliedern) grundsätzlich keine anwaltliche Tätigkeit ist. Ansonsten hätte der einfache Hinweis genügt, dass der "Syndikusanwalt" auch als solcher anwaltlich tätig wird. Eine Berufsausübungsregelung wäre nicht erforderlich gewesen. In weiteren Fällen hat das BVerfG die "Doppelberufe als Rechtsanwälte und Vertreter gewerblicher Unternehmen" hervorgehoben und dabei eine sorgfältige Prüfung von Interessenkollisionen und Berufspflichtverletzungen betont. Auch dies wäre nicht notwendig gewesen, wenn "Syndikusanwälte" auch als "Syndizi" anwaltlich tätig würden (Entscheidungen vom 4.11.1992, Az 1 BvR 79/85, 1 BvR 643/87, 1 BvR 442/89, 1 BvR 239/90, 1 BvR 1258/90, 1 BvR 772/91, 1 BvR 91, 1 BvR 909/91, Rdnr 128f).

Damit spricht das BVerfG - anders als manche Stimmen in der Literatur es verstehen (so ua: Stellungnahme des DAV für eine Ànderung von § 46 BRAO "zur KlarsteIlung und Konkretisierung des Berufsbilds von Syndikusanwälten", http://www.anwaltverein.de/downloads/Stellungnahmen-11/SN-42-12.pdf) - deutlich aus, dass ein "Syndikusanwalt" als "Syndikus" keine anwaltliche Tätigkeit ausübt und daher wegen dieser Tätigkeit auch nicht zur Anwaltschaft zugelassen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Senats irreführend, von "Syndikusanwälten" zu sprechen, weil der Begriff zu der Annahme verleitet, der "Syndikus" sei (auch) in dieser Funktion Anwalt und nicht - was er tatsächlich ist - Unternehmens-, Betriebs- oder Verbandsjurist.

Es besteht auch nicht etwa Anlass zur Annahme, das BVerfG könnte seine 1992 geäußerte Rechtsauffassung zum "Syndikusanwalt" inzwischen geändert haben. Das BVerfG hat noch unter dem 30.6.2009 (Az 1 BvR 893/09) die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde ausdrücklich damit begründet, dass durch die Entscheidung des Jahres 1992 (weiterhin) geklärt sei, "unter welchen Voraussetzungen Tätigkeiten von Rechtsanwälten in einem Zweitberuf aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem Anwaltsberuf zu einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit führen können", also nicht nur keine anwaltliche Tätigkeit darstellen, was vorliegend bereits genügen würde, sondern einer solchen Tätigkeit sogar entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die von Anwälten und dem DAV geforderte Gesetzesänderung verfassungsrechtlich problematisch. Sie berücksichtigt nicht die vom BVerfG in seinen Entscheidungen betonte und durch §§ 1, 3 Abs 1, 7 Nr 8 sowie 14 Abs 2 Nr 8 BRAO ausdrücklich geforderte und geschützte (generell abstrakte) Unabhängigkeit des einzelnen Anwalts. Diese stellt zur Óberzeugung des BVerfG die notwendige Vertrauensgrundlage in die Rechtsanwaltschaft insgesamt dar, die wiederum wesentlicher Teil der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sei, also eines der wichtigsten Verfassungsgüter überhaupt (BVerfG, Az 1 BvR 79/85, 1 BvR 643/87, 1 BvR 442/89, 1 BvR 239/90, 1 BvR 1258/90, 1 BvR 7721/91, 1 BvR 91, 1 BvR 909/91, insbes juris-Rdnr 111, 112).

Der Rechtsprechung des BVerfG folgend lässt der BGH in ständiger Rechtsprechung für nichtanwaltliche Arbeitgeber tätige Volljuristen (Unternehmens-/Betriebs-/Verbandsjurist) ausschließlich für und wegen ihrer Zweittätigkeit als (selbstständige) Anwälte zur Anwaltschaft zu, nicht aber für und wegen ihrer juristischen (aber nichtanwaltlichen) Tätigkeit für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Trotz abhängiger Beschäftigung anwaltlich tätig werden können nach zutreffender Auffassung des BGH nur bei Rechtsanwälten angestellte, für diese Tätigkeit zur Anwaltschaft zugelassene Volljuristen (BGH, Urteil vom 10.10.2011, Az AnwZ (Brfg) 7/10 Rdnr 18; BGH, Beschluss vom 4.11.2009, Az AnwZ (B) 16/09; BGH, Beschluss vom 7.2.2011, Az AnwZ (B) 20/10, juris-Rdnr 6 mwN; so ausdrücklich auch das LSG NRW, Urteile vom 19.3.2004 und 22.8.2005, Az L 4 RA 12/03 und L 3 RA 72/04, sowie im Umkehrschluss aus dem Ausschluss anwaltlicher Tätigkeit von Juristen bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern das BVerfG aaO und der EuGH, Urteil vom 14.9.2010 Rdnr 46 ff).

Nur in dieser Konstellation unterliegen die Arbeitgeber ebenfalls dem anwaltlichen Berufsrecht, dessen Einhaltung sie auch für die Tätigkeit der angestellten Rechtsanwälte sicherstellen müssen. Eine Interessenkollision besteht nicht: Die Tätigkeit des angestellten Anwalts erfordert unproblematisch die Befähigung zum Richteramt, § 4 BRAO. Auch die weiteren Vorschriften der BRAO betreffend das anwaltliche Tätigwerden (Verschwiegenheit, Kanzleipflicht, Führen von Anwaltsakten, Haftpflichtversicherung etc) können und werden regelhaft ohne weiteres von angestellten Anwälten mit anwaltlichen Arbeitgebern erfüllt. Die anwaltliche Tätigkeit der angestellten Anwälte erfolgt auch nicht maßgeblich für den anwaltlichen Arbeitgeber, sondern für den jeweiligen Mandanten (BGH, Urteil vom 10.10.2011, Az AnwZ (Brfg) 7/10 Rdnr 18; BGH, Beschluss vom 4.11.2009, Az AnwZ (B) 16/09; BGH, Beschluss vom 7.2.2011, Az AnwZ (B) 20/10, Rdnr 6 mzwN).

Zu berücksichtigen ist endlich, dass auch der EuGH einen für ein Unternehmen tätigen Juristen/"Syndikusanwalt" nach niederländischem Recht nicht als (Voll-) Anwalt bzw "externen Anwalt" ansieht und ihm daher nicht die für einen solchen (Voll-) Anwalt/externen Anwalt geltenden Rechte zugesteht (Urteil vom 14.9.2010, C-550107 P, Rdnr 46 ff). Dabei entsprechen die tragenden Argumentationslinien denjenigen des BVerfG, des BGH und des Gesetzgebers bei Schaffung des §§ 1, 3 Abs 1 und 46 Abs 2 BRAO: Besondere Rechte als Organ der Rechtspflege können nur externen Anwälten zustehen. Nur sie verfügen über die notwendige Unabhängigkeit, die die Gewährung solcher Rechte rechtfertigt.

II. Einen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung kann die Klägerin schließlich nicht aus den Verwaltungsrichtlinien der Beklagten iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) herleiten. Selbst wenn zahlreiche andere Versicherte bei vergleichbarer Sach- und Rechtslage von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - rechtswidrig - befreit worden sind, ergibt sich daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung. Denn es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht (BVerfGE 50, 142, 166; BVerfG Beschluss vom 12.7.2007, Az 1 BvR 1616/03; BSG, Beschluss vom 9.12.1999, Az B 9 V 61/99 B). Dem Gesetz widersprechende Verwaltungsvorschriften sind rechtswidrig, haben schon deshalb keine normative (Außen-)Wirkung und können folglich Ansprüche praeter bzw contra legem nicht begründen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.

IV. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs 2 SGG.






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 11.06.2013
Az: L 18 R 843/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/47b80787ec7f/LSG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_11-Juni-2013_Az_L-18-R-843-11




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