Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 271/04
(BPatG: Beschluss v. 05.02.2007, Az.: 30 W (pat) 271/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung OhneBrille für folgende Waren und Dienstleistungen: "Apparate zum besseren Sehen; Ärztliche Instrumente und Apparate zur Sehverbesserung; Medizinische Dienstleistungen zur Sehverbesserung ohne Sehhilfen".
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil sie vom Verkehr nur als Werbeslogan in dem lediglich werblich beschreibenden Sinn verstanden werde, dass die betreffenden Produkte bzw. Dienstleistungen dazu dienten, ein Sehen ohne Brille, also eine Sehhilfe ohne Einpassungsarbeiten für Gläser und Gestell, zu ermöglichen; die Binnengroßschreibung sei werbeüblich und damit nicht schutzbegründend.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Er meint mit näheren Ausführungen insbesondere, dass die Anmeldung nicht hundertprozentig beschreibend sei, weil ohne Brille auch durch andere Produkte/Verfahren das Sehen ermöglicht werden könne (Kontaktlinsen, Laser); zudem sei das Markenwort mehrdeutig, da auch an eine Toilettenbrille gedacht werden könne; zahlreiche vergleichbare Marken seien eingetragen worden.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache ohne Erfolg. Die Bezeichnung OhneBrille ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke in ihrer Gesamtheit durch einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 (Nr. 41) - Linde u. a.; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 50) - Henkel; MarkenR 2005, 391, 393 (Nr. 28, 29) - BioID).
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung zwar vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; WRP 2004, 1173, 1174 m. w. N. - URLAUB DIREKT; EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) - Postkantoor).
Jedoch ist das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht auf konkrete Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibende Angaben beschränkt (vgl. EuGH a. a. O. - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 19) - BIO-MILD; BGH a. a. O. - Cityservice). So fehlt einer Wortmarke u. a. auch dann die Unterscheidungskraft, wenn sich ihr Aussagegehalt in einer bloßen Anpreisung oder Werbeaussage allgemeiner Art erschöpft (vgl. BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it.; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Dies gilt in gleicher Weise für Wortmarken in Form von Slogans, wie die vorliegende Anmeldemarke einen darstellt. Wenngleich an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige Arten von Zeichen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen (vgl. EuGH a. a. O. - Postkantoor; GRUR 2004, 1027, 1029 (Nr. 32-35) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2005, 417 ff., - BerlinCard; BGH a. a. O. - marktfrisch; BGH a. a. O. - Cityservice; BGH a. a. O. - Test it.; BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2001 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; BPatG BlPMZ 2001, 155 - HAPPINESS; EuG GRUR Int. 2003, 834, 835 f. (Nr. 29, 30) - BestBuy; GRUR Int. 2004, 944, 946 (Nr. 29-32) - Mehr für Ihr Geld). Als ein derartiger nicht unterscheidungskräftiger werblicher Slogan, dem die angesprochenen Verkehrskreise für die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen der Anmeldung lediglich eine im Vordergrund stehende anpreisende Aussage, nicht jedoch die Funktion eines betrieblichen Herkunftshinweises zuordnen werden, ist die angemeldete Wortfolge zu bewerten.
Das Wort "Ohne" bringt zum Ausdruck, dass etwas nicht vorhanden oder nicht mit etwas ausgestattet ist (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. S. 1159); eine "Brille" ist ein vor den Augen getragenes Gestell, das der Verbesserung der Sehkraft oder dem Schutz der Augen dient (vgl. Duden a. a. O. S. 316).
Die allgemein verständliche deutschsprachige Wortfolge OhneBrille bringt werblich anpreisend und schlagwortartig zum Ausdruck, dass hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen "Apparate zum besseren Sehen; Ärztliche Instrumente und Apparate zur Sehverbesserung; Medizinische Dienstleistungen zur Sehverbesserung ohne Sehhilfen" nach Beschaffenheit/Gegenstand die Sehverbesserung ohne Zuhilfenahme einer Brille erreicht werden soll. Die Wendung "ohne Brille" wird in Slogans häufig verwendet, wenn es um Sehverbesserung durch Augenlaser oder Augenübungen geht; insoweit wird auf die dem Anmelder mit der Ladung übersandten Nachweise Bezug genommen (ein Leben ohne Brille; besser sehen ohne Brille; der Traum vom Leben ohne Brille; klar sehen ohne Brille; Korrektur von Fehlsichtigkeit ohne Brille; 100% Sehkraft ohne Brille). Beachtliche Teile der angesprochenen inländischen Durchschnittsverbraucher werden die Anmeldung OhneBrille damit nur als eine allgemeine Werbeanpreisung auffassen und dieser angemeldeten Marke keine individualisierende, die Unterscheidungskraft begründende Eigenart beimessen.
Der Annahme einer allgemein werblichen Anpreisung steht nicht entgegen, dass der Ausdruck OhneBrille keine konkrete Aussage darüber enthält, wie im Einzelnen die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen beschaffen sind. Denn bereits in der Aussage als solcher liegt eine zwar allgemeine, gleichwohl aber klare und unmissverständliche Werbebotschaft (vgl. zur Frage der begrifflichen Bestimmtheit allgemein beschreibender Angaben i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH a. a. O. - Bücher für eine bessere Welt; vgl. auch BGH a. a. O. - Cityservice; BGH a. a. O. - marktfrisch). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass Sehverbesserung beispielsweise durch Produkte wie Kontaktlinsen erreicht werden kann.
Soweit der Anmelder - wohl scherzhaft - meint, die angemeldete Marke sei in der Bedeutung diffus, weil mit dem Wort "Brille" auch eine Toilettenbrille gemeint sein könne, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach der Rechtsprechung kann das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bereits dann gegeben sein, wenn die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine (eindeutige) Aussage mit beschreibendem Charakter entnehmen (BGH GRUR 2005, 257, 258 - Bürogebäude). Das ist hier der Fall, denn in Verbindung mit den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist es ausgeschlossen, dass die Verkehrskreise einen Bezug zu Toilettenbrillen herstellen könnten.
Auch die Wiedergabe durch Binnengroßschreibung macht die angemeldete Wortfolge nicht als Marke schutzfähig. Es handelt sich hierbei um ein in der Werbung verbreitetes Stilelement (vgl. BGH GRUR 2003, 963, 965 - AntiVir/AntiVirus), das lediglich zur Verdeutlichung und leichteren Lesbarkeit der Zusammensetzung dient und damit eine vergleichbare Funktion wie ein Bindestrich hat.
Der Anmelder kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine seiner Meinung nach abweichende Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts berufen. Abgesehen davon, dass die genannten Marken anders aufgebaut sind, andere Waren-/Dienstleistungssektoren betreffen und - jedenfalls zum Teil - auf Grundlage einer inzwischen veränderten Rechtsprechung oder eines abweichenden Erkenntnisstandes eingetragen worden sein dürften, erwächst selbst aus inländischen Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 - Autofelge; BlPMZ 1998, 248, 249 - Today; vgl. auch EuGH GRUR 2004, 428, 431 f. - Nr. 60 ff. - Henkel; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1015 - Nr. 47 - BioID).
Ob der Eintragung der angemeldeten Kennzeichnung darüber hinaus der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann dahingestellt bleiben.
BPatG:
Beschluss v. 05.02.2007
Az: 30 W (pat) 271/04
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